01 Originalarbeit

Präventionsleistungen – ein Angebot der gesetzlichen Rentenversicherung

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Karin Klopsch

In der Öffentlichkeit steht die gesetzliche Rentenversicherung für die Zahlung von Alters- bzw. Erwerbsminderungsrenten. Auch die Gewährung von Rehabilitationsleistungen – entsprechend dem Grundsatz „Reha vor Rente“- ist vielen bekannt. Dass Präventionsleistungen zum Portfolio der gesetzlichen Rentenversicherung gehören, ist wenigen bewusst.

Dabei kann die Rentenversicherung seit 2009 verhaltensorientierte Präventionsleistungen für Versicherte erbringen. Entsprechende Ansätze wurden von der Rentenversicherung zunächst in Modellprojekten erprobt und vom Institut für Rehabilitationsforschung Norderney e. V. mit positivem Ergebnis evaluiert. (Greitemann B, Karoff M, Fröhlich S, Kittel J, Kruse N: Beschäftigungsfähigkeit teilhabeorientiert sichern, Betsi, Machbarkeitsstudie und Evaluation, IfR Norderney e. V. , 06/2012)

Seit dem 1. Januar 2017 wurden die Präventionsleistungen durch das Flexirentengesetz aus den sonstigen Leistungen des § 31 SGB VI (Abs. 1 Nr. 2) herausgelöst und in einer eigenen Vorschrift § 14 SGB VI geregelt. Sie wurden damit von Ermessensleistungen zu Pflichtleistungen weiterentwickelt.

Durch eine möglichst frühzeitige Intervention soll das Grundprinzip des Vorrangs der Prävention gemäß § 3 SGB IX im Rahmen der Aufgabenstellung der gesetzlichen Rentenversicherung verwirklicht werden. Die Leistungen sollen drohenden Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten vorbeugen und deren Teilhabe am Arbeitsleben sichern.

Voraussetzungen

Die Präventionsleistungen der gesetzlichen Rentenversicherung sind an die Erfüllung von persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gebunden. Die Leistungen kommen für Beschäftigte in Betracht, die zwar noch nicht psychisch oder organisch erkrankt sind, die jedoch nach ärztlicher Feststellung erste gesundheitliche Beeinträchtigungen aufweisen, die die ausgeübte Beschäftigung gefährden. Dies sind beispielsweise:

  • beginnende Funktionsstörungen der Bewegungsorgane,
  • psychische Beeinträchtigungen,
  • beginnende Funktionsstörungen verschiedener Organsysteme,
  • Störungen der Atemwege, die zur Chronizität neigen.

Versicherte mit manifesten Befunden, bei denen bereits umfangreiche therapeutische Leistungen erforderlich sind, scheiden für Präventionsleistungen aus. Für sie sind erforderlichenfalls medizinische Leistungen zur Rehabilitation zu veranlassen.

Um die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zu erfüllen, reichen z. B. sechs Monate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten zwei Jahren vor Antragstellung aus.

Ablauf

Die verhaltensorientierten Präventionsleistungen der gesetzlichen Rentenversicherung gliedern sich in vier Abschnitte. Einige Abschnitte finden in einer Rehabilitationseinrichtung statt, andere sind in den beruflichen Alltag integriert.

Die Prävention beginnt mit der Initialphase, die nur wenige Tage dauert. Sie wird stationär oder ganztätig ambulant in einer von der Rentenversicherung zugelassenen Rehabilitationseinrichtung durchgeführt. In einer Eingangsuntersuchung werden die gesundheitlichen Risiken festgestellt und die individuellen Präventionsziele in einem Trainingsplan dokumentiert. In ersten Vorträgen und Trainingseinheiten wird ein Einblick vermittelt, wie die Gesundheit durch gesunde Ernährung, Entspannungsübungen und regelmäßige Bewegung positiv beeinflusst werden kann.

Die anschließende Trainingshase wird berufsbegleitend durchgeführt und dauert bis zu drei Monate. An ein bis zwei Terminen in der Woche werden in der Gruppe die neuen Strategien erprobt und vertieft.

Die nachfolgende Eigeninitiativphase schließt direkt an die Trainingsphase an und sollte mit den erlernten Strategien fester Bestandteil des täglichen Lebens und des beruflichen Alltags werden.

Nach ca. drei Monaten der Eigeninitiativphase treffen sich die Teilnehmer für einen oder mehrere Tage noch einmal in der Gruppe, um Bilanz zu ziehen. In dieser Auffrischungsphase sollen eventuell aufgetretene Probleme besprochen und möglichst gelöst werden.

Kosten

Die Kosten für die Durchführung der Präventionsleistung werden von der gesetzlichen Rentenversicherung getragen. Eine Zuzahlung ist von den Teilnehmern nicht zu leisten. Für die Hin- und Rückfahrt zwischen dem Wohnort und der Reha-Eirichtung werden für die stationäre Initial- und Auffrischungsphase Fahrkosten für öffentliche Verkehrsmittel unter Beachtung der günstigsten Tarife für die 2. Klasse übernommen. Bei einer ambulanten Initial- und Auffrischungsphase und der berufsbegleitenden Trainingsphase wird pro Termin eine Fahrkostenpauschale von fünf Euro erstattet, wenn tatsächlich Fahrkosten angefallen sind.

Für die Dauer der ganztägig ambulanten oder stationären Initial- und Auffrischungsphase besteht – wie bei einer Rehabilitation – Anspruch auf Entgeltfortzahlung gem. § 9 Abs.1 Entgeltfortzahlungsgesetz.

Die Trainingsphase findet berufsbegleitend in der Freizeit statt.

Antragstellung

Um eine Präventionsleistung durchführen zu können, ist ein kurzer Antrag des Versicherten mit einem Befundbericht notwendig. Der Hausarzt bzw. der Betriebs- oder Werksarzt kann den Präventionsbedarf im ärztlichen Befundbericht bescheinigen. Die notwendigen Antragsvordrucke stehen unter praevention.drv.info zur Verfügung.

Optimal ist es, wenn Arbeitgeber bzw. Betriebs- oder Werksärzte mit einer in der Nähe des Betriebs liegenden Präventionseinrichtung zusammenarbeiten und bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv für die Inanspruchnahme der Präventionsleistungen werben. In allen Fragen zu den Präventionsleistungen steht den Unternehmen der Firmenservice der Deutschen Rentenversicherung als Ansprechpartner zur Verfügung. Sie erreichen den Firmenservice unter der kostenlosen bundesweiten Telefonhotline 0800 1000 453 oder per Mail an:

firmenservice@deutsche-rentenversicherung.de

Präventionsleistungen anderer Sozialversicherungsträger

Kranken- und Unfallversicherung bieten ebenfalls ein breites Leistungsspektrum, um Betriebe zu unterstützen. Die Präventionsangebote der Krankenversicherung setzen im Bereich der Gesundheitsvorsorge an und damit früher als die Präventionsleistungen der Rentenversicherung. Die gesetzliche Unfallversicherung bietet zur Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren Beratungsleistungen zum Arbeitsschutz und zur Arbeitssicherheit an.

Mit dem 2015 in Kraft getretenen Präventionsgesetz will der Gesetzgeber die Zusammenarbeit der Sozialversicherungsträger bei der Prävention und Gesundheitsförderung weiter stärken. Dazu hat er die Sozialversicherungsträger verpflichtet, gemeinsam eine nationale Präventionsstrategie zu entwickeln und fortzuschreiben.

In der nationalen Präventionsstrategie arbeitet die Rentenversicherung mit Unfall- und Krankenversicherung zusammen. Gemeinsame Ziele und Handlungsfelder der Sozialversicherungsträger wurden in einer Bundesrahmenempfehlung beschrieben. Diese wurde in den einzelnen Bundesländern in Landesrahmenvereinbarungen umgesetzt. Hier geht es darum, Präventionsleistungen zu vernetzen und aufeinander abzustimmen.

Kooperation

Um die Zusammenarbeit in Sachen Prävention weiter zu fördern, haben die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung eine gemeinsame Erklärung „Starke Partner für gesundes Leben und Arbeiten“ abgeschlossen. Ziel der Erklärung ist es, die Zusammenarbeit bei der Beratung von Unternehmen durch gemeinsame Handlungsfelder zu koordinieren. In bundesweiten Modellprojekten werden Unternehmen gemeinsam beraten, um Erfahrungen zu gewinnen, wie die Präventionsleistungen miteinander vernetzt werden können. In einzelnen Modellprojekten ist auch jeweils ein Krankenversicherungsträger beteiligt. Gemeinsame Workshops von Renten-, Unfall- und ggf. Krankenversicherung dienen der gegenseitigen Bekanntmachung der Leistungsangebote und des Kennenlernens der Akteure vor Ort. Denn nur, wenn die Mitarbeitenden die Präventionsansätze, Handlungsfelder und Maßnahmen des Kooperationspartners kennen, können sie eine Lotsen- und Wegweiserfunktion gegenüber dem Betrieb wahrnehmen. Da hier ein entscheidender Erfolgsfaktor in der Kooperation liegt, werden die Aus- und Weiterbildungsangebote von Renten- und Unfallversicherung um Module zu den Leistungen anderer Sozialversicherungsträger ergänzt.


Autor:

Karin Klopsch

Deutsche Rentenversicherung Bund

Abteilung Rehabilitation

Dezernat 8030 H 1358

10713 Berlin

karin.klopsch@drv-bund.de

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