Die weltweit rasch zunehmende Infektionsrate mit COVID 19 verunsichert und beängstigt alle Kreise der Bevölkerung. Eine Beratung auf der Grundlage der wissenschaftlichen Evidenz ist dabei unabdingbar. Die arbeitsmedizinische Kompetenz ist in dieser Zeit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer wichtiger denn je. Alle Betriebsärzte sollten sich aktiv in Krisenstäbe, die in vielen Betrieben eingerichtet wurden, einbringen. Gerade bei der Vielzahl von Falschinformationen, die zurzeit in den verschiedenen Medien verbreitet werden und nicht Fachkundige erheblich verunsichern, ist es wichtig, sachkompetent und evidenzbasiert zu beraten. Wichtiger denn je ist es, gerade im Hinblick auf das Infektionsrisiko bei der Gefährdungsbeurteilung federführend mitzuwirken und dabei auch besonders gefährdete Personengruppen zu berücksichtigen. Insbesondere wenn anzunehmen ist, dass das Infektionsrisiko durch die berufliche Tätigkeit größer ist als in der allgemeinen Umwelt, müssen adäquate Schutzmaßnahmen vorgeschlagen werden. Auch hier besteht angesichts des vielfältigen Angebots zweifelhafter Wirksamkeit Aufklärungsbedarf.
Wissenschaftlich abgesicherte Empfehlungen für die Gestaltung eines Home-Office Arbeitsplatzes sind nicht vorhanden und werden auch in der aktuellen Krise nicht mit der erforderlichen arbeitsmedizinischen Evidenz aufgestellt werden können. Generelle Regeln für Büroarbeitsplätze sollten hier jedoch – soweit wie möglich – Berücksichtigung finden. Auch der im Home-Office arbeitende Beschäftigte muss wissen, dass er einen Betriebsarzt hat, den er bei (arbeits)medizinischen Fragen um Rat fragen kann.
In Zeiten des hohen Infektionsrisikos ist es erforderlich, Entscheidungen zur Durchführung der arbeitsmedizinischen Vorsorge mit der erforderlichen Flexibilität zu treffen. Ziel der Verordnung
zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) ist es, durch Maßnahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge arbeitsbedingte Erkrankungen einschließlich Berufskrankheiten frühzeitig zu erkennen und zu verhüten. Arbeitsmedizinische Vorsorge soll zugleich einen Beitrag zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und zur Fortentwicklung des betrieblichen Gesundheitsschutzes leisten. Insbesondere in Zeiten der aktuellen Pandemie ist die arbeitsmedizinische Beratung von besonderer Bedeutung. Diese lässt sich gegebenenfalls auch mittels Videosprechstunde oder telefonisch durchführen. Die Indikation zum Untersuchungsangebot wird nicht ohne Berücksichtigung des Infektionsrisikos für alle Beteiligte getroffen werden können. Eine Patentlösung kann es hier nicht geben, viel mehr ist in jeder Situation die arbeitsmedizinische Entscheidung individuell zu treffen. Gleichwohl muss darauf verwiesen werden, dass auch in der Coronakrise Verordnungen nicht außer Kraft gesetzt werden. Dies trifft für die ArbMedVV gleichermaßen
zu wie beispielsweise für die Straßenverkehrsordnung oder die Approbationsordnung.
Wir müssen unsere betrieblichen Versorgungsstrukturen weiter stabilisieren, damit sie nach der aktuellen Pandemie belastbar sind. Schon jetzt sollten Arbeitsmediziner und Betriebsärzte Vorkehrungen für ein hoffentlich bald zur Verfügung stehendes Impfangebot treffen. Neben COVID 19, ist anzunehmen, dass die Nachfrage für Grippe- und Pneumokokken-Schutzimpfungen größer sein wird als in der Vergangenheit.