Beide Aspekte der Interaktion – Häufigkeit und Qualität – beeinflussen mutmaßlich die Beziehung zwischen Betriebsarzt und Beschäftigten.
Die Frage nach der Häufigkeit der Kontakte zum Betriebsarzt wurde in mehrjährigen Abständen unter leicht wechselnden epidemiologischen Gesichtspunkten für die Beschäftigten in Deutschland und die Betriebe in Deutschland beantwortet:
Für den Zeitraum 2001–2009 geht man für Deutschland von einer Betreuungsquote von 10 % der Beschäftigten pro zwölf Monate aus. [1]
Die GDA -Evaluation geht für 2011 von einer betriebsärztlichen Betreuung in 38% der Betriebe und für 2015 in 35% der Betriebe für das Jahr 2015 aus. [2]
Eine aktuelle Teilauswertung der lidA Studie [3] für eine repräsentative Stichprobe der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten der Geburtenjahrgänge 1959 und 1965 in Deutschland geht von einem Abdeckungsgrad mit Betriebsärztlicher Versorgung von 62,1 % der Gesamtstichprobe aus. 24,6% der Befragten gaben an, in den letzten 12 Monaten Kontakt zu ihrem Betriebsarzt gehabt zu haben.
Die Initiatoren der lidA Studie sehen aktuell weiteren Forschungsbedarf zur Differenzierung der betriebsärztlichen Versorgungslage nicht nur in Bezug auf die Häufigkeit der Kontakte, sondern insbesondere auch in Bezug auf die Qualität der Kontakte, die Art der Kontakte sowie Aspekte von Überversorgung, Unterversorgung und Fehlversorgung. Eine generelle Unterversorgung sehen sie anhand ihrer Daten nicht.
Die Notwendigkeit der Aufklärung von Quantität und Qualität der aktuellen betriebsärztlichen Versorgung ergibt sich aber u.a. auch deshalb, da mit dem seit 2015 in Kraft getretenen Präventionsgesetz sich auch Möglichkeiten eröffnen, die betriebsärztliche Versorgung in Richtung eines individuellen diagnostisch/therapeutischen Arzt Patienten Kontaktes hin weiterzuentwickeln. Die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin äußert sich positiv im Sinne einer Ausweitung von Präventionsmaßnahmen durch Betriebsärzte [4].
Es stellt sich anhand der bisher vorliegenden Daten die Frage, ob Quantität und Qualität der Kontakte zwischen Betriebsarzt und Beschäftigten in Deutschland schon so weit entwickelt sind, dass der Zugang zur betriebsärztlichen Versorgung auch im Sinne eines individuellen diagnostisch therapeutischen Arzt-Patienten-Kontaktes genutzt werden kann. Dann würde tatsächlich die realistische Chance bestehen, dass die Möglichkeiten des Präventionsgesetzes aktuell und zukünftig voll ausgeschöpft werden können.
Quantität und Qualität betriebsärztlicher Versorgung aus Sicht der Beschäftigten sind Thema dieses Beitrages.
Dabei ist in diesem Beitrag die „Quantität“ der Kontakte definiert als die Häufigkeit betriebsärztlicher Kontakte sowohl in den letzten 3 Jahren als auch im gesamten bisherigen Berufsleben der Personen im „erwerbsfähigen Alter zwischen 16 und 66 Jahren“.
Die „Qualität“ der Kontakte ist definiert über eine Auswahlliste von 21 Aussagen, die möglichen Kontakte und auch deren Auswirkungen, die ein Beschäftigter mit seinem Betriebsarzt erlebt haben könnte. Diese Zahl von möglichen Kontakten ist der Vielzahl der Rollen geschuldet, die der Betriebsarzt im Kontakt mit dem Beschäftigten einnehmen kann, und die die Beziehung zwischen Betriebsarzt und Mitarbeiter beeinflussen kann. [5]
Die „Qualität“ umfasst in diesem Artikel jedoch nicht den subjektiven Eindruck eines Beschäftigten nach einem konkreten Termin beim Betriebsarzt. Es geht also nicht um die „Zufriedenheit“ mit einem konkreten Kontakt.
Dieser Beitrag dient zur Klärung von drei Fragen:
- Wer hatte überhaupt schon Kontakt zum Betriebsarzt und wie viele Personen hatten innerhalb des letzten Jahres Kontakt zu einem Betriebsarzt?
- Welche Arten von Kontakten haben mit welchen Konsequenzen stattgefunden?
- Wie oft werden „Untersuchung“ und „Impfung“ als Anlass des Kontaktes angegeben?
Methoden
Studiengrundlage sind die Daten aus einer Befragung in eine der regelmäßigen Omnibus-Umfragen des Allensbach Institutes. Diese stellt eine Mehrthemenumfrage dar, bei der Studienfragen verschiedener Auftraggeber für eine zeitlich begrenzte Befragungswelle zusammengestellt werden.
Die Studienpopulation besteht aus einer Stichprobe von 1222 Befragten der deutschsprachigen Wohnbevölkerung. Die soziodemographischen Charakteristika für die zu befragenden Personen werden nach dem Verfahren der Quotenstichprobe ermittelt. [6]
Die Interviewmaterialien wurden inhaltlich für diese Befragung von konzipiert. Die Möglichkeiten der Präsentation der Interviewmaterialien wurden vom Allensbach Institut empfohlen. Dies gilt insbesondere für die Präsentation der
21 Kontaktmöglichkeiten zum Betriebsarzt auf Karten, aus denen die Befragten auswählen konnten.
In der Durchführung der Befragung werden die Möglichkeiten des persönlichen Interviews genutzt. So werden den Befragten auch visuelle Medien, z.B. Auswahllisten oder Auswahlkarten, vorgelegt.
Zeitraum der Befragung war 1.bis 13. Februar 2019. Es handelt sich um einen Teil der monatlichen sogenannten Omnibus Umfrage des Allensbach Instituts.
Die Auswertungen in diesem Beitrag beziehen sich auf die Daten der Gruppe der 16 bis 66-jährigen Personen.
Zielsetzung dieser Befragung war die Ermittlung von qualitativen und quantitativen Aspekten Betriebsärztlicher Versorgung in der Wahrnehmung eines repräsentativen Bevölkerungsquerschnitts, der auch bewusst über die Gruppe der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hinaus geht.
Statistische Auswertung:
Wesentlicher Aspekt der Quotenstichprobe ist die Wichtung der erhobenen Daten entsprechend der soziodemographischen Parameter der Wohnbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland. Der Wichtungsfaktor wird vom Allensbach Institut für jede interviewte Person einzeln berechnet und hinterlegt.
Die statistische Auswertung erfolgt mit dem Programm IBM SPSS 25. [7] Die statistische Auswertung erfolgt als χ Quadrat Test 4 Felder Tafeln und dem t Test für unverbundene Stichproben für Mittelwertvergleiche. Es wird ein Signifikanzniveau von p 0,05 als signifikant angenommen. [8]
Ein Ethikvotum der Ärztekammer Westfalen-Lippe zur Durchführung dieser Studie aus dem Jahr 2018 liegt vor. Eine Rückverfolgung von Daten zu konkreten Individuen ist weder für das Allensbach Institut noch für die Beauftragende der Studie möglich.
Studienmotivation: Die Befragung ist Teil eines Promotionsprojektes der Autorin am Lehrstuhl Sozialpsychologie der Universität Köln bei Prof. Dr. D. Fetchenhauer und stellt den Brückenschlag von arbeitsmedizinischen Fragestellungen hin zu Fragen der Vertrauensforschung dar.
Ergebnisse
Die Gesamtstichprobe besteht aus n = 1222 Personen. Diese wurden gemäß einer Quotenstichprobe der Grundgesamtheit der deutschsprachigen Wohnbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland von Interviewerin nach vorgegebenen Kriterien gesucht und interviewt. Die Personendaten gehen mit ihrer soziodemographischen Wichtung der Quotenstichprobe in die Analysen ein.
Diese Gesamtstichprobe wurde zunächst auf die Gruppe der 16 bis 66-jährigen Personen eingegrenzt.
Bei dieser Gruppe der 16 bis 66-jährigen Personen im erwerbsfähigen Alter handelt es sich um n = 932 Personen zwischen 16 und 66 Jahren. Dabei handelt es sich um 459 (49,2%) Männer und 473 (50,8 %) Frauen. Das durchschnittliche Alter der Männer beträgt 42,26 Jahre.
Das durchschnittliche Alter der Frauen beträgt 43,58 Jahre. Auf dem 95% Konfidenzintervall unterscheiden sich diese Geschlechtergruppen nicht in Bezug auf das durchschnittliche Alter ( p, 167)
Von dieser Gruppe wurden die Personen, die sich als Schüler oder Studenten bezeichnen, ausgeschlossen, da diese ja noch nicht am Erwerbsleben teilnehmen. Bei der Gruppe der 16 bis 66-jährigen Personen ohne Schüler und Studenten handelt es sich um n = 868 Personen.
Auf diese Gruppe der 16 bis 66-jährigen Personen n= 868 bezieht sich die Datenauswertung dieses Beitrages. Es handelt sich um 421 (48,5%) Männer und 447 (51,5 %) Frauen.
In der Gruppe der 16 bis 66-jährigen Personen n= 868 fanden sich
n= 421 (48,5%) Männer mit einem Durchschnittsalter von 44,27 Jahren
n= 447 (51,5%) Frauen mit einem Durchschnittsalter von 45, 00 Jahren.
Das Durchschnittsalter von Männern und Frauen war nicht signifikant unterschiedlich. T Test p= 0,430
n=720 (83%) Berufstätige mit einem Durchschnittsalter von 42,61 Jahren
n= 148 (17%) Nicht-Berufstätige mit einem Durchschnittsalter von 54,57 Jahren.
Das Durchschnittsalter von Berufstätigen und Nicht-Berufstätigen war sig. Unterschiedlich. T Test p= 0,000
n=435 (50,1%) hatten jemals Kontakt zum Betriebsarzt. Ihr Durchschnittsalter betrug 46,13 Jahre.
n= 433 (49,9%) hatte noch nie Kontakt zum Betriebsarzt. Ihr Durchschnittsalter betrug 43,15 Jahre.
Personen mit Kontakt zum Betriebsarzt waren signifikant älter als Personen ohne Kontakt. T Test 0,000
Männer hatten im Vergleich zu Frauen häufiger Kontakt zum Betriebsarzt gehabt.
Chi Quadrat Wert 5,341 df 1 p= 0,021 Phi 0,078
Berufstätige hatten im Vergleich zu Nicht-Berufstätigen schon häufiger Kontakt zum Betriebsarzt.
Chi Quadrat Wert 4,066 df 1 p= 0,044 Phi 0,068
Männer waren häufiger berufstätig als Frauen.
Chi Quadrat Wert 13,338 df 1 p= 0,000 Phi 0,124
In der Gruppe der 16 bis 54-jährigen Personen n= 592 fanden sich
n= 297 ( 50,1 %) Männer mit einem Durchschnittsalter von 37,79 Jahren
n= 295 (49,9 %) Frauen mit einem Durchschnittsalter von 37,37 Jahren.
Das Durchschnittsalter von Männern und Frauen war nicht signifikant unterschiedlich. T Test p= 0,627
n=547 ( 97,4%) Berufstätige mit einem Durchschnittsalter von 37,47 Jahren
n= 45 (7,6 %) Nicht-Berufstätige mit einem Durchschnittsalter von 38,89 Jahren.
Durchschnittsalter von Berufstätgn. und Nicht-Berufstätgn. war nicht sig. Unterschiedlich. T Test p= 0,377
n=293 ( 49,5%) hatten jemals Kontakt zum Betriebsarzt. Ihr Durchschnittsalter betrug 39,47 Jahre.
n= 299 ( 50,5%) hatte noch nie Kontakt zum Betriebsarzt. Ihr Durchschnittsalter betrug 35,73 Jahre.
Personen mit Kontakt zum Betriebsarzt waren signifikant älter als Personen ohne Kontakt. T Test 0,000
Männer hatten im Vergleich zu Frauen häufiger Kontakt zum Betriebsarzt gehabt.
Chi Quadrat Wert 9,763 df 1 p= 0,002 Phi 0,128
Berufstätige hatten im Vergleich zu Nicht-Berufstätigen schon häufiger Kontakt zum Betriebsarzt.
Chi Quadrat Wert 7,247 df 1 p= 0,007 Phi 0,111
Männer waren häufiger berufstätig als Frauen.
Chi Quadrat Wert 20,439 df 1 p= 0,000 Phi 0,186
In der Gruppe der 55 bis 66-jährigen Personen n= 276 fanden sich
n= 124 ( 44,9%) Männer mit einem Durchschnittsalter von 59,80 Jahren
n= 152 ( 55,1 %) Frauen mit einem Durchschnittsalter von 59,82 Jahren.
Das Durchschnittsalter von Männern und Frauen war nicht signifikant unterschiedlich. T Test p= 0,943
n=173 (62,9%) Berufstätige mit einem Durchschnittsalter von 58,82 Jahren
n= 102 ( 37,1%) Nicht-Berufstätige mit einem Durchschnittsalter von 61,50 Jahren.
Durchschnittsalter von Berufstätgn. und Nicht-Berufstätgn. war sig. Unterschiedlich. T Test p= 0,000
n=142 ( 51,5 %) hatten jemals Kontakt zum Betriebsarzt. Ihr Durchschnittsalter betrug 59,90 Jahre.
n= 135 (48,5 %) hatte noch nie Kontakt zum Betriebsarzt. Ihr Durchschnittsalter betrug 59,71 Jahre.
Personen mit Kontakt zum Betriebsarzt waren nicht sign. älter als Personen ohne Kontakt. T Test 0,612
Männer hatten im Vergleich zu Frauen NICHT häufiger Kontakt zum Betriebsarzt gehabt.
Chi Quadrat Wert 0,189 df 1 p= 0,663
Berufstätige hatten im Vergleich zu Nicht-Berufstätigen NICHT häufiger Kontakt zum Betriebsarzt.
Chi Quadrat Wert 0,753df 1 p= 0,385
Männer waren NICHT häufiger berufstätig als Frauen.
Chi Quadrat Wert 0,502 df 1 p= 0,479
Aus der Stichprobe der n= 868 erwerbsfähigen Personen im Alter zwischen 16 und 66 Jahren, gaben n= 98 Personen (11,3%) an, innerhalb des letzten Jahres einen Kontakt zum Betriebsarzt gehabt zu haben. waren dies 98 Personen und somit 11,3 % der Gesamtgruppe.
Aus der Gruppe der n=720 erwerbstätigen Personen gaben n= 94 (13,1%) an innerhalb des letzten Jahres Kontakt zum Betriebsarzt gehabt zu haben.
Aus der Gruppe der 148 nicht erwerbstätigen Personen gaben 4 an innerhalb des letzten Jahres Kontakt zu einem Betriebsarzt gehabt zu haben; das sind 2,7 %.
Die Anzahl der Personen, die Angeben, im gesamten Berufsleben noch nicht mit einem Betriebsarzt zu tun gehabt zu haben, liegt bei 433 Personen. Dies sind 49,9% der Stichprobe. Die Abbildung 1 zeigt die Anzahl der Personen pro Alterskategorie und Antwortverhalten jemals Kontakt zum Betriebsarzt (ja / nein).
Erst ab der Altersgruppe der 40 bis 44-jährigen überwiegt die Anzahl der Personen mit Betriebsarztkontakt.
Befragung zu möglichen Kontakten zu einem Betriebsarzt im gesamten bisherigen Berufsleben.
Allen Befragten wurden im letzten Teil des Interviews 21 Auswahlkarten vorgelegt, mit der Aufforderung, diejenigen Karten mit den Ereignissen / Sachverhalten auszuwählen, die in ihrem gesamten bisherigen Berufsleben jemals stattgefunden haben und zwar unabhängig davon, ob sie bisher Kontakt zum Betriebsarzt gehabt hatten oder nicht.
In Tabelle 1 werden diese 21 Aussagen in einer Rangliste aufgelistet und zwar gemäß der Häufigkeit der Nennung in der Gruppe der n= 435 Personen, die angegeben hatten, jemals Kontakt zum Betriebsarzt gehabt zu haben.
In Tabelle 2 wird dargestellt, welche Kontakte mit dem Betriebsarzt korreliert mit dem Merkmal „berufstätig“ zum Untersuchungszeitpunkt.
Es wurden Kreuztabellen Kontakt (ja /nein) und Berufstätig (ja/nein) gebildet und mit Chi Quadrat Tests statistisch ausgewertet. Es wurden insgesamt 84 Kreuztabellen ausgewertet.
In der Gruppe der 55bis 66-jährigen Personen mit Kontakt zum Betriebsarzt sind folgende 3 Aussagen mit dem Status „nicht berufstätig“ korreliert:
- Der Betriebsarzt hat in meinem Betrieb oft gewechselt / Listenplatz 12 von 21, Chi Quadrat Wert 4,390 df 1 p 0,036 Phi – 0,176 kleine Effektstärke
- Der Betriebsarzt hat dafür gesorgt, dass ich eine belastende Tätigkeit nicht mehr machen musste / Listenplatz 14 von 21, Chi Quadrat 15,703 df 1 p 0,000 Phi – 0,334 mittlere Effektstärke
- Ich wurde vom Betriebsarzt zu einem Gespräch beim Arbeitgeber begleitet / Listenplatz 20 von 21, Chi Quadrat 7,812 df 1 p0,005 Phi –0,235 kleine Effektstärke
In der Gruppe der 16–54-jährigen mit Kontakt zum Betriebsarzt sind folgende
2 Aussagen mit dem Status „nicht berufstätig“ korreliert:
- Wegen einer Untersuchung beim Betriebsarzt durfte ich eine bestimmte Arbeit nicht mehr machen. Listenplatz 15 von 21, Chi Quadrat Wert 10,012 df 1 p 0,002 Phi – 0,185 kleine Effektstärke.
- Nach einer Untersuchung beim Betriebsarzt habe ich einmal eine Stelle nicht bekommen. Listenplatz 19 von 21, Chi Quadrat Wert 5,432 df 1 p 0,020 Phi –0,136 kleine Effektstärke
In der Gruppe der 55–66-jährigen ohne Kontakt zum Betriebsarzt ist folgende Aussage mit dem Status „berufstätig“ korreliert:
Durch ein Gespräch mit meinem Vorgesetzten konnte ich die Situation auch ohne Betriebsarzt verbessern.
Listenplatz 10 von 21
Chi Quadrat 7,071Wert df 1 p 0,008 Phi 0,230 kleine Effektstärke.
Zur Häufigkeit von Impfungen und Untersuchungen durch Betriebsärzte kann abgeleitet werden:
Aus der Gesamtstichprobe der n= 868 erwerbsfähigen Personen im Alter zwischen 16 und 66 Jahren gaben n= 143 Personen an, jemals von einem Betriebsarzt geimpft worden zu sein. Das sind 16,5% der Gesamtstichprobe.
Aus der Gesamtstichprobe der n=868 erwerbsfähigen Personen im Alter zwischen 16 und 66 Jahren gaben n=310 Personen an, jemals von einem Betriebsarzt eine Untersuchung erhalten zu haben. Das sind 35,7% der Gesamtstichprobe.
Aus der Gesamtstichprobe der n=868 erwerbsfähigen Personen im Alter zwischen 16 und 66 Jahren gaben n= 29 Personen an, dass ein Betriebsarzt einmal bei ihnen eine Krankheit entdeckt habe, die dann von einem anderen Arzt weiterbehandelt werden konnte. Das sind 3,3% der Gesamtstichprobe.
Diskussion
Dieser Beitrag untersucht anhand von persönlichen Interviews von 1222 Personen einer Quotenstichprobe der Personen ab dem Alter von 16 Jahren der deutschsprachigen Wohnbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland die Häufigkeit und die Qualität betriebsärztlicher Kontakte und zwar unabhängig vom Beschäftigungsstatus der Personen zum Zeitpunkt der Befragung.
Zur Auswertung kommen in diesem Beitrag die Daten der Befragungen von n= 868 Personen im Alter von 16– 66 Jahren. Es werden sowohl die Daten der zum Zeitpunkt der Befragung berufstätigen Personen n= 720 als auch der nicht berufstätigen Personen n= 148 ausgewertet.
Ein Kontakt zum Betriebsarzt innerhalb des letzten Jahres gaben n= 98 Personen (11,3%) aus der Gesamtstichprobe n = 868 Personen an. Dieser Befund ist vergleichbar mit Daten aus vorherigen Studien. [1]
Bemerkenswert ist der Befund, dass n= 433 Personen 49,9% der Personen im Alter zwischen 16–66 Jahren noch niemals im gesamten Berufsleben Kontakt zu einem Betriebsarzt hatten. Das entspricht 49,9% der Gesamtstichprobe von n= 868 Personen.
Erst ab der Altersgruppe der 40 bis 44-jährigen und älter überwiegt die Anzahl der Personen mit Betriebsarztkontakt. Dieser Befund erscheint relevant für die Planung von bevölkerungsweiten Interventionen durch Betriebsärzte.
Die Qualität der Kontakte wurde über eine Liste möglicher Kontakte zum Betriebsarzt abgebildet. Ein Hinweis für die Abbildung der wesentlichen Faktoren ist, dass 91,5% der Personen, die jemals Kontakt zum Betriebsarzt angaben, mindestens 1 Item der Liste auswählten.
Diese Liste wurde allen Interviewten vorgelegt, egal ob Berufstätig oder nicht / Egal ob jemals Kontakt zu Betriebsarzt oder nicht, da viele Sachverhalte der 21 Items sich auch auf die „Abwesenheit“ des Betriebsarztes beziehen.
Es konnte eine Rangliste der Häufigkeiten gebildet werden:
Diese reicht von 66,6% Untersuchung bis 2,1% Ich hätte gern einen Termin gehabt, habe ihn aber nicht bekommen.
Bemerkenswert ist, das problematische Interaktionen bei den „nicht berufstätigen Personen“ mit Kontakt zum Betriebsarzt signifikant häufiger genannt wurden. Auch wenn die Anzahl der Nennungen gering ist, so sind sie doch bedeutsam, da die Nennungen von Personen einer repräsentativen Stichprobe der Bevölkerung erfolgte.
Es handelt sich in der Gruppe der 16 bis 54-jährigen Personen um
- Ich durfte nach einer Untersuchung beim Betriebsarzt eine Tätigkeit nicht mehr machen p 0,002
- Ich habe wegen einer Untersuchung beim Betriebsarzt einmal eine Stelle nicht bekommen p 0,020
Und in der Gruppe der 55 bis 66-jährigen Personen
- Die Betriebsärzte in unserem Betrieb haben oft gewechselt. P 0,036
- Der Betriebsarzt hat dafür gesorgt, dass ich eine belastende Tätigkeit nicht mehr machen musste P 0,000
- Der Betriebsarzt hat mich zu einem Gespräch beim Arbeitgeber begleitet.
P 0,005
Auch wenn die Anzahl der Nennungen gering ist, so sind sie doch bedeutsam, da die Nennungen von Personen einer repräsentativen Stichprobe der Bevölkerung erfolgte.
Positiv ist zu bemerken, dass „das Gespräch des Mitarbeiters mit dem Vorgesetzten zur Klärung von Problemen auch ohne Betriebsarzt“ in der Gruppe der erwerbstätigen 55 bis 66-jährigen Personen signifikant häufiger als bei den „nicht erwerbstätigen“ genannt wurde. Der Bedarf älterer Mitarbeiter nach einem Gespräch wird auch in einer aktuellen Studie hervorgehoben. [9]
Die Anzahl der Personen, die Untersuchung oder Impfung erhalten hatten, ist in Bezug auf die Gesamtstichprobe eher gering. Dies ist zu bedenken, wenn man die Selbstdarstellung der DGAUM „Zugang zu 45 Millionen Beschäftigten“ einmal dazu in Relation setzt. [4]
Limitationen
Die Limitationen einer Querschnittbefragung bleiben bestehen. Es besteht jedoch die Möglichkeit, aktuell laufende Längsschnittstudien mit Fragen aus dieser Studie anzureichern.
Ausblick
Im Hinblick auf die Möglichkeiten der Versorgung großer Teile der 45 Millionen Beschäftigten sollte die Selbstwahrnehmung realistisch bleiben. Selbst wenn es gelänge, die Zahl der Untersuchten zu erhöhen, so bliebe doch zu beobachten, wie sich Nebenwirkungen der Untersuchung in Quantität und Qualität entwickeln würden. Die erhöhte Rate von Untersuchungen könnte auch mit einer erhöhten Rate von Nebenwirkungen einhergehen, die in der Terminologie der Arzneimitteldeklaration als häufig d.h. in 1–10% der Fälle auftretend bezeichnet werden können. [10]
Chancen und Risiken der Betriebsärztlichen Versorgung bei Personen, die von Verlust des Arbeitsplatzes bedroht sind, bedürfen der weiteren Erforschung. Gerade auch hier bleibt an Menschen in prekären Beschäftigungsbedingen zu denken. Soziale Ungleichheit beim Übergang in die Rente ist bereits thematisiert worden. [11]
Nebenwirkungen betriebsärztlicher Versorgung sollten gerade hier vermieden werden. Hier könnten Interviews über die Erwerbsbiographie oder auch Längsschnittstudien zur Aufklärung beitragen.
Standardisierte Datenerhebungen zur Betriebsärztlichen Versorgung könnten daher im Verfahren der Beantragung von Arbeitslosengeld 1 bzw. 2 und auch bei der Beantragung von Erwerbsminderungsrente stattfinden.
Literatur
Schnee M, Mosebach K, Groneberg DA. Welche Erwerbstätigen haben Kontakt zu Betriebsärzten? Zbl Arbeitsmed 2012; 62: 98–103
Nationale Arbeitsschutzkonferenz. 1. Zwischenbericht – Auswertung der Betriebs- und Beschäftigtenbefragung. 2018 Korrigierte Fassung; Stand 2.3.2018 Berlin
Hasselhorn HM, Michaelis M, Kujath P. Die betriebsärztliche Betreuung von Erwerbstätigen – Ergebnisse der repräsentativen
lidA- Studie. ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweldmed 2020; 55: 186–191
Nesseler Th, Rose DM, Tautz A, Letzel S, Kraus Th, Drexler H. Das Präventionsgesetz in der Praxis gestalten: Gesundheitsuntersuchungen durch Betriebsärzte. Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) 2019; Stellungnahme vom 12.06.2019
Plomp HN, Ballast N. Trust and vulnerability
in doctor-patient relations in occupational health. Occupational Medicine 2010; 60: 261–269
Noelle-Neumann E, Petersen Th. Die Quotenmethode. S. 255–281. In: Allem nicht jeder. Einführung in die Methoden der Demoskopie. 4. Auflage. 2005, Springer Verlag, Berlin Heidelberg, 2005.
IBM SPSS Statistics 25. Persönlicher Zugang der Autorin zur Lizenz über die Cardiff
University UK.
Field A. Discovering statistics using IBM SPSS Statistics. 5th edn Sage Edge, London, 2018
Dettmann MM, Hasselhorn HM. Stay at Work – Erhalt von und Wunsch nach betrieblichen Maßnahmen bei älteren Beschäftigten mit gesundheitlichen Einschränkungen in Deutschland. Zbl Arbeitsmed 2020; 70: 66–75
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Bekanntmachung von Empfehlungen zur Gestaltung von Packungsbeilagen nach §11 des Arzneimittelgesetzes (AMG) für Humanarzeinmittel (gemäß §77 Absatz 1 AMG) und zu den Anforderungen von § 22 Absatz 7 Satz 2 AMG (Überprüfung der Verständlichkeit von Packungsbeilagen) vom 14.04.2015.
Hasselhorn HM, Dragano N, Hofäcker N, Wahrendorf M. Soziale Ungleichheit beim Übergang von der Arbeit in den Ruhestand.
Z Gerontol Geriat 2019; 52 (Suppl 1): S1-S2