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Rehabilitation und Rückkehr an den Arbeitsplatz nach einer Krebserkrankung

© Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, 2017

Zusammenfassung

Das Projekt „Rehabilitation und Rückkehr an den Arbeitsplatz nach einer Krebserkrankung – Instrumente und Praktiken“ soll neue Erkenntnisse über die Probleme liefern, vor denen von einer Krebserkrankung betroffene Arbeitnehmer und ihre Arbeitgeber stehen. Darüber hinaus sollen Empfehlungen zu erfolgreichen Instrumenten, Maßnahmen, Programmen und Praktiken abgegeben werden, um die von einer Krebserkrankung betroffenen Arbeitnehmer bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz (RTW, return to work) zu unterstützen.

Jedes Jahr werden in Europa schätzungsweise 3,2 Millionen neue Fälle von Krebserkrankungen diagnostiziert. Etwa die Hälfte davon tritt bei Menschen im erwerbsfähigen Alter auf. Hinsichtlich des Auftretens von Krebserkrankungen gibt es in Europa geografische Unterschiede, die häufigsten Krebserkrankungen sind jedoch Brust-, Darm-, Prostata- und Lungenkrebs. Diese Krebsarten machten 2012 schätzungsweise mehr als die Hälfte aller Krebserkrankungen in Europa aus.1

Der Einfluss von Krebs auf das tägliche Leben eines Menschen ist unmittelbar und einschneidend. In der Regel geht die Diagnose mit langen Fehlzeiten aufgrund medizinischer Behandlungen einher. Doch insgesamt hat sich das Management von Krebserkrankungen in den letzten drei Jahrzehnten verbessert, und daher ist auch insgesamt die Anzahl der Überlebenden einer Krebserkrankung gestiegen.2 Viele Überlebende von Krebserkrankungen kämpfen nach dem Ende der Behandlung langfristig mit Symptomen und Beeinträchtigungen wie Müdigkeit.

Diese Symptome und Beeinträchtigungen können sich auf die Arbeitsfähigkeit der Überlebenden auswirken und den Verbleib auf dem oder Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt erschweren. Forschungen haben ergeben, dass die meisten Überlebenden einer Krebserkrankung in der Lage sind, in der Arbeit zu bleiben oder wieder dorthin zurückzukehren3, aber das Risiko der Arbeitslosigkeit bei Überlebenden von Krebserkrankungen insgesamt 1,4 mal höher ist als bei gesunden Kontrollpersonen4. Eine Optimierung der Rehabilitation und des RTW von Arbeitnehmern ist daher wichtig, um das Wohlergehen dieser gefährdeten Gruppe zu verbessern und die gesellschaftlichen und finanziellen Auswirkungen von Krebserkrankungen auf (europäische) Unternehmen und die (europäische) Gesellschaft insgesamt zu verringern.

Das Projekt

Das Projekt „Rehabilitation und Rückkehr an den Arbeitsplatz nach einer Krebserkrankung – Instrumente und Praktiken“ wird die Politik zum zunehmend wichtiger werdenden Thema Rehabilitation und RTW nach einer Krebserkrankung gestalten und den nationalen Verwaltungen Beispiele für erfolgreiche politische Maßnahmen und Interventionen zur Verfügung stellen. Es ist in sechs Hauptaufgaben untergliedert: 1. Literaturauswert ung zu Rehabilitation und RTW nach einer Krebserkrankung; 2. detaillierte Beschreibungen von politischen Maßnahmen, Systemen, Programmen oder Instrumenten im Bereich der Rehabilitation und/oder RTW mit oder nach einer Krebserkrankung; 3. Fallstudien von Unternehmen; 4. qualitative Forschung mit Sachverständigen und Vermittlern; 5. Abschlussbericht, einschließlich Analyse und Optionen für politische Maßnahmen; 6. Workshop der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) für Interessenträger.

Der Bericht Rehabilitation und Rückkehr an den Arbeitsplatz nach einer Krebserkrankung: Literaturauswertung soll einen Überblick darüber geben, welche Erkenntnisse auf der Grundlage der wissenschaftlichen Literatur vorliegen. Spezifische Ziele der Auswertung:

Auswertung vorhandener Literatur, um Kenntnisse über die Auswirkungen auf Sicherheit und Gesundheit für Arbeitnehmer zu sammeln, die vor allem im Fall eines Berufskrebses nach oder während einer Krebsbehandlung wieder zur Arbeit zurückkehren;

Sammlung von Informationen über weitergehende Fragen, die den Arbeitnehmer betreffen können (Vereinbarkeit von Behandlung und Arbeit, Beschäftigung usw.);

Sammlung von Informationen über die Kosten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, z.B. für Ausfalltage, Anpassung der Ausrüstung, Entschädigung;

Sammlung von Informationen zu Themen, die für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) relevant sind;

Sammlung von Informationen über gute Praxis beispiele von RTW-Maßnahmen.

Auswirkungen von Krebsdiagnose und -behandlung auf Sicherheit und Gesundheit

Der Bericht Rehabilitation und Rückkehr an den Arbeitsplatz nach einer Krebserkrankung: Literaturauswertung berücksichtigt die verfügbare wissenschaftliche Literatur zu Rehabilitation und RTW nach einer Krebserkrankung. Er umfasst eine Übersicht der in der Literatur beschriebenen zur Verfügung stehenden Initiativen, politischen Maßnahmen und Praktiken zur RTW nach einer Krebserkrankung.

Zu den weiteren im Bericht behandelten Fragen aus der Thematik Krebs und RTW gehören Auswirkungen auf Sicherheit und Gesundheitsschutz für Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Gesellschaft, weitergehende Fragen, die den Arbeitnehmer betreffen können, arbeitsplatz– und berufsbedingte Krebserkrankungen, für KMU relevante Aspekte, Synergien zwischen und Rollen von Politikbereichen und (Unternehmens-)Akteuren.

Die im Bericht vorgestellten Ergebnisse basieren auf einem systematischen Ansatz zur Lokalisierung, Identifizierung und Zusammenfassung von Erkenntnissen aus der wissenschaftlichen und grauen Literatur im Bereich Krebs und RTW. Die systematische Methode gewährleistet einen nützlichen Überblick über die wissenschaftliche Evidenz, der über die Meinungen einzelner Experten hinausgeht. Die Methoden beinhalteten eine umfassende Suchsystematik, um relevante Referenzen aus einer Reihe von Datenbanken zu finden. Aus diesen Referenzen wurden bedeutende Artikel ausgewählt und nach vordefinierten Kriterien in den Bericht aufgenommen. Aus den aufgenommenen Artikeln wurden Informationen extrahiert und im Bericht mithilfe eines vordefinierten Datenextraktionsformulars zusammengefasst. Für eine höhere Zuverlässigkeit des Prozesses überprüften zwei Forscher unabhängig voneinander die Referenzen und extrahierten die Informationen aus den Artikeln. Unterschiede in den Ergebnissen wurden erörtert, bis ein Konsens gefunden wurde.

Auswirkungen von Krebsdiagnose und -behandlung auf Sicherheit und Gesundheit

Aus der Literatur geht hervor, dass von einer Krebserkrankung betroffene Arbeitnehmer von verschiedenen Auswirkungen von Krebs und seiner Behandlung auf ihre Gesundheit, darunter seelische, kognitive und körperliche Symptome, berichten. Das in der Literatur am häufigsten angesprochene Symptom ist ein vermindertes Maß an Energie, beschrieben als Müdigkeit oder Erschöpfung und als emotionale Belastung durch den anhaltenden Kampf gegen den Krebs. Dies gilt durchgängig für alle Krebsarten. Andere Auswirkungen von Krebs und seiner Behandlung, von denen berichtet wird, dass sie sich auf die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz auswirken, sind verminderte seelische Gesundheit, einschließlich Depressionen und Angstzustände, verminderte körperliche Funktionsfähigkeit und Symptome, einschließlich Schmerzen, und verminderte kognitive Fähigkeiten, einschließlich Aufmerksamkeits– und Gedächtnisprobleme.

Zu den expliziten beruflichen Auswirkungen, von denen die Autoren berichteten, zählten verminderte Arbeitsproduktivität, Beeinträchtigungen der Arbeitsfähigkeit und verminderte Funktionsfähigkeit am Arbeitsplatz. Dies bedeutet, dass sich Arbeitnehmer, die wegen Krebs behandelt werden, aufgrund eines oder mehrerer dieser Symptome wahrscheinlich krankmelden müssen, weil ihre Arbeitsfähigkeit eingeschränkt ist und es ihnen nicht mehr möglich ist, ihre üblichen Aufgaben zu erfüllen. Diese Symptome können früh im Behandlungsprozess auftreten oder auch jahrelang nach der Diagnose bestehen bleiben, was sie besonders problematisch macht. So können z.B. krebskranke Arbeitnehmer mehrere Jahre nach Diagnose und Behandlung weiterhin an Müdigkeit oder kognitiven Problemen leiden.

Die Literatur bietet eine lange Liste von Faktoren, die bei der Prognose der RTW betrachtet werden. Die Studien, die über diese Faktoren berichten, sind jedoch nicht von ausreichender Qualität, um aussagekräftige Schlussfolgerungen über die Stärke der Auswirkungen zu formulieren. Zu den Faktoren, die eine weniger erfolgreiche RTW vorhersagen, zählen in der Literatur folgende:

soziodemografische Faktoren wie höheres Lebensalter oder niedriger Bildungsstand;

arbeitsplatzbedingte Faktoren wie hohe Anforderungen an körperliche Arbeit, ein nicht unterstützendes Arbeitsumfeld, keine flexiblen Arbeitsbedingungen oder keine Reduktion der Arbeitszeit;

krankheitsbedingte Faktoren, wie z.B. Kopf/Hals -Karzinome, Gehirntumore, Bauchspeicheldrüsen-, Lungen- oder Leberkrebs oder eine fortgeschrittene Erkrankung;

behandlungsbedingte Faktoren wie Chemotherapie, umfangreiche chirurgische Eingriffe oder Hormontherapie;

weitere verschiedene Faktoren wie Angst vor Arbeitslosigkeit, fehlende Beratung eines Arztes zur Arbeit oder geringe Lebensqualität.

Relativ wenig ist darüber bekannt, inwieweit Arbeitgeber betroffen sind, wenn bei einem Arbeitnehmer Krebs diagnostiziert wird.

Kosten für Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Gesellschaft

Die Rückkehr von Krebsüberlebenden an den Arbeitsplatz ist wirtschaftlich von Bedeutung. Kehrt ein Krebspatient während oder nach der Behandlung nicht an den Arbeitsplatz zurück, bedeutet dies einen finanziellen Verlust für den Arbeitnehmer, den Arbeitgeber und die Gesellschaft. Eine Anpassung der Arbeitsumgebung kann eine RTW ermöglichen. Dies kann mit Kosten für das Unternehmen und den Arbeitnehmer verbunden sein, aber letztendlich können diese geringer sein als die Kosten für einen langfristigen Krankenstand.

Es wird wenig über die Kosten für Arbeitnehmer, Arbeitgeber oder die Gesellschaft berichtet, und was berichtet wird, weist nicht auf kohärente Ergebnisse hin. Für den Einzelnen wurden sowohl ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten als auch keine Auswirkungen auf das jährliche Haushaltseinkommen gemeldet. Es gab keine Berichte über die Kosten, die Unternehmen entstehen, wenn bei Arbeitnehmern Krebs diagnostiziert wird. Der wirtschaftliche Gesamtschaden für die Europäische Union aufgrund von Arbeitsausfällen infolge von Krebserkrankungen wurde 2009 auf 9,5 Mrd. EUR geschätzt, aber dieser Verlust war nicht ausschließlich auf eine erfolglose RTW zurückzuführen.

Weitergehende Fragen, die den Arbeitnehmer betreffen können

Zu den weitergehenden in der Literatur erwähnten Fragen, die den Arbeitnehmer betreffen können und eine erfolgreiche RTW beeinflussen, zählen die Bedeutung der Arbeit und die Arbeitsmotivation. Einige Faktoren werden wahrscheinlich eine RTW fördern, z.B. wenn Arbeit als Rückkehr zum normalen Leben empfunden wird oder wenn sie als Anzeichen für Gesundheit wahrgenommen wird. Manche Faktoren behindern jedoch eine RTW, z.B. wenn Arbeit wirtschaftlich nicht notwendig ist und eine Person nach einer Krebsdiagnose neu bewertet, was eigentlich Arbeit für sie bedeutet. In diesem Fall befinden Arbeitnehmer oft, dass sich eine RTW nicht lohnt.Eine weitere Gruppe von Faktoren, die den Erfolg einer RTW beeinflussen, sind Einstellung und Verhalten von Kollegen und anderen Beteiligten, wie sie vom Krebsüberlebenden erlebt werden. Arbeitsplatzanpassungen, die von Arbeitnehmern beantragt wurden, werden geschätzt, unerwünschte Arbeitsplatzanpassungen hingegen als negativ empfunden. So wird beispielsweise eine im Namen des Arbeitnehmers, aber ohne Rücksprache mit ihm getroffene Entscheidung, dass Arbeitsaufgaben geändert werden müssen, in der Regel nicht geschätzt. Zu den negativen Erfahrungen gehören das Gefühl, stigmatisiert oder als Krebspatient bezeichnet zu werden, und das Gefühl, durch ungerechtfertigte Entlassung diskriminiert zu werden. Jedoch wird die unaufgeforderte Unterstützung für eine RTW durch Angehörige von Gesundheitsberufen in der Regel von den Überlebenden von Krebserkrankungen geschätzt, weil sie der Meinung sind, dass die Fachleute verstehen, dass Arbeitsfragen für sie wichtig sind.

Arbeitsplatz– und berufsbedingte Krebserkrankungen

Die Entstehung von Krebs kann durch die Arbeit und die Arbeitsumgebung verursacht werden. Berufsbedingte Krebserkrankung lässt sich definieren als eine Krebserkrankung, die vorwiegend durch die Exposition am Arbeitsplatz verursacht wird, während arbeitsplatzbedingte Krebserkrankungen als multifaktoriell betrachtet werden und die Exposition am Arbeitsplatz neben anderen Faktoren eine geringere Rolle spielt.

Es gibt keine Studien mit Schwerpunkt auf der RTW von Arbeitnehmern mit berufsbedingten und arbeitsplatzbedingten Krebserkrankungen. Dies könnte entweder bedeuten, dass es sich hierbei nicht um ein Problem handelt, das losgelöst von anderen Krebsarten betrachtet werden sollte, oder dass das Problem einfach nicht untersucht wurde. Da die meisten berufsbedingten Krebsarten lange Latenzzeiten haben und erst nach dem Arbeitsleben auftreten, könnte es sein, dass eine RTW kein gewünschtes Ergebnis ist. Bei arbeitsplatzbedingten Krebserkrankungen ist die Exposition gegenüber karzinogenen Stoffen am Arbeitsplatz eventuell nicht bemerkt worden, und somit unterscheiden sich die Probleme einer RTW nicht von denjenigen einer Krebserkrankung, die nicht arbeitsplatzbedingt ist.

Kleine und mittlere Unternehmen

Die Größe des Unternehmens scheint Einfluss darauf zu haben, welche Möglichkeiten ehemalige Krebspatienten für eine Rückkehr ins Arbeitsleben haben. In Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern (KMU) fehlen Informationen und Ressourcen für RTW-Strategien oder -Programme, und hier sind Unterstützung und Aufklärung notwendig. Diese Probleme scheinen sich vor allem in kleinen Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern sowie in Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern zu stellen.5

Es wird berichtet, dass eine RTW nach einer Krebserkrankung für Selbstständige und Mitarbeiter in kleinen Unternehmen problematischer ist. Der Grund dafür ist, dass es in kleinen Unternehmen schwieriger ist, zur Behandlung und zur notwendigen Erholung von der Arbeit freizugeben; sie haben nur begrenzten Zugang zu arbeitsmedizinischen Diensten, und es fehlt an Erfahrung im Umgang mit krankheitsbedingten Fehlzeiten. Allerdings wurden in der geringen Größe der KMU auch Vorteile gesehen, denn sie führt zu einer familiäreren Atmosphäre. Dies könnte ein günstigeres Umfeld für krebskranke Arbeitnehmer im Rahmen des RTW-Prozesses schaffen. Über all dies wurde in der Literatur jedoch wenig berichtet, und die Schlussfolgerungen sind wegen der geringen Evidenzbasis nicht aussagekräftig.

Maßnahmen zur Förderung und Unterstützung der Rückkehr in die Arbeitswelt

Für die Literaturübersicht wird der Begriff „Maßnahme“ weit gefasst, wobei sowohl sehr aktive Unterstützungsansätze, beispielsweise Schulungen, als auch weniger aktive Ansätze, wie z.B. die Bereitstellung von Informationen per Telefon, online oder in gedruckter Form, berücksichtigt werden.

Nur eine begrenzte Anzahl von Studien hat die Wirkung von Maßnahmen evaluiert, die den ehemaligen Krebspatienten helfen sollen, wieder an den Arbeitsplatz zurückzukehren. Die meisten Maßnahmen wurden für die Betroffenen selbst entwickelt. Einige Maßnahmen wenden sich speziell an Arbeitgeber, Personalverantwortliche, Vorgesetzte oder Angehörige von Gesundheitsberufen. Für KMU und Selbstständige, die von Krebs betroffen sind, stehen nur wenige Maßnahmen zur Verfügung. Die Evaluierung betrachtete daher Maßnahmen, die auf einzelne Arbeitnehmer abzielen, und weniger organisatorische Maßnahmen wie einen RTW-Plan oder Maßnahmen am Arbeitsplatz, die beispielsweise darauf abheben, die Arbeitszeit zu verkürzen oder schwere körperliche Arbeit zu vermeiden.

Zu den Formen der RTW-Unterstützung gehören psychologisch unterstützende Maßnahmen, beispielsweise Beratung in Verbindung mit Informationen zu Fragen der sozialen Sicherheit, und körperliches Training zur Steigerung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit. Bei diesen Maßnahmen sahen die Evaluierungsstudien keine Auswirkungen auf die RTW. So ging mit oder ohne Maßnahme eine gleich hohe Anzahl von Krebsüberlebenden wieder in die Arbeitswelt zurück. Allerdings gab es nur wenige Studien, die diese Maßnahmen richtig evaluierten, und es könnte sein, dass zukünftige Studien neue Informationen liefern.

Manche Studien evaluierten medizinische Maßnahmen, die die Behandlung weniger beschwerlich machen sollten, aber diese wirkten sich nicht auf die RTW-Quoten aus. Es wurden keine Studien gefunden, die die Auswirkungen von Maßnahmen zur Anpassung von Arbeit oder Arbeitsplatz evaluiert hatten.

Nur interdisziplinäre Maßnahmen, die Berufsberatung mit Patientenberatung und körperlichem Training kombinierten, erhöhten die RTW-Quoten, wenn auch nur in geringem Umfang. Bei Arbeitnehmern, die nicht in die Maßnahme eingebunden waren, lagen die RTW-Quoten durchschnittlich bei 79%, im Fall interdisziplinärer Maßnahmen stieg dieser Prozentsatz auf 87%. Dies basierte auf fünf randomisierten Studien mit 450 Teilnehmern und wurde als Evidenz moderater Qualität für eine geringe positive Wirkung der Maßnahmen angesehen. Insgesamt zeigten die Maßnahmen keine signifikante positive oder negative Auswirkung auf die allgemeine Lebensqualität.

Die graue Literatur deckte eine Reihe von Maßnahmen in Verbindung mit dem Arbeitsplatz ab. Dabei handelte es sich allerdings lediglich um Beschreibungen ohne Evaluierung ihrer Wirksamkeit. Maßnahmen wurden als Arbeitsplatzanpassungen beschrieben, die meist dazu bestimmt waren, Müdigkeit zu kompensieren und mehr Flexibilität in der Arbeitszeit zu bieten oder eine Verkürzung der Arbeitszeit zu ermöglichen, beispielsweise in Form von bezahltem Urlaub für Arzttermine. Zu den Maßnahmen zählten Anpassungen der Arbeitsbelastung, Änderung von Aufgaben, Bereitstellung von Unterstützung und personelle Änderungen.

Eine große Anzahl von psychologisch fundierten Interventionen, beispielsweise die telefonische Beratung von ehemaligen Krebspatienten oder die Bereitstellung von Informationen auf einer speziellen Website, wurde in der Praxis angewandt, aber keine dieser Maßnahmen wurde hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf eine RTW evaluiert. Zu den verfügbaren Maßnahmen gehören Informationen und Schulungen zu Krebs – und RTW-Themen, Rehabilitationsdienstleistungen, Leitlinien und Anpassungen des Arbeitsplatzes.

Maßnahmen zur Unterstützung von Arbeitgebern wurden entwickelt und werden in der Praxis angewendet. Sie zielen darauf ab, die Arbeitgeber zu unterstützen, indem sie ihnen helfen, RTW-Pläne für krebskranke Arbeitnehmer zu erstellen, Ideen für die Arbeitsplatzanpassung liefern, um RTW zu erleichtern, Arbeitgeber beraten, wie die Kommunikation mit den betroffenen Arbeitnehmern verbessert werden kann, und den Arbeitgebern sachliche Informationen über Diagnose und Behandlung von Krebs zur Verfügung stellen. Über die Wirksamkeit dieser Maßnahmen konnten keine Informationen gefunden werden.

In manchen Ländern wie den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich gibt es für Angehörige von Gesundheitsberufen auch Leitlinien und Strategien, wie sie ihre Patienten bei der RTW unterstützen können. Obwohl diese Bemühungen von Krebsüberlebenden geschätzt werden, ist unklar, ob sie sich auf die RTW-Quoten auswirken.

Es wurden sehr wenige Maßnahmen und Ressourcen ermittelt, die sich speziell auf Arbeitslose mit Krebserkrankungen, Selbstständige mit einer Krebsdiagnose oder KMU bezogen.

Aus der Literaturübersicht werden verschiedene Beispiele für vorbildliche Praktiken für RTW-Maßnahmen ausgewählt, die in weiteren Aufgaben, die Teil des Projekts sind, detaillierter beschrieben werden. Darüber hinaus werden Fallstudien von Unternehmen einen Überblick darüber geben, welche Maßnahmen in der Praxis angewendet und wie sie in Unternehmen umgesetzt und erlebt werden. Eine qualitative Studie wird Informationen über die Meinungen von Experten und Fachleuten liefern, die sich mit RTW-Problemen bei Krebsüberlebenden befassen. Zusammen werden diese Tätigkeiten eine Einschätzung der Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen Forschung, Unternehmenspraxis und Vorgehensweisen von Fachleuten ermöglichen. Darüber hinaus werden sie politische Optionen liefern, die von Entscheidungsträgern in Betracht gezogen werden können und die darauf abzielen, die RTW von Arbeitnehmern, bei denen Krebs diagnostiziert wurde, zu erhöhen und zu unterstützen.

Synergien zwischen politischen Maßnahmen und Akteuren

Synergien und Zusammenarbeit zwischen Politikbereichen scheinen wichtig zu sein, denn es hat sich gezeigt, dass die Entwicklung und Umsetzung von wirksamen und effizienten Maßnahmen zur Förderung der RTW eine enge Zusammenarbeit zwischen den maßgeblichen Akteuren erfordert. In der Literatur werden die folgenden Schlüsselakteure erörtert: der Krebsüberlebende, Angehörige von Gesundheitsberufen, Arbeitgeber und Verantwortliche in Personalabteilungen, Kollegen, Fachleute in den Bereichen Recht, Arbeit und Soziales, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und Behörden. Es wurden allerdings keine Evaluierungen hinsichtlich der möglichen Auswirkungen dieser Kooperation auf die Überlebenden von Krebserkrankungen im Speziellen gefunden.

Schlussfolgerungen

Nach einer Krebserkrankung kann die Arbeitsfähigkeit eines Menschen aus verschiedenen Gründen eingeschränkt sein. Die Auswirkungen von Krebs und seiner Behandlung können alle Aspekte der Gesundheit und des Wohlergehens betreffen und körperliche, seelische und kognitive Symptome umfassen. Sie können sowohl kurz – als auch langfristiger Art sein. Bei der Rückkehr ins Erwerbsleben können Überlebende Schwierigkeiten haben, Arbeits- und Behandlungsanforderungen in Einklang zu bringen, dazu können negative Einstellungen oder Verhaltensweisen ihrer Kollegen oder Arbeitgeber kommen. All dies kann zu einer Neubewertung der Arbeits -und Lebensziele führen und somit eine RTW behindern.

Verschiedene Faktoren können die Fähigkeit eines Krebsüberlebenden beeinflussen, zu arbeiten oder die Arbeit wiederaufzunehmen. Es ist jedoch unklar, welche dieser Faktoren am wichtigsten sind und Gegenstand politischer Maßnahmen oder vorbildlicher Praktiken sein sollten. Es wird davon ausgegangen, dass eine RTW mithilfe krankheitsbedingter Faktoren wie Müdigkeit nach der Behandlung, arbeitsplatzbedingter Faktoren wie schwere körperliche Arbeit und spezifischer Behandlungsformen wie Chemotherapie vorhersagbar ist. Ein Eingehen auf diese Faktoren könnte die RTW-Quoten steigern und auf Arbeitnehmer hinweisen, bei denen die Gefahr besonders groß ist, dass sie nicht wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren. Im Allgemeinen werden vom Arbeitgeber bereitgestellte Anpassungen des Arbeitsplatzes und Unterstützung für die RTW von Angehörigen der Gesundheitsberufe von Krebsüberlebenden geschätzt.

Mit einer wachsenden Anzahl von ehemaligen Krebspatienten sind wirksame Maßnahmen erforderlich, um eine RTW zu ermöglichen und die Kosten für den Einzelnen, Unternehmen und die Gesellschaft insgesamt zu senken. Bisher ist jedoch wenig über die Wirksamkeit dieser Maßnahmen bekannt, wodurch es schwierig ist, bewährte Vorgehensweisen zu empfehlen. Die einzigen Maßnahmen, die nachweislich im Vergleich zur üblichen Behandlung eine RTW verbessern, sind interdisziplinäre Maßnahmen. Dazu gehören Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, berufliche Rehabilitation und Psychologie im Zusammenhang mit der RTW (d.h.
etwa Angebot von Ausbildung, Beratung und Schulung).

Die überwiegende Mehrheit der in der Praxis verwendeten Bildungsangeboten wirkt sich nicht auf die RTW-Quoten aus. Die Auswirkungen von anderen zur Verfügung stehenden Maßnahmen bleiben unklar, und es sind weitere Evaluierungsstudien erforderlich, um sie zu analysieren. Es ist erforderlich, speziell die Ansichten und Bedürfnisse der Arbeitgeber sowie die besonderen Probleme zu erforschen, vor denen KMU hinsichtlich der RTW stehen.

Es besteht eine Kluft zwischen den Maßnahmen, die eine Förderung der RTW zum Ziel haben und in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben und evaluiert werden, und denjenigen, die in der Praxis zur Verfügung stehen. Mit anderen Worten: In der wissenschaftlichen Literatur ist wenig über bestehende RTW-Maßnahmen zu finden. Die meisten diesbezüglichen Informationen in der Übersicht stammen aus der grauen Literatur. Zu den verfügbaren Maßnahmen und Ressourcen gehören Informationen und Schulungen zu Krebs– und RTW-Themen, Rehabilitationsdienstleistungen, Leitlinien und Anpassungen des Arbeitsplatzes. Die meisten Maßnahmen wurden hauptsächlich für Krebsüberlebende entwickelt, andere richten sich an Arbeitgeber und Angehörige von Gesundheitsberufen. Nur sehr wenige Maßnahmen wurden speziell für Selbstständige oder KMU konzipiert.

(1) Ferlay et al 2013.

(2) de Boer 2014.

(3) Bouknight et al.2006, Bradley and Bednarek 2002 Maunsell et al. 2002, Sanchez et al. 2004, Short et al. 2005, Spelten et al. 2002, Spelten et al. 2003.

(4) Dies wurde in einer systematischen Auswertung einschließlich einer Meta-Analyse und einer Meta-Regressionsanalyse gezeigt (de Boer et al.
Die Analysen umfassten 20 366 Überlebende einer Krebserkrankung und 157 603 gesunde Kontrollpersonen sowie 16 Studien aus den USA, 15 aus Europa und fünf aus anderen Ländern.

(5) EU-OSHA 2016.

Literaturverzeichnis

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de Boer, A. G., ‘The European Cancer and Work Network: CANWON’, 2014,

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EU-OSHA, Sicherheit und Gesundheitsschutz in kleinen und Kleinstunternehmen, 2016, am 28.März 2016 abgerufen von

https://osha.europa.eu/en/themes/safety-and-health-micro-and-small-enterprises

Ferlay, J., E. Steliarova-Foucher, J. Lortet-Tieulent, S. Rosso, J. W. Coebergh, H. Comber, D. Forman and F. Bray, ‘Cancer incidence and mortality patterns in Europe: estimates for 40 countries in 2012’, 2013, European Journal of Cancer, 49(6): 1374-1403.

Maunsell, E., M. Drolet, J. Brisson, C. Brisson, B. Masse and L. Deschenes, ‘Work situation after breast cancer: results from a population-based study’, 2004, Journal of the National Cancer Institute, 96(24): 1813-1822.

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Spelten, E. R., J. H. Verbeek, A. L. Uitterhoeve, A. C. Ansink, J. van der Lelie, T. M. de Reijke, M. Kammeijer, J. C. de Haes and M. A. Sprangers, ‘Cancer, fatigue and the return of patients to work-a prospective cohort study’, 2003, European Journal of Cancer, 39(11): 1562-1567.

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