„Der menschliche Einfluss ist nicht nur der wesentliche Treiber für die Erwärmung des Klimasystems, sondern auch für die Zunahme von Wetter- und Klimaextremen. Die Häufigkeit und die Intensität etwa von Starkregen-Ereignissen oder Hitzewellen steigen durch den Klimawandel an“, erklärt Prof. Dr. Veronika Eyring vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre und der Universität Bremen. Sie ist Koordinierende Leitautorin des Kapitels „Der menschliche Einfluss auf das Klimasystem“ im aktuellen IPCC-Sachstandsbericht, das auch die Bewertung der Klimamodelle mit Beobachtungsdaten enthält.
Klimaänderungen in der Atmosphäre, den Ozeanen und Eisgebieten erreichen immer neue Höchststände und verändern sich mit Geschwindigkeiten, wie sie seit Jahrhunderten bis vielen Jahrtausenden nicht beobachtet worden sind. „Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre ist bis zum Jahr 2019 bereits auf insgesamt 410 ppm (parts per million) angestiegen, auf eine Million Moleküle in trockener Luft kommen also 410 Moleküle Kohlenstoffdioxid – das ist beispiellos seit mindestens zwei Millionen Jahren“, gibt Eyring zu Bedenken.
Das DLR arbeitet daher bereits aktiv an Lösungen, um Emissionen zu senken. Im Projekt ECLIF2 konnten DLR-Wissenschaftler beispielsweise zeigen, dass der Einsatz von nachhaltigen Treibstoffen die Rußemissionen und damit die Klimawirkung des Luftverkehrs bereits kurzfristig spürbar verringert.
Klimafolgen für Europa
Für Europa bedeutet der Klimawandel, es wird generell wärmer und das Risiko von Starkniederschlägen steigt in vielen Regionen – es regnet seltener, dafür heftiger. Welche verheerenden Auswirkungen das haben kann, zeigte sich zuletzt im Juli bei der Flutkatastrophe in Westdeutschland. Solche Extremereignisse werden zunehmen, insbesondere wenn die globale Erwärmung 1,5 Grad Celsius übersteigt.
Der Bericht legt außerdem dar, dass die Temperaturen in allen europäischen Regionen weiter ansteigen und den Durchschnittswert der globalen Temperaturveränderung übertreffen werden.
Auswertung der Simulationen
Um die Ergebnisse von Klimamodell-Simulationen darzustellen, wurde in einigen Kapiteln des IPCC-Berichts das ESMValTool (Earth System Model Evaluation Tool) verwendet, das das DLR-Institut für Physik der Atmosphäre gemeinsam mit mehr als 70 internationalen Forschungseinrichtungen federführend entwickelt. Das Computerprogramm erlaubt eine umfangreiche Bewertung der Klima- und Erdsystemmodelle im Vergleich mit Beobachtungsdaten. Klimamodelle sind auf naturwissenschaftlichen Grundlagen basierende Computerprogramme, die das physikalische Klimasystem der Erde simulieren. Erdsystemmodelle berücksichtigen zusätzlich zum Klima chemische und biologische Prozesse. Mithilfe des ESMValTools können die Ergebnisse nachvollziehbar und reproduzierbar dargestellt werden. Die verwendeten Daten stammen vor allem aus Satellitenmissionen und der luftfahrtgestützten Fernerkundung.
Mithilfe des ESMValTools wurden unterstützend für den Bericht die Simulationen der neuesten Generation globaler Klimamodelle ausgewertet, die im Rahmen des „Coupled Model Intercomparison Projects Phase 6“ (CMIP6) des Weltklimaforschungsprogramms koordiniert werden. „Wir konnten zeigen, dass sich die simulierten klimatologischen Mitteln für viele großskalige Klimavariablen gegenüber vorherigen Modellgenerationen verbessert haben,“ sagt Eyring, die das CMIP6-Projekt von 2014 bis 2020 leitete. Die Datenprodukte von CMIP6 stellen neben Beobachtungsdaten eine wichtige Quelle für Klimainformationen im IPCC-Bericht dar.
Eyring wurde Anfang dieses Jahres mit dem Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis 2021 ausgezeichnet, weil sie maßgeblich dazu beigetragen hat, das Verständnis sowie die Genauigkeit von Klimavorhersagen durch prozessorientierte Modellierung und Modellevaluierung zu verbessern. Im Schwerpunkt forscht die DLR-Wissenschaftlerin zu Erdsystemmodellierung und Modellbewertung mit Beobachtungsdaten, einschließlich der Entwicklung und Anwendung von Methoden der künstlichen Intelligenz für belastbare Klimavorhersagen und Technologiefolgenabschätzungen.
Klimaerwärmung:
Verursacher Mensch
Es ist eindeutig: Der menschliche Einfluss hat die Atmosphäre, Ozeane und Landflächen erwärmt. Weitreichende und schnelle Veränderungen in Atmosphäre, Ozean, Land und Biosphäre sind eingetreten. Die Beobachtungsdaten und verbesserten Modellberechnungen des neuen Sachstandsberichts bestätigen das nochmals eindeutig.
Wie weit der Klimawandel bereits fortgeschritten ist, offenbaren neue Erkenntnisse aus der Arktis. Im Gegensatz zu den früheren IPCC-Berichten ist nun deutlich, dass es zum Ende mancher Sommer in Zukunft voraussichtlich so gut wie kein Meereis geben wird. Die globale Oberflächentemperatur hat sich inzwischen um etwa 1,09 Grad Celsius (2011–2020) im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten (1850–1900) erwärmt. Jedes der vergangenen vier Jahrzehnte war wiederum wärmer als jedes vorangegangene Jahrzehnt seit 1850. Seit 1970 hat sich die global gemittelte Oberflächentemperatur noch schneller erhöht – diese jüngste Rate der Erwärmung ist beispiellos seit mindestens 2.000 Jahren.
„Viele Veränderungen im Klimasystem werden in unmittelbarem Zusammenhang mit der zunehmenden globalen Erwärmung größer. Es geht nun darum, die Treibhausgas-Emissionen sofort, schnell und drastisch zu reduzieren. Ansonsten wird die Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitraum unerreichbar sein“, ergänzt Eyring. In allen fünf Szenarien des Berichts wird die globale Erwärmung in den nächsten 20 Jahren diese Marke mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 Prozent überschreiten.
„Seit mehr als 30 Jahren veröffentlicht der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) als Einrichtung der UN seine Sachstandsberichte zum Zustand des globalen Klimas. Die Fakten aus den anerkannten Veröffentlichungen bieten eine Basis für wissenschaftsfundierte Handlungsalternativen politischer Entscheidungsträger. Das DLR trägt mit seinen Möglichkeiten in der weltraumgestützten Erdbeobachtung und dem Einsatz von Forschungsflugzeugen aktiv zum Entstehen einer umfassenden Datenbasis bei,“ erläutert Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla, Vorstandsvorsitzende des DLR, „Mehr denn je benötigen wir die Auswertung von Klimadaten, um die Folgen des menschlichen Einflusses auf das Klima zu analysieren. Die Synergien der Forschungsbereiche des DLR ermöglichen uns, Technologien für eine klimaverträgliche Mobilität zu entwickeln. Dazu gehören nachhaltige Verkehrskonzepte ebenso wie auch die Erforschung neuer Energieträger auf regenerativer Basis.“
Bedeutung der IPCC-Klimaberichte
Der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) ist eine Einrichtung der Vereinten Nationen (UN). In regelmäßigen Abständen beauftragt er führende Fachleute den Wissensstand zur Klimaforschung zusammenzutragen und in Berichten aus wissenschaftlicher Sicht zu bewerten. Die IPCC-Sachstandsberichte bieten eine Basis für wissenschaftsbasierte Entscheidungen, ohne politische Handlungsempfehlungen zu geben. In der internationalen Politik haben sie einen hohen Stellenwert und sind unter anderem für die Weltklimakonferenzen wichtig. Denn die Zusammenfassungen für politische Entscheidungsträger (Summary for Policymakers, SPM) der Berichte werden von den IPCC-Mitgliedsländern auf der Verabschiedungssitzung diskutiert. Die beteiligten Regierungen können dazu Formulierungen vorschlagen – die Autorinnen und Autoren überprüfen dann, ob diese mit den Aussagen im zugrundeliegenden Bericht übereinstimmen. Mit ihrer Zustimmung zur Veröffentlichung stehen die Mitgliedsregierungen hinter den Aussagen und erkennen an, dass diese gelten.
Veröffentlicht wurde nun der erste von insgesamt drei Bänden des Sechsten Sachstandsberichts, welcher sich mit den naturwissenschaftlichen Ursachen des Klimawandels befasst. Mehr als 230 Autorinnen und Autoren aus 66 Ländern haben in der Arbeitsgruppe I gemeinsam über 14.000 wissenschaftliche Veröffentlichungen zur Klimaforschung bewertet und zusammengefasst.