02_Aktuelles

Zwischenbericht zur Kontrolldichte der Länder auf dem Weg zur Mindestbesichtigungsquote

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A. Rechtlicher Rahmen der Mindestbesichtigungsquote ab 2026

Mit dem zum 1.1.2021 in Kraft getretenen Arbeitsschutzkontrollgesetz wurde erstmals ein quantitativer Mindeststandard für die staatliche Arbeitsschutzaufsicht im Arbeitsschutzgesetz festgelegt. Ab 2026 muss die staatliche Aufsicht der Länder pro Jahr mindestens 5% der Betriebe gemäß der amtlichen Statistik der Bundesagentur für Arbeit besichtigen. Bis 2026 steigern die Länder ihr Besichtigungsgeschehen kontinuierlich, um diese Quote zu erreichen. Reaktive und aktive Besichtigungen, die keine vollständige Systembewertung beinhalten, sind als Teilbesichtigungen dabei kein Bestandteil der Mindestbesichtigungsquote (MBQ).

Welche Kriterien zur Auswahl von Betrieben bei der Überwachung anzuwenden, welche Sachverhalte im Rahmen einer anzurechnenden Betriebsbesichtigung mindestens zu prüfen und welche Ergebnisse aus der Überwachung für die Berichterstattung zu erfassen sind, kann gemäß § 24 Nummern 1 und 2 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundes geregelt werden.

In Abstimmung mit den Ländern macht der Bund von dieser Gelegenheit Gebrauch. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung liegt der vom Kabinett beschlossene Entwurf dieser Allgemeinen Verwaltungsvorschrift dem Bundesrat zum Beschluss vor1. Dieser enthält vor allem die Zielsetzung eines länderübergreifenden hohen Standards für die in den Zähler eingehenden Betriebsbesichtigungen. Hier wurde, auf Grundlage eines mehrheitlichen Beschlusses des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik, die Betriebsbesichtigung mit Systembewertung (inklusive der sog. Complianceprüfung) festgelegt. Diese beinhaltet neben der Überprüfung der betrieblichen Arbeitsschutzorganisation auch die Prüfung der Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung und der Einhaltung der rechtlichen Arbeitsschutzvorgaben. Um den spezifischen Herausforderungen gerade in kleinen Betrieben mit weniger als 50 Beschäftigten gerecht zu werden, erfolgt für diese eine leichte Modifikation des Prüfprogramms, soweit arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Betreuung gegeben sind. Insgesamt wird hiermit verbindlich und bundesweit ein hoher einheitlicher Standard für die staatlichen Betriebsbesichtigungen im Rahmen der Mindestbesichtigungsquote etabliert sowie eine Stärkung des Aufsichtshandelns erreicht.

Da der Berichtszeitraum für den vorliegenden Zwischenbericht jedoch vor Inkrafttreten der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift liegt, wird auf die von den Ländern gemeldeten Besichtigungen mit Systembewertung (BmSys) zurückgegriffen. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Mindestbesichtigungsquote durch die Länder erst 2026 zu erfüllen ist. Insofern handelt es sich bei der hier vorgestellten Kontrolldichte nicht um eine Besichtigungsquote im Sinne des Arbeitsschutzkontrollgesetzes.

B. Vorbemerkung zum Vollzug und zur Organisation der Arbeitsschutzverwaltungen der Länder

Der Vollzug des Arbeitsschutzgesetzes und der darauf basierenden Verordnungen wird von den Ländern gemäß Artikel 83 Grundgesetz als eigene Angelegenheit ausgeführt. Die Arbeitsschutzverwaltungen (ASV) der 16 Länder sind unterschiedlich organisiert. Die Organisation reicht vom Vollzug innerhalb der ministeriellen Ebene bzw. durch nachgeordnete Behörden bis zur Aufgabenerledigung durch Kommunen oder Unfallversicherungsträger. Daher divergieren in den ASV jeweils Aufbau, Aufgaben, Strukturen sowie die Fach- und Dienstaufsicht.

C. Festlegung der Zahlengrundlage zur Ermittlung der Kontrolldichte

Da der Berichtszeitraum für den vorliegenden Zwischenbericht vor Inkrafttreten der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift liegt, werden für die Berechnung der Kontrolldichte die durchgeführten BmSys für das Jahr 2022 entsprechend der Festlegungen der 3. Periode der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) zugrunde gelegt.

Die hier vorgestellte Kontrolldichte bezieht sich dabei auf die Anzahl von Betriebsbesichtigungen in Relation zur Gesamtheit aller Betriebe in einem Bundesland und gibt nicht die ab 2026 geltende Berechnungsmethode für die Besichtigungsquote wider. Dieser Bericht zur Kontrolldichte ist ferner nicht mit dem jährlichen statistischen Bericht über den Stand von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit und über das Unfall- und Berufskrankheitengeschehen in der Bundesrepublik Deutschland vergleichbar, da er auf andere Daten und Definitionen zurückgreift.

Maßgeblich für die Berechnung der Kontrolldichte ist die Anzahl der im jeweiligen Land vorhandenen Betriebe gemäß der amtlichen Betriebszahlenstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) des Vorjahres nach dem Personenkonzept, sie umfasst alle Betriebe mit mindestens einer/einem sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.

D. Auswertung der Kontrolldichte der Länder

Die vorliegende Zwischenauswertung der Kontrolldichte in den Ländern und bundesweit für das Jahr 2022 wurde im Dezember 2023 durch die Bundesfachstelle Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit vorgenommen.

Die Kontrolldichte wird in diesem Bericht als Anzahl BmSys je 1.000 Betriebe angegeben. Im Jahr 2022 wurden bundesweit 18.225 BmSys von den Ländern gemeldet. Bei einer Gesamtzahl von 2.180.620 Betrieben beläuft sich die Kontrolldichte im Bundesgebiet auf rund acht Betriebsbesichtigungen mit Systembewertung je 1.000 Betriebe.

Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die gemeldeten BmSys, die Gesamtzahl der Betriebe und die erreichte Kontrolldichte je Bundesland.

E. Zur Einordnung der Kontrolldichte

Die Aussagekraft der Kontrolldichte für das Jahr 2022 ist mit Unsicherheiten behaftet. So sind bei den Besichtigungszahlen im Jahr 2022 Corona-Effekte zu berücksichtigen; z. B. aufgrund bestandener Besichtigungsbeschränkungen bzw. anderer Besichtigungsstrategien, die die Ausbreitung der Corona-Pandemie im Fokus hatten und nicht die Durchführung der BmSys.

Gleichzeitig weisen die Länder darauf hin, dass Anfang 2022 noch nicht bei allen Ländern die Einführung der BmSys hinsichtlich EDV-Anpassung abgeschlossen war, so dass die dem BMAS-Zwischenbericht zur Kontrolldichte zugrundeliegenden Zahlen nur eine Teilmenge der durchgeführten BmSys umfassen.

Darüber hinaus erfüllen die ASV der Länder eine Vielfalt an Aufgaben, die nicht in den Rahmen einer Betriebsbesichtigung mit Systembewertung fallen und entsprechend nicht in die Berechnung der Kontrolldichte (und perspektivisch der Mindestbesichtigungsquote) einfließen.

F. Darstellung der Länder zu Aktivitäten der ASV über die Kontrolldichte hinaus

Die Länder ordnen die Aufgaben der ASV wie folgt ein:

Die Aufgaben der ASV sind vielfältig und dienen alle gleichermaßen dem Ziel, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit zu sichern und zu verbessern. Hierbei werden unterschiedliche Ansätze bei der Überwachung und Beratung der Betriebe verfolgt. Sie erstrecken sich neben der Besichtigungsart BmSys, die eine risikoorientierte Auswahl der Betriebe berücksichtigt, über weitere Besichtigungen von Arbeitsplätzen. Neben der wichtigen Aufgabe der Besichtigung von Baustellen, die immer noch die höchste Unfallquote in Deutschland aufweisen, zählen hierzu die reaktiven Besichtigungen aufgrund von Unfällen, Beschwerden, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Erkrankungen oder im Rahmen von Anzeige- oder Genehmigungsverfahren, sowie themenspezifische Aktionen. Themengebiete wie die Überwachung der Arbeitszeitgestaltung u. a. für Berufskraftfahrer wie aber auch die Berücksichtigung des Mutter- und Jugendarbeitsschutzes sind ebenfalls von den ASV zu bearbeiten. Die zuletzt genannten Überwachungen fließen als Besichtigung betrieblicher Arbeitsschutzprozesse in die Jahresberichterstattung ein, bleiben jedoch bei der ab 2026 zu erfüllende MBQ unberücksichtigt. Sämtliche Aufgaben der ASV erfordern an den Einzelfall angepasste Vorgehensweisen, die sich nicht in der Durchführung einer BmSys und somit in der Erfüllung der MBQ erschöpfen.

Zu den Tätigkeiten der Aufsichtsbeamten und -beamtinnen gehören aber auch eine Vielzahl von Innendiensttätigkeiten, die sich aus den Gesetzen und Verordnungen ergeben. Zu nennen sind die Bearbeitung von Genehmigungen, Erlaubnissen und Anzeigen, wie aber auch Stellungnahmen im Rahmen von Genehmigungsverfahren nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Dieser Anteil ist in den letzten Jahren angestiegen, auch durch bundesgesetzliche Vorgaben mit Zustimmung des Bundesrates. Hinzu kommt der schriftlichen Einflussnahme nach den Betriebsbesichtigungen in Form von Besichtigungsschreiben, Anordnungen oder Bußgeldverfahren eine wichtige Rolle zu.

Weiterhin nehmen die Arbeitsschutzverwaltungen der Länder zum großen Teil nicht nur Aufgaben des allgemeinen Arbeitsschutzes wahr, sondern sind auch in weiteren Rechtsbereichen tätig. Hierzu gehören (je nach Bundesland) unter anderem das Sprengstoffrecht, das Strahlenschutzrecht, das Chemikalienrecht einschließlich der europäischen Verordnungen (REACH; CLP), das Produktsicherheits- bzw. Verbraucherschutzrecht (hier: Marktüberwachung), sowie das Immissionsschutzrecht. Zudem sind seit 2018 bei den ASV zusätzliche Aufgaben ohne adäquaten länderinternen Personalzuwachs hinzugekommen, wie z. B. aufgrund der erweiterten Zuständigkeiten im Rahmen des novellierten Mutterschutzgesetzes sowie neue Aufgaben zur Marktüberwachung nach dem Sprengstoffgesetz.

G. Darstellung des Wegs der Länder zur Sicherung hoher qualitativer und quantitativer Mindeststandards der Arbeitsschutzverwaltungen der Länder

Die Einführung der MBQ durch das Arbeitsschutzkontrollgesetz hat in einigen Ländern nach eigenen Angaben schon seit 2020 zu einem merkbaren Personalaufwuchs geführt. Es gebe aber auch Länder, bei denen bisher kein bzw. kaum ein Personalzuwachs stattgefunden hat.

Begleitend zur Personalaufstockung berichten die Länder von unterschiedlichen weiteren Maßnahmen, die ergriffen wurden, um die zwischenzeitlich festgelegten qualitativen und quantitativen Mindeststandards der ASV zu sichern – wie z. B.:

  • Anpassung der Behördenstruktur.
  • Umstellung des Aufsichtskonzeptes hin zur BmSys mit dem Ziel, die Teilbesichtigungen durch BmSys zu ersetzen.
  • Durchführung einer Aufgabenkritik und einer Aufgabenpriorisierung, um begrenzte Ressourcen bei steigender Aufgabenfülle gezielt und am zweckmäßigsten zum Einsatz zu bringen.
  • Effektiveres Verwaltungshandeln durch Verzicht auf Besichtigungsschreiben und durch sofortige Einleitung des Verwaltungshandelns nach Mängelfeststellung.
  • Digitalisierung der internen Verwaltung und Prozessoptimierung, um möglichst schlanke und ressourcenoptimierte Verwaltungsprozesse abzubilden.
  • Optimierung der Außendiensttätigkeiten durch die Einführung von mobiler Arbeit und standardisierten Prozessen.

Aktuelle Herausforderungen der Länder

Die ab 2026 geltende MBQ von 5 % der Betriebe pro Jahr ist eine erhebliche mengenmäßige Steigerung der aktuellen Besichtigungszahlen nach Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und den auf dem ArbSchG basierenden Verordnungen. Gemäß der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz)“ rechneten die Länder mit einem sehr grob geschätzten, zusätzlich benötigten Personalbedarf von bundesweit insgesamt 630 Stellen auf Grund der Einführung der MBQ im Jahr 2026. Laut Angaben der Länder sind bislang ca. 200 Stellen im Rahmen der Haushaltsaufstellungen der Länder für den Bereich der MBQ bereitgestellt oder zugesagt worden. Weitere Anträge für Stellenmehrbedarfe seien für künftige Länderhaushalte angemeldet. Durch den Fachkräftemangel gestalte sich die Gewinnung geeigneter Bewerberinnen und Bewerber für die Ausbildung zur Aufsichtsbeamtin bzw. -beamten zunehmend schwierig. Zudem laufe ein anhaltender Trend der zusätzlichen Aufgabenzuweisung an die ASV (durch länderinterne Aufgabenverteilung bzw. bundesgesetzliche Vorgaben mit Zustimmung des Bundesrates) dieser Entwicklung entgegen.

Hinzu kommt, dass die Beschäftigten der ASV nach eigenen Angaben der Länder einen hohen Altersdurchschnitt haben. Somit müsse zusätzlich eine sehr große Anzahl von Personen auch für die Kompensation von Altersabgängen ausgebildet werden. Die Ausbildung von neuem Personal für die Arbeitsschutzverwaltung (z. B. 18 Monate für den gehobenen Dienst) binde auch Ressourcen bei den Personen, die ausbilden.

Der internen Aufgabenkritik in den ASV sind gesetzliche Grenzen gesetzt. Die Länder sehen die Notwendigkeit, dass der Gesetzgeber mit ihnen zusammen vorhandene Vorschriften im Hinblick auf die Notwendigkeit bestimmter Formalverfahren wie z. B. Genehmigungen und Anzeigen überprüft.

H. Fazit

Die Länder haben sich bereits auf den Weg gemacht, um sowohl der MBQ wie auch allen weiteren Aufgaben der ASV gerecht werden zu können. Trotz begonnener Einstellung von zusätzlichem Personal und aller begleitenden Maßnahmen ist zu bilanzieren, dass zur Erreichung des Ziels der Erfüllung der MBQ ab 2026 die Ausstattung mit Personal eine zentrale Rolle spielen wird. Aufgrund der zu erwartenden äußerst angespannten Haushaltslagen der Länder ist zu erwarten, dass ein weiterer Personalaufwuchs eine große Herausforderung bleibt.

1 vgl. Bundesrats-Drucksache 622/23,
https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2023/0601–0700/622–23.html

2 Aus Datenschutzgründen und Gründen der statistischen Geheimhaltung werden, wenn bspw. rechnerisch, durch die Beschäftigtenzahl, die Region oder den Wirtschaftszweig direkte Rückschlüsse auf Einzelbetriebe möglich wären, diese in der Statistik der Bundesagentur für Arbeit als „Fälle ohne regionale Zuordnung“ kodiert. Die Gesamtzahl der Betriebe in Deutschland ergibt sich daher nicht summarisch aus den Betriebszahlen der einzelnen Länder.

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