04-Betriebliches Gesundheitsmanagement

Die Zeit des Chief Health Officers ist gekommen

Die COVID-19-Pandemie war für viele Unternehmen weltweit ein Weckruf. Selten in den vergangenen Jahrzehnten standen Gesundheit und das Wohlbefinden der Belegschaft mehr im Fokus der Unternehmensbetrachtung, sei es aus innerer Überzeugung oder aus regulatorischer Notwendigkeit. Die Pandemie hat das Interesse an medizinischer Unterstützung und Beratung in vielen Unternehmen nachhaltig gefördert. Mehr als Funktion in einem Unternehmen denn als einzelne individuelle Person zeichnet sich die Position eines „Chief Health Officers“ (CHO) ab, ein Begriff, welcher nur schwer wörtlich ins Deutsche zu übersetzen ist. Aber wenn von Gesundheitsberatung für die kommenden Jahre gesprochen wird, könnte die Rolle des Chief Health Officers wichtiger nicht sein. „Die Zeit des Chief Health Officers ist gekommen“, lautet dementsprechend eine Aussage im neuen, von der International SOS Stiftung in Auftrag gegebenen Whitepaper mit dem Titel „Chief Health Officer 2030: Addressing the Employee Health Needs of the Future“. Das Papier basiert auf einer Umfrage unter rund 100 Fachkräften, welche in Unternehmen weltweit für die Gesundheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verantwortlich sind. Es fasst die aktuellen Erkenntnisse aus der COVID-19-Pandemie zusammen, zeigt auf, wie Unternehmen langfristig für eine gesündere Belegschaft sorgen können und wie wichtig hierbei fundierte, fachliche arbeits- und reisemedizinische Expertise sowie epidemiologisches und Public-Health-Wissen sein wird.

Anlass für die Umfrage

Als Reaktion auf COVID-19 hat die International SOS Stiftung beschlossen, die Auswirkungen der Pandemie auf den Umgang mit Gesundheitsthemen in den Unternehmen zu untersuchen. Die Umfrage sollte ermitteln, wie Unternehmen ihre Verantwortung für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter in den nächsten zehn Jahren sehen. Zusätzlich hat die Stiftung Experten aus der ganzen Welt hierzu befragt.

Es ist klar, dass das Konzept der Mitarbeitergesundheit und des Wohlbefindens schon heute nicht mehr nur eine sicherheitstechnische und traditionell arbeitsmedizinische Frage der Vermeidung von Unfällen und des Schutzes vor Gefahrstoffen ist. Es ist viel weiter gefasst und umfasst auch die psychische und emotionale Gesundheit der Mitarbeiter und vieles mehr. Um den wachsenden Anforderungen bei Gesundheit und Wohlbefinden gerecht zu werden, wird für die kommenden Jahre hierzu eine verstärkte Aktivität von Unternehmen erwartet.

Ein Fokus der Studie liegt insbesondere auf der Rolle des sogenannten „Chief Health Officers“. Der Begriff ist im Deutschen nicht unbedingt gängig und nur unzureichend wörtlich ins Deutsche übersetzbar, aber viele Organisationen wissen bereits um den enormen Wert, den eine leitende Betriebsärztin oder Chief Medical/Health Officer, wie diese auch in größeren Unternehmen genannt werden – bringen können. Interessant ist hierbei auch die zunehmende Einbeziehung der Führungsebene (im internationalen Umfeld wird vom „C-Level“ gesprochen) von Unternehmen in Themen der Gesundheit und des Wohlbefindens. Diese verlangen von ihren Teams Expertise und Entscheidungsvorlagen. Ein CHO ist ideal geeignet, um das notwendige hohe fachliche Niveau an Gesundheitslösungen und an Unterstützung zu liefern, die heute in Unternehmen erwartet werden. Die oder der CHO ist dabei idealerweise oft das Bindeglied zum C-Level. Seine Rolle umfasst es, Risiken zu erkennen, Richtlinien zu kennen, Lösungen zu benennen und Gesundheitsthemen in die „Sprache des C-Levels“ zu übersetzen.

Die Pandemie erfordert einen flexibleren und agileren Ansatz
für das Management von Gesundheitsrisiken

Die COVID-19-Pandemie war eindeutig ein Weckruf. Die Entscheidungsträger sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor erkannten, dass viele Vorbereitungen aus der Vergangenheit überholt waren und verworfen werden mussten. Durch die Pandemie entstanden unbekannte Herausforderungen mit erheblichen Folgen. Ein flexiblerer und agilerer Ansatz für das Management von Gesundheitsrisiken war erforderlich.

Die Vorbereitung der Unternehmen für ihre weltweite Belegschaft ist aber über die Dringlichkeit einer Pandemie hinaus nötig. Viele Gesundheitsfragen, einschließlich der psychischen Gesundheit, bedürfen großer Aufmerksamkeit. Chronische Krankheiten wie Diabetes und Krebs erfordern einen strategischen Ansatz zur Gesundheitsprävention. Andere globale Themen, die tiefgreifende Auswirkungen auf die Gesundheit haben – wie der Klimawandel – erfordern ebenfalls umfassende Maßnahmen. Viele Maßnahmen waren von den Unternehmen bereits vor der Pandemie auf den Weg gebracht worden – COVID-19 hat lediglich die Geschwindigkeit bei der Umsetzung und das Reaktionsvermögen erhöht.

Die oder der Chief Health Officer wird jetzt als wichtiger Teil des Führungsteams einer Organisation angesehen. Folglich werden in der Studie die ganzheitlichen Vorteile betrachtet, die ein CHO für jede Organisation bringen kann – unabhängig von ihrer Größe – und wie dieser Nutzen geliefert werden kann.

Die Ergebnisse der Umfrage und der Expertenmeinungen können wie folgt zusammengefasst werden:

  • COVID-19 war ein großer Weckruf für alle.
  • Die oder der Chief Health Officer ist optimal platziert – und genießt großes Vertrauen –, um die Verpflichtungen im Bereich Gesundheit und Wohlbefinden zu erfüllen.
  • Gesundheit und Wohlbefinden sind umfangreiche Themen, welche weit über COVID-19 hinausgehen.
  • Globale Organisationen müssen in der Lage sein, jederzeit auf lokales, regionales, nationales und internationales Gesundheitswissen zurückzugreifen, insbesondere in Krisenzeiten.
  • Ein sinnvoller Umgang mit der Gesundheit und dem Wohlbefinden von Mitarbeitern erfordert die Beteiligung der Führungsebene.
  • Chief Health Officer können intern oder extern ernannt werden oder eine Kombination aus beidem sein.

Mehr zu diesen Aussagen können Sie in der Publikation (Englisch) nachlesen. Das pdf können Sie kostenlos herunterladen unter: https://www.internationalsos.de/neuigkeiten-und-events/blog/gesundheit

Die Publikation umfasst neben Einleitung, Vorwort und Übersicht u. a. folgende Kapitel:

  • Weckruf durch die Covid-19 Pandemie
  • Reaktion auf das Unbekannte
  • Lokal reagieren
  • Gesundheitsthemen jenseits von Covid-19
  • Ein breiterer Ansatz
  • Ein längerer Ausblick
  • Regeln vereinbaren
  • Psychische Gesundheit im Fokus
  • Vorausschauende Planung
  • Eine Aufgabe für die Führung (C-Suite)
  • Die Rolle der oder des CHOs.
  • Schlussfolgerungen und Empfehlungen

International SOS gibt Tipps zum Umgang mit dem Chief Health Officer

So begrüßenswert der COVID-19-Impfstoff auch ist, er ist nicht das Ende der aktuellen Krise. Für Unternehmen und ihre medizinischen Fachkräfte gibt es auch außerhalb von Krisenzeiten viel zu tun. International SOS gibt Tipps für Unternehmen – ob groß oder klein, global oder lokal – wie sie ihre nächsten Schritte planen können:

Arbeiten Sie mit Ihrem Chief Health Officer zusammen, um alle geschäftskritischen Gesundheitsthemen zu steuern. Dazu gehören:

  • Einhaltung von Gesundheitsbestimmungen und -richtlinien, was eine Herausforderung sein kann, da sie auf globaler, regionaler und lokaler Ebene unterschiedlich sind. Verlässliche und aktuelle Informationen sind der Schlüssel, um sicherzustellen, dass Sie die verschiedenen regulatorischen und fachlichen Rahmenbedingungen in Ihrem Unternehmen einhalten.
  • Steuerung und Verbesserung des Wohlbefindens am Arbeitsplatz: Das körperliche und emotionale Wohlbefinden Ihrer Mitarbeiter ist entscheidend, um die Produktivität Ihrer Mitarbeiter zu maximieren und die Geschäftskontinuität sicherzustellen. Das Wohlbefinden am Arbeitsplatz wird heute auch als Hebel für die Rekrutierung, Mitarbeiterbindung und den Wettbewerbsvorteil gesehen.
  • Überwachung der eskalierenden Kosten für Unternehmen, die mit einem Mangel an proaktivem Gesundheitsrisikomanagement verbunden sind.

Rekrutierung eines Chief Health Officers, der zu den Anforderungen Ihres Unternehmens passt: 

  • Management-Erfahrung aus der Arbeit mit multinationalen Unternehmen und über Branchen hinweg sind unentbehrlich.
  • Branchenkenntnisse über Best Practices und Benchmarking in Ihrem Sektor helfen, die richtige Balance zu finden.
  • Frühzeitige Erkennung von aufkommenden Gesundheitstrends, die verschiedene Branchen betreffen, lassen Unternehmen vorbereitet dastehen.

Drei der wichtigsten Punkte,
um die sich Ihr Chief Health Officer kümmern sollte: 

  • Zugang zu faktenbasierten Informationen aus zuverlässigen Quellen sicherstellen
  • Fähigkeit, die abgerufenen Informationen zu analysieren und die für Ihr Unternehmen relevanten Teile hervorzuheben
  • Bereitstellung der Informationen für Ihre Belegschaft und effektive Kommunikation

Dr. Stefan Eßer, Ärztlicher Leiter Zentraleuropa bei International SOS

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