04_Zukunft der Arbeit

Unterweisungskonzept und erste Erfahrungen

Einleitung

Es gelten die staatlichen Vorschriften unmittelbar und direkt, deren Geltungsbereich im jeweiligen Normtext auf Studierende erweitert sind. Dazu zählen zum Beispiel die Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (GefStoffV), die Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit Biologischen Arbeitsstoffen (BioStoffV), die Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen (LärmVibArbSchV), die Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch künstliche optische Strahlung (OStrV) und die Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln (BetrSichV). Die DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“ [1] fordert zusätzlich die Anwendung aller Arbeitsschutzanforderungen auch bei den Studierenden unter Beachtung des „Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit“ (DGUV-interne Vorgabe). Regelungen wie das ArbSchG, ArbStättV, ArbMedVV oder JArbSchG gelten somit mittelbar über die Inbezugnahme in § 2 Abs. 1 Satz 3 der DGUV Vorschrift 1 (mittelbar = über den „Umweg“ der Vorschrift 1). Über diese Inbezugnahme werden die in staatlichen Arbeitsschutzvorschriften geregelten Sachverhalte zum Gegenstand von Unfallverhütungsvorschriften (UVV‘en) gemacht (Ermächtigungsgrundlage ist der § 15 Absatz 1 SGB VII). Alle staatlichen Vorschiften, die nicht unmittelbar für Studierende gelten, haben somit den Status einer UVV. Die Überwachung erfolgt durch die Aufsichtspersonen der Unfallversicherungsträger, für Universitäten und Universitätsklinika somit in der Regel die Unfallkassen der Länder.

Die DGUV Vorschrift 2 [2] orientiert sich am Begriff des „Beschäftigten“ im Sinne des „Betriebsverfassungsgesetzes“ und nicht am Begriff des „Versicherten“ im Sinne des VII. Sozialgesetzbuches. Universitäten schaffen daher trotz der Möglichkeiten durch den betriebsspezifischen Teil der Vorschrift 2 zwar Ressourcen im Bereich Sicherheit und Gesundheit für die Betreuung ihrer Beschäftigten, aber nur bedingt und nicht im ausreichenden Maße für die geforderte Betreuung der Studierenden, die rein von der Anzahl her die weitaus größere Gruppe in den Universitäten und Universitätsklinika stellen. Im Falle der Heinrich Heine Universität Düsseldorf stehen 3.954 Mitarbeitern 35.300 Studierende gegenüber, davon 3.803 Studierende in der Medizinischen Fakultät (MedFak, Stand 01.12.2017).

E-Learning Portal S@W

Zu Beginn wurden Pflichtunterweisungen in interaktiven Online-(Selbst-) Lerneinheiten erstellt, um Studierenden, die nicht an der Pflichtveranstaltung teilnehmen konnten, die Möglichkeit zu geben, das Studium ohne Verzögerung fortzusetzen: „Grundlagen gesetzlicher Unfallversicherungsschutz als Studierende”, „Nadelstichverletzungen”, „Umgang mit Biostoffen”, „Handhygiene und Hautschutz”, „Mutterschutz” und „Datenschutz”. Als Nachweis der erfolgreichen Teilnahme dient ein abschließender Online-Test, um die Teilnahme und den Lernerfolg zu dokumentieren. Die Module werden kontinuierlich ausgebaut um eine vollständige Abdeckung der relevanten Themen zu gewährleisten (siehe Abbildung 1).

Bei der Gestaltung der interaktiven (Selbst-)Lerneinheiten dienen auch die Anforderungen der „DGUV Test – Prüf- und Zertifizierungsstelle“ im IAG Dresden zur Orientierung, um eine spätere Zertifizierung der Lerneinheiten grundsätzlich zu ermöglichen. Die interaktiven (Selbst-)Lerneinheiten verstehen sich dabei als Unterweisungen kurzer und auf das Studium der Humanmedizin bezogener Arbeits- und Datenschutzthemen. Orientierend an den von Kirkpatrick [3] postulierten vier Ebenen sollen die Lerneinheiten bei den Studierenden:

  • auf Akzeptanz stoßen und als wichtige Maßnahmen im Studium anerkannt werden,
  • zu einem Zugewinn an handlungs- und sicherheitsrelevantem Wissen führen,
  • die Einstellung der Studierenden zum Arbeitsschutz positiv beeinflussen,
  • sicherheitsgerechtes Verhalten der Studierenden über das Studium hinaus fördern und
  • zu Veränderungen in arbeitsschutzrelevanten Kennzahlen im Gesundheitswesen beitragen.

Die Studie von Masuhr et al. [4] legte nahe, das elektronische Unterweisungen durchaus unter bestimmten Voraussetzungen in Ihrer Wirkung mit persönlichen Unterweisungen mithalten können. Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass Unterweisungen, ob elektronisch oder persönlich durchgeführt, dazu führen, dass die Mitarbeiter (somit auch Studierende) ihr sicherheitsrelevantes Wissen festigen und ausbauen können. Die relevanten klinischen Fertigkeiten und Techniken wie. z.B. Punktionen werden zusätzlich unter Beachtung der Arbeitsschutzvorgaben z.B. im Block „Fertigkeiten und Techniken (FeTe)“ routinemäßig mit den Studierenden eintrainiert. Die Arbeit von Wigger-Alberti et al. [5] zeigte am Beispiel des Hautschutzes die Notwendigkeit des praktischen Einübens bestimmter gefahrengeneigter Tätigkeiten. Die arbeitsschutzrelevanten Grundlagen werden aber auch hier in den interaktiven (Selbst-)Lerneinheiten vermittelt.

Weitere Maßnahmen wie die Erweiterung des Internetportals mit weiteren vertiefenden Unterweisungen und Zusatzinformationen sowie die Gründung eines „Runden Tisches“ unter Beteiligung aller Stakeholder incl. der Unfallkasse NRW runden das Paket ab.

Das Portal wurde aus Mitteln zur Qualitätsverbesserung der Lehre finanziert. Die Studierenden haben in der Kommission die Mehrheit der Stimmen.

Bewertung des Portals durch die Studierenden

Die Studierenden wurden online zum Portal befragt: Gestaltung und Struktur des Portals gefallen den Studierenden sehr gut. Die Inhalte waren verständlich und die Bedeutung der Unterweisung auch für das spätere Berufsleben wurde den Studierenden klar vermittelt. Die meisten Studierenden bearbeiteten die Module zu Hause und an einem Stück. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer lag bei 90 Minuten (+/- 30) (siehe Tabelle 1).

Erfahrungen mit und Einstellungen der Studierenden zum Arbeitsschutz

Zu Beginn des Wintersemesters 2018 wurde im Rahmen des Projektes eine erste Evaluation zu Sicherheit und Gesundheit im Studium durchgeführt. Befragt wurden die Teilnehmer der Pflichtunterweisung im 1. Semester. Zum Zeitpunkt der Online-Befragung kannten die Teilnehmer die S@W-Module noch nicht (waren noch nicht freigeschaltet). Es nahmen 104 Studierende incl. 2 Erasmus-Studierende an der Befragung teil. Eingesetzt wurde ein im Rahmen des Projektes speziell entwickeltes Online-Erhebungsinstrument.

Abbildung 2a zeigt die Ergebnisse der Fragen zur bisherigen persönlichen Erfahrung bzgl. Sicherheit und Gesundheit. Insgesamt „nur“ rund 50% der teilnehmenden Studierenden wurden in der Schule oder im Rahmen einer vor dem Studium absolvierten Ausbildung bereits einmal unterwiesen. Für die restlichen Teilnehmer war es die erste Unterweisung (Fragen 1.8 und 1.9). Weniger als 20% hatten vor dem Studium eine Ausbildung absolviert (Frage 1.1). Die überwiegende Mehrheit hatte bis zum Befragungszeitpunkt noch keine Erfahrung mit einem Arbeits- oder Wegeunfall, überraschender Weise wussten aber über 80% der Teilnehmer, dass sie über die Universität unfallversichert sind (Frage 1.7). Zu diesem Zeitpunkt war ihnen der Unterschied zwischen der gesetzlichen Krankenkasse und der gesetzlichen Unfallversicherung im Rahmen der Unterweisung bereits erläutert worden.

Abbildung 2b zeigt die Ergebnisse der Befragung zur Einstellung zu Sicherheit und Gesundheit im Studium. Fast 100% der Teilnehmer finden es wichtig, dass ihre Gesundheit durch das Studium nicht beeinträchtigt wird („stimme völlig zu“ + „stimme eher zu“). Über 90% finden Unterweisungen zu Sicherheit und Gesundheit wichtig („stimme völlig zu“ + „stimme eher zu“). Allerdings wären rund 40% der Teilnehmer bereit eine kleine Verletzung zu riskieren, um eine Aufgabe zu erfüllen („stimme völlig
zu“ + „stimme eher zu“ + „teils/teils“). Diese Ergebnisse zeigen zum einen, dass eine Sensibilisierung zu Sicherheit und Gesundheit im Studium absolut notwendig ist, da sich z.B. durch potentielle Infektionen auch kleine Verletzungen im Gesundheitswesen zu ernsthaften Erkrankungen entwickeln können. Zum anderen zeigen die Ergebnisse die
hohe Bedeutung, die die Studierenden den Bemühungen um Sicherheit und Gesundheit beimessen. Dies unterstreicht die Bedeutung von S@W auch als Marketinginstrument im Werben um die besten Kandidaten als Studierende für die HHU und rechtfertigt den Einsatz der QV-Mittel für das Projekt.

Dass die Studierenden zu diesem Zeitpunkt die Unterweisung als Präsenzveranstaltung bevorzugen liegt vermutlich daran, dass die Studierenden die S@W-Module noch nicht kannten.

Die Studierenden erwarten zum Befragungszeitpunkt im ersten Semester primär hohe psychische Anforderung durch das Studium, gefolgt von Anforderungen an den Infektionsschutz, den Datenschutz und physische Anforderungen.

Schlussfolgerung

Nach erfolgreicher Implementierung in der MedFak soll das Konzept auf die anderen Fakultäten ausgeweitet werden (35.300 Studierende in der HHU).

Derzeit gibt es an keiner anderen Hochschule ein nachhaltiges und umfassendes Gesamtkonzept zur Umsetzung der DGUV Vorschrift 1 zur Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit der Studierenden.

Die Studierenden sind durch Beteiligung am Runden Tisch, Fokusgruppen, fortlaufender Evaluationen usw. in den Prozess eingebunden und somit aktiv Beteiligte.

Arbeitsmedizinische Hochschulinstitute sollten die vorgeschriebenen Unterweisungen als Chance sehen, das Fach Arbeitsmedizin (und auch die Arbeitssicherheit) als wichtigen Bestandteil jeder beruflichen Tätigkeit auszuweisen. Mit Hilfe von Online-Einheiten können sie dies ohne dafür Dozenten-Ressourcen im größeren Stil aufzuwenden. Das könnte mittelfristig zu einer auch besseren Wahrnehmung des Faches bei den Studierenden führen.

Das Portal ist seit dem WS 2018/2019 im Internet frei zugänglich direkt über www.medizin.hhu.de/saw

Die gewählte Lösung ist eine praktische und innovative Umsetzung der Präventionskampagne „kommmitmensch“ für den Bildungsbereich zur Etablierung einer Kultur der Prävention.

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