Unsere Arbeitswelt wird immer digitaler; das bedeutet aber auch: Die Zahl derer, die im Sitzen arbeiten, steigt und damit die Gefahr von Gesundheitsschäden durch mangelnde Bewegung. Das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) und die Deutsche Sporthochschule Köln haben in einer gemeinsamen Praxisstudie mit der Deutschen Telekom AG nachgewiesen, dass speziell bewegungsfördernde Arbeitsstationen im Büro nicht nur gut angenommen werden, sondern auch körperlich und psychisch förderlich sein können.
Nach Zahlen der Deutschen Krankenversicherung aus dem Jahr 2016 sitzen Deutsche mit Bürojobs durchschnittlich elf Stunden pro Tag. In Deutschland arbeiten inzwischen deutlich mehr als 40 Prozent der Beschäftigten an solchen bewegungsarmen Arbeitsplätzen. Hinzu kommen lange Anfahrtswege zur Arbeitsstelle. Und auch die Freizeitgestaltung ist immer öfter von Bewegungsmangel vor dem Fernseher oder dem Computer geprägt.
Die gesundheitlichen Folgen: chronische Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, ein erhöhtes Risiko für Typ-II-Diabetes, Übergewicht, Muskel-Skelett-Beschwerden durch körperliche Unterforderung und einseitige Haltungen, aber auch psychische Effekte wie depressive Verstimmungen oder Antriebsarmut.
„Marktübliche Konzepte zur Bewegungsförderung verknüpfen die Schreibtisch- und Computerarbeit mit leichten Radfahrbewegungen. Unsere Studienergebnisse zeigen, dass diese bewegungsfördernden Arbeitsstationen tatsächlich positive Auswirkungen auf die Gesundheit haben“, sagt Professor Dr. Rolf Ellegast, stellvertretender IFA-Leiter.
„Wenn Beschäftigte die Arbeitsstationen nutzen, verbessern sich Stimmung und Arbeitsbereitschaft merklich“, so Prof. Jens Kleinert, Leiter des Psychologischen Instituts der Deutschen Sporthochschule. Die Kölner konnten außerdem zeigen, dass die Effekte der Geräte von der Trainingshäufigkeit abhängen. „Dreimal pro Woche muss schon sein, damit das Wohlbefinden langfristig profitiert“, so Kleinert Es scheint so zu sein, dass in diesen Fällen die regelmäßige Bewegung am Schreibtisch das Aufschaukeln von Stress- und Beanspruchungszuständen verhindern kann.
Auch körperliche Veränderungen waren in der untersuchten Gruppe von 30 Beschäftigten der Deutschen Telekom AG über einen Zeitraum von sechs Wochen an realen Arbeitsplätzen nachweisbar. So waren Energieumsatz und Herzfrequenz der Testpersonen an dynamischen Arbeitsplätzen statistisch signifikant höher als bei normaler Arbeit im Sitzen. Ellegast vom IFA: „Die Weltgesundheitsorganisation fordert zur Gesunderhaltung von Erwachsenen mindestens 150 Minuten moderate bis intensive Aktivität pro Woche. Diese Forderung erfüllen die Probanden, wenn sie die untersuchten Arbeitsstationen täglich gut eine Stunde nutzen. Aus unserer Sicht haben damit solche Arbeitsplatzkonzepte das Potenzial, Übergewicht vorzubeugen.“
In der Studie, die auf Voruntersuchungen des IFA im Labor aufbaute, konnten die Forscher der Deutschen Sporthochschule zudem zeigen, dass Beschäftigte in der Praxis dynamische Arbeitsstationen gut annehmen und positiv bewerten.
Ellegast: „Bei unserem Studienpartner, der Deutschen Telekom AG, haben die Ergebnisse die Entscheidung begründet, zukünftig größere Stückzahlen solcher Arbeitsstationen einzusetzen. Wir hoffen, dass weitere Unternehmen diesem Beispiel folgen.“
https://www.dguv.de/de/mediencenter/pm/pressemitteilung_338566.jsp
Active Workplace: Physiologische und psychologische Bedingungen sowie Effekte dynamischer Arbeitsstationen (IFA Report 3/2018)
Die positive und gesundheitserhaltende Wirkung regelmäßiger körperlicher Aktivität ist unbestritten. Demgegenüber kann lange andauernde physische Inaktivität sowohl mit negativen physiologischen (z. B. Belastungen des Herz-Kreislauf- und Muskel-Skelett-Systems) als auch psychologischen (z. B. erhöhtem Stresslevel) Konsequenzen verbunden sein. Ein vielversprechender Ansatz, um Inaktivität an Büro- und Bildschirmarbeitsplätzen zu vermeiden, ist die Nutzung dynamischer Arbeitsstationen. Sie ermöglichen eine leichte physiologische Aktivierung während der Ausübung von Bürotätigkeiten. Die grundsätzliche Wirksamkeit dynamischer Arbeitsplätze zur Förderung der physischen Aktivität konnte in Laboruntersuchungen nachgewiesen werden (vgl. IFA Report 4/2014). Auf der Basis dieser Erkenntnisse wurden in der vorliegenden Untersuchung zwei neuartige Gerätetypen – das Schreibtischergometer „Deskbike“ und das Untertischgerät „activeLifeTrainer“ – auf ihre Eignung in der realen Büroarbeitswelt evaluiert. Hierzu wurden einer Interventionsgruppe von 30 Beschäftigten der Deutschen Telekom AG über 28 Tage jeweils vier Geräte pro Typ im Büro zur Verfügung gestellt. Weitere 28 Beschäftigte der Telekom AG ohne die Möglichkeit, diese Geräte zu nutzen, standen als Kontrollgruppe zur Verfügung. Das Ausleih- und Nutzungsverhalten dieser Interventionsgruppe wurde erfasst, physiologische Effekte der Nutzung beider Gerätetypen wurden gemessen sowie die Nutzungsmotivation und subjektiv empfundene Praktikabilität untersucht. Außerdem wurden Effekte der Nutzung auf das generelle und arbeitsbezogene Wohlbefinden in einem Kontrollgruppendesign analysiert.
Die Ergebnisse zeigen, dass die dynamischen Arbeitsstationen an 40 % der Tage innerhalb des Interventionszeitraumes für durchschnittlich 54 Minuten pro Tag genutzt wurden. Der Energieumsatz und die Herzfrequenz stiegen während der Nutzung der Stationen im Vergleich zum Arbeiten im Sitzen signifikant an. Das Deskbike wurde insgesamt häufiger genutzt und führte zu einem größeren subjektiven Anstieg der Herzfrequenz im Vergleich zum activeLife Trainer. Beide Arbeitsstationen wurden von den Teilnehmenden als gut einsetzbar im Büro empfunden. Sie fühlten sich durch die Nutzung nicht in ihrer Arbeit gestört und waren autonom motiviert, die Stationen zu nutzen. Eine Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens zeigte sich lediglich ab einer zwei- bis dreimaligen Nutzung pro Woche. Die untersuchten dynamischen Arbeitsstationen sind für den täglichen Einsatz geeignet und beide Gerätetypen können für den Einsatz im Büro empfohlen werden. Weiterführende Forschung zu den Auswirkungen der Nutzung auf physiologische und psychologische Parameter sowie zum Einfluss auf die Ausübung verschiedener Bürotätigkeiten in realen Büroumgebungen ist zu empfehlen.
https://www.dguv.de/ifa/publikationen/reports-download/reports-2018/ifa-report-3–2018/index.jsp