Insgesamt erhielten von den 13,6 Millionen AOK-versicherten Erwerbstätigen von März bis Dezember 2020 289.282 Beschäftigte von einem Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Zusammenhang mit einer Covid-19-Diagnose. Bei mehr als der Hälfte der betroffenen Beschäftigten wurde der gesicherte Nachweis der Infektion auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dokumentiert (55,4 Prozent). Bei den übrigen Fällen wurde SARS-CoV-2 nicht durch einen Labortest nachgewiesen, sondern aufgrund eines klinischen Kriteriums (zum Beispiel typische Symptome für Covid-19) und eines epidemiologischen Kriteriums (zum Beispiel enger Kontakt zu einer Person mit bestätigter Infektion) als Verdachtsfall dokumentiert.
Pflegeberufe und Medizinische Fachangestellte in der Rangliste weit oben
Neben Berufen in der Kinderbetreuung und -erziehung waren von März bis Dezember 2020 insbesondere Berufe in der Altenpflege (4.209 je 100.000 Beschäftigte) sowie in der Gesundheits- und Krankenpflege (4.128 je 100.000 Beschäftigte) stark von Fehlzeiten im Zusammenhang mit Covid-19 betroffen (Abbildung 1). Die Anzahl der Personen mit einer per Labortest nachgewiesenen Diagnose (U07.1) war unter den zehn Berufen mit den meisten Erkrankten je 100.000 Beschäftigten bei den Berufen in der Gesundheits- und Krankenpflege (2.937 Erkrankte je 100.000 Beschäftigte) sowie in der Altenpflege (2.872 Erkrankte je 100.000 Beschäftigte) am höchsten (Tabelle 1). Die niedrigsten krankheitsbedingten Fehlzeiten im Zusammenhang mit Covid-19 zeigten sich bei den Berufen in der Landwirtschaft (581 Betroffene je 100.000 Beschäftigte) sowie in der Hochschullehre und -forschung (788 Betroffene je 100.000 Beschäftigte).
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass vor allem Berufe von Covid-19 betroffen waren, bei denen die Beschäftigten auch in den Hochphasen der Pandemie mit einer Vielzahl von Menschen in Kontakt kamen. Tätigkeiten, die eher in der freien Natur oder im Homeoffice ausgeübt werden, waren dagegen mit einem niedrigeren Infektionsrisiko verbunden. „Beschäftigte mit Berufen mit häufigen zwischenmenschlichen Kontakten, die aufgrund der Lockdown-Maßnahmen gezwungenermaßen weniger Kontakte hatten oder ihren Beruf nicht ausüben konnten, hatten ein deutlich reduziertes Risiko zu erkranken“, so Schröder. Hierzu zählen beispielsweise Berufe in der Gastronomie (1.013 Betroffene je 100.000 Beschäftigte) oder im Kosmetikgewerbe (1.035 Betroffene je 100.000 Beschäftigte).
Eine Detail-Analyse für die zehn Berufsgruppen mit den meisten Erkrankten zeigt, dass die Betroffenheit der Berufsgruppen im Verlauf des Jahres starken Schwankungen unterliegt (Tabelle 1). Besonders für die Monate November und Dezember, in denen die Infektionszahlen in vielen Regionen Deutschlands ihren Höchststand erreichten, lässt sich für mehrere Berufsgruppen in der Pflege ein rasanter Anstieg der Krankschreibungen auf Basis von laborbestätigten Diagnosen erkennen. Bei den Berufen der Kindererziehung und -betreuung zeigt sich im Vergleich mit den weiteren Berufsgruppen der Anstieg der Erkrankten mit laborbestätigten Infektion zu Beginn der zweiten Welle im September und Oktober am deutlichsten. Damit bilden die WIdO-Daten einen ähnlichen Trend ab wie die Daten des Robert Koch-Instituts zu den Infektionsfällen in Kitas oder Kinderhorten, die auf Basis des Infektionsschutzgesetzes erfasst werden. „Die Auswertungen belegen, dass es gut war, dass die Politik auf die spezifische Betroffenheit der Berufe in der Kinderbetreuung und -erziehung reagiert hat und dafür sorgt, dass auch dieser Beschäftigtengruppe ein früherer Impftermin angeboten wird“, so Schröder. „Zusammen mit den Hygienemaßnahmen in den Kindergärten kann damit die Gesundheit der Erzieherinnen und Erzieher in den nächsten Wochen und Monaten noch besser geschützt werden.“
Süden Deutschlands am stärksten betroffen
Die Betrachtung der regionalen Unterschiede bei Covid-19-bedingten Fehlzeiten macht deutlich: In der Tendenz war die südliche Hälfte Deutschlands im Zeitraum von März bis Dezember stärker betroffen als der Norden.
Allerdings gab es auch in Teilen Niedersachsens auffällig viele Krankschreibungen im Zusammenhang mit einer Infektion (Abbildung 2). Die wenigsten Erkrankten je 100.000 Beschäftigte gab es von März bis Dezember 2020 im Nordosten des Landes und in Schleswig-Holstein.
Höhepunkt der Krankmeldungen
im Dezember
Die wellenartige Prävalenz von Covid-19-Infektionen in der Bevölkerung spiegelt sich auch in den krankheitsbedingten Fehlzeiten der AOK-versicherten Beschäftigten wider (Abbildung 3). Im April 2020 gab es mit 281 Erkrankten je 100.000 Beschäftigte einen ersten Höhepunkt der Krankschreibungen aufgrund einer im Labor bestätigten Covid-19-Diagnose. Von Juni bis August 2020 zeigte sich dann ein deutlicher Rückgang, der jedoch ab September 2020 in die sogenannte „zweite Welle“ überging. Im Dezember 2020 wurde mit 486 Erkrankten je 100.000 Beschäftigten die höchste Anzahl an Krankschreibungen aufgrund einer im Labor bestätigten Covid-19-Infektion im Jahr 2020 erreicht.
2020 kein erhöhter Krankenstand
im Fünf-Jahres-Vergleich
Ein Vergleich der monatlichen Krankenstände im Jahr 2020 mit den Ergebnissen der letzten fünf Jahre zeigt, dass lediglich in den Monaten März, April und Oktober ein höherer Krankenstand festzustellen ist als im Durchschnitt der letzten fünf Jahre (Abbildung 4). In diesem Vergleich, der Sondereffekte in einzelnen Jahren – zum Beispiel durch starke Grippewellen – ausgleicht, war die größte Differenz mit 1,6 Prozentpunkten Unterschied im März zu erkennen: In diesem Monat erreichte der Gesamt-Krankenstand im Jahr 2020 mit 7,8 Prozent seinen Höchststand. Von April bis August blieb der Krankenstand hingegen hinter dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre zurück. Der niedrigste Krankenstand war mit 4,4 Prozent im Mai zu verzeichnen; er lag damit leicht unter dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre (4,9 Prozent). Die Daten sprechen für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Möglichkeit zur telefonischen Krankschreibung wegen Atemwegserkrankungen, die vom 9. März bis zum 31. Mai sowie vom 19. Oktober bis zum 31. Dezember 2020 bestand. „Die Möglichkeit einer telefonischen Krankschreibung dürfte zu einer Entlastung der Arztpraxen sowie zu einer Verringerung der Kontakte von erkrankten Personen beigetragen haben. Bis auf einen Ausschlag im Frühjahr hatten Atemwegserkrankungen in der Pandemie keinen erkennbaren Einfluss auf den Krankenstand“, so Schröders Fazit.
Psychische Erkrankungen:
Weniger Krankmeldungen,
aber längere Krankheitsdauer
Eine Zusatzauswertung zu den psychischen Erkrankungen bestätigt die Ergebnisse einer früher veröffentlichten WIdO-Analyse. Danach gab es im Jahr 2020 mit durchschnittlich 10,8 Arbeitsunfähigkeitsfällen je 100 AOK-Mitglieder weniger Krankschreibungen wegen psychischer Erkrankungen als im Vorjahr (Abbildung 5): 2019 waren 11,6 AU-Fälle je 100 AOK-Mitglieder gemeldet worden. Auch bei den darunter subsummierten depressiven Störungen (ICD-GM: F32) zeigt sich ein Rückgang um 8,1 Prozent von 3,0 in 2019 auf 2,7 AU-Fälle je 100 AOK-Mitglieder. „Es ist zu vermuten, dass viele psychisch erkrankte Beschäftigte gerade in der ersten Lockdown-Phase aus Angst vor Ansteckung auf einen Arztbesuch verzichtet haben“, so Helmut Schröder.
Bemerkenswert ist, dass parallel zur Abnahme der Fallzahlen eine sprunghafte Zunahme der Länge dieser Krankschreibungen zu verzeichnen ist. So stieg die Dauer eines durchschnittlichen psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeitsfalls bei den AOK-Mitgliedern im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um mehr als drei Tage – von 27,1 Tagen im Jahr 2019 auf 30,3 Tage im Jahr 2020. Bei den depressiven Erkrankungen zeigt sich ein ähnlicher Effekt: auch hier gab es einen Anstieg von 37,3 Tagen im Jahr 2019 auf 42,1 Tage im Jahr 2020.
„Offenbar waren die Patientinnen und Patienten mit psychischen Erkrankungen, die sich an ihre ärztliche Praxis gewandt haben, durch die Folgen der Pandemie besonders belastet und dadurch über einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig“, so Schröder. Insgesamt verstärkt sich damit der Trend der letzten Jahre zu immer längeren Krankschreibungen aufgrund von psychischer Erkrankungen.
Beim Thema Burnout zeigt sich im eine ähnliche Entwicklung wie bei den psychischen Erkrankungen: Die Burnout-Fallzahlen waren im Pandemiejahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr rückläufig (-7,3 Prozent) (Abbildung 6). Gleichzeitig ist ein Anstieg der durchschnittlichen Fehltage mit der Diagnose Burnout gegenüber dem Vorjahr um 9,1 Prozent auf durchschnittlich 24 Tage zu verzeichnen. Burnout wird in der offiziellen Klassifikation der Diagnosen (ICD) nicht als psychische Erkrankung geführt. Es handelt sich um einen Zustand physischer und psychischer Erschöpfung, der vom Arzt in der Regel als Zusatzinformation mit dokumentiert wird (Code Z73, „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“).