Sonstiges

Nacht- und Schichtarbeit

Zwei Arbeiten der hier vorliegenden Ausgabe der ErgoMed beschäftigen sich mit dem Trend der modernen Gesellschaft, den „normalen“ von dem Lauf der Sonne vorgegebenen Schlaf-Wach-Rhythmus aufzugeben und „die Nacht zum Tage zu machen“. Dies hat seine Gründe. Produktionsmittel müssen optimal ausgenutzt werden, Dienstleistungen werden zunehmend in der Freizeit (also abends, nachts und am Wochenende angefordert, Sicherheit und Versorgung sollen über 24 Stunden sieben Tage die Woche gewährleistet sein, die weltweite Vernetzung tut ein Übriges dazu, dass immer mehr Personen außerhalb der früher einmal „normalen“ Dienstzeiten von 8.00 Uhr bis 17.00 Uhr beruflich tätig sind. Über 15% der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland, vor allem in osteuropäischen Staaten um und mehr als 30% sind im Schichtdienst tätig (EU-Arbeitskräfte-Erhebung 2003).

Schon früh wiesen Hildebrandt1, Bjerner2 und Prokop und Prokop3 auf deutliche tageszeitliche Variationen der Arbeits- bzw. Wegeunfälle hin. Horwitz und McCall4 bestätigten in einer aktuellen Studie, dass in der Spät- und in der Nachtarbeit das Verletzungsrisiko größer als bei Tagarbeit ist. Folkhard und Tucker5 wiesen schließlich in einer Metaanalyse nach, dass in der Nachtschicht nicht nur die Sicherheit, sondern auch die Produktivität nachlässt.

Bei allen ökonomischen Zwängen, die hinter dieser eingreifenden Änderung des Lebensrhythmus stehen, ist es notwendig und sinnvoll, dass moderner Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin diese Entwicklungen kritisch und konstruktiv begleiten, Grenzen anmahnen und auch erarbeiten und beurteilen, welche Maßnahmen möglich sind, diese mit gesundheitlichen wie sozialen Risiken behafteten Veränderungen möglichst human umzusetzen.

J. Radon und J. Henz werfen im ersten Artikel einen für Deutschland ungewohnten und erfrischenden Blick aus der Ferne auf die Entwicklung hierzulande. Sie vergleichen insbesondere auch in ihrem eigentlichen Metier, der Juristerei, die Entwicklungen in den USA und in Deutschland, zeigen die Gefährdungen auf und suchen nach angemessenen Blickwinkeln auf die Problematik. B. Griefahn geht einen anderen Weg: Sie erörtert, dass verschiedene Personengruppen möglicherweise unterschiedlich gut zur Schicht- und Nachtarbeit geeignet sind und legt Befunde hierfür vor. Beides sind wichtige Ansätze, sich einem in der Arbeitswelt immer bedeutsamerem Thema zu nähern.

Literatur:

1. Hildebrandt, G., Rohmert, W. und Rutenfranz, J. (1974), 12 h and 24 h rhythms in error frequency of locomitive drivers and the influence of tiredness, International Jornal of Chronobiology 2, 175-180

2. Bjerner, B., Holm, A., und Swennson, A., (1955), Diurnal variation in mental performance, British Journal of Medicine 12, 103-110

3. Prokop, O. und Prokop, L., (1955), Ermüdung und Einschlafen am Steuer, Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin. Organ der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin und Sozialmedizin 44, 343-355

4. Horwitz, I.B. und McCall, B.P., (2004), The impact of shift work on the risk and severity of injuries for hospital employees: an analysis using Oregon workers´compensation data, Journal of Occupational and Environmental Medicine 54, 556-63

5. Folkhard, S., Tucker, P., (2003), Shift work, safety und produktivity, Occupational Medicine 53, 95-101

Detlev Jung

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