Am 10. und 11. Mߤrz 2005 fand das 2. Nordbadische Forum ߢ”¬Å¾Gesundheit und Sicherheit bei der Arbeitߢ”¬Å im Mannheimer Schloss statt. Neben kurzen Beschreibungen der ß¼brigen Vortrߤge wird im Folgenden in einem lߤngeren Referat auf den Vortrag von E. Ulich eingegangen, der auch im Zentrum des Forums stand.
Rechtliche Novellierungen in der Betreuung von Betrieben
Ein zentraler Punkt der Tagung war die anstehende Deregulierung im Arbeitsschutz, die m߶glichen Gefahren und auch die M߶glichkeiten und Chancen. Auf die M߶glichkeiten, durch die Deregulierung den Arbeitsschutz anwendungsorientierter, besser auf den einzelnen groߟen oder kleinen Betrieb zugeschnitten durchf߼hren zu k߶nnen, wies Sobetzko in seinem Referat hin. Er sah darin die Chance, dass Arbeitsschutz dadurch auch vom Unternehmer weniger als Kostenfaktor, sondern vielmehr als integraler Bestandteil des Unternehmens gesehen wird.
G. Strothotte, einer der Mitverfasser der neuen BGV A2 (Betriebsߤrzte und Fachkrߤfte f߼r Arbeitssicherheit), erlߤuterte diese insbesondere bez߼glich der Konsequenzen f߼r Klein- und Mittelbetriebe (KMU). Hier gibt es zur Zeit von BG zu BG sehr unterschiedliche Betreuungsmodelle. Schwierigkeiten bestehen insbesondere in der Praktikabilitߤt (Minieinsatzzeiten), die eine feste Einsatzzeit hߤufig als nicht sinnvoll erscheinen lߤsst. Eine Stߤrkung der Eigenverantwortlichkeit der Betriebe, eine Ausrichtung der Betreuung am Gefߤhrdungspotenzial, gleiche Betreuungsmaߟstߤbe bei gleicher Gefߤhrdung und eine Qualitߤtssicherung soll die Akzeptanz der Betreuung in den Betrieben erh߶hen. Die Umsetzung der BGV A2 durch die einzelnen BGen ist noch nicht abgeschlossen.
Die neue Gefahrstoffverordnung ist am 1. 1. 2005 in Kraft getreten. Ein Ziel der neuen Fassung war es, deren Akzeptanz und damit ihre Umsetzung auch bei Klein- und Mittelbetrieben (KMU) zu erh߶hen. Dies soll durch eine genaue und auch f߼r Laien verstߤndliche Beschreibung der Gefߤhrdungsbeurteilung als Voraussetzung f߼r die Erstellung der erforderlichen Betriebsanweisungen erreicht werden. K. Fr߶hlich konkretisierte das Schutzstufenkonzept als Grundlage betrieblicher Handlungs- und Dokumentationsaktivitߤten im Rahmen des Arbeitschutzes (Notwendigkeit von Gefahrstoffverzeichnis, Betriebsanweisung, arbeitsmedizinisch-toxikologischer Beratung, Substitutionsempfehlung/-pflicht, Verwendung geschlossener Systeme). Er diskutierte Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den alten MAK- und TRK-Werten und den neuen Arbeitsplatzgrenzwerten (AGW) insbesondere bez߼glich ihrer Mittelung ߼ber die Zeit.
F. Grauer stellte die Systematik und den Geist der novellierten Arbeitsstߤttenverordnung vom 25. 8. 2004 als nationaler Umsetzung der EG-Arbeitsstߤttenrichtlinie vor. Die Schutzziele sollen Raum f߼r betriebsnahe Gestaltungsm߶glichkeiten lassen und werden nur dann konkretisiert, wenn im Belastungsfall Gesundheitsschߤden m߶glich sind oder wenn Anforderungen keinen nachtrߤglichen Gestaltungsspielraum zulassen.
M. Sehling referierte ßÅberlegungen ß¼ber die Rolle des Betriebsarztes beim Disability Management, insbesondere unter Berß¼cksichtigung des ߧ84 Abs. 2 im SGB IX. Dieser hat nach Aussagen von Vertretern des Sozialministeriums die Erhaltung von Arbeitsplߤtzen von chronisch Kranken und behinderten Menschen zum Ziel (bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang, dass dieser Paragraph, obwohl im SGB IX, Schwerbehindertenrecht untergebracht, sich gleichwohl auf die gesamte Mitarbeiterschaft bezieht; Anmerkung des Verfassers). In das geforderte Wiedereingliederungsmanagement ist der Betriebsarzt von Gesetz wegen, aufgrund seiner Kompetenz in medizinischen, insbesondere sozialmedizinischen Fragen auch logischerweise mit einbezogen und durchaus prߤdestiniert, eine Koordinatorenrolle zu ß¼bernehmen. Zu koordinieren sind u. a. intern Vorgesetzte, Personalabteilung, Personalrat, evtl. Vertrauensperson der Schwerbehinderten und Schwerbehindertenbeauftragte, extern behandelnde ß”rzte, Kliniken, Sozialversicherungen und evtl. das Integrationsamt. Der Hauptverband der Gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) offeriert fß¼r diese Aufgabe ein Bildungsangebot (Disability Manager).
Einzelthemen
Weiter in die praktisch-alltߤgliche Arbeit ging es dann im Vortrag von
S. Schoppe-Jochum ß¼ber den ߢ”¬Å¾Atemschutztrߤger im Spannungsfeld zwischen arbeitmedizinischer Untersuchung und pers߶nlicher Erwartungߢ”¬Å. ßÅber die in der BG-Vorschrift G26 nachlesbaren Untersuchungsinhalte hinaus erschienen folgende Hinweise wichtig: 1. Die Ergometrie kann zwar Personen herausfiltern, die als Atemschutztrߤger nicht geeignet sind, sie stellt aber keine Eignungsprß¼fung im positiven Sinne dar. 2. Die ߢ”¬Å¾vermeintlichߢ”¬Å peripheren Untersuchungen zum Vorliegen von Trommelfellschߤden, Eingeweidebrß¼chen, Obesitas, H߶rverm߶gen k߶nnen im realen Einsatz von kritischer Bedeutung sein. Selbst der Bart kann zum Problem werden. 3. Von Seiten der technischen Maߟnahmen sind das Gewicht und der Tragekomfort der Pressluftatmer, die Frage, welche Gerߤtschaften tatsߤchlich mitzufß¼hren sind und die Art und Beschaffenheit der Einsatzkleidung ins Kalkß¼l zu ziehen. All dies kann zu Differenzen zwischen ߤrztlicher Erwartung und der der Betroffenen fß¼hren. Dies bedarf der intensiven Kommunikation.
Nauert referierte ߼ber das speziell im Krankenhaus- und dort im OP-Bereich nach wie vor hochaktuelle Thema der nosokomialen Infektionen, insbesondere der chronischen Hepatitiden. Die Arbeitsmedizin ߼bt hier nach wie vor den Spagat zwischen Melde- und Schweigepflicht, ohne dass bisher eine zufriedenstellende rechtliche L߶sung gefunden worden wߤre.
A. Wittmann stellte eine Studie zur m߶glichen Kostenersparnis durch den Einsatz sicherer Kan߼len im Krankenhausbereich vor. Diese Kan߼len haben integrierte Sicherheitseinrichtungen, die ein versehentliches Stechen nach ordnungsgemߤߟem Gebrauch weitgehend ausschlieߟen. Bei der jetzigen Frequenz von Nadelstichverletzungen besteht zumindest f߼r den Unfallversicherungstrߤger, mutmaߟlich aber auch f߼r den Krankenhaustrߤger ein ߶konomischer Nutzen durch den Einsatz solcher Sicherheitskan߼len. Grundsߤtzlich besteht ohnehin aufgrund der Vorgaben von Arbeitsschutzgesetz und Biostoffverordnung mit ihren Umsetzungen insbesondere durch die TRBA 250 die Pflicht im Arbeitsschutz, den Stand der Technik auch einzusetzen.
K. Scheuermann warb in dem Vortrag ߢ”¬Å¾Halonersatz, eine komplexe Anforderung an den betrieblichen Brandschutzߢ”¬Å darum, sich gerade nach dem FCKW-Verbot verstߤrkt mit der Erstellung eines betrieblichen Brandschutzkonzepts auseinanderzusetzen.
Ein mittlerweile allgemein bekanntes arbeitsmedizinisches Problem stellen die Fehlbelastungen insbesondere der Wirbelsߤulenmuskulatur am Bildschirmarbeitsplatz dar. Ratschlߤge zur intermittierenden Regeneration und Lockerung in gut gemeinten Broschß¼ren werden in der Regel frß¼hestens dann befolgt, wenn Beschwerden vorhanden sind, vorher aber einfach vergessen. B. von Hardenberg und R. Ram-Devrient stellten ein PC-gesteuertes Programm zur Rß¼ckenprߤvention (moving) vor, das in regelmߤߟigen Zeitabstߤnden am Bildschirm zu einfachen, im Sitzen durchfß¼hrbaren gymnastischen ßÅbungen (Vorwߤrts-/Rß¼ckwߤrts; Dehnung; Streckung; Links-/Rechtsbewegung) auffordert. Studien zu seiner Effizienz wurden durchgefß¼hrt.
Verlߤssliche Daten zum Einfluss des Konsums legaler und illegaler Drogen auf Arbeitsleistung und Arbeitsunfߤlle existieren nicht. Bei Einstellungsuntersuchungen weisen 1ߢ”¬”6 % positiver (Cannabis-)befunde im Screening auf einen Konsum in den vier vorhergehenden Wochen hin. Da Drogenkonsumenten im Vergleich zu Alkoholkonsumenten weniger Befß¼rchtungen vor einem Verlust des Arbeitsplatzes haben, geht K. Hupfer davon aus, dass die Dienst- oder Betriebsvereinbarung Sucht als Therapeutikum bei dieser Klientel weniger wirksam ist. Falls Drogenschnelltests als Gruppentests durchgefß¼hrt werden, so sind bei Verdacht auf Drogenkonsum und positivem Testausfall aufgrund m߶glicher unspezifischer Kreuzreaktionen eine Blutprobenanalyse und zur Sicherung eine Urinanalyse mittels GC/MS anzustreben, spߤtestens dann, wenn arbeitsrechtliche Konsequenzen im Raum stehen.
In mehreren Seminaren kamen praktische Fragen aufs Tapet: H. Fleck gab Einblicke in Funktionsweise, Durchfß¼hrung, Interpretation und Fallstricke der Spirometrie.
H. Berg erlߤuterte den BG-Grundsatz G20 mit den Stufen Lߤrm I, II und III (Lߤrm I zur Erkennung auffߤlliger Versicherter, danach Lߤrm II, bei vermuteter wesentlicher Beeintrߤchtigung der Kommunikationsfߤhigkeit Lߤrm III) und wies darauf hin, dass zum 15. 2. 2006 die EU-Richtlinie Lߤrm (2003/10/EG) in nationales Recht umgesetzt sein muss. Sehr hilfreiche Informationsquellen wurden angegeben:
www.hvbg.de/d/bia/fac/softwa/psasw/index.html (PSA-Auswahlprogramm)
www.hvbg.de (Regeln, Vorschriften, Formulare)
HVBG, CD Lߤrm und Geh߶rschutz
(Tel. 02241/231-0)
Bundesanstalt f߼r Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, CD Schwerh߶rig durch Lߤrm
(Tel. 0471/94544-0)
AMD Bau BG Frankfut a. M., CD Lߤrmschwerh߶rigkeit ߢ”¬Â¦ nur die Verhß¼tung zߤhlt
(Tel. 069/47053-10)
SUVA, CD Audio Demo 3 (www.suva.ch)
www.smbg.de/Sites/institutionen/fachausschuss.htm Umsetzung der EG-Richtlinie.
S. Jehle schlieߟlich referierte und diskutierte das Thema Brandschutz im Betrieb und im Privaten in einem eindr߼cklichen Experimentalvortrag.
Gesundheitsf߶rderung im Betrieb
(Referat auf der Basis der von E. Ulich freundlicherweise ß¼berlassenen Unterlagen).
In der Kopenhagen-Konferenz der WHO1 wurde die Forderung aufgestellt, dass sich bis zum Jahr 2000 in allen Mitgliedsstaaten ߢ”¬Å¾durch Schaffung gesß¼nderer Arbeitsbedingungen, Einschrߤnkung der arbeitsbedingten Krankheiten und Verletzungen sowie durch die F߶rderung des Wohlbefindens der arbeitenden Bev߶lkerung der Gesundheitszustand der Arbeitnehmer verbessert habenߢ”¬Å soll. Dieses Ziel ist offensichtlich nicht erreicht wordenߢ”¬Â¦ Damit gewinnt die von Nefiodow2 vorgelegte Zukunftsprojektion an Bedeutung. Seine Auseinandersetzung mit den langen Wellen der Konjunktur3 fß¼hrt zu dem Ergebnis, dass ߢ”¬Å¾die hohen Kosten der sozialen Entropieߢ”¬Å die gr߶ߟte Wachstumsbarriere am Ende des fß¼nften Kondratieff darstellen und der gemeinsame Nenner des sechsten Kondratieff durch ߢ”¬Å¾Gesundheit im ganzheitlichen Sinnߢ”¬Å zu kennzeichnen ist (Abb. 1).
Gratifikationskrisen mit entsprechenden Auswirkungen auf kardiovaskulߤre Erkrankungen, emotionale Ersch߶pfung oder arbeitsbedingtes Voraltern geh߶ren neben den hߤufig gefundenen Symptomen von Stress zu den m߶glichen Folgen derartiger Arbeitsstrukturen. Anhaltender Stress am Arbeitsplatz ist ein wesentlicher Faktor f߼r das Auftreten von depressiven Verstimmungen. Diese St߶rungen stehen bei der weltweiten Krankheitsbelastung (global disease burden) an vierter Stelle4. Die Weltgesundheitsorganisation rechnet damit, dass sie bis 2020 nach den ischߤmischen Herzerkrankungen vor allen anderen Krankheiten auf dem zweiten Platz stehen werden.
Hohe Anforderungen, vollstߤndige Tߤtigkeiten, M߶glichkeiten des Lernens, der Entwicklung und des sozialen Interaktion sowie Autonomie und kollektive Selbstregulation sind verhߤltnisorientierte Merkmale gesundheits- und pers߶nlichkeitsf߶rderlicher Arbeitsgestaltung. Sie erzeugen bzw. erm߶glichen zugleich Orientierungen und Verhaltensweisen, die die aus den Arbeitsbedingungen resultierenden Effekte stabilisieren oder sogar verstߤrken5. Risikobehaftete Arbeitskonstellationen sind eine unzureichende Vollstߤndigkeit der Aufgaben, mangelnde Vielfalt der Anforderungen, geringe Autonomie, fehlende M߶glichkeiten der unterstß¼tzenden Kooperation, widersprß¼chliche Auftrߤge ohne individuelle L߶sungsm߶glichkeiten, Zeitdruck und qualitative ßÅberforderung6.
Der enge Zusammenhang zwischen subjektivem Erleben der Arbeit und der Arbeitsumgebung durch die Mitarbeiter und ߶konomischen, f߼r das Wohlergehen des Unternehmens relevanten Maߟen wird eindringlich in den Zahlen der Abb. 2 dargestellt.
An modernen Arbeitsplߤtzen, die aufgrund ihres Potenzials an gesundheitsgefߤhrdenden Arbeitsumstߤnden einer genauen Beobachtung bed߼rfen, stellt Ulich die Call-Center-Tߤtigkeit und die Teleheimarbeit vor.
ߢ”¬Å¾Faustregelnߢ”¬Å fß¼r die Gestaltung von Call Center-Tߤtigkeiten8
Der Schlß¼ssel zum Erfolg fß¼r erfolgreiche Arbeit und gesunde sowie zufriedene Mitarbeiter liegt eindeutig in der Art und Weise, wie die Arbeit im Unternehmen gestaltet ist. Effektiv gestaltete Arbeit im Call Center zeichnet sich aus durch
1. einen Telefonie-Anteil, der nicht ß¼ber 60 % der Arbeitszeit liegt.
2. gut gestaltete Aufgabenbedingungen: dazu geh߶ren z. B. angemessene Arbeitsanforderungen, Tߤtigkeitsspielrߤume, optimale Leistungs- und Zeitvorgaben, gute Rahmenbedingungen etc. ein gutes Verhߤltnis von Telefonie- und Sachbearbeitungstߤtigkeit (Mischarbeit).
3. Mischarbeit sollte Anteile an Inbound-, Outbound- und Back Office-Tߤtigkeiten sowie Aufgaben mit komplexen und einfachen Anforderungen enthalten.
4. die Partizipation und Mitbestimmung der Agenten bei wichtigen Entscheidungen zur Arbeitstߤtigkeit.
5. Qualifizierung und Training der Agenten gleichberechtigt im fachlichen (produkt- und aufgabenbezogen) und sozial-kommunikativen Bereich.
6. ein regelmߤߟiges Kurzpausensystem von durchschnittlich 5 Minuten pro Arbeitsstunde.
Bewertungen der Teleheimarbeit
ߢ”¬Å¾Die vielfߤltigen Befunde zu den gesundheitlichen Beschwerden infolge der Teleheimarbeit und der Umgang mit ihnen lassen keine Entwarnung hinsichtlich des AGS zu, im Gegenteil erfordern letztere eine Intensivierung der Forschung und Gestaltung in diesem Bereich ߢ”¬Â¦ Auffallend ist, das sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem Arbeitszeitvolumen und der Anzahl der gesundheitlichen Beschwerden nachweisen lߤsst ߢ”¬Â¦ Interessant sind ferner die Relationen zu den jeweiligen Tߤtigkeitsfeldern ߢ”¬Â¦ Z. B. werden Augenbeschwerden vergleichsweise hoch von Teleheimarbeitern im Bereich Konstruktion und CAD, Gereiztheit, innere Unruhe und Mß¼digkeit v.a. von Telearbeitern mit Call Center Aktivitߤten, Kreuzbeschwerden von Teleheimarbeitern mit Sekretariats- und EDV-Aufgaben angegeben. In Anbetracht der Vielzahl von konstatierten Beschwerden stellt sich die Frage, wie die Teleheimarbeiter mit einer beginnenden Krankheit umgehen. Die meisten bitten die Familie um Entlastung und/oder versuchen, die Arbeitszeit auf andere Zeiten zu verlegenߢ”¬Å9.
Anstatt der erhofften optimalen Vereinbarkeit von Berufsarbeit und Familienleben und neuer Formen der Rollenteilung werden in zahlreichen Fߤllen Probleme der Familienregulation und Verfestigung traditioneller Rollenmuster erkennbar. ߢ”¬Å¾Die Befunde zur Familienregulation widerlegen mit hoher Evidenz den Mythos der besseren Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf durch THAߢ”¬Å. ߢ”¬Å¾Vor allem die weiblichen Telearbeiter mit familialen Verpflichtungen vollfß¼hren einen permanenten Spagat zwischen Teleheimarbeit und Familieߢ”¬Å9.
Teleheimarbeit fß¼hrt ߢ”¬Å¾nicht nur zur Aufgabe der faktischen, sondern auch zu einer Aufgabe der symbolischen Grenzen zwischen den Lebensbereichen mit all ihren ߢ”¬” nicht selten widersprß¼chlichen ߢ”¬” Implikationen fß¼r Leistung, Anerkennung, Konkurrenz auf der einen Seite und Entspannung, Nߤhe und Geborgenheit auf der anderen Seiteߢ”¬Å10. Damit besteht die ߢ”¬Å¾Gefahr einer Verflß¼ssigung der Grenzen zwischen Arbeit und Familie/Freizeitߢ”¬Å11 .
Problematische Aspekte in der aktuellen Arbeitslandschaft sind auߟerdem der Prߤsentismus und der Umgang mit der ߤlteren Arbeitnehmerschaft.
Prߤsentismus
Immer hߤufiger berichten Unternehmen nicht mehr ߼ber Abwesenheitsquoten und Krankenstand, sondern ߼ber Anwesenheitsquoten und geben diese als Gesundheitsstand aus.
Dass gerade heutzutage Anwesenheit am Arbeitsplatz keineswegs in jedem Fall mit Gesundheit gleichzusetzen ist, ist indes offensichtlich.
Neuerdings wird mehrfach darauf hingewiesen, dass der sogenannte ߢ”¬Å¾Prߤsentismusߢ”¬Å, das heisst die Anwesenheit trotz fehlender Gesundheit, auch mit nachteiligen Folgen fß¼r die Produktivitߤt verbunden sein kann. Die dazu vorliegenden Analysen weisen, bei aller vorhandenen methodischen Schwierigkeit, darauf hin, dass die Produktivitߤtsverluste auf Grund von Anwesenheit trotz fehlender Gesundheit deutlich h߶her ausfallen k߶nnen als Produktivitߤtsverluste aufgrund krankheitsbedingter Abwesenheit.
Biologisches und menschgemachtes Altern
ߢ”¬Å¾Von dem derzeit wenig beeinflussbaren endogen, d. h. genetisch und somatisch bedingten Altern muss das menschgemachte, darunter das arbeitsinduzierte Altern mit seiner Abhߤngigkeit von exogenen Faktoren unterschieden werden. Die Lebens- und die Arbeitsbedingungen k߶nnen das Altern beschleunigen (man kann vor-altern) oder im Idealfall auch verz߶gern12.
Gߤngige altersdiskriminierende Verhaltensweisen sind13
1. eine altersselektive Personaleinstellungs- und -rekrutierungspolitik;
2. alterssegmentierte Aufgabenzuweisungen ߢ”¬” mit der hߤufigen Folge der Reduzierung ihrer praktischen Einsetzbarkeit;
3. unterdurchschnittliche Beteiligung bei betrieblich organisierter Fort- und Weiterbildung;
4. Benachteiligung bei betrieblichen Aufstiegsprozessen;
5. Geringschߤtzung ihres Erfahrungswissens sowie
6. kurzfristige Kalk߼le bei Personalentscheidungen zu Lasten ߤlterer Belegschaftsmitglieder.
So kam Ulich zum Abschluss des Vortrags zu folgenden Thesen:
Thesen zum Gesundheitsmanagement14
Obwohl sachlogisch die personbezogene Orientierung der bedingungsbezogenen Orientierung nachgeordnet ist, wird in der Praxis die Bedeutung gesundheitsf߶rdernder Arbeitsgestaltung kaum erkannt.
1. ߢ”¬Å¾Moderneߢ”¬Å Organisationskonzepte wie Lean Management, Downsizing, Outsourcing etc. haben das Entstehen von Stress und die Wirkung von Gratifikationskrisen massiv verstߤrkt.
2. Gesundheitsmanagement ist Teil des Unternehmensmanagements und geh߶rt deshalb zum Verantwortungsbereich der Unternehmensleitung.
Die Bedeutung der betrieblichen Gesundheitsf߶rderung ߤuߟert sich auch in der Bewertung der Expertenkommission der Bertelsmann-Stiftung und der Hans-B߶ckler-Stiftung
Unternehmensbewertung: ߢ”¬Å¾Die Kommission empfiehlt, Strukturen, Prozesse und Ergebnisse auf dem Gebiet der betrieblichen Gesundheitspolitik verstߤrkt in die Unternehmensbewertungen einzubeziehen. Dies gilt insbesondere fß¼r Banken und Rating-Agenturen und mit Blick auf die Neuformulierung der Richtlinien fß¼r die Kreditvergabe (Basel II), soweit die fß¼r die Unternehmensbewertung maߟgeblichen Faktoren messbar sindߢ”¬Å15.
Literatur zu E. Ulich:
1. World Health Organization. Kopenhagen Konferenz 1991
2. Nefiodow L. Der sechste Kondratieff
(4. Auflage). Sankt Augustin: Rhein-Sieg, 2000
3. Kondratieff N. Die langen Wellen der Konjunktur. Archiv fß¼r Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 1926; 56: 573ߢ”¬”609
4. Levi L. Wß¼rze des Lebens oder Gifthauch des Todes? Magazin Ausgabe 5 ߢ”¬” Stress lass nach. Bilbao: Europߤische Agentur fß¼r Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, 2002
5. Ulich E. Arbeitspsychologie. 5. vollst. ߼berarb. und erw. Auflage. Z߼rich: vdf Hochschulverlag. Stuttgart: Schߤffer-P߶schel, 2001
6. Hacker W, Schroda F, Riemer S, Ishig A. Forschungsprojekt Gesundheitsf߶rdernde Arbeitsprozessgestaltung. Projektberichte, Heft. Dresden: Institut f߼r Allgemeine Psychologie, Biopsychologie und Methoden der Psychologie der Technischen Universitߤt Dresden, 2000
7. Degener M. Unternehmenserfolg und soziale Verantwortung. Frankfurt/M. Peter Lang, 2004
8. Wieland R, Metz A-M, Richter P. Call Center auf dem arbeitspsychologischen Prß¼fstand, Teil 2: Arbeitsgestaltung, Belastung, Beanspruchung und Ressourcen. Hamburg: Verwaltungsberufsgenossenschaft, 2002.
9. Treier M. Zu Belastungs- und Beanspruchungsmomenten der Teleheimarbeit unter besonderer Berß¼cksichtigung der Selbst- und Familienregulation. Hamburg: Kovac, 2001
10. Bß¼ssing A. Telearbeit. In: Graf Hoyos C, Frey D (Hrsg.). Arbeits- und Organisationspsychologie. Ein Lehrbuch. Weinheim: Psychologie Verlags Union, 1999
11. Bß¼ssing A, Broome P. Telearbeit. Zeitflexibel in die Informationsgesellschaft. In: Bß¼ssing A, Seifert H. Die ߢ”¬Å¾Stechuhrߢ”¬Å hat ausgedient. Berlin: edition sigma, 1999
12. Hacker W. Leistungs- und Lernfߤhigkeit ߤlterer Menschen. In: v. Cranach M, Schneider H-D, Winkler R, Ulich E (Hrsg.). ߔltere Menschen im Unternehmen. Chancen, Risiken, Modelle. Bern: Haupt, 2004
13. Naegele G. Verrentungspolitik und Herausforderungen des demographischen Wandels in der Arbeitswelt. Das Beispiel Deutschland. In: v. Cranach M, Schneider H-D, Winkler R, Ulich E (Hrsg.). ߔltere Menschen im Unternehmen. Chancen, Risiken, Modelle. Bern: Haupt, 2004
14. Ulich E. Betriebliche Gesundheitsf߶rderung: Beitrag zum qualitativen Wachstum. Vortrag an der Nationalen Gesundheitstagung ߢ”¬Å¾Arbeitsbedingungen und Gesundheitߢ”¬Å (Aarau 18.9.) 2003
15. Expertenkommission der Bertelsmann-Stiftung und der Hans-B߶ckler-Stiftung. Zukunftsfߤhige betriebliche Gesundheitspolitik. G߼tersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung, 2004
Detlev Jung