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Der Umgang mit Interkulturalität

Ein internationaler Überblick

Der Umgang mit Interkulturalität

Migration ist ein uraltes Phänomen, das bereits im römischen Kaiserreich1 oder in Babylon2 bestens dokumentiert war.

Bei der Migration treffen Bedürfnisse jener Menschen, die migrieren, und jene der Länder, in die sie migrieren, aufeinander. Migration ist aber keineswegs auf Industrieländer beschränkt. Wie der UNDP-Bericht über Migration 2009 aufzeigt, migrieren über 700 Millionen Menschen innerhalb ihres Landes. Von den rund 210 Millionen Menschen, die weltweit migrieren, wandern nur 75 Millionen von einem Entwicklungsland in ein Industrieland. Internationale Migration bringt sprachliche und kulturelle Herausforderungen mit sich. Sie betrifft alle Lebensbereiche, so jenen der Arbeit und der damit verbundenen Gefährdungen. Eine Reihe klassischer Einwanderungsländer wie die USA, Australien oder Kanada haben seit vielen Jahren das Bewusstsein um diese Thematik, wie zahlreiche Studien und Veröffentlichungen zeigen.

Ungleiche Verteilung auf risikoreiche Berufe
Migranten arbeiten sehr oft in risikoreichen Wirtschaftsbereichen bzw. risikoreichen Beschäftigungen.3-15 Das bestätigt eine Studie von Orrenius und Zavodny16 in den USA aus dem Jahr 2009. Im Vergleich zu in den USA Geborenen arbeiten Migranten überproportional oft in risikoreichen Wirtschaftsbereichen wie der Landwirtschaft oder dem Bergbau bzw. in risikoreichen Beschäftigungen. Es mag daran liegen, dass ihr Risikobewusstsein weniger stark ausgeprägt ist bzw. dass diese risikoreicheren Beschäftigungen mit höheren Einkünften verbunden sind. Allerdings ergab die Studie, dass die Migranten umso mehr in risikoreichen Bereichen arbeiten und sogenannte „3D-Jobs“ (Dirty, Dangerous, Demanding) haben, je geringer deren Bildungsstand und Englischkenntnisse sind.

Gleichzeitig verzeichnen seit 15 Jahren in den USA die Hispanics, also Migranten aus Mittel- und Südamerika, die höchste Rate an tödlichen Arbeitsunfällen im Vergleich mit den anderen Bevölkerungsgruppen; 2003 waren 69 Prozent der tödlichen Arbeitsunfälle bei Hispanics zu verzeichnen. Ihre Verletzungsrate ist ebenfalls höher. Im Jahr 2000 stellten Hispanics 16 Prozent der Arbeitnehmer im Bausektor, erlitten aber 23,5 % der tödlichen Arbeitsunfälle.17 Auch in Kanada8 oder Australien4 arbeiten Migranten mit geringerer Ausbildung in risikoreicheren Berufen. Die Ungleichheit der Verteilung der Arbeit auf Risikoarbeitsplätze war auch Gegenstand von Studien in Großbritannien6, Neuseeland18 oder in Schweden10, wo festgestellt wurde, dass Migranten mehr manuelle Berufe mit schwerer körperlicher Arbeit haben. In Deutschland ergab eine Studie von Bauer 1994 mehr schwere Arbeitsunfälle bei Migranten; als Grund wurden technische Risiken am Arbeitsplatz erhoben.19 In Kanada sind in den ersten fünf Jahren nach Migration verstärkt Arbeitsunfälle zu verzeichnen20, in Schweden bei jungen und unerfahrenen migrantischen Arbeitnehmern.21

Australien hat rund 30 % ausländische Arbeitnehmer, von diesen kommen 70 % aus nicht-englischsprachigen Ländern. Im Bauwesen sind 26 Nationalitäten vertreten.22 Eine Studie von Corvalan5 1994 ergab, dass in Australien die Mortalität der Migranten insgesamt leicht höher liegt als jene von in Australien Geborenen. Allerdings ist die Mortalität der Migranten in einigen risikoreichen Bereichen wie Bergbau und Landwirtschaft oder auch im Bausektor signifikant höher als jene der Australier; insbesondere bei einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren und geringen Englischkenntnissen. Und das führt uns zum nächsten Punkt, den Sprachbarrieren.

Sprachbarrieren
Sprachbarrieren haben negative Auswirkungen auf die Arbeitssicherheit wie eine Reihe von australischen Studien aufzeigen.4,12,23,24 Oft geben Arbeitnehmer an, sie sprächen und verstünden Englisch, auch wenn das nicht der Fall ist.23 Sicherheitsanweisungen werden nicht oder nicht ganz verstanden.4,23 Andere Arbeitnehmer, die etwas bessere Sprachkenntnisse haben, werden als Sprachmittler eingesetzt, aber die Qualität der Übermittlung ist oft mangelhaft.4,23 Es mag auch sein, dass Anweisungen nur durch Gesten gegeben werden. Trajkowski12 zeigt auf, dass fast die Hälfte der schlecht Englisch Sprechenden angibt, Anweisungen nicht verstanden zu haben; rund zwei Drittel sagen aus, auf Grund solcher Situationen Fehler gemacht zu haben.

Eine Studie aus Hong Kong zeigt ähnliche Verständigungsprobleme im Bereich der Sicherheit zwischen Kontraktoren und Subkontraktoren auf, da Subkontraktoren oft nicht Englisch sprechen.26 Auch aus Kanada8 und den USA27 liegen Studien mit ähnlichen Ergebnissen vor. Dazu kommt noch, dass viele der Migranten nicht Lesen und Schreiben können.13,18 So ist in den USA zum Beispiel das Bildungsniveau der Hispanics weit geringer als jenes der amerikanischen Bevölkerung.13 Diese Faktoren erschweren den Zugang zu Sicherheitsinformationen; auch haben viele Migranten keinen Zugang zum Internet.13

Kulturelle Faktoren
Auch kulturelle Faktoren spielen eine Rolle. Man muss hier zwischen intrinsischen und extrinsischen Faktoren unterscheiden.29 Zu den intrinsischen könnte man anführen: kulturell bedingte Unterschiede im Rollenverständnis,27,30 Scheu, auf Probleme hinzuweisen, größerer Respekt vor einem Machtgefälle13,27,31,32 und daher Angst davor, gegen Anweisungen eines Vorgesetzten zu verstoßen oder diese in Frage zu stellen.13,28 Man will Vorgesetzte nicht durch Rückfragen stören, empfindet hinterfragen als respektlos bzw. will die Harmonie der Gruppe (Chinesisch: „Guanshi“ = persönliche Beziehung) nicht beeinträchtigen.44

Der Glaube an eine Vorbestimmung spielt hier auch eine Rolle13; Fatalismus kann dazu führen, dass die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen nicht wahrgenommen wird.

Je nach Kommunikationsstil gibt/erhält man lieber schriftliche Informationen (in sicherheitsbewussteren, formelleren Ländern) im Gegensatz zu Kulturen, die eher einer mündlichen, persönlichen Information vertrauen.31

Auch Körpersprache, das heißt nonverbale Signale, können missverständlich sein wie wegschauen/nicht in die Augen schauen, Kopfschütteln als Bejahung oder Verneinung.27 Die Gestik ist auch nicht in allen Ländern gleich.33,34,35 Warnsignale werden daher vielleicht nicht immer als solche verstanden.

Kulturelle Variabeln beeinflussen die Kommunikation, also geben vor was man als vernünftig, rational, logisch und selbstverständlich ansieht. Man hinterfragt nicht, ob diese Voraussetzungen auch für die Gesprächspartner gelten.36,37 Insgesamt ist bei der Kommunikation zu beachten, dass die nicht gelungene Kommunikation primär oft nicht auffällt; also die Tatsache, dass verschiedene Menschen verschiedene Annahmen über Arbeit, Rechte und Aufgaben und den Zweck der Kommunikation haben.10

Bei den extrinsischen Faktoren sind anzuführen: Angst, Mangel an Vertrauen zu den Vorgesetzten, benachteiligte Position.29 Migranten wissen oft nicht, welche Arbeitsschutzbestimmungen in einem Land gelten oder dass es solche überhaupt (möglicherweise im Unterschied zu ihrem Herkunftsland) gibt, sind vielleicht illegal im Land oder in prekären Arbeitsverhältnissen oder haben Angst ihre Arbeit zu verlieren13; ebenso kann sich geringe oder keine Berufserfahrung negativ auswirken.13

Ein kleiner Exkurs
Mit Kommunikationsstörungen aufgrund sprachlicher und/oder kultureller Unterschiede haben sich Bereiche wie Seefahrt38, Luftfahrt39 oder auch Offshore Plattformen40 schon lange befasst, im Bewusstsein um die potentiell katastrophalen Auswirkungen von Kommunikationsproblemen mit den entsprechenden Haftungsfragen. In der britischen Offshore Öl- und Gasindustrie sind zum Beispiel Menschen aus 117 Nationen tätig, bei über der Hälfte ist Englisch nicht die Muttersprache.40 Es wurden sehr stringente Maßnahmen zur Verbesserung der Kommunikation (und damit der Sicherheit) entwickelt. Diese gehen von Sprachschulungen bis zur Einführung von sogenannten standardisierten Kommunikationssprachen in Seefahrt und Luftfahrt.41,39

Statistische Erhebungen
In einer Reihe von Studien wird festgestellt, dass Unfallakten leider keine Angaben zur Herkunft bzw. Nationalität der Unfallopfer oder deren Sprachkenntnissen enthalten. Ein Beispiel dafür ist die Unfallversicherung CSST in Montreal.42 Auch in Großbritannien gab es bis April 2008 keine diesartigen Angaben; seither wird bei tödlichen Unfällen die Nationalität vermerkt; nicht aber bei anderen Unfällen.43

Insgesamt wird in einer Reihe von Untersuchungen festgehalten, dass die Thematik noch viel zu wenig erforscht ist.21,44,45 Es werden Vergleichsstudien in Europa gefordert und eine einheitliche Aufzeichnung in Arbeitsunfallstatistiken von Nationalität, früherer Nationalität, Geburtsland bzw. –ort oder Sprachkenntnissen10, bzw. dort wo es möglich ist, eine genaue Studie aller Unfallberichte und Follow-up Interviews12, damit man erforschen kann, ob es spezifische Risiken für Migranten gibt, die sich zum Beispiel aus Sprachschwierigkeiten ergeben könnten,12,45 um entsprechende Präventionsmaßnahmen zu entwickeln.6,44

Statistische Daten 2007 in Österreich
Ist die Thematik für Österreich überhaupt relevant?

Die Null-Hypothese lautet: Es gibt KEINEN Unterschied in der Unfallhäufigkeit zwischen den Bürgern eines Staates und Erwerbstätigen, die eine andere Nationalität haben, eine andere Sprache sprechen und/oder andere Traditionen haben.

Um diese Nullhypothese zu verifizieren oder zu verwerfen, möchte ich einige Daten aus Österreich präsentieren. Ich danke Herrn Mag. Karl Grillitsch, Statistik, im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, und meiner Kollegin, Frau Mag. Beate Mayer, der Leiterin der Abteilung Statistik der AUVA, sehr herzlich für die zur Verfügung gestellten Daten (siehe Tabelle 1).

Warum habe ich diese zwei Gruppen von Erwerbstätigen einander gegenübergestellt?

Zum Ersten wegen der Zahl der Erwerbstätigen. Die Zahl der türkischen Erwerbstätigen ist hoch genug, um signifikante Aussagen zu erlauben, was bei anderen Nationalitäten nicht immer der Fall ist.

Des Weiteren ist die sprachliche Fremdheit zwischen Deutsch und Türkisch sehr groß; diese Sprachen gehören unterschiedlichen Sprachfamilien an, was sich auch auf den Spracherwerb auswirkt. Hier muss gesagt werden, dass die Türkei ein wirklich multiethnisches Land ist mit über 50 Ethnien und entsprechend vielen unterschiedlichen Sprachen. Viele der türkischen Zuwanderer haben nicht Türkisch als Muttersprache, sondern eine jener anderen Sprachen von kurdischen Sprachen bis Aserbaidschanisch, Kabardinisch, Tscherkessisch oder Aramäisch. Türkisch ist oft nur Bildungssprache, sofern überhaupt eine Schule besucht wurde.

Viele jener Erwerbstätigen, die aus der Türkei nach Österreich gekommen sind, und oft aus entlegenen ländlichen Gebieten der Türkei stammen, sind ihren Traditionen sehr verhaftet, diese Traditionen unterscheiden sich wesentlich von jenen europanahen Zugangsweisen wirtschaftlicher und politischer Führungsschichten der Türkei.

Wie sieht es nun mit den Arbeitsunfällen im Vergleich aus? Siehe Tabelle 2!

Was bedeutet das? Die Null-Hypothese, dass es KEINEN Unterschied in der Unfallhäufigkeit gibt, wäre somit verworfen. Es müssen aber weitere Überlegungen angestellt werden, die das an sich eindeutige Ergebnis relativieren könnten:

Die Verteilung Arbeiter – Angestellte. Gibt es Unterschiede? Laut Statistik Austria sind türkische Zuwanderer überwiegend Arbeiter (65 %)46.

Zu bedenken wäre die Art der Tätigkeit. Sind Türken im Vergleich zu Österreichern in besonders risikoreichen Bereichen oder Beschäftigungen tätig?

Wie ist die Wichtung Arbeitsunfälle und Wegeunfälle?

Gibt es Genderunterschiede im Unfallgeschehen?

Wie ist der Schweregrad der anerkannten Arbeitsunfälle und gibt es hier signifikante Unterschiede?

Spielt die Betriebsgröße eine Rolle?

Spielen unterschiedliche Traditionen eine Rolle im Herangehen an Gefahren und an Sicherheitsmaßnahmen?

Gibt es Kommunikationsprobleme aufgrund der Sprache? Hier muss aber bedacht werden, dass nicht alle österreichischen Staatsbürger unbedingt differenziertes Deutsch beherrschen, genauso wie ein türkischer Pass nicht bedeuten muss, dass man nicht gut Deutsch spricht.

Die Liste der Bias ist mit Sicherheit noch zu erweitern.

Internationale Lösungsansätze
1. Sprache und Signaletik
Ein klassischer Ansatz ist es, entsprechende schriftliche Unterlagen und Unterweisungen in verschiedenen Sprachen zur Verfügung zu stellen.4,14,47,48

Ein Beispiel ist eine US-amerikanische Broschüre für Arbeitnehmer im Hotel- und Gaststättenbereich, einem Bereich in dem ein besonders hoher Anteil an Spanischsprachigen tätig ist.

„Trabajando en forma segura y fácil. Para limpiadores, bedeles y amas de llaves“ von der OSHA entwickelt. Ein anderes Beispiel ist eine Broschüre der kanadischen Unfallversicherung CSST in Montreal „En cas d’accident ou de maladie du travail… Voici ce qu’il faut savoir!“, die in Sprachen wie Chinesisch oder Arabisch vorliegt. Kalender mit chinesischen Sicherheitshinweisen und ein Sicherheitslehrgang auf Chinesisch gehören zu den Angeboten der BG Nahrungsmittel und Gaststätten in Deutschland.

Die drei IVSS-Sektionen Elektrizität, Eisen und Metall und Maschinen- und Systemsicherheit haben in Zusammenarbeit mit Institutionen in verschiedenen europäischen Ländern (u. a. Bulgarien, Polen, Slowakei, Tschechische Republik, Ungarn und Zypern) eine internationale Broschürenreihe über Gefährdungsbeurteilung für KMU erarbeitet; diese Broschüren wurden in eine Reihe von Sprachen übersetzt. Erfreulich ist, dass die Koreanische Unfallversicherung KOSHA im Rahmen eines Kooperationsabkommens die Broschürenreihe nicht nur ins Koreanische übertragen hat sondern in zehn weitere Sprachen für die in Korea tätigen Gastarbeiter aus zum Beispiel der Mongolei, Usbekistan oder Vietnam.

KOSHA bietet auch zweisprachige Materialien wie eine Sicherheitsbroschürenreihe; Unterweisungen und Informationen stehen parallel auf der einen Seite in Koreanisch und auf der anderen in der jeweils entsprechenden Fremdsprache. Ein weiteres Beispiel für zweisprachige Materialien ist die Broschüre „Gesund arbeiten. Sa?likli Çali?mak“ von der Initiative Gesundheit und Arbeit in Deutsch und Türkisch.

Mehr- und fremdsprachige Webseiten werden ebenfalls immer häufiger erstellt. In Großbritannien bietet der Health and Safety Executive HSE auf seiner Webseite (www.hse.gov.uk) eine Fülle von Informationen für Migranten in über 20 Sprachen, wobei zahlreiche Broschüren zum Download zur Verfügung stehen. Auf einer eigenen Webseite in Spanisch (http://www.osha.gov/as/opa/spanish/index.html) informiert OSHA in den USA Hispanics in Spanisch über Rechte und Regelungen im Bereich der Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit.

Bei all diesen Angeboten besteht aber die Problematik des Nichtbeherrschens des Lesens und Schreibens und auch des erschwerten Zugangs zur Information.13,18,28

Piktogramme werden daher gerne eingesetzt.3,4,6 Allerdings sind solche Sicherheitspiktogramme nicht automatisch selbsterklärend.4,49 Selbst Farben sind missverständlich. Wenn „rot“ in europäischen Ländern für Gefahr steht, so wird in Japan die Farbe mit Glück assoziiert. Ein Poster über Arbeitssicherheitsschilder von Workcover in Australien bietet daher zusätzlich Erläuterungen in Amharisch, Arabisch, Bosnisch, Chinesisch, Englisch, Farsi, Griechisch, Italienisch, Khmer, Kroatisch, Polnisch, Russisch, Somali, Spanisch und Vietnamesisch.

Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte: Der Einsatz von Skizzen, Zeichnungen oder Abbildungen ist für Erläuterungen hilfreich.4,26,49. Das HSE in Nordirland ist den Weg gegangen, Sicherheitsinformationen nur mit Bildern anzubieten. Aber auch Zeichen oder Gesten können in verschiedenen Ländern sehr unterschiedliche Bedeutungen haben, und nicht überall bedeutet der nach oben gestreckte Daumen „ok“ oder der ausgestreckte Arm mit zugewandter Handfläche „stop“.35,49

Auch DVD in verschiedenen Sprachen oder ganz ohne Sprache werden häufig angeboten. Ich möchte hier zwei besonders interessante Ansätze anführen. Einerseits die DVD-Serie „NAPO“, die mittels Comics Sicherheitsunterweisungen „wortlos“ vermittelt. Auch KOSHA in Südkorea hat ähnliche Ansätze mit einer Zeichentrick-Serie auf DVD. Andererseits die „Road safety DVD for migrant workers“ in North Yorkshire, die in Polnisch und sechs weiteren Sprachen angeboten wird, da Migranten sehr viele Straßenverkehrsunfälle aus Unkenntnis der lokalen Regelungen hatten.

Andere Strategien sind Sicherheitstrainings in verschiedenen Sprachen. OSHA in den USA bietet Sicherheitstrainings in Spanisch in 35 Städten mit 1.200 Trainern, die selbst Hispanics sind, an. Ähnliche Ansätze gibt es auch in Australien. Weitere Anregungen sind der Einsatz von geschulten Dolmetschern bei Sicherheitsunterweisungen oder auch das bewusste Einsetzen von Buddies oder Mentoren für Migranten.3,28,49 Auch Sprachkurse sind sinnvoll, wobei man primär auf spezifische Kenntnisse der für die Arbeit notwendigen Sprache sektorspezifisch eingehen kann.50

2. Interkulturelle Zugänge
Für die Vermittlung von Sicherheitsbotschaften können und sollten eine Reihe von anderen Kanälen genutzt nutzen: ethnische Medien, Zeitschriften, Radio, TV oder auch Gemeinschaftseinrichtungen, Kirchen oder ähnliches.4,51

In einem persönlichen Gespräch erwähnte Ahmadou Diop, der Generaldirektor der Caisse nationale de sécurité sociale du Sénégal, dass Sicherheitsfilme und DVD in Afrika komplett ihre Wirkung verfehlen, wenn sie ausschließlich Weiße zeigen. Die afrikanischen Arbeitnehmer fühlen sich dann überhaupt nicht angesprochen. Sehr bewährt hat sich hingegen in Afrika „Sicherheitstheater“ bei dem Sicherheitsthemen als Straßentheater dargestellt werden.

Es ist ganz essentiell die kulturellen Zugänge zu beachten.50 Wer wird als Autorität anerkannt? Ein älterer Mensch oder auch ein jüngerer? Nur ein Mann oder auch eine Frau? Wer ist Opinion Leader? Oft werden zum Beispiel in Österreich Steuerberater bei migrantischen KMU zu einem wichtigen Informationsbroker auf dem Gebiet der Sicherheit (persönliche Mitteilung H. Maruna, AUVAsicher).

Auch müssen die Sicherheitsbotschaften so formuliert werden, dass sie bei den Empfängern ankommen.13,14,26 Vargas führt das Beispiel der Hispanics auf, bei denen man nicht die individuelle Sicherheit „Du musst auf Dich schauen!“ betonen, sondern viel mehr ihre Verantwortung für ihre Familie und die Notwendigkeit sich zum Wohle der Familie zu schützen in den Mittelpunkt rücken muss.13

Wichtig ist es, bei Unterweisungen nicht anzunehmen, dass man verstanden wurde.27,49 Hinterfragen, nachprüfen ist unbedingt notwendig.48 Bei mündlichen wie auch schriftlichen Unterweisungen ist auf die Klarheit der Sprache zu achten.49 Einfach formulieren, einen Schritt nach dem anderen anführen, ist besonders wichtig. Ironie oder Witz wie auch Wortspiele oder Slang müssen unbedingt vermieden werden.13,49

Informationsbroschüren des HSE in Großbritannien und der CSST in Montreal bieten Arbeitgebern gezielte Informationen über die speziellen sprachlichen wie kulturellen Bedürfnisse der Migranten in Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit51,52; auch die Sensibilisierung der eigenen Mitarbeiter für die Thematik ist notwendig.51

Kommunikation erfordert ein holistisches Menschenbild, das nicht nur sprachliche Interaktion, sondern auch Verständnis für die Traditionen der Anderen voraussetzt.

Schlusswort
Wie Ehnes in „Steine und Erden“ 2007 anführte, ist die Thematik des Umgangs mit der Interkulturalität nicht neu.48 Vor über 100 Jahren schrieb ein Technischer Aufsichtsbeamter der Steinbruch BG: „Einem unabweisbaren Bedürfnis … Rechnung tragend, haben wir uns mit einer Druckerei zwecks Anfertigung der allgemeinen Unfallverhütungsvorschriften und der Schießinstruktionen in italienischer Sprache in Verbindung gesetzt. … Wir werden uns bemühen, diesen Vorschriften mit der Zeit in allen den Betrieben Eingang zu verschaffen, wo italienische Arbeiter beschäftigt werden.“

Dominique Dressler, MA,

IVSS-Sektion Eisen und Metall,

c/o AUVA,

Adalbert-Stifter-Straße 65, 1200 Wien Österreich

Tel. +43–1–33111–558.

Fax +43–1–33111–469.

dominique.dressler@auva.at

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