Früher war alles viel besser! Stimmt dies? Stimmt dies nicht? Im Bereich von Sicherheit und Gesundheit lässt sich festhalten, dass die Zahl der Arbeitsunfälle seit vielen Jahren rückläufig ist. Die dahinter stehenden Zahlen der durch Arbeitsunfälle getöteten und verletzten Menschen hat sich stark verringert. Aber bis dahin war es ein oft steiniger und mühsamer Weg, der Höhen und Tiefen und viele Diskussionen mit sich brachte.
Im Jahre 1970 musste die gewerbliche Wirtschaft 1,39 DM pro 100 DM gezahlter Löhne an die gesetzliche Unfallversicherung abführen. In diesen Kosten waren selbstverständlich nicht enthalten die hohen Kosten, die der Unternehmer darüber hinaus für Sicherheit und Gesundheit ausgeben musste.
Tja, da sind sie wieder, die berühmten und viel diskutierten Kosten. Und die Frage Was kosten Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit? Dieses Thema ist immer noch hochaktuell, und je nach Sichtweise werden vor allem die Kosten bzw. der Nutzen in die Waagschale geworfen. Doch in zukunftsorientierten Unternehmen ist es schon lange bekannt, dass Maßnahmen zur Sicherheit und Gesundheit sich lohnen und Prävention mehr Nutzen stiftet als sie Kosten verursacht. Der Return on Prevention ist in aller Munde. Durch den steigenden Wettbewerb sind Unternehmer gezwungen ihr Personal auf ein Minimum zu reduzieren. Ein Arbeitsunfall oder gar ein Großschadensereignis kann schnell zu teuren Produktionsunterbrechungen oder Lieferschwierigkeiten führen. Für die Unternehmen wird damit mehr und mehr verdeutlicht, dass es bei den Kennzahlen schon lange nicht mehr um die reinen Ausfallkosten geht.
Ab dem 14. Mai 2013 war der Grasberg Tagebau, eine der größten Kupfer- und Goldminen der Welt, geschlossen. Sie liegt in dem zu Indonesien gehörenden West-Papua und ist die zentrale Ressource von Freeport-McMoRan. Täglich wurden hier bis dahin über 1.200 Tonnen Kupfer gefördert. Grasberg wurde geschlossen, nachdem mehrere Arbeiter verunglückten. Investoren fürchten solche Unfälle und Streiks, da die Folgekosten gigantisch sind. Ein dramatisches Unglück ereignete sich, als bei einem Tunneleinsturz 28 Minenarbeiter begraben wurden. Mit Unterstützung der Gewerkschaft legten 24.000 Mitarbeiter die Arbeit nieder. Die Aufsichtsbehörden erklärten die Mine bis zur endgültigen Klärung des Unglücks für geschlossen. Pro Tag ohne Förderung machte der Betreiber Freeport-McMoRan etwa 4 Millionen Dollar an Verlusten. Erst Ende Juni wurde der Tagebau wieder in Betrieb genommen, der Gesamtverlust incl. Wiederanlauf- und Instandsetzungskosten näherte sich 300 Millionen Dollar. Auch wenn die Mine jährlich Umsätze in Höhe von rund 6 Mrd. US-Dollar macht, wirkt sich der entstandene Schaden deutlich in der Bilanz aus und verschreckt die Investoren. Grasberg ist nur ein Beispiel, das zeigt, wie Unternehmen durch nicht konsequent praktizierten Umgang mit Sicherheit und Gesundheit und den damit verbundenen wirtschaftlichen Aspekten in Schwierigkeiten geraten können.
Ein anderes Beispiel finden wir aktuell in Katar: Das Golfemirat, das zu den reichsten Ländern der Welt gehört, will 2022 die Fußball-Weltmeisterschaft ausrichten. Nach UN-Angaben hat Katar die höchste Quote an Arbeitsmigranten der Welt. Bis zur Fußball-WM 2022 entstehen in Katar Bauwerke für rund 185 Milliarden Euro. Vor allem werden Stadien gebaut, aber auch Schienen und Straßen, Shopping-Malls und Wolkenkratzer. Eine englische Tageszeitung berichtete am 26. September 2013 von 44 Todesfällen nepalesischer Gastarbeiter auf den WM-Baustellen in Katar im Sommer 2013. Damit wurde ein internationaler großer Protest von Menschenrechtlern und Gewerkschaftern ausgelöst. Nach Transparency International und Amnesty International schloss sich Ende November 2013 auch das EU-Parlament den Protesten an. Den Berichten zufolge sollen katastrophale Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie zahlreiche Verstöße gegen Arbeitsschutzrichtlinien der Auslöser gewesen sein. Auch Vizekanzler Sigmar Gabriel sprach auf seiner Reise nach Katar Anfang März 2015 das Thema an wenn auch verhalten. Da hier die Fußball-WM 2022 stattfinden und noch zahlreiche Aufträge für Großbauten vergeben werden sollen, steht das Land im internationalen Scheinwerferlicht. Der Imageschaden und somit wirtschaftliche Schaden durch diese Mängel bei Sicherheit und Gesundheit wird einen dreistelligen Millionenbetrag sicherlich übersteigen.
Die Frage, ob Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter ein Wirtschaftsfaktor sind, muss auch an dieser Stelle eindeutig mit ja beantwortet werden.
Silvester Siegmann