Recht

Rechte und Pflichten deutscher Unternehmen gegenüber ihren Arbeitnehmern bei der Auslandsentsendung – Teil I

Werden Arbeitnehmer ins Ausland entsandt, erhöhen sich die Fürsorgepflichten des Arbeitgebers. Welche Maßnahmen der Arbeitgeber im Einzelfall sowohl vor, während als auch nach dem jeweiligen Auslandsaufenthalt des Arbeitnehmers zu ergreifen hat, um seiner Fürsorgepflicht gerecht zu werden, ist weder durch Gesetz noch durch die Rechtsprechung hinreichend konkretisiert. Ein Rückgriff auf die die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers regelnden Vorschriften, wie z. B. §§ 618, 241 Abs. 2 BGB, hilft nur bedingt. Letztlich wird der Arbeitgeber zur Bestimmung des Umfangs der ihn obliegenden Fürsorgepflichten stets eine Abwägung zwischen der eigenen Pflicht zur Fürsorge auf der einen Seite und der Eigenständigkeit des Arbeitnehmers auf der anderen Seite vornehmen müssen, wobei Aspekte wie Dauer der Entsendung, politische Stabilität, religiöse und kulturelle Situation, medizinische Versorgung vor Ort, Arbeits- und Lebensumstände im Ausland sowie Erfahrungen des Unternehmens und des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind.

Verletzt der Arbeitgeber seine Fürsorgepflichten, so kann der Arbeitnehmer unter Umständen ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung sowie Schadenersatzansprüche gegen den Arbeitgeber geltend machen.

Einleitung
Der Auslandseinsatz von Mitarbeitern ist nicht nur organisatorisch, sondern auch rechtlich sorgfältig zu planen und durchzuführen. Der Arbeitgeber sollte sich bereits im Vorfeld der Auslandstätigkeit über die rechtlichen Rahmenbedingungen des von ihm veranlassten Auslandseinsatzes, seiner insoweit bestehenden Rechte und Pflichten sowie die mit dem Auslandseinsatz einhergehenden Gefahren umfassend informieren. Bislang hat sich die zu Auslandseinsätzen bzw. Entsendungen von Arbeitnehmern in Deutschland veröffentliche Literatur in erster Linie mit den sozial- und steuerrechtlichen Auswirkungen der Auslandstätigkeit befasst. Wenig bis kaum Beachtung fand bislang die Frage der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bzw. die der Treuepflicht des Arbeitnehmers bei entsprechenden Einsätzen. Gerade Auslandsaufenthalte mit besonderen klimatischen Belastungen, kritischen Arbeits- und Lebensumständen, sehr fremden religiösen und kulturellen Situationen und/oder politischer Instabilität bergen wesentliche Haftungsgefahren für den Arbeitgeber. Ein Verstoß gegen die Fürsorgepflichten kann neben den arbeitgeberseitigen Haftungen auch zu weitreichenden Imageschäden führen und negative Auswirkungen auf das Arbeitsklima und etwaige Neuanstellungen nach sich ziehen.

Die vorliegende Publikation holt insbesondere die bislang vernachlässigte Auseinandersetzung mit den Grundlagen und dem Umfang der Fürsorge- und Treuepflicht sowie die Rechtsfolgen bei etwaigen Verstößen gegen die entsprechenden Pflichten sowohl im Allgemeinen als auch bezogen auf die Auslandstätigkeit nach. Dabei werden rechtliche Empfehlungen abgegeben, die den Arbeitgeber bei der Planung und Durchführung des Auslandseinsatzes unterstützen sollen.

Einführend zeigen wir auf, welches Recht bei Auslandseinsätzen zur Anwendung kommt und welche Gerichte bei etwaigen Streitigkeiten international zuständig sind. Dem nachfolgend legen wir die Rechtsgrundlagen, den Umfang und die Verletzung sowohl der Fürsorge- als auch der Treuepflicht dar. Im Hauptteil prüfen wir die Auswirkungen des Auslandseinsatzes auf die entsprechenden Pflichten und enden mit Handlungsempfehlungen für die Unternehmen.

I. Internationales Arbeitsrecht
Entstehen bei Arbeitsverhältnissen mit Auslandsbezug Streitigkeiten zwischen dem Arbeitgeber und dem ins Ausland entsandten Arbeitnehmer und beschließt eine der Parteien, den Streit gerichtlich auszutragen, stellt sich die Frage, bei welchem (Arbeits-)Gericht die Klage zu erheben ist und welches materielle Recht das zuständige (Arbeits-)Gericht bei seiner Entscheidung zugrunde legen muss.

Um die internationale Zuständigkeit des jeweiligen (Arbeits-)Gerichtes bestimmen zu können, ist zunächst zwischen Sachverhalten, die einen Auslandsbezug innerhalb und Sachverhalten, die einen Auslandsbezug außerhalb der EU-Grenzen aufweisen, zu differenzieren.

Zuständigkeit der Gerichte innerhalb der EU
Für arbeitsgerichtliche Klagen mit Bezug zum EU-Ausland – insbesondere in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer in einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union entsandt wurde – bestimmt sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden „EuGVVO“) [1]. In den Artikeln 18–21 enthält die EuGVVO besondere Zuständigkeitsregelungen für Arbeitsverträge.

Die EuGVVO findet Anwendung in allen 28 EU-Mitgliedsstaaten. Entgegen der Bestimmung in Art. 1 Abs. 3 EuGVVO findet die EuGVVO auch im Königreich Dänemark Anwendung, da Dänemark hierfür inzwischen ein Abkommen mit der EU unterzeichnet hat [2].

Der oben erwähnte Bezug zum EU-Ausland ist gegeben, wenn

· der Arbeitgeber, unabhängig von einer inländischen Niederlassung seinen Sitz im EU-Ausland und der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz im Inland hat oder

· der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz im EU-Ausland und der Arbeitgeber seinen Sitz im Inland hat oder

· der Arbeitgeber zwar nicht seinen Sitz, aber eine Zweigniederlassung, Agentur oder eine sonstige Niederlassung in einem Mitgliedstaat der EU hat (Art. 18 Abs. 2 EuGVVO).

Liegt ein Auslandsbezug im Sinne der EuGVVO vor, kann die Frage, ob und nach welchen Kriterien die internationale Zuständigkeit deutscher Arbeitsgerichte gegeben ist, durch entsprechende Anwendung der EuGVVO beantwortet werden. Die EuGVVO unterscheidet hierfür zwischen Klagen gegen den Arbeitgeber und Klagen gegen den Arbeitnehmer.

1. Klagen gegen den Arbeitgeber

Insgesamt hat der Arbeitnehmer nach der EuGVVO die Wahl, den Arbeitgeber an drei Gerichtsständen zu verklagen. Für Klagen gegen den Arbeitgeber sind die Art. 18 Abs. 1, 19 Nr. 1 und Nr. 2 EuGVVO heranzuziehen.

· Klage ist demgemäß bei dem Gericht eines Mitgliedsstaates zu erheben, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat oder alternativ bei dem Gericht eines Mitgliedsstaates, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Tätigkeit verrichtet, Art. 19 Nr. 1, 2 EuGVVO.

· Gem. Art. 18 Abs. 2 EUGVVO kann der Arbeitnehmer den Arbeitgeber auch am Ort der Zweigniederlassung verklagen.

· Ein weiterer – außerhalb der EuGVVO normierter – Gerichtsstand ergibt sich in den Fällen der Entsendung. Ist der Arbeitnehmer eines EU-Mitgliedsstaates in einen anderen EU-Mitgliedsstaat entsandt worden, so kann er gemäß § 15 AEntG (Art. 6 der Entsende- Richtlinie 96/71/EG) auch vor den Gerichten des Landes klagen, in das er entsandt worden ist [3].

2. Klagen gegen den Arbeitnehmer

Klagen gegen den Arbeitnehmer sind gemäß Art. 20 EuGVVO ausschließlich bei den Gerichten des Mitgliedsstaates zu erheben, in denen der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hat. Eine Ausnahme ist gemäß Art. 20 Abs. 2 EuGVVO für den Fall einer Widerklage des Arbeitgebers gegen die Klage des Arbeitnehmers vorgesehen. In diesem Fall kann der Arbeitgeber eine Widerklage gegenüber dem Arbeitnehmer bei dem Gericht erheben, bei dem die Klage des Arbeitnehmers rechtshängig ist.

3. Besonderheit: Deliktische Ansprüche

Nicht eindeutig geklärt ist die Frage, ob die Art. 18 ff. EuGVVO auch für deliktische Ansprüche aus unerlaubter Handlung im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis gelten oder ob lediglich der allgemeine Gerichtsstand für unerlaubte Handlungen gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO gilt [4]. Dies wäre das Gericht des sogenannten Erfolgsortes, also des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht.

4. Gerichtsstandsvereinbarung

Eine Gerichtsstandsvereinbarung ist nur dann zulässig, wenn diese gemäß Art. 21 Nr. 1 EuGVVO erst nach Entstehen der Streitigkeit oder entsprechend Art. 21 Nr. 2 EuGVVO lediglich zu Gunsten des Arbeitnehmers geschlossen wird. Die Gerichtsstandsvereinbarung muss gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 3a EuGVVO schriftlich abgeschlossen oder zumindest schriftlich bestätigt werden.

5. Fehlende Zuständigkeit und rügelose Einlassung

Wird vor einem international unzuständigen Arbeitsgericht geklagt und liegt auch keine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung vor, kommt nach Art. 24 EuGVVO eine rügelose Einlassung des Beklagten in Betracht [5]. Diese liegt bereits dann vor, wenn es der Beklagte versäumt, bereits in der Klageerwiderung die mangelnde internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zu rügen [6]. In diesem Fall ist das Gericht, obwohl es an sich international nicht zuständig ist, aufgrund rügeloser Einlassung des Beklagten international entscheidungsbefugt und entscheidungsverpflichtet.

Zuständigkeit der Gerichte für Sachverhalte mit Drittlandbezug
Im Verhältnis zu Norwegen, Island und der Schweiz, die keine Mitgliedsstaaten der EU sind, findet das Luganer Übereinkommen vom 30. Oktober 2007 Anwendung [7].

Findet die EuGVVO keine Anwendung, weil der Sachverhalt einen Auslandsbezug außerhalb der EU-Grenzen aufweist und liegt auch kein anwendbarer Staatsvertrag vor, bestimmt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichte nach den §§ 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 495 Abs. 1, 12 ff. ZPO [8]. Weder das Arbeitsgerichtsgesetz noch die deutsche Zivilprozessordnung regeln ausdrücklich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte. Daher gilt der Grundsatz, dass die örtliche Zuständigkeit eines deutschen Gerichts die internationale Zuständigkeit indiziert (Doppelfunktionalität der örtlichen Zuständigkeitsnormen) [9].

So hat das Arbeitsgericht Kiel [10] bei folgendem Sachverhalt seine internationale Zuständigkeit angenommen: Der in Brasilien lebende deutsche Kläger und Arbeitnehmer war bei einem Arbeitgeber mit Sitz in Kiel beschäftigt. Der in deutscher Sprache abgefasste Vertrag enthielt keine Rechtswahl. Gegenstand des Vertragswar allein eine Tätigkeit in Brasilien. Das Arbeitsgericht Kiel hat, da die Beklagte ihren Sitz (§ 17 ZPO) in Kiel hatte, seine örtliche und internationale Zuständigkeit bejaht.

Die deutsche ZPO kann im Gegensatz zur EuGVVO, die für sämtliche europäischen Gerichte gilt, indes nur für deutsche Gerichte bestimmen, ob diese international zuständig sind. Sofern die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht vorliegt, bestimmt sich die internationale Zuständigkeit ausländischer Gerichte nach dem dort geltenden Recht.

II. Anwendbares materielles Recht
Bei der vorstehend dargestellten internationalen Zuständigkeit wird geprüft, welches Gericht eines Landes für einen Rechtsstreit zuständig ist. Bei der Frage des anwendbaren Rechts ist demgegenüber maßgeblich, welches materielle Recht Anwendung findet. So ist es durchaus möglich, dass zwar international das deutsche Arbeitsgericht zuständig ist, der Sachverhalt aber z. B. nach englischem Recht von den deutschen Gerichten zu beurteilen ist.

Das anwendbare Recht innerhalb der EU wird geregelt in der Verordnung EG Nr. 593/2008 vom 17.06.2008 [11], die sog. Rom I-Verordnung (ROM I-VO). Die ROM I-VO regelt für deutsche und europäische Gerichte einheitlich, welches materielle Recht zur Anwendung gelangt. Die ROM I-VO ist auf alle Verträge anzuwenden, die ab dem 17. Dezember 2009 geschlossen wurden (Art. 28 ROM I-VO). Für Verträge, die vor diesem Datum abgeschlossen wurden, gilt weiterhin das EGBGB, wobei sich inhaltlich nur marginale Unterschiede ergeben.

Das anwendbare materielle Recht bestimmt sich nach Art. 8 ROM I-VO wie folgt:

· Grundsätzlich besteht eine freie Rechtswahl (Art. 8 Abs. 1 Satz 1, Art. 3 ROM I-VO).

· Die freie Rechtswahl ist aber unzulässig, wenn dem Arbeitnehmer der arbeitsrechtliche Schutz entzogen wird, den er hätte, wenn keine freie Rechtswahl getroffen worden wäre (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 ROM I-VO).

Beispiel: Der deutsche Arbeitnehmer, der seine Arbeit dauerhaft in Deutschland verrichtet, vereinbart mit seinem deutschen Arbeitgeber im Arbeitsvertrag, dass sich der Arbeitsvertrag nach polnischem Recht richten soll. Hätten die Parteien keine Rechtswahl für das polnische Recht getroffen, käme – offenkundig – deutsches materielles Recht zur Anwendung. Soweit das polnische Arbeitsrecht ein geringeres Schutzniveau als das deutsche Arbeitsrecht aufweist, ist die Rechtswahl unwirksam und der Vertrag – ungeachtet der getroffenen Rechtswahl – nach deutschem materiellen Arbeitsrecht zu beurteilen (Art. 8 Abs. 1 Satz 2, 8 Abs. 2 Satz 1 ROM I-VO).

Haben die Vertragsparteien keine Rechtswahl getroffen oder ist die getroffene Rechtswahl unwirksam, gilt folgendes:

· Es ist das Recht des Staates anwendbar, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung seines Vertrages seine Arbeit gewöhnlich verrichtet (Art. 8 Abs. 2 Satz 1 ROM I-VO).

· Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer vorübergehend seine Tätigkeit in einem anderen Staat verrichtet (Art. 8 Abs. 2 Satz 2 ROM I-VO).

Gewöhnlicher Arbeitsort ist der Ort, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag erfüllt[12].

Nicht eindeutig geklärt ist, welcher Zeitraum unter „vorübergehend“ zu verstehen ist. Nach dem Erwägungsgrund soll eine lediglich vorrübergehende Tätigkeit zumindest dann vorliegen, wenn von dem Arbeitnehmer erwartet wird, dass er nach seinem Arbeitseinsatz im Ausland seine Arbeit im Herkunftsstaat wieder aufnimmt. In der Literatur wird diesbezüglich teilweise ein Zeitraum von 12 bzw. 24 Monaten angenommen [13]. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Rückkehr und spätere Weiterbeschäftigung am ursprünglichen Ort von vornherein beabsichtigt war. Dies setzt voraus, dass für die Beteiligten von Beginn an feststeht, dass der Arbeitnehmer an die ursprüngliche Arbeitsstätte zurückkehren wird. Erforderlich sind demnach ein Rückkehr- sowie Rücknahmewille auf Seiten des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers [14]. Entscheidend ist nach alledem eine übereinstimmende subjektive ex-ante Perspektive der Arbeitsvertragsparteien [15].

· Ist der Ort, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeit verrichtet, nicht feststellbar, so ist das materielle Recht einschlägig, das am Ort der Niederlassung gilt, die den Arbeitnehmer eingestellt hat (Art. 8 Abs. 3 ROM I-VO).

· Ausnahmsweise gilt nach Art. 8 Abs. 4 ROM I-VO das materielle Recht, das eine engere Verbindung zum Sachverhalt aufweist.

Das anwendbare Recht außerhalb der EU wird ebenfalls durch die ROM I-VO bestimmt, da diese als loi uniforme ausgestaltet ist, d.h. die Verordnung kommt gegenüber Mitgliedsstatten und Nichtmitgliedsstaaten in gleicher Weise zur Anwendung [16].

Besondere Aspekte der gesetzlichen Unfallversicherung
Bei dem Einsatz von Mitarbeitern im Ausland gilt es, einige Besonderheiten gegenüber den Bestimmungen zu beachten, die bei Arbeitsunfällen innerhalb Deutschlands Anwendung finden. Dies gilt sowohl in Bezug auf die Frage, welches Sozialversicherungsrecht Anwendung findet, als auch auf Haftungsfragen, die im Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall entstehen. Arbeitgeber haben bei Arbeitsunfällen im Ausland mit anderen Haftungsmodalitäten zu rechnen als im Inland.

Generell stehen Fragen der Haftung aufgrund eines Arbeitsunfalls in einem Zusammenhang mit den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften, die anwendbar sind.

Grundsätzlich übernimmt in Deutschland die gesetzliche Unfallversicherung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten von Arbeitnehmern die Haftung des Arbeitgebers. Dabei übernimmt die deutsche gesetzliche Unfallversicherung nur die Haftung bei Körperschäden [17]. Durch diese sogenannte Haftungsablösung muss der Unternehmer keine Schadensersatzansprüche fürchten, wenn seine Beschäftigten einen Arbeits- oder Wegeunfall erleiden oder an einer Berufskrankheit erkranken. Denn mit der Beitragszahlung geben die Arbeitgeber die Haftung bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten an die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen ab – und diese entschädigen den erlittenen Körperschaden umfassend. Der Arbeitnehmer darf den Unternehmer oder seine Kollegen – außer bei vorsätzlichem Handeln – nicht privatrechtlich auf Schadensersatz verklagen.

Für die Tätigkeit im Ausland ist danach zu differenzieren, ob Unternehmen Mitarbeiter zeitlich befristet entsenden oder ob Mitarbeiter auf Dauer im Ausland tätig werden sollen. Bei einer zeitlich befristeten Entsendung findet in der Regel deutsches Sozialversicherungsrecht und damit auch die in der gesetzlichen Unfallversicherung bestehende Haftungsablösung weiterhin Anwendung. Bei einem dauerhaften Auslandsaufenthalt scheidet der Arbeitnehmer gewöhnlich aus dem deutschen Sozialsystem aus, was zur Folge hat, dass das Haftungsprivileg der gesetzlichen Unfallversicherung nicht gilt.

Welches Sozialversicherungsrecht Anwendung findet und auch welche Haftungsregelungen greifen, ergibt sich entweder aus Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts, d. h. besonderen Europäischen Verordnungen und aus bilateralen Sozialversicherungsabkommen oder aus nationalem Recht (EGBGB; SGB). Die Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts sind dabei vorrangig vor den Regelungen des nationalen Sozialversicherungsrechts.

Auf europäischer Ebene (Staaten der EU und des EWR einschließlich der Schweiz) regeln die EG-Verordnungen Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 die Zuordnung einer Person zum Sozialversicherungssystem eines der Vertragsstaaten. Es findet danach immer das Sozialversicherungsrecht eines Mitgliedstaates Anwendung. Werden Arbeitnehmer, die in Deutschland beschäftigt sind, von ihrem Unternehmen in einen anderen Europäischen Mitgliedstaat entsendet, so findet in der Regel weiterhin deutsches Sozialversicherungsrecht Anwendung. Nach Europäischen Vorschriften gilt auch das Haftungsprivileg der gesetzlichen Unfallversicherung fort. Hat der Geschädigte einen Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat, richtet sich die Frage, ob ein Haftungsausschluss in Betracht kommt, nach Art. 85 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 i.V.m. den nationalen Rechtsvorschriften, die für die Erbringung von Sozialleistungen gelten. Maßgeblich ist das jeweilige für die Entsendung geltende nationale Sozialversicherungsrecht, nicht das für den Unfall geltende Deliktsrecht. Entgegenstehendes ausländisches Deliktsrecht wird folglich verdrängt. Bei der Schädigung eines dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterstehenden Mitarbeiters im EU-Ausland wird der deutsche Unternehmer also von seiner Haftung durch die Sozialversicherung freigestellt [18].

Deutschland hat mit mehreren Staaten Abkommen im Bereich der sozialen Sicherheit geschlossen, die sich auch auf die Unfallversicherung beziehen. Die einzelnen Sozialversicherungsabkommen verdrängen in der Regel das nationale Recht (§ 6 SGB IV). Wird ein Mitarbeiter aus Deutschland in einen Staat entsendet, mit dem ein Abkommen besteht, das die Unfallversicherung erfasst, gilt in der Regel weiterhin deutsches Sozialversicherungsrecht. Abgeleitet aus dem im europäischen Recht enthaltenen Grundgedanken, dass das Haftungsrecht dem Sozialversicherungsrecht folgt, gilt, solange deutsches Sozialversicherungsrecht auf den Geschädigten Anwendung findet, auch bei Haftungsfragen die in der gesetzlichen Unfallversicherung bestehende Haftungsfreistellung. Allerdings kann es in der Praxis zu Ausnahmen kommen [19].

Erfolgt eine Entsendung in einen Staat außerhalb Europas, mit dem auch kein Sozialversicherungsabkommen besteht, so finden über die Regelung der Ausstrahlung (§ 4 SGB IV) weiterhin die Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung Anwendung. Nach dem Wortlaut des § 4 SGB IV treten, anders als im Europäischen Recht oder im Abkommensrecht allerdings die Rechtsfolgen der Ausstrahlung unabhängig davon ein, ob Versicherungsschutz in einem ausländischem System besteht oder nicht. Somit kann bei der Ausstrahlung im Bereich der Sozialversicherung eine Doppelversicherung eintreten, weil z. B. der entsandte Mitarbeiter auch nach dem Recht des Beschäftigungsstaates versichert ist. Geschieht im Ausland ein Unfall, kann wegen der sich über das internationale Privatrecht ergebenden Anwendung des Haftpflichtrechts des Begehungsorts (lex loci delicti commissi) jedoch nicht generell davon ausgegangen werden, dass im Ausland das anwendbare Deliktsrecht dem anzuwendenden Unfallversicherungsrecht folgt. Dies bedeutet, dass der Unternehmer zwar nach deutschem Unfallversicherungsrecht von der Haftung bei Körperschäden frei wird, er aber trotzdem weiterhin zusätzlich nach ausländischem Deliktsrecht für den Schaden haften muss.

Das Arbeitsrecht und seine Rechtsquellen
Nicht überall, wo gearbeitet wird, liegt auch tatsächlich ein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts vor. Denkbar sind z. B. auch Dienst-, Werk- und sonstige Vertragsverhältnisse. Was also ist grundsätzlich unter Arbeitsrecht zu verstehen?

Als Arbeitsrecht wird die Summe aller Rechtsnormen bezeichnet, die sich auf die in abhängiger und unselbstständiger Tätigkeit geleistete Arbeit beziehen [20]. Unterschieden wird zwischen dem Individualarbeitsrecht und dem Kollektivarbeitsrecht. Während das Individualarbeitsrecht die einzelne Rechtsbeziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber regelt, befasst sich das Kollektivarbeitsrecht mit der Rechtsbeziehung zwischen den Vertretungsorganen der Arbeitnehmer z. B. Gewerkschaften und Betriebsräte und den Arbeitgebern bzw. Arbeitgeberverbänden [21].

Die Rechtsnormen im Arbeitsrecht sind bis heute nicht in einem einheitlichen Gesetz, etwa einem „Arbeitsgesetzbuch“, geregelt, sondern finden sich in einer Vielzahl von Einzelgesetzen oder in Einzelbestimmungen in allgemeinen Gesetzen, z. B. im BGB, TzBfG, BetrVG, EFZG, ArbZG, BUrlG, AGG, SGB, ArbGG und im TVG [22].

Gemein ist vielen Regelungen im Arbeitsrecht, dass sie nicht dispositiv sind, d. h. die Vertragsparteien können die Regelungen nicht nach Belieben abbedingen und z. B. für den Arbeitnehmer ungünstigere Regelungen vereinbaren. Für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen hingegen sind fast immer zulässig. Ein Beispiel hierfür ist § 13 Abs. 1 S. 3 BUrlG, aus dessen Wortlaut sich bereits ergibt, dass von den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden kann. Aber auch hier finden sich Ausnahmen, die die Regel bestätigen: So kann in Tarifverträgen – grundsätzlich – auch zu Ungunsten der Arbeitnehmer von den Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes abgewichen werden.

Die Vielzahl der arbeitsrechtlichen Rechtsquellen gliedert sich dabei nach folgendem Rangverhältnis, welches nur durch das Günstigkeitsprinzip durchbrochen wird, wonach die günstigere Regelung für den Arbeitnehmer in der Regel Vorrang hat.

Hierzu ein Beispiel: Dem Arbeitnehmer steht gemäß seinem Arbeitsvertrag ein Urlaubsanspruch in Höhe von 19 Tagen zu. Der auf das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers anwendbare Tarifvertrag hingegen gewährt dem Arbeitnehmer 29 Tage Urlaub. Das Bundesurlaubgesetz wiederum regelt einen Urlaubsanspruch in Höhe von 20 Tagen. Wie viele Urlaubstage stehen dem Arbeitnehmer nun tatsächlich zu?

Nach dem aufgezeigten Rangverhältnis steht das Bundesurlaubsgesetz als zwingendes Recht [23] über der im Arbeitsvertrag getroffenen Vereinbarung. Somit hätte der Arbeitnehmer eigentlich gemäß § 3 des BurlG einen Anspruch auf 20 Tage Urlaub. Da das Bundesurlaubsgesetz auch über dem Tarifvertrag steht, der dem Arbeitnehmer im Gegensatz zum Bundesurlaubsgesetz 29 Tage Urlaub gewährt, müsste es eigentlich bei den 20 Urlaubstagen bleiben. Aufgrund des sog. Günstigkeitsprinzips wird aber zu Gunsten des Arbeitnehmers das Rangverhältnis der Rechtsquellen durchbrochen, so dass dem Arbeitnehmer letztlich 29 Tage Urlaub zustehen.

Entwicklung des Arbeitsrechtes
Waren früher insbesondere die fortschreitende Industrialisierung und der Technologiefortschritt die maßgebenden Komponenten bei der Entwicklung des Arbeitsrechtes, sind heute die immer weiter fortschreitende Europäisierung und Globalisierung als zusätzliche Faktoren hinzugekommen. Die nationale Entwicklung des Arbeitsrechtes wird infolge der fortschreitenden europäischen Integration zukünftig immer stärker vom Europäischen Gemeinschaftsrecht geprägt werden. Zwar hat sich diese Prägung bislang noch nicht unmittelbar auf Fälle der Entsendung erstreckt, hiermit ist jedoch jederzeit zu rechnen.

Zu den Fällen des Europäischen Gemeinschaftsrechts außerhalb von Entsendungsfällen nachfolgend ein aktuelles Beispiel: Das Bundesarbeitsgericht hatte die Frage nach einer bestehenden Schwangerschaft bei einem Bewerbungsgespräch nur für den Fall einer unbefristeten Einstellung als unzulässig erachtet. Nach der Rechtsprechung des EuGH [24] ist die Frage nach einer bestehenden Schwangerschaft darüber hinaus auch dann unzulässig, wenn das Arbeitsverhältnis befristet sein soll und feststeht, dass die Arbeitnehmerin einen wesentlichen Teil der Vertragszeit nicht arbeiten wird. In einem vom Landesarbeitsgericht Köln zu beurteilenden Fall hatte die Bewerberin, die befristet zur Vertretung einer schwangeren Mitarbeiterin eingestellt wurde, dem Arbeitgeber vor Abschluss des Arbeitsvertrages nicht offenbart, dass sie ebenfalls schwanger war. Das Landesarbeitsgericht Köln folgte mit Urteil vom 11. Oktober 2012 [25] der Rechtsprechung des EuGH und führte aus, dass die Frage nach einer Schwangerschaft grundsätzlich als unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 2 AGG zu bewerten sei. Eine schwangere Frau brauche deshalb weder von sich aus noch auf eine entsprechende Frage vor Abschluss des Arbeitsvertrages eine bestehende Schwangerschaft zu offenbaren.

Haupt- und Nebenleistungspflichten der arbeitsrechtlichen Vertragsparteien
Im Arbeitsverhältnis wird unterschieden zwischen Haupt- und Nebenpflichten. So besteht die Hauptpflicht des Arbeitnehmers darin, die vereinbarte Arbeit – grundsätzlich persönlich – zu leisten. Die Hauptpflicht des Arbeitgebers besteht wiederum darin, diese Arbeit zu vergüten. Welche Leistung der Arbeitnehmer zu welchem Zeitpunkt und an welchen Orten zu erbringen hat, ist abhängig vom Arbeitsvertrag. Fehlen im Arbeitsvertrag die entsprechenden Vereinbarungen, so werden diese Lücken durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers geschlossen.

Neben den Hauptleistungspflichten besteht in einem Arbeitsverhältnis auch eine Vielzahl nicht ausdrücklich vereinbarter Nebenpflichten. Unter Nebenpflichten sind insbesondere Schutzpflichten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu verstehen. Das Bestehen entsprechender gegenseitiger Schutzpflichten im Arbeitsverhältnis ist im Wesentlichen unstreitig, wenn auch der konkrete Umfang und die jeweilige Rechtsgrundlage der einzelnen Pflichten immer wieder Streit in der juristischen Lehre aufwerfen.

Erstmals hat v. Gierke im Jahr 1914 den Begriff der Fürsorge- und Treuepflichten besonders geprägt, als er darauf hinwies, dass bei einem Arbeitsvertrag stets dessen soziale Einbettung zu berücksichtigen sei [26]. Gesetzliche Vorschriften zur Fürsorge- und Treuepflicht, die ganz konkrete und nicht nur allgemein gehaltene Regelungen, insbesondere Gebote und Verbote enthalten, sind im deutschen Recht auch heute noch selten.

Fürsorgepflichten des Arbeitgebers
Es gibt keine gesetzliche Regelung im deutschen Recht, die die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers umfassend normiert. Die Fürsorgepflicht wurde bislang im Wesentlichen durch die Rechtsprechung ausgestaltet. Gesetzliche Vorschriften zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers finden sich lediglich vereinzelt, insbesondere in den folgenden Vorschriften:

· § 617 ff BGB: Die §§ 617 und 618 BGB sehen konkrete Ausgestaltungen der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht vor. Die entsprechend normierten Pflichten des Arbeitgebers dürfen nach § 619 BGB nicht im Voraus durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden. § 617 BGB sieht die Pflicht des Arbeitgebers vor, im Falle der Erkrankung des Arbeitnehmers für dessen erforderliche Verpflegung und ärztliche Behandlung bis zur Dauer von sechs Wochen zu sorgen, vorausgesetzt, dass der Arbeitnehmer beim Arbeitgeber in einem dauernden Dienstverhältnis, welches die Erwerbstätigkeit des Arbeitnehmers vollständig oder hauptsächlich in Anspruch nimmt, steht und der Arbeitnehmer in die häusliche Gemeinschaft – Kost und Logis – des Arbeitgebers aufgenommen ist. Die Vorschrift des § 617 BGB ist heute wenig von Bedeutung. Zum einen ist eine Aufnahme des Arbeitnehmers in die häusliche Gemeinschaft heutzutage eher selten, zum anderen ist der Anspruch gemäß § 617 Abs. 2 BGB subsidiär gegenüber Ansprüchen des Arbeitnehmers gegen eine einstandspflichtige Krankenversicherung. Heutzutage existieren kaum noch Arbeitsverhältnisse, aus denen nicht ein gesetzlicher Krankenversicherungsschutz resultiert. Im Vergleich zu der eher unbedeutenden Vorschrift des § 617 BGB kommt § 618 BGB wesentlich mehr Bedeutung zu. Danach ist der Arbeitgeber im Wesentlichen verpflichtet, Räume, Vorrichtungen und Gerätschaften so einzurichten und zu unterhalten, dass der Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Bei der Vorschrift handelt es sich um die privatrechtliche Ausprägung des öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzrechts. Im Unterschied zum öffentlichen-rechtlichen Arbeitsschutzrecht, das von den Aufsichtsbehörden überwacht und erforderlichenfalls durch behördliche Zwangsmaßnahmen auch durchgesetzt wird, ist die Überwachung und Durchsetzung der Erfüllung der privatrechtlichen Arbeitsschutzpflichten Aufgabe des Arbeitnehmers [27]. Die nach § 618 BGB einzuhaltenden Standards werden durch die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften konkretisiert [28].

· § 62 HGB: § 62 HGB, der für kaufmännische Angestellte gilt, entspricht im Wesentlichen der Regelung des § 618 BGB. § 62 HGB verlangt daher, ebenfalls aus privatrechtlicher Sicht, die Einhaltung des öffentlich-rechtlich konkretisierten Arbeitsschutzes, geht jedoch insoweit über den Wortlaut des § 618 BGB hinaus, als nach § 62 HGB der Arbeitgeber ergänzend auch für gute Sitten und Anstand im Betrieb zu sorgen hat.

· § 12 HAG, § 114 SeeArbG, § 28 JArbSchG, § 2 MuSchG:

· Bei diesen Vorschriften handelt es sich ebenfalls um privatrechtliche Ausprägungen des öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzrechts, und zwar um speziell für bestimmte Arbeitnehmer zugeschnittene Sonderregelungen. § 12 HAG gilt im Wesentlichen für Heimarbeiter und Hausgewerbetreibende, § 114 SeeArbG für Besatzungsmitglieder aller die Bundesflagge führenden Kauffahrteischiffe, § 28 JArbSchG im Wesentlichen für jugendliche Arbeitnehmer oder Auszubildende und § 2 MuSchG für werdende oder stillende Mütter.

· § 106 Satz 3 GewO: Nach § 106 Satz 3 GewO hat der Arbeitgeber bei der Ausübung des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts im Hinblick auf Inhalt, Ort und Zeit auf Behinderungen der Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen.

· §§ 75, 81 ff BetrVG: § 75 BetrVG legt die wesentlichen Grundsätze fest, die Arbeitgeber und Betriebsrat gegenüber der Belegschaft zu beachten haben. Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Pflicht, darüber zu wachen, dass alle Beschäftigten des Betriebes nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden. Zur entsprechenden Pflichterfüllung gehört insoweit zunächst, dass sich Arbeitgeber und Betriebsrat selbst bei ihren eigenen Maßnahmen und Entscheidungen von diesen Prinzipien leiten lassen müssen [29]. § 81 BetrVG nimmt den Arbeitgeber ausdrücklich in die Pflicht und verlangt von diesem im Wesentlichen, dass er den Arbeitnehmer vor Beginn der Beschäftigung über die Unfall- und Gesundheitsgefahren, denen der Arbeitnehmer bei der Beschäftigung ausgesetzt ist, sowie über die Maßnahmen und Einrichtungen zur Abwendung dieser Gefahren, belehrt. Nach den §§ 82 bis 84 BetrVG ist den Arbeitnehmern unter anderem die Entgeltabrechnung zu erläutern und Einsicht in die Personalakte zu gewähren. Ferner ist das Beschwerderecht der Arbeitnehmer zu beachten.

· Öffentlich-rechtlicher Arbeitsschutz: Die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften sind im Wesentlichen durch europäische Richtlinien beeinflusst [30]. Nach dem öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz soll die Sicherheit und der Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit durch besondere Maßnahmen gesichert und verbessert werden. Zu den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften gehören insbesondere das Arbeitsschutzgesetz, die Arbeitsstättenverordnung, die Unfallverhütungs vorschriften der Unfallversicherungsträger, die EG-Richtlinien zum Arbeitsschutz (insb. Richtlinie 89/391/EWG), die Strahlenschutzverordnung, die Bildschirmarbeitsverordnung, das Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit, das Arbeitszeitgesetz, die Gefahrstoffverordnung, das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz sowie das Mutterschutzgesetz.

· § 241 Abs. 2 BGB: Eine der maßgeblichen Vorschriften im Bereich der Fürsorgepflicht ist § 241 Abs. 2 BGB, die Schutz- bzw. Rücksichtnahmepflichten normiert und erstmals im Jahr 2002 im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung in Kraft getreten ist. Diese Generalklausel dient seither gemeinsam mit § 242 BGB der überwiegenden Anzahl der zur Fürsorgepflicht ergangenen gerichtlichen Entscheidungen als Grundlage. Nach dieser Vorschrift kann ein Schuldverhältnis bzw. ein Arbeitsverhältnis seinem Inhalt nach jeden Teil – und damit auch den Arbeitgeber – zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils, also zum Beispiel des Arbeitsnehmers, verpflichten.

· § 242 BGB: Ergänzend zur Generalklausel des § 241 Abs. 2 BGB ist als maßgebliche Vorschrift die weitere Generalklausel des § 242 BGB heranzuziehen. Nach § 242 BGB ist der Schuldner, also der Arbeitgeber, verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Treuepflichten des Arbeitnehmers
Wie auch bei der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers fehlt es an einer klaren Regelung im deutschen Recht, die explizit und umfassend die Treuepflicht des Arbeitnehmers normiert. Gesetzliche Vorschriften zur Treuepflicht des Arbeitnehmers finden sich lediglich vereinzelt. Zu nennen sind hier zum Beispiel:

· § 60 HGB: Kaufmännische Angestellte sind nach § 60 HGB ausdrücklich verpflichtet, Wettbewerb zu unterlassen. Sie sollen während des Bestands des Arbeitsverhältnisses die Interessen ihres Arbeitgebers fördern und unterstützen, nicht hingegen, den arbeitgeberseitigen Interessen durch Konkurrenztätigkeit entgegenwirken [31].

· § 5 EFZG: Nach § 5 EFZG muss der Arbeitnehmer Anzeige- und Nachweispflichten im Krankheitsfall nachkommen. Diese Verpflichtung wird üblicherweise als Teil der dem Arbeitnehmer obliegenden Treuepflicht verstanden [32].

· § 16 ArbSchG: Die Beschäftigten haben dem Arbeitgeber gemäß § 16 ArbSchG insbesondere jede von ihnen festgestellte unmittelbare, erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit unverzüglich zu melden.

· §§ 17 Abs. 1, 18 UWG: Nach § 17 Abs. 1 UWG haben die Arbeitnehmer eines Betriebs, ihnen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses anvertraute oder zugänglich gewordene Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses, grundsätzlich nicht an Dritte weiterzugeben. Nach § 18 UWG haben die Arbeitnehmer die ihnen im geschäftlichen Verkehr anvertrauten Vorlagen oder Vorschriften technischer Art ebenfalls grundsätzlich nicht an Dritte weiterzugeben oder zu verwerten. Diese Verpflichtungen sind ebenfalls Teil der allgemein geltenden Treuepflicht des Arbeitnehmers.

· § 241 Abs. 2 BGB: Auch für den Bereich der Treuepflicht des Arbeitnehmers ist § 241 Abs. 2 BGB neben § 242 BGB die entscheidende Norm. Wie der Arbeitgeber ist auch der Arbeitnehmer nach dieser Vorschrift verpflichtet, Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils, also des Arbeitgebers, zu nehmen.

· § 242 BGB: Ergänzend zur Regelung des § 241 Abs. 2 BGB ist des Weiteren die Generalklausel des § 242 BGB heranzuziehen. Diese verpflichtet den Arbeitnehmer, seine Arbeit so zu bewirken, wie Treue und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

III. Umfang der Fürsorge- und Treuepflicht
Die maßgebliche Vorschrift der vorstehend aufgelisteten Regelungen ist und bleibt § 241 Abs. 2 BGB. Diese Generalklausel benennt die Fürsorge- und Treuepflichten zwar nicht explizit, setzt aber eine sorgfältige Interessenabwägung der kollidierenden Rechtsgüter und Interessen beider Seiten eines Schuldverhältnisses voraus [33]. Die insoweit unbestimmte Vorschrift bedarf der Konkretisierung. Die Rechtsprechung hat mit der Konkretisierung in Bezug auf den inhaltlichen und zeitlichen Umfang der Fürsorge- und Treuepflichten erfreulicherweise bereits begonnen; als abgeschlossen kann der Prozess der Konkretisierung gleichwohl noch nicht bezeichnet werden.

Inhaltlicher Umfang
Die Fürsorge- und Treuepflichten lassen sich grundsätzlich in Schutz-, Informations- und Mitwirkungspflichten aufteilen.

1. Fürsorgepflicht
Die Fürsorgepflicht ist das Korrelat zur persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers [34]. Der Arbeitnehmer ist in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert, erbringt persönliche Arbeitsleistungen und bringt dabei zumeist auch eigene materielle und immaterielle Güter ein. Es ist daher die Aufgabe des Arbeitgebers, diese Rechtsgüter nach besten Kräften zu schützen [35].

Schutzpflichten

Der Arbeitgeber ist dabei aufgrund der ihm obliegenden Pflicht zur Fürsorge insbesondere verpflichtet, die Person des Arbeitnehmers bezüglich Leben, Gesundheit und Persönlichkeit zu schützen. Dies schließt den Schutz vor sexueller Belästigung ein. Der Arbeitgeber muss Räume, Vorrichtungen und Gerätschaften so einrichten und unterhalten, dass der Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Diese Vorgabe nach § 618 BGB wird durch öffentlich-rechtliche Schutzvorschriften näher ausgestaltet. Der Arbeitgeber hat sich unter anderem an die bestehenden Unfallverhütungsvorschriften (im Folgenden „UVVen“) zu halten. So können die Unfallversicherungsträger nach § 15 SGB VII als autonomes Recht UVVen über Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren oder für eine wirksame Erste Hilfe erlassen. Die UVVen sind Mindestnormen, die der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht für die Arbeitnehmer auf dem Gebiet der Arbeitssicherheit auf jeden Fall einhalten muss [36]. Des Weiteren hat der Arbeitgeber grundsätzlich die von dem Arbeitnehmer berechtigterweise in den Betrieb eingebrachten Gegenstände vor Verlust und Beschädigung zu schützen [37]. Dabei hat er jedoch lediglich solche Maßnahmen zu treffen, die ihm unter Berücksichtigung der besonderen betrieblichen und örtlichen Verhältnisse, der Verkehrssitte und des Ortsgebrauchs, zugemutet werden können [38]. Soweit der Arbeitnehmer Sachen mit in den Betrieb bringt, obgleich diese zur Erfüllung seiner Arbeitspflicht nicht üblicherweise benötigt werden, stehen die entsprechenden Sachen unter keinem besonderen Schutz. Eine allgemeine Pflicht des Arbeitgebers, die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers wahrzunehmen, lässt sich aus der Fürsorgepflicht grundsätzlich nicht herleiten [39].

Auskunfts- sowie Hinweis- und Aufklärungspflichten

Zu den Fürsorgepflichten gehören des Weiteren Informations- und Aufklärungspflichten des Arbeitgebers. Der von sich aus oder auf Nachfrage den Arbeitnehmer unterrichtende Arbeitgeber hat die Pflicht, richtige Auskunft zu erteilen [40]. Der Arbeitgeber muss jedoch nicht auf jede Nachfrage des Arbeitnehmers antworten. Ob eine entsprechende Auskunftspflicht auf Nachfrage des Arbeitnehmers besteht, ist für den Einzelfall durch Abwägung der beiderseitigen Arbeitsvertragsparteiinteressen zu ermitteln. Je größer das beim Arbeitnehmer erweckte Vertrauen ist oder je größer, atypischer und schwerer erkennbar die arbeitsvertrags-, sozialversicherungs- oder betriebsrentenrechtlichen Gefahren für den Arbeitnehmer sind, desto eher treffen den Arbeitgeber Informationspflichten und desto weitreichender sind sie [41]. Beispielhaft seien an dieser Stelle die Pflichten des Arbeitgebers bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages genannt. Der Arbeitgeber ist normalerweise dann nicht zur Aufklärung über die rechtlichen Folgen eines Aufhebungsvertrages verpflichtet, wenn der Arbeitnehmer von sich aus um Auflösung des Arbeitsverhältnisses bittet oder ein Auflösungsangebot des Arbeitgebers nach Bedenkzeit annimmt. In diesem Fall ist nämlich davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer die Folgen seines schwerwiegenden Entschlusses bedacht und sich notfalls selbst erkundigt hat [42]. Der Arbeitgeber ist daher berechtigt, den Arbeitnehmer bei Nachfrage an die jeweils zuständigen Stellen (Finanzamt, Renten- oder sonstige Sozialversicherungsträger) zu verweisen. Des Weiteren ist der Arbeitgeber gemäß der die Fürsorgepflicht konkretisierenden Vorschrift des § 82 Abs. 2 BVerfG (unabhängig vom Bestehen eines Betriebsrates) verpflichtet, die Entgeltabrechnung zu erläutern [43]. Neben diesen nicht abschließend aufgezählten Auskunftspflichten bestehen auch Hinweis- und Aufklärungspflichten des Arbeitgebers, die auf die allgemeine Fürsorgepflicht zurückzuführen sind. Hinweis- und Aufklärungspflicht in diesem Sinne meint die Pflicht des Arbeitgebers, auch ohne Nachfrage des Arbeitnehmers, also von sich aus, umfassend über rechtliche Folgen einer Maßnahme aufzuklären. Dabei sind auf der einen Seite die dem Arbeitgeber erkennbaren berechtigten Informationsbedürfnisse des Arbeitnehmers und auf der anderen Seite die Beratungsmöglichkeiten des Arbeitgebers abzuwägen [44]. Auf den vorstehend beschriebenen Beispielsfall der einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zurückkommend, würden den Arbeitgeber dann entsprechende Aufklärungspflichten treffen, wenn er im betrieblichen Interesse den Abschluss eines Aufhebungsvertrags vorgeschlagen und dabei den Eindruck erweckt hätte, er würde bei der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch die Interessen des Arbeitnehmers wahren und ihn nicht ohne ausreichende Aufklärung erheblichen Risiken für den Bestand seines Arbeitsverhältnisses aussetzen [45].

Schließlich obliegt dem Arbeitgeber bei Vorliegen besonderer Umstände [46] auch die Pflicht, ungefragt über bestehende Sozialeinrichtungen im Unternehmen, einschließlich betrieblicher Altersversorgung, zu belehren. Der Arbeitgeber ist hingegen im Allgemeinen nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer über die Zweckmäßigkeit unterschiedlicher Gestaltungsmöglichkeiten der entsprechenden Sozialeinrichtungen zu belehren [47].

Mitwirkungspflichten

Des Weiteren ergeben sich aus der Pflicht des Arbeitgebers zur Fürsorge auch bestimmte Mitwirkungspflichten.

So hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer unter anderem Einsicht in seine Personalakte zu gewähren. Dies ist für das bestehende Arbeitsverhältnis spezialgesetzlich in § 83 Abs. 1 BetrVG, und damit unter Berücksichtigung des Geltungsbereichs des BetrVG grundsätzlich für Betriebe mit Betriebsräten, geregelt. Als Teil der Fürsorgepflicht gilt das Personalakteneinsichtsrecht gleichwohl auch in betriebsratslosen Betrieben [48]. Es gilt ferner nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses [49] weiter.

Der Arbeitgeber hat zudem die Pflicht, die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Agentur für Arbeit einzureichende Arbeitsbescheinigung auszufüllen und dem Arbeitnehmer zur Weiterleitung an die Agentur für Arbeit auszuhändigen [50]. Der Anspruch auf Erteilung der Arbeitsbescheinigung ist zwar ausdrücklich in § 312 SGB III als öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers vorgesehen, er ergibt sich aber auch im privatrechtlichen Bereich aus dem Gedanken der Fürsorgepflicht [51].

Ähnliches gilt auch für andere Arbeitspapiere, insbesondere für den Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung, das zu erstellende Zeugnis und die Urlaubsbescheinigung. Entsprechende Arbeitspapiere hat der Arbeitgeber gegebenenfalls auszufüllen und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses an den Arbeitnehmer herauszugeben [52].

2. Treuepflicht
Der Inhalt der Treuepflicht wird vom Bundesgerichtshof dahingehend beschrieben, dass der Arbeitnehmer die Interessen seines Arbeitgebers zu wahren hat, alles unterlassen muss, was diesen schädigen könnte, und der Pflicht nachzukommen hat, drohende Gefahren von dem Arbeitgeber abzuwenden [53]. Dies umfasst insbesondere die Pflicht des Arbeitnehmers, jede Nebentätigkeit zu unterlassen, die zu einer Vernachlässigung der Arbeitspflicht im Hauptarbeitsverhältnis führen würde [54], die Pflicht zur Verschwiegenheit [55] und das Wettbewerbsverbot [56]. Hinzu kommen unter anderem das Verbot der Annahme von Schmiergeldern [57] und die Unterrichtungspflicht bei Nichtaufnahme der Arbeit [58].

Zeitlicher Umfang
Die Fürsorge- und Treuepflichten gelten üblicherweise während des Arbeitsverhältnisses, aber nicht ausschließlich. Sie finden grundsätzlich auch schon vor Beginn des Arbeitsverhältnisses Bedeutung und wirken nach Beendigung des Arbeitsvertrages nach.

Veit Voßberg, Cigdem Bayrak, Eva- Marie Höffer, Iris Hillemann, Stefan Eßer, Dominik Schäfer, Walter Eichendorf

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