Am 23. und 24. November 2005 fand im Bad Wildunger Maritim Hotel das 5. Forum protecT von Steinbruchs- und Bergbau-BG statt. Unter dem Motto Gesunde Mitarbeiter = Gesunder Betrieb diskutierten rund 300 Unternehmer, Betriebsärzte, Führungskräfte und Sicherheitsingenieure aus der Baustoff- und Natursteinindustrie sowie dem Bergbau das Thema Betriebliche Gesundheitsförderung.
Gesunder Betrieb ohne gesunde Mitarbeiter?
Helmut Ehnes, Leiter des gemeinsamen Geschäftsbereichs Prävention von Steinbruchs- und Bergbau-Berufsgenossenschaft, stellte den Anwesenden zunächst die neue Selbstverwaltung vor. Anschließend warf er die Frage auf, ob es überhaupt einen gesunden Betrieb ohne gesunde Mitarbeiter geben könne, was von wenigen nicht sehr erstrebenswerten Ausnahmen abgesehen sicherlich zu verneinen sei. Gerade bei den dünnen Personaldecken heutiger Betriebe kommt es auf jeden einzelnen Mitarbeiter an und darauf, dass dieser gesund ist. Denn gleichgültig, ob er aufgrund von Unfall, Krankheit oder Berufskrankheit fehlt, ist seine Abwesenheit schlecht für das Unternehmen, womit Handlungsbedarf vorliegt.
Nachdem es Steinbruchs- und Bergbau- Berufsgenossenschaft gemeinsam mit ihren Mitgliedsunternehmen mittlerweile gelang, beachtliche Erfolge in der Senkung von Unfallraten zu erzielen und die entsprechende Kostenbelastung der Unternehmen zu stabilisieren, möchten sie sich nun auch intensiver systematisch mit dem Themenfeld Gesundheit im Betrieb befassen, welches die Verhütung von Berufskrankheiten, die Vermeidung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren und die Verringerung von Fehlzeiten durch erkrankte Mitarbeiter einschließt, um dort ähnliche Erfolge für die Mitgliedsunternehmen zu erzielen, der Chronifizierung von Erkrankungen entgegenzuwirken und den Betroffenen das damit verbundene soziale Leid zu ersparen.
In einem ersten Schritt wurde dazu ein Gesundheitsbericht für die Baustoff-Industrie erstellt, der Erkrankungs- und Belastungsschwerpunkte in der Branche identifiziert. Darauf aufbauend entwickelt die Steinbruchs-BG nun gemeinsam mit Partnern wie dem AOK Bundesverband, einigen AOK Landesverbänden und dem Bundesverband Mineralische Rohstoffe passgenaue Maßnahmen zur Prävention und Betrieblichen Gesundheitsförderung.
Rechnet sich Betriebliche Gesundheitsförderung?
Nach den einleitenden Worten von Dipl.-Ing. Ehnes warf Prof. Dr. Gerhard Huber von der Universität Heidelberg die Frage auf: Betriebliche Gesundheitsförderung Rechnet sich das?. Kosten-Nutzen-Analysen seien auf alle Fälle notwendig, um Betriebsleiter von Sinn und Zweck der Betrieblichen Gesundheitsförderung überzeugen zu können. Dabei zeigt sich aber, dass krankheitsbedingte Fehlzeiten und vorzeitige Berentungen nur die Spitze des Eisbergs darstellen. Unter der Wasseroberfläche zeichnen sich Produktionsausfälle und Dienstleistungen, die z. B. aufgrund ungenügender Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten nur mangelhaft ausgeführt werden, ab.
Über 90% der Beschäftigten gehen laut Prof. Dr. Huber auch dann zur Arbeit, wenn sie sich nicht wohl fühlen, und etwa 7080% der Mitarbeiter leiden bei der Arbeit unter Rückenschmerzen. Auch wenn diese noch nicht direkt zu Fehlzeiten führen, wirken sie sich bereits auf den Unternehmenserfolg aus, indem sie beispielsweise die Kundenzufriedenheit beeinflussen, da ein sich unwohl fühlender Beschäftigter meist nicht so freundlich ist wie einer, der sich wohl fühlt.
Auf diese Weise haben die Mitarbeiter einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität von Produkten und Dienstleistungen, auf die Kundenzufriedenheit und letztlich immer auch auf den Gewinn eines Unternehmens. Setzt man daher mit gesundheitsfördernden Maßnahmen bei ihnen an und respektiert die Beschäftigten als wichtige Unternehmensressource, können sich nicht nur gesundheitliche Beschwerden und krankheitsbedingte Arbeitsausfälle reduzieren. Es verbessern sich außerdem häufig auch das Betriebsklima, Wohlbefinden und Identifikation des Beschäftigten mit dem Unternehmen sowie seine Arbeitszufriedenheit.
Studien aus den USA zeigen auf, dass ein return on investment von 1:15 möglich ist, dass also pro in die Gesundheitsförderung investiertem Dollar bis zu 15 Dollar eingespart werden können. In Deutschland ist aufgrund unterschiedlicher Rahmenbedingungen kein ganz so hoher Benefit möglich, aber selbst ein ROI von 1:3 bedeutet letztlich einen finanziellen Gewinn. Damit kann sich Betriebliche Gesundheitsförderung für ein Unternehmen gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten lohnen, womit das Vorurteil widerlegt wäre, dass Gesundheitsförderung ein Luxus sei, den sich nur florierende Betriebe leisten können.
Wichtige Prinzipien, die dazu beitragen, dass sich Betriebliche Gesundheitsförderung für das Unternehmen, den einzelnen Mitarbeiter und Kostenträger wie Unfall-, Kranken- und Rentenversicherung lohnt, sind nach Prof. Huber einerseits die Einbeziehung des konkreten Arbeitsplatzes und andererseits die Evaluation von Maßnahmen während und nach ihrer Implementation.
Folgen von Änderungen in der Arbeitswelt
Welche Änderungen sich in den letzten Jahren in der Arbeitswelt ergeben haben und welche Folgen diese für den arbeitenden Menschen haben, zeigte Prof. Dr. Bärbel Bergmann von der TU Dresden auf. Bei immer weniger klassischen Arbeitsverhältnissen kann eine Zunahme von Teilzeitarbeit, Zeitarbeit und befristeten Arbeitsverträgen beobachtet werden. Höhere Qualifikationserfordernisse machen ein lebens-langes und häufig selbstorganisiertes Lernen erforderlich, für das viele Arbeitnehmer nicht ausreichend gerüstet sind.
Der demographische Wandel führt zu alternden Belegschaften, in denen körperlich oder geistig beeinträchtigte Mitarbeiter nicht mehr einfach an Schonarbeitsplätze versetzt werden können, da diese als Resultat von Rationalisierungsmaßnahmen der letzten Jahre meist gar nicht mehr vorhanden sind.
Folgen dieser verschiedenen Entwicklungen sind vor allem steigende psychische Belastungen bei den Beschäftigten, die auch gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen. Krankheitsartenstatistiken der gesetzlichen Krankenkassen zeigen auf, dass der zunehmende Stress zu einem deutlichen Anstieg der psychischen und Verhaltensstörungen wie Depressionen, Ängsten und Suchtmittelabhängigkeiten führt. Nun stellt sich die Frage, wie die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten unter diesen Bedingungen bis ins hohe Alter hinein erhalten werden kann.
Kooperation in Netzwerken
Die Beschäftigten geben ihr Übergewicht und Cholesterin nicht am Werkstor ab. Daher kann und darf das private Umfeld bei der Gesundheitsförderung nicht ausgeklammert werden., betonte Jörg Buhren-Ortmann, Betriebsratsvorsitzender des Bergwerks Lohberg/Osterfeld. Er setzte sich stattdessen für einen ganzheitlichen Ansatz ein, der das gesamte Umfeld und die konkrete Situation des Beschäftigten mit berücksichtigt. Wie der Arbeitnehmervertreter sahen auch viele der nachfolgenden Redner eine effektive betriebliche Gesundheitsförderung vor allem in der Kooperation aller Akteure begründet, und zwar sowohl betriebsintern (Betriebsarzt, Betriebsrat, Führungskräfte, Mitarbeiter, Sicherheitsfachkraft, Sicherheitsbeauftragter) als auch -extern (Zusammenarbeit zwischen Berufsgenossenschaft, Betrieb, Krankenkassen, etc.).
Hans-Dieter Akkermann, Leiter des Personal- und Sozialwesens der Nestlé Deutschland AG und Frank Berssem als Leiter der Personalentwicklung der Rasselstein GmbH zeigten auf, dass und wie sie diesen ganzheitlichen Ansatz in ihren Unternehmen bereits leben.
Sich gesund und fit zu halten, liegt aber in gewissem Maße auch in der Eigenverantwortung des einzelnen Mitarbeiters wenn der Beschäftigte nicht mitarbeitet, kann der Betrieb allein wenig ausrichten., betonte der Präsident des Verbands deutscher Betriebs- und Werksärzte, Dr. med. Wolfgang Panter.
Wie Andreas Steinfeld, Aufsichtsperson der Norddeutschen Metall-BG, darstellte, ermöglichen Netzwerke gerade auch kleineren Unternehmen, die häufig nicht über entsprechende eigene Ressourcen im Betrieb verfügen, eine effektive betriebliche Gesundheitsförderung. Beispielsweise ist GESA ein branchenbezogenes Netzwerk für betriebliche Gesundheitsförderung in Schleswig-Holstein, das Kfz-Betrieben durch Benchmarkings aufzeigt, wo sie im Vergleich zum Rest der Branche stehen und wo ihre Stärken und Schwächen liegen.
Auf europäischer Ebene finden sich ähnliche Institutionen wie das Unternehmensnetzwerk Enterprise for Health, über das Detlev Hollman als Projektmanager der Bertelsmann Stiftung berichtete.
Rauchfreier Betrieb
Durch die Kombinationseinwirkung von Asbeststäuben und Rauchen ergibt sich eine 80-fache Erhöhung des Lungenkrebsrisikos, daher ist gerade Beschäftigten an entsprechend gefährdeten Arbeitsplätzen eine Tabakentwöhnung dringend nahe zu legen. erklärte Dr. med. Volker Harth vom Berufsgenossenschaftlichen Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin.
Welche Möglichkeiten zum Nichtraucherschutz im Betrieb vorhanden sind, wenn einige Beschäftigte trotz allem nicht vom Glimmstängel lassen wollen oder können, zeigte Michaela Goecke von der Bundesvereinigung für Gesundheit auf. Diverse Entlüftungsvorrichtungen können die Frischluftzufuhr gewährleisten, während Raucherkabinen oder abgetrennte Raucherräume bzw. -bereiche eine Trennung von rauchender und nichtrauchender Belegschaft nach sich ziehen. Auch organisatorische Lösungen sind denkbar, wobei gerade in solchen Fällen darauf geachtet werden sollte, dass diese Regelungen auch wirklich eingehalten werden und bei Abweichungen Sanktionen folgen.
Angebote von Kranken- und Unfallversicherung
Unter kompetenter Moderation von Alexander Niemetz wurde in der abschließenden Podiumsdiskussion intensiv über Angebote von Kranken- und Unfallversicherung zur Unterstützung der betrieblichen Akteure bei der betrieblichen Gesundheitsförderung diskutiert. Die Steinbruchs-BG ermöglicht ihren Mitgliedsunternehmen durch ein neues Prämiensystem beispielsweise die finanzielle Honorierung innovativer Maßnahmen zur Gesundheitsförderung im Betrieb. Krankenkassen bieten im Rahmen von Bonusmodellen zum Teil Beitragsermäßigungen, sofern der Betrieb bestimmte Voraussetzungen in Bezug auf seinen Gesundheitsschutz erfüllt. Außerdem beinhaltet das Unterstützungsangebot von Unfall- und Krankenversicherung Seminare zum Thema BGF, praktische Handlungshilfen und individuelle Beratungsleistungen.
Aktivierendes Rahmenprogramm
Die meisten Teilnehmer machten sich vor dem Abendessen noch zu einem Spaziergang auf, nachdem Dr. med. Thomas Wessinghage, ärztlicher Direktor der Rehaklinik Damp und Leiter des Deutschen Zentrums für Präventivmedizin sowie 22-facher Deutscher Meister und 5000 m Europameister von 1982, sie davon überzeugte, dass Bewegung Leben ist und viele Medikamente überflüssig macht.
Im vor dem Hotel geparkten Augenmobil der Steinbruchs-Berufsgenossenschaft konnten die Teilnehmer ihre Sehschärfe bestimmen lassen und Interessantes zum Thema Augenschutz lernen. Der Rückenparcours der Bergbau-BG ermöglichte in den Veranstaltungspausen eine Überprüfung der Rückenmuskulatur und allgemeinen Fitness, wenn nicht gerade in moderierten Bewegungspausen entspannende Reisen durch Afrika unternommen wurden. Auf die Gefahren der Suchtmittel Alkohol und Tabak wies die begleitende Posterausstellung eindringlich hin.
Überraschend durchgeführte Alkoholtests vor dem Schlafengehen bewiesen, dass sich viele Gäste auch bereits dem gesundheitsfördernden Prinzip verschrieben hatten, Alkohol nur in Maßen zu konsumieren.
Die einzelnen Vorträge der Veranstaltung sind auf der Homepage der Steinbruchs-Berufsgenossenschaft unter
http://www.stbg.de/protect/index.html abrufbar.
Dipl.-Psych. Nicole Jansen – Geschäftsbereich Prävention Tel.: 05 11/72 57-752 30853 Langenhagen Theodor-Heuss-Straße 160 Steinbruchs-Berufsgenossenschaft Fax: 05 11/72 57-790 E-Mail: jansen@stbg.de