Durch die Verabschiedung des Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention, kurz Präventionsgesetz [PrävG], wurden mehrere neue Vorschriften in das Infektionsschutzgesetz [IfSG] eingefügt. Besonders der neu ins IfSG aufgenommene §23a [„Personenbezogene Daten von Beschäftigten“] hinterlässt bei Verantwortlichen vieler Einrichtungen des Gesundheitswesens offene Fragen.
„Wenn und soweit es zur Erfüllung von Verpflichtungen aus §23 Absatz 3* in Bezug auf Krankheiten, die durch Schutzimpfung verhütet werden können, erforderlich ist, darf der Arbeitgeber personenbezogene Daten eines Beschäftigten im Sinne des §3 Absatz 11 des Bundesdatenschutzgesetzes über dessen Impfstatus und Serostatus erheben, verarbeiten oder nutzen, um über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder über die Art und Weise einer Beschäftigung zu entscheiden.“
Hintergrund der Gesetzesänderung ist die Tatsache, dass sich laut einer Prävalenz-Studie des Europäischen Zentrums für Krankheitskontrolle und Prävention aus dem Jahr 2012 rund 3,5 % der Patientinnen und Patienten in Einrichtungen des Gesundheitswesens mit dort verbreiteten Erregern infizieren [nosokomiale Infektionen oder Krankenhausinfektionen]. Die Übertragung passiert dabei häufig durch Mitarbeitende des Krankenhauses bzw. der medizinischen Einrichtung. Neben Infektionen mit MRSA oder anderen multiresistenten Erregern spielen in diesem Zusammenhang auch impfpräventable Erkrankungen eine Rolle. Die Intention der Gesetzgeber war es demnach, die Verbreitung nosokomialer Infektionen, die durch Impf- oder Immunschutz vermieden werden können, so gut es geht einzudämmen.
Ein wichtiger Faktor bei der Vermeidung von nosokomialen Infektionen ist laut Bundestagsausschuss für Gesundheit demnach das Vorhandensein eines Impf- oder Immunschutzes gegenüber verschiedenen Infektionskrankheiten wie z.B. Hepatitis A, Hepatitis B, Mumps, Masern, Röteln, Varizellen, etc.
Die Einrichtungen dürfen und müssen nach §23a IfSG nun über den Impf- bzw. Immunstatus ihrer Mitarbeitenden gegenüber dieser Infektionskrankheiten Bescheid wissen und dürfen diese nur beschäftigen, wenn sie über einen für den speziellen Arbeitsbereich ausreichenden Impf- bzw. Immunschutz verfügen und so eine Ansteckung von Patientinnen und Patienten vermieden wird.
Bei der Umsetzung der neuen gesetzlichen Regelung werden Leiterinnen und Leiter von Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen mit einer Vielzahl von Fragestellungen konfrontiert, für welche es bislang noch keine eindeutige Empfehlung in Form einer „Musterlösung“ gibt.
Herausforderung 1: Für welchen
Mitarbeitenden wird welcher
Impf- bzw. Immunstatus definiert?
Die Definition des Soll-Profils muss laut Bundestagsausschuss für Gesundheit je nach Art und Umfang des Patientenkontakts individuell festgelegt werden. Das bedeutet, dass man Abteilungen mit unmittelbarem Patientenkontakt [z.B. Pflegepersonal und ärztliches Personal] von solchen mit mittelbarem Patientenkontakt [z.B. bei „Tresengeschäften“ in Ambulanzen] und solchen ohne Patientenkontakt unterscheiden muss. Dabei ist neben Art und Umfang des Patientenkontakts auch auf spezielle Patientengruppen zu achten [z.B. Säuglinge und immunsupprimierte Patienten]. Eindeutige Differenzierungskriterien zur Einteilung von Mitarbeitenden in die verschiedenen Gruppen gibt es indes nicht. Die einzige verbindliche Aussage des Bundestagsausschusses für Gesundheit diesbezüglich bezieht sich auf Krankheiten, die leicht durch Tröpfchen übertragen werden können, bei welchen die klinische Symptomatik nicht immer eindeutig ist oder bei denen Infizierte bereits vor dem Auftreten klassischer Symptome ansteckend sind [Mumps, Masern, Röteln, Pertussis, Varizellen]. Ein Immunschutz gegen diese Erkrankungen ist demnach für alle Mitarbeitenden mit unmittelbarem und mittelbarem Patientenkontakt obligatorisch.
Herausforderung 2: Umgang
mit Impfverweigerern und
„Non-Respondern“
Die neue Gesetzesgrundlage erlaubt es den in §23 (3) genannten Einrichtungen des Gesundheitswesens, auf Basis des Impf- und Serostatus Personalentscheidungen zu treffen. Dabei gilt es von den Verantwortlichen der betreffenden Einrichtungen zu regeln, wie mit Beschäftigten verfahren wird, deren Impf- bzw. Immunstatus nicht den zuvor festgelegten Maßgaben entspricht. Dies können neben „Impfverweigerern“ auch Personen sein, die trotz mehrmaliger Impfung keine Antikörper gegen den jeweiligen Erreger entwickeln und so von einer fehlenden Immunität ausgegangen werden muss [sog. Non-Responder]. Dabei können rein theoretisch neben der Kündigung der betreffenden Personen auch Versetzungen in andere Arbeitsbereiche in Betracht gezogen werden. Wie verfährt man dabei jedoch mit Beschäftigten, die eine Schlüsselposition besetzen [z.B. dringend gesuchten Fachärzten]?
Diese Frage bleibt nach eingehender Recherche der Kommentare und Erläuterungen des Bundestagsausschusses für Gesundheit verständlicherweise unbeantwortet.
Ergänzend muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass rein rechtlich die Freiwilligkeit der Inanspruchnahme von Impfschutz unberührt bleibt, das heißt, es besteht weiterhin keine Impfpflicht. Diese Botschaft haben das Bundesministerium für Gesundheit [BMG] und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales [BMAS] in einer gemeinsamen Stellungnahme ausdrücklich unterstrichen.
Durch die betrieblichen Regelungen beim Umgang mit Personen, die den selbst definierten Maßgaben nicht entsprechen, wird jedoch unter Umständen eine implizite Impfpflicht in Einrichtungen des Gesundheitswesens eingeführt [„Wenn du dich nicht impfen lässt, kann ich dich nicht beschäftigen“].
Herausforderung 3: Wie setzt man
das Vorgehen in der operativen
Personalarbeit um?
Ein weiteres Problem bei der Umsetzung des neuen §23a IfSG ergibt sich aus der praktischen Umsetzung in der Personalarbeit.
Bei der Klärung dieser Frage müssen mehrere Personengruppen differenziert betrachtet werden: Wie geht man mit „Bestandsmitarbeitenden“ um? Wie kann man das Vorgehen im Recruiting bzw. bei der Einstellung neuer Beschäftigter umsetzen? Wie geht man mit kurzzeitig beschäftigten Personen um [z.B. Famulanten, Praktikanten]? Nach der Beantwortung dieser Fragen gilt es die getroffenen Regelungen in Personalprozesse zu übersetzen und deren Umsetzung auf diese Weise zu etablieren.
Zusammenfassung
Mit der Einführung des §23a IfSG verfolgt die Gesetzgebung das Ziel, nosokomiale Infektionen weiter einzudämmen. Die Verantwortlichen haben nun die Möglichkeit, auf Basis von Informationen über den Impf- und Immunstatus der Beschäftigten Personalentscheidungen zu treffen. Die konkrete Umsetzung der neuen Gesetzesgrundlage muss jedoch individuell gestaltet werden, da es an konkreten Empfehlungen seitens der Gesetzgeber bis dato mangelt.