Präventionsgesetz

Impfen im Betrieb durch Betriebsärzte zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen

D.-M. Rose, T. Nesseler

Mit Einführung des Präventionsgesetzes (PrävG) (Bundesgesundheitsministerium 24.07.2015) im Jahr 2015 wurde im neugefassten § 20i SGB V (Becker und Kingreen 2016) die Bedeutung der Impfprävention im Rahmen der Gesamtprävention noch einmal gestärkt. Um die Menschen in ihren verschiedenen Lebenswelten mit Präventionsmaßnahmen zu erreichen, wurde im § 132e SGB V neu geregelt, dass auch Fachärzte für Arbeitsmedizin und Ärzte mit der Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, zukünftig berechtigt sind, Schutzimpfungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen vorzunehmen.

Damit soll das Ziel erreicht werden, die Impfquote in Deutschland zu steigern, damit beispielsweise Deutschland seinen zugesagten Beitrag zur weltweiten Eradikation von Masern erreichen kann.

Allerdings ist dazu der Vertragsabschluss der Krankenkasse oder von Krankenkassenverbänden mit den Betriebsärzten oder aber auch mit deren Verbänden erforderlich. Für den einzelnen Betriebsarzt hat sich diese Regelung als in der Praxis nicht umsetzbar dargestellt, da mit jeder einzelnen Krankenkasse ein Vertrag geschlossen hätte werden müssen und die Abrechnung mit jeder Kasse per Rechnung auf Papier hätte erfolgen müssen. Hintergrund dafür ist, dass die beiden neuen Paragrafen im Präventionsgesetz (PrävG), die die Betriebsärzte zu wesentlichen Akteuren im Feld der gesetzlichen Krankenversicherung machen, also § 132e (Versorgung mit Schutzimpfungen) und 132f (Versorgung durch Betriebsärzte) SGB V, durch ein Versehen leider keine datenschutzrechtliche Ermächtigungsgrundlage in § 295 SGB V erhalten hatten, um betriebsärztliche Leistungen im Wege einer elektronische Abrechnung im Datenaustauschverfahren mit den Krankenkassen zu ermöglichen.

Nach langen Verhandlungen sind nun dennoch zum 1. Januar 2019 die ersten beiden bundesweiten Verträge zur Regelung von Schutzimpfungen durch Betriebsärzte (Selektivverträge „Impfen„) in Kraft getreten. Die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) und die Barmer Krankenversicherung sowie unmittelbar im Anschluss nach kurzen und konsensualen Gesprächen die BAHN BKK, die bereits 2017 mit einem überbetrieblichen Dienst einen bundesweiten Vertrag nach § 132e vereinbart hatte, haben bundesweit gültige Selektivverträge abgeschlossen.

Diese Verträge stellen aus mehreren Gründen einen großen Erfolg dar. Es wird möglich, dass Betriebsärzte im Rahmen des Präventionsgesetzes Schutzimpfungen zu Lasten von gesetzlichen Krankenversicherungen erbringen und damit aktiv auch die Impfquote in der Bevölkerung in Deutschland verbessern können. Zudem ist es mit Unterstützung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) und des Bundesversicherungsamtes (BVA) gelungen, ein neues, bisher noch nie verwendetes Vertragskonstrukt auf den Weg zu bringen, das es jetzt auch ermöglicht, den im PrävG vorgesehenen Beitrag der Betriebsmedizin zur Verbesserung der Impfquote in Deutschland praktikabel umzusetzen. Weiterhin konnten drei Gesetzesänderungsvorschläge in das neue Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) eingebracht werden, die vermutlich ab April die Anwendung der bereits geschlossenen Selektivverträge weiter vereinfacht. Im aktuell im Gesetzgebungsverfahren stehenden TSVG hat das BMG auf Anregung der DGAUM eine Regelung in Aussicht gestellt, um die §§ 132e und 132f SGB V in § 295a SGB V aufzunehmen und die bisher fehlende datenschutzrechtliche Ermächtigungsgrundlage für die Abrechnung durch externe Dienstleister zu ermöglichen.

Rechtliche Grundlagen: Schutzimpfungen gehören zu den Pflichtleistungen der gesetzlichen Krankenkassen

Für die gesetzliche Krankenversicherung regeln die §§ 20i und 132e SGB V die Rahmenbedingungen für die primäre Prävention der Versicherten durch Schutzimpfungen. Diese gehören zu den Pflichtleistungen der gesetzlichen Krankenkassen. Der damit verbundene Sicherstellungsauftrag ist ebenfalls in § 132e SGB V geregelt. Allerdings muss die Versorgung mit Schutzimpfungen außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung auf der Grundlage von Selektivverträgen organisiert werden. In der selektivvertraglichen Versorgung können die Leistungserbringer ihre Leistungen allerdings ausschließlich direkt mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen. Genau dieses Erfordernis stellte insbesondere für die Betriebsärzte ein erhebliches Problem dar, da diese vielfach nicht über die für eine solche Direktabrechnung erforderlichen Kapazitäten zur ordnungsgemäßen Datenverarbeitung verfügen. Für eine wirtschaftlich effiziente Abrechnung ist aber die Einschaltung einer privatrechtlich organisierten Abrechnungsstelle erforderlich. Dies ist allerdings derzeit noch ausgeschlossen, da das Bundessozialgericht die Rechtmäßigkeit einer solchen Einschaltung vom Vorliegen einer formalgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage abhängig macht, die auf dem Gebiet der Versorgung mit Impfleistungen noch fehlt. Dies ist der rechtliche Hintergrund, warum § 132e SGB V zwingend in die datenschutzrechtliche Ermächtigungsgrundlage von § 295a SGB V aufzunehmen ist. Mit dem TSVG will die Bundesregierung hier Abhilfe schaffen. Zum Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse der DGAUM mit der BARMER bzw. der BAHN-BKK stand allerdings noch nicht fest, wann diese Regelung definitiven Gesetzescharakter erhalten wird. In jedem Falle besteht der Vorteil dieser rechtlichen Regelung darin, dass zukünftig auf eine Teilnahmeerklärung der impfwilligen Versicherten verzichtet werden kann und sich nur noch die impfenden Ärzte sich per Teilnahmeerklärung in die Selektivverträge Impfen der DGAUM einschreiben müssen.

Innovative Vertragslösung für Betriebsärzte, Tropenärzte, Öffentlicher Gesundheitsdienst

Vor diesem Hintergrund beschreiten DGAUM, BARMER und BAHN-BKK bis zu einer abschließenden gesetzlichen Regelung mit den jetzt vorliegenden Vertragswerken einen alternativen Weg, indem Regelungen von § 140 a SGB V mit Bestimmungen von § 132e SGB V in einem „gemischten Vertrag“ zusammengeführt sind. Rechtlicher Kontext ist dabei, dass Impfleistungen zum Gegenstand eines Vertrages über die „Besondere ärztliche Versorgung“ nach §140a SGB V bzw. eines gemischten Vertrages nach § 132e und § 140a SGB V gemacht werden können. Denn nach § 140a Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB V kommen alle nach dem Vierten Kapitel des SGB V zur Versorgung der Versicherten berechtigten Leistungserbringer als Leistungserbringer der besonderen ärztlichen Versorgung in Betracht. Zudem ist § 132e SGB V systematisch im Vierten Kapitel des SGB V verankert. Deshalb können auch Betriebsärzte Leistungserbringer nach § 140a Abs. 3 Nr. 1 SGB V sein und somit sowohl Impfleistungen erbringen als auch diese Leistungen durch Dritte abrechnen. Mit Blick auf die Vorgaben des §140a Abs. 1 S. 2 SGB V sind ebenfalls Ärzte, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, aber am Arbeitsplatz oder in einem Unternehmen bzw. Betrieb Impfleistungen erbringen (u.a. Tropenärzte, Öffentlicher Gesundheitsdienst), in den Kreis der möglichen Leistungserbringer des Selektivvertrages aufgenommen. Hiernach hat die besondere ambulante ärztliche Versorgung unter Beteiligung weiterer ärztlicher Leistungserbringer oder deren Gemeinschaften zu erfolgen. Wichtig ist, dass alle Betriebsärzte, die an den Selektivverträgen der DGAUM teilnehmen wollen, aktiv eine Willenserklärung gegenüber der DGAUM abgeben müssen, indem sie eine Teilnahmeerklärung ausfüllen und an die Geschäftsstelle der Fachgesellschaft übermitteln.

Vergütung der ärztlichen Leistung

Im Kontext der Diskussion, wie Betriebsärzte das neue Präventionsgesetz umsetzen sollen, stand immer wieder die Frage im Mittelpunkt,, ob betriebsärztliche Impfleistungen von den gesetzlichen Krankenkassen zu vergütet sind. In zahlreichen Sitzungen mit den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen, dem BMG und der Bundesärztekammer (BÄK) konnte letztlich erfolgreich dargestellt werden, dass Impfungen im Rahmen des Präventionsgesetzes in keiner Weise auf die Basiseinsatzzeit der arbeitsmedizinischen Versorgung im Betrieb angerechnet werden dürfen. Die zusätzlichen Leistungen sind daher auch gemäß der Berufsordnung für Ärzte adäquat zu vergüten und dürfen nicht kostenfrei erbracht werden. Dies war noch vor einiger Zeit in einem ersten Vertragsentwurf der AOK Baden-Württemberg anders beschrieben (AOK Baden Württemberg 2016). Um keine höheren Kosten für die GKV im Vergleich zur Vertragsarztvergütung und keine Konkurrenzsituation zwischen Ärzten, die an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmen ,und Betriebsärzten entstehen zu lassen, musste die DGAUM für die Betriebsärzte eine Vergütung vereinbaren, die sich an der Vergütung der Leistungen der Kassenärzte orientiert:. Ziel war dabei aber schon aus Akzeptanzgründen, für die Betriebsärzte eine bundeseinheitliche Regelungen zu erreichen und keine Realitäten zu schaffen, wie diese in der kassenärztlichen Versorgung mit 16 verschiedene Vereinbarungen je nach KV mit unterschiedlichen Vergütungssätzen die Regel sind. Deshalb sehen die Selektivverträge „Impfen“ der DGAUM grundsätzlich eine bundesweit einheitliche Vergütung der betriebsärztlichen Impfleistung vor, die sich in etwa an dem Mittel der Vergütungen der verschiedenen KVen orientiert. Damit kann im Einzelfall die Vergütung der betriebsärztlichen Impfleistung im Vergleich zum örtlichen KV Bereich teilweise etwas höher oder niedriger sein, wobei der direkte Vergleich ohnehin nicht möglich ist, da grundsätzlich auf eine weitere Differenzierung der Vergütung zwischen 2– fach, 3– fach oder 4-fach- Impfstoff verzichtet wurde.

Auch wenn die beiden bisher geschlossenen Verträge sich im Kern kaum unterscheiden, gibt es aber dennoch wichtige Unterschiede: Im Vertrag mit der BARMER sind in Anlehnung an die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Institutes (RKI) nur die Verabreichung von Schutzimpfungen, die in der jeweils aktuellen Schutzimpfungsrichtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) aufgeführt sind, vereinbart. Zudem gibt es eine unterschiedliche Vergütung für die ärztliche Impfleistung für 1-fach-Impfstoffe (insbesondere Grippe-Impfstoff) und Mehrfachimpfstoffen.

Im Vertrag mit der BAHN-BKK sind darüber hinaus auch die Impfungen, die im Rahmen der Satzungsleistungen der Krankenkasse vergütet werden können (insbesondere Reiseimpfungen) mit in den Selektivvertrag aufgenommen und damit für den Betriebsarzt ebenfalls abrechnungsfähig. Darüber hinaus werden alle Impfleistungen unabhängig davon, ob 1-fach- oder Mehrfachimpfstoffe verabreicht werden, einheitlich vergütet.

Die Abrechnung erfolgt im Rahmen der vereinbarten Selektivverträge zwischen DGAUM als Managementgesellschaft (siehe Abschnitt Teilnahmemöglichkeit) und den Krankenkassen über einen externen Abrechnungsdienstleister. Mit der HELMSAUER GRUPPE hat die DGAUM einen Dienstleister gefunden, der bereits über langjährige Erfahrungen im Feld der Abrechnungen von Selektivverträgen verfügt. Unter dem neuen Markennamen DGAUM-Selekt können die an den Selekvtivverträgen teilnehmenden Betriebsärzte den kompletten Abrechnungsservice nutzen: eine eigene Softwarelösung zur Leistungserfassung, ein geschütztes Onlineportal für Abrechnung und Information der Ärzte mit Datenupload sowie ein eigenes Kompetenzcenter für Beratung und Support. Außerdem bietet das Abrechnungsportal des Dienstleisters die Möglichkeit, Privatliquidationen abzurechnen. Gerade bei Impfkampagnen im Betrieb können die dort für Selbstzahler bzw. Privatpatienten erbrachten ärztlichen Impfleistungen und gestellten Impfstoffe dann zeitnah für Betriebsärzte vergütet werden. Die DGAUM-Mitgliedschaft ist für die Nutzung von DGAUM-Selekt keine Voraussetzung, allerdings erhalten Mitglieder deutliche Preisvorteile bei den Bearbeitungsgebühren.

Impfstoffbeschaffung und- vergütung

Ebenfalls ein schwieriges Thema war die Vereinbarung der Impfstoffvergütung: Zwischen den Vertragspartnern bestand Konsens, dass die gesetzlichen Krankenkassen keine wesentlich höheren Beträge zu Lasten ihrer Versicherten für Impfungen durch die Betriebsärzte erstatten können als im Rahmen der gesetzlichen Krankenversorgung.

Zwischen dem Apothekenverkaufspreis (AVP), den der Endverbraucher für rezeptpflichtige Arzneimittel und Impfstoffe bezahlt, und dem tatsächlich von Krankenkasse bezahlten Preis bestehen allerdings erhebliche Unterschiede. Insbesondere die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) regelt verbindlich Zuschläge und Vergütungen für den pharmazeutischen Großhandel und die Apotheken sowie zu den zu gewährenden Rabatten für die gesetzlichen Krankenkassen (Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz 14.11.1980).

Auf die Produktionskosten des Herstellers (Herstellerabgabepreis) erhebt der pharmazeutische Großhandel für Medikamente und Impfstoffe in der Humanmedizin einen Festzuschlag von 0,70 € und einen proportionalen Zuschlag von 3,15% , der aber auf maximal auf 37,80 € gedeckelt ist. Die daraus resultierende Summe stellt dann den Apothekeneinkaufspreis (AEK) dar. Dieser ist aktuell und täglich abrufbar in der sogenannten Lauertaxe. Der Apotheker schlägt auf den Apothekeneinkaufspreis 3 % Handling als Vergütung des logistischen Aufwandes, also für Vorratshaltung und Vorfinanzierung, auf sowie 8,35 € Rezeptgebühr als Honorierung der pharmazeutischen Dienstleistung der Apotheke und weiterhin 0,16 € zur Förderung der Sicherstellung des Apothekennotdienstes nach dem Apothekennotdienstsicherungsgesetz (ANSG). Daraus resultiert der Netto- Apotheken Verkaufspreis (nAVK), auf den noch die gesetzliche Mehrwertsteuer von 19 % aufzuschlagen ist. Dies ist der Preis dann, den der Kunde in der Apotheke zu zahlen hat. Von diesem brutto- Apotheken Verkaufspreis (bAVK) muss der Apotheker nach § 130 SGB V einen direkten Rabatt zugunsten der der gesetzlichen Krankenkassen in Höhe von 1,49 € netto abgeben, womit sein Zuschlag von 8,35€ sich auf 6,86 € (netto) verringert (Bundesgesundheitsministerium 22.06.2011).

Neben dem direkten Apothekenrabatt für die gesetzlichen Krankenkassen wird zudem durch eine Mittelwertbildung der vier günstigsten Abgabenpreise in EU-Ländern ein Rabatt errechnet, den die Impfstoffhersteller an die Kassen zu erstatten haben. Im Einzelfall kommen noch zum Teil nicht öffentlich bekannte Rabattabsprachen zwischen einzelnen Kassen und Impfstoffherstellern zum Tragen. Dies alles erklärt, warum die Krankenkassen strikt gegen eine Überlassung von Impfstoffen für Betriebsärzte über Rezepte analog zum Sprechstundenbedarf der Kassenärzte sind. Es gibt hierzu keine organisatorische Abbildungsmöglichkeit. Da die Abgabe von Impfstoffen zwar an Apotheken nicht aber an eine Preisverordnung gebunden ist, können Betriebsärzte, wie ja bereits in der Vergangenheit geschehen, zu deutlich günstigeren Konditionen Impfstoffe einkaufen, als es dem Brutto- Apothekenverkaufspreis entspricht. Andererseits übernimmt der Betriebsarzt, der auf eigenes Risiko Impfstoffe beschafft, vorhält und vorfinanziert an diese Stelle auch Apothekenaufgaben, die ihm eigentlich nicht vergütet werden. Aus diesem Grunde wurde in den Verträgen zwischen der DGAUM und den Krankenkassen vereinbart, dass die Abrechnung der Impfstoffe sich nach der am Impftag gültigen Lauertaxe orientiert und die Vergütung des Impfstoffes zum Apothekeneinkaufspreis (AEK) einen Aufschlag von3 % zuzüglich derzeit 19% Mehrwertsteuer vorsieht. Als Referenz für die Vergütung der Impfstoffkosten gelten die Preise der beiden günstigsten auf dem deutschen Markt tatsächlich verfügbaren und vertriebenen Impfstoffe, also keine Re-Importpreise. Schon aus kartellrechtlichen Gründen und zur Vermeidung ggf. europaweiter Ausschreibungen wird es auch in Zukunft jedem Betriebsarzt überlassen bleiben, bei welcher Apotheke er seine Impfstoffe bezieht. Allerdings ist die Vergütung der Impfstoffe auf die vorbeschriebene Preisbildung beschränkt.

Für alle Beteiligten ist die Kalkulation der tatsächlich anfallenden zusätzlichen finanziellen Lasten der GKV sowohl durch die Honorierung der ärztlichen Impfleistung als auch durch die Vergütung der Impfstoffe, die außerhalb der kassenärztlichen Gesamtvergütung erfolgt, derzeit nicht wirklich möglich. Daher wurde auch mit dem DGAUM Kooperationspartner BARMER vereinbart, dass in einem Begleitprojekt evaluiert wird, welche Kosten zusätzliche durch die Anwendung der Selektivverträge „Impfen“ entstehen. Dagegen muss dann aber auch betrachtet werden, welche Einsparungspotenziale durch nicht notwendige kassenärztliche Behandlungen oder stationäre Aufenthalte zum Beispiel im Rahmen einer Grippeepidemie durch eine möglicherweise verbesserte Impfquote sich ergeben.

Teilnahmemöglichkeit an den Selektivverträgen zum Impfen im Betrieb für Betriebsärzte

Grundsätzlich steht es jedem Betriebsarzt frei, eigenständig Verträge nach § 132e SGB V mit jeder der am Markt aktiven Krankenkasse auszuhandeln. Allein schon aus kartellrechtlichen Gründen sind deshalb die Selektivverträge der DGAUM mit den Krankenkassen zur Durchführung einer Besonderen Versorgung „Impfen“ gem. §§ 140a und 132e SGB V und der Möglichkeit für Betriebsärzte, diesen Vereinbarungen auf Seiten der DGAUM als Managementgesellschaft beizutreten, nicht exklusiv. Diese stehen auch jedem nach § 132e SGB V impfberechtigen Arzt offen, unabhängig von einer Mitgliedschaft in der Fachgesellschaft. Allerdings bietet die Teilnahme an diesen Verträgen, die unter dem Markennamen DGAUM-Selekt verwaltet werden, den größtmöglichen Komfort mit einem Online-Tool zur Leistungserfassung und Abrechnungsservice.

Die DGAUM als Managementgesellschaft hat dazu im Herbst 2018 einen Vertrag mit der zur HELMSAUER Gruppe gehörenden Helmsauersauer Curamed Managementgesellschaft für Selektivverträge GmbH geschlossen, die als Abrechnungsdienstleister für die Selektivverträge „Impfen“ der DGAUM nach § 295a SGB V in Verbindung mit § 80 SGB X und Art 28 DSGVO tätig wird. Über DGAUM Selekt wird sowohl web-basiert über eine geschützte Plattform die versichertenbezogene elektronische Erfassung der Leistungen durch Betriebsärzte als auch gleichzeitig die Datenaufbereitung und Rechnungsstellung an die Krankenkassen und der Vergütung der teilnehmenden Ärzte sichergestellt. Dafür müssen im Wesentlichen nur der Name des Versicherten, die Versichertennummer und dazugehörige Krankenkassennummer und der Name des Impfstoffs eingegeben werden. Daraus errechnen sich dann alle weiteren relevanten Daten, die für die elektronische Abrechnung mit den einzelnen Krankenkassen gesammelt und kumuliert übermittelt werden. Die daraufhin geleisteten Zahlungen der Kassen an die DGAUM als Managementgesellschaft werden nach Abzug der Bearbeitungskosten an die teilnehmenden Ärzte vergütet. Der impfende Betriebsarzt kann alle Beschäftigten des Unternehmens impfen, ohne unbedingt wissen zu müssen, ob die Kasse des geimpften Mitarbeiters an diesen Verträgen teilnimmt oder nicht oder ob es sich um einen Privatpatienten handelt, der nicht unter die Regelungen des Präventionsgesetzes fällt. Aus der eingegebenen Daten generiert das System

  • die Abrechnungsdaten für die teilnehmenden Kassen,
  • gegebenenfalls Individualrechnungen für Patienten gesetzlicher Krankenkassen, die noch nicht an diesem Vertrag teilnehmen und dann dort vom Versicherten zur Erstattung eingereicht werden können
  • und nach der GOÄ spezifizierte Abrechnungen für Privatpatienten, die ebenfalls dann von der privaten Krankenkasse erstattet werden können.

Üblicherweise werden von den privaten Abrechnungsunternehmen ein bestimmter Prozentsatz (zwischen 0,5% bis 3,5% abhängig von der Höhe der zugrunde liegenden Arztabrechnung) der Gesamtrechnungssumme als Aufwand für die Abrechnung verlangt. Aufgrund der knapp kalkuliert Impfstoffpreise kann der Impfstoff-Kostenpreis nicht in die Berechnung der Vergütung für den Abrechnungsdienstleister einbezogen werden. Daher ist bei DGAUM-Selekt keine prozentuale Leistungsvergütung sondern ein fallbezogener fixer Abrechnungsbetrag vereinbart, der auf längere Sicht kostendeckend sein wird. Neben der Vergütung der Abrechnungsdienstleistung werden damit auch all jene Kosten gedeckt, die als Aufwand der DGAUM als Managementgesellschaft in der Geschäftsstelle, etwa für die Einschreibung der teilnehmenden Ärzte, den Nachweis gegenüber den teilnehmenden Kassen und den Abgleich der Daten der eingeschriebenen Ärzte, entstehen. Dies ist erforderlich, damit die Arbeit der DGAUM in der Geschäftsstelle für diese Dienstleistung von den teilnehmenden Ärzten honoriert und nicht durch Mitgliedsbeiträge der Mitglieder der Fachgesellschaft, die möglicherweise gar nicht impfen, subventioniert wird. Nicht zu vergessen ist, dass die Kooperation mit der Helmsauer-Gruppe allen Mitgliedern der DGAUM unabhängig von der Teilnahme an den Selektivverträgen „Impfen“ weitere interessante Vorteile bietet.

Interessierte Ärzte können sich über die Homepage der DGAUM (www.dgaum.de/ themen/impfungen-durch-betriebsaerzte) informieren und auch ihre Teilnahme an den Selektivverträgen der DGAUM erklären. Dann erhält man Zugang zu DGAUM-Selekt und der Software zur Erfassung und Abrechnung der DGAUM-Selektivverträge zum Impfen im Betrieb. Dieser Zugang ist passwortgeschützt und über das Helmsauer-Abrechnungsportal erreichbar. Für die Teilnahme ist die Kenntnis der eigenen lebenslangen Arztnummer (LANR) und ggf. der eigenen Betriebsstättennummer (BSNR) erforderlich. Für Mitglieder der DGAUM sind die Konditionen günstiger als für Nicht-Mitglieder der DGAUM.

Ausblick

Bereits jetzt haben weitere Kassen Vertragsverhandlungen mit der DGAUM aufgenommen, um den abgeschlossenen Verträgen beizutreten. Ziel sollte es sein, mit allen Kassen entsprechende Verträge zu schließen und gegebenenfalls z.B. in einem Modellprojekt auch private Krankenversicherer an diesen Selektivverträgen zu beteiligen.
Die Selektivverträge der DGAUM und deren praktische Umsetzung sind auch für andere in § 132e SGB V aufgelistete Arztgruppen, die nach dem Präventionsgesetz impfen sollen, wie zum Beispiel dem öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD), nutzbar. Deshalb gibt es dazu bereits Gespräche auch auf unterschiedlichen politischen Ebenen.

Der Erfolg dieser Verträge hängt zuerst ganz wesentlich von der Akzeptanz in der Ärzteschaft ab. Es muss gelingen, vor allem Betriebsärzte von diesem Modell zu überzeugen und dafür zu begeistern. Nur so kann es gelingen, dem Ziel des Präventionsgesetzes zu entsprechen und die Impfquote in der Bevölkerung zu verbessern.


Literaturverzeichnis:

vom 17.08.2017 I 3214 (17.08.2017): § 140a SGB V Besondere Versorgung.

AOK Baden Württemberg (2016): Vereinbarung nach § 132e SGB V über die Durchführung von Schutzimpfungen nach § 201 Abs. 1 (und 2) i.V.m. § 92 Abs. 1 Nr. 15 SGB V in Baden-Württemberg, 16.10.2016.

Becker, Ulrich; Kingreen, Thorsten (Hg.) (2016): SGB V. Gesetzliche Krankenversicherung. Unter Mitarbeit von Peter Axer, Hermann Butzer, Dirk Göpffarth, Stefan Huster, Jacob Joussen, Katrin Just et al. 5. Auflage. München: Beck, C H (Gelbe Erläuterungsbücher).

Bundesgesundheitsministerium (22.06.2011): § 130a SGB V Rabatte der pharmazeutischen Unternehmer, vom 17.08.2017. Fundstelle: https://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbv/130a.html. In: Sozialgesetzbuch (SGB V). Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz – PrävG).

Bundesgesundheitsministerium (24.07.2015): Das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz – PrävG). In: Bundesgesetzblatt Teil 2015 Nr. 31 vom 24.07.2015.

Bundesministerium der Justiz und fürVerbraucherschutz (14.11.1980): Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV), vom 04.05.2017. Fundstelle: https://www.gesetze-im-internet.de/ampreisv/BJNR021470980.html.

Lauer-Taxe (früher Große Deutsche Spezialitäten-Taxe bzw. Große Deutsche Spezialitäten-Lauer-Taxe). Fundstelle: https://www.cgm.com/lauer-fischer/loesungen_lf/lauer_taxe_lf/lauer_taxe.de.jsp.


Autoren:

Univ.-Prof.

Dr. med. Dirk-Matthias Rose
Institut für Lehrergesundheit
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsmedizin Mainz
Kupferbergterasse 17 –19
55116 Mainz

Tel.: (06131) 17–8855
Fax.: (06131) 17 8870
E-Mail: dirk-matthias.rose@unimedizin-mainz.de
www.unimedizin-mainz/ifl

Dr. Thomas Nesseler
Hauptgeschäftsführer DGAUM
Deutsche Gesellschaft für Arbeits-und Umweltmedizin e.V.
Schwanthaler Straße 73 b80336 München

Tel.: 089/330 396–0
Fax: 089/330 396–13
Mail: tnesseler@dgaum.de
www.dgaum.de

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