05_Kommunikation

Roger – and over?

Bei der Versorgung insbesondere schwer erkrankter Patientinnen und Patienten werden überwiegend die Kapazitäten der Krankenhäuser und die Verfügbarkeit moderner technischer Geräte diskutiert. Unterschätzt wird aber im Allgemeinen, welche große Rolle eine professionelle Kommunikation innerhalb des Ärzte- und Pflegeteams für die sichere und erfolgreiche lebensrettende Behandlung und Genesung von Kranken spielt, insbesondere in den Operationsabteilungen von Krankenhäusern. Untersuchungen zeigen, dass unerwünschte Ereignisse (Fehldiagnosen, Komplikationen bei Operationen, Schäden bei Operationen, auch mit Todesfolge) bei hochkomplexen Eingriffen wie in der Herz- oder Neurochirurgie bei zwölf Prozent liegen, 54 Prozent dieser Ereignisse werden als vermeidbar angesehen.1

Nach wie vor – betrachtet man Daten aus Zwischenfallanalysen der Luftfahrt als Beispiel – könnten möglicherweise nahezu 80 Prozent aller sicherheitskritischen Fehler durch eine klare Kommunikation in einer guten Teamatmosphäre auch in Krankenhäusern verhindert werden. Die Kommunikation im Team spielt also eine, wenn nicht die entscheidende Rolle. Sie ist ein wesentlicher Faktor für den Verlauf von Schadensfällen, die neben den persönlichen Folgen für alle Beteiligten auch schwere haftungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können. Was kann dies konkret für die Arbeit im Operationssaal bedeuten? Welche Aspekte müssen beachtet werden, um ein Maximum an Sicherheit für die Patientinnen und Patienten zu gewährleisten?

Wir wird im Operationssaal kommuniziert?

Zunächst müssen die besonderen Umstände der Kommunikation im Operationssaal in den Blick genommen werden. Diese spielt sich überwiegend in einer sehr komplexen Umgebung ab, in der unterschiedlich spezialisierte ärztliche Berufsgruppen (Internisten, Anästhesisten, Chirurgen) Patientinnen und Patienten gemeinsam behandeln, dies zunehmend mit Hilfe hochtechnisierter Apparatemedizin. Nicht selten handelt es sich bei den Betroffenen um teils sehr schwer oder auch lebensbedrohlich Erkrankte, was die emotionale Situation der Operateure und deren Teams maßgeblich beeinflusst. Zudem treffen im Operationssaal Menschen unterschiedlichen Alters, Sozialisation und Kultur zusammen: Beispielsweise operieren auszubildende junge Ärztinnen und Ärzte, teils aus anderen Ländern stammend, mit älteren und erfahreneren Kolleginnen und Kollegen zusammen, deren Ansprüche an Kommunikation manchmal unterschiedlicher nicht sein können. Sprachprobleme dürften zusätzlicher Zündstoff und Anlass für Missverständnisse sein. Hoher Zeitdruck und Leistungsverdichtung, bedingt durch den erheblichen ökonomischen Druck kostengünstiger Operationen und des Zeitplans, den jede Operationsabteilung aufstellt, sorgen für zusätzliche Herausforderungen an eine gemeinsame Abstimmung über den Verlauf einer Operation. Der individuelle Druck auf den Operateur oder die Operateurin, der oder die seine beziehungsweise ihre fachliche Qualität bei jeder Operation immer wieder sichtbar unter Beweis stellen kann und muss, und demzufolge auch auf das Team, ist häufig sehr groß.

Funktionen der Kommunikation im Operationssaal

Welche wichtigen Funktionen kann und sollte nun die Kommunikation im Operationssaal erfüllen? Vor allem für den professionellen Ablauf von Operationen und die Sicherheit der Patientinnen und Patienten sind folgende Aspekte von zentraler Bedeutung:

  • Koordination von Arbeitsvorgängen und -schritten, falls nicht auf Routinen zurückgegriffen werden kann (Notfallmanagement),
  • Permanenter und routinierter Informationsaustausch vor, während, aber auch nach der Operation, um die Konsequenzen von Operationsfehlern zu vermeiden,
  • und die oft vernachlässigte Bedeutung der guten Arbeits- und Teamatmosphäre, die jenseits des konkreten Bezugs auf Operationen unter anderem auch der Konfliktvermeidung und -bewältigung dient.

Vor welchen Schwierigkeiten steht die Kommunikation im Operationssaal häufig und welche Konsequenzen kann dies haben? Zu nennen sind hier zunächst Aspekte, die zusammengefasst unter Beziehungsproblemen zu beschreiben sind:

  • Vorurteile und verfestigte Denkmuster und Konformitäten der zusammenarbeitenden Gruppen, die auch häufig unterschiedliche Kommunikationsstile und -muster pflegen, sind ein idealer Nährboden für Vorurteile, Neid und Konkurrenzdenken.
  • Durch Zeitdruck und falsches Autoritätsdenken werden im Vorfeld von Operationen wichtige Aussagen zur möglichen Diagnose nicht geäußert (kritische Fragen werden als Kritik am Operateur gesehen; dass es um Vermeidung von Schädigungen des Patienten geht, wird übersehen).
  • Während der Operation werden Hinweise sowohl von Seiten des Operateurs in Richtung des Teams als auch von Seiten des Teams in Richtung des Operateurs überhört.
  • Verhaltensmuster von Operateuren beziehungsweise Operateurinnen, die sehr stark auf „Performance“ angelegt sind, und die verhindern, dass über die eigenen Verhaltensweisen bezüglich Kommunikation nachgedacht wird.

Jenseits der Beziehungsprobleme im Team haben zudem die Umstände einer Operation häufig massiven Einfluss auf die Kommunikation im Operationssaal:

  • Unerwartet schwierige Operationen, die durch kleinste Kommunikationsfehler oder andere Unaufmerksamkeiten zu schwerwiegenden Konsequenzen führen können
  • Regelmäßige, aber nicht planbare Notfalloperationen, die das beste Zeitmanagement und die besten Vorsätze zur Kommunikation torpedieren können
  • Personalwechsel, Belastungsgefühle, Erschöpfung im Team
  • Fehlende Informationen und Einweisungen zu Sicherheitsstandards im Operationssaal, fehlende strukturierte Präventionsmaßnahmen
  • Soziales Prestige der behandelnden Operateurinnen und Operateure (Ist sie oder er zu langsam? Hat sie oder er es wieder toll „hinbekommen“?), die medizinische Entscheidungen maßgeblich beeinflussen können

Die Kommunikation verbessern

Welche Möglichkeiten haben die Akteure im Operationssaal, um die Kommunikation im Team zu verbessern und dadurch für eine größtmögliche Sicherheit für die Patientinnen und Patienten zu sorgen?

Grundvoraussetzung zum Gelingen ist eine vollständige, klare, direkte, freundliche und gleichberechtigte Kommunikation, die durch Vertrauen und ein angenehmes Arbeitsklima unterstützt wird. Diese Aspekte sorgen für eine höhere Effizienz und weniger Fehler bei den Operationen. In diesem Sinn ist die Implementierung von Teamtrainings eine sehr wirksame Methode, in der kommunikative Fehler im Operationssaal analysiert und Wege aufgezeigt werden, wie sich die Kommunikation verbessern lässt. Solche Trainings können die Rate unerwünschter Ereignisse (zum Beispiel Seitenverwechslung oder intraoperativ vergessene Gegenstände) auf null senken. Gleichzeitig werden so die Schadensklagen reduziert. Vor und nach jeder einzelnen Operation ist Kommunikation wichtig. Nachbesprechungen ermöglichen das Verbessern zukünftiger Operationen. Dieser Austausch ist auch wichtig, damit alle Beteiligten sozial emotional belastende Situationen (Entscheidungen über Leben und Tod) aufarbeiten und bewältigen.

Die Einführung von Checklisten verbessert die Kommunikation und reduziert in der Folge Komplikationen und Todesfälle in den Operationssälen. Einzige Einschränkung: Die obersten Führungskräfte müssen hinter diesen Maßnahmen stehen und diese unterstützen beziehungsweise vorantreiben. Werden die Checklisten nicht konsequent benutzt, kann dies sogar in negativer Hinsicht Einfluss auf die Teamatmosphäre und damit wiederum auf die Fehlerquote der Operationen haben.

Bekannt und allgemein verbreitet ist hier vor allem die „Surgical Safety Checklist“, bekannt auch als „WHO-Checkliste“ (siehe Seite 27). Beim Einführen dieser Checkliste ist es wichtig, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der bevorstehenden Operation beteiligt werden. Verantwortlich für die Einhaltung ist der Operateur. Die Anwendung dauert nur wenige Minuten, erfordert allerdings ein klares, kurzes Innehalten, bei dem alle Beteiligten die entsprechenden kritischen, sicherheitsrelevanten Punkte „abarbeiten“. Es ist Vorsicht geboten: Sobald versucht wird, die Liste kurz zwischendurch schnell dazwischenzuschieben, ist die präventive Wirkung verpufft. Folgende Vorteile ergeben sich aus der Checkliste:

  • Bewusste Konzentration auf die kritischen Aspekte der Operation
  • Sichere Identifikation des Patienten (zum Beispiel Anästhesie, Antibiose, Sicherstellen des Bildmaterials und des Instrumentariums)
  • Klären des Behandlungsverlaufs nach der Operation.

1 Catchpole K., Mishra A., Handa A. & McCulloch P. (2008): Teamwork and error in the operating room: analysis of skills and roles. Ann Surg 247: 699–706.


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