06_Gesundheitsschutz

Hinweise auf gesundheitliche Beeinträchtigungen

1 Gegenstand der Bewertung

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat die Stoffe Diacetyl (2,3-Butandion), 2,3-Pentandion, 2,3-Hexandion, 2,3-Heptandion, Guarkernmehl und Sorbitol hinsichtlich ihres Gesundheitsrisikos für Verbraucherinnen und Verbraucher bewertet, wenn diese in Rauchtabak enthalten sind. Cannabidiol wurde gemäß der Richtlinie 2014/40/EU bewertet.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hatte das BfR gefragt, ob es weitere Substanzen gibt, die aufgrund ihres gesundheitlichen Risikopotentials als Kandidaten für die Anlagen 1 und/oder 2 der Tabakerzeugnisverordnung (TabakerzV) in Frage kommen. Die Anlagen 1 und 2 regeln verbotene Zusatzstoffe in Tabakerzeugnissen bzw. in elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern.

2 Ergebnis

Bezüglich der Identifizierung von Stoffen für die Aufnahme in die Anlagen 1 und 2 der TabakerzV, hat das BfR folgende Stoffe gesundheitlich bewertet, da es bei diesen Stoffen in der wissenschaftlichen Literatur Hinweise auf ein Gesundheitsrisiko bei Inhalation gibt: Diacetyl (2,3-Butandion), 2,3-Pentandion, 2,3-Hexandion, 2,3-Heptandion, Guarkernmehl und Sorbitol.

Diacetyl sowie 2,3-Pentandion, 2,3-Hexandion und 2,3-Heptandion sind bereits in der Anlage 2 der TabakerzV genannt. Das BfR sieht Hinweise auf ein Gesundheitsrisiko durch diese Substanz in Tabak.

Guarkernmehl wurde in die Prioritätenliste nach Artikel 6 der Richtlinie 2014/40/EU aufgenommen. Das BfR sieht Hinweise auf ein Gesundheitsrisiko dieser Substanz bei Verwendung in Tabak aufgrund deutlich erhöhter Formaldehydemissionen.

Sorbitol wurde in die Prioritätenliste nach Artikel 6 der Richtlinie 2014/40/EU aufgenommen. Das BfR sieht aufgrund deutlich erhöhter Acrolein- und Formaldehydemissionen Hinweise auf ein Gesundheitsrisiko bei der Verwendung dieser Substanzen in Tabak.

Aus Sicht des BfR erweckt die Verwendung von Cannabidiol (CBD) in Tabak oder Liquids den Eindruck eines gesundheitlichen Nutzens.

3 Begründung

Diacetyl

Diacetyl ist als Aromastoff in Lebensmitteln zugelassen, könnte aber bei Inhalation schwere Entzündungen in den Atemwegen verursachen [1,2]. In Tierversuchen wurde der Zusammenhang zwischen Diacetyl und einem Phänotyp, der Ähnlichkeiten mit der humanen Bronchiolitis obliterans (BO) aufweist, bestätigt. Die Verwendung als Additiv könnte somit auch bei Tabakrauchern zu erhöhten gesundheitlichen Gefahren führen.

Es ist allerdings immer noch schwierig, die adversen, u. a. reizenden Wirkungen von denen anderer Schadstoffe im Tabakrauch abzugrenzen. Bislang konnte auch noch nicht nachgewiesen werden, dass Zigarettenrauchen ein Risikofaktor für die Entstehung von BO ist, z. B. aufgrund von Diacetyl aus dem Hauptstrom-Rauch von Tabakzigaretten [3]. Als typische Folge des Zigarettenkonsums wird diese spezielle Form der chronischen bronchialen Obstruktion nicht erachtet.

In jüngerer Vergangenheit hat die US-amerikanische Bundesbehörde für arbeitsmedizinische Forschung (NIOSH) BO mit der chronischen obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) verglichen. COPD ist stark mit dem Rauchen assoziiert und induziert morphologische Veränderungen, die zusätzlich zu den für BO typischen Obstruktionen und Fibrosen auftreten. NIOSH vertritt die Hypothese, dass Diacetyl und verwandte Verbindungen zur Entwicklung obstruktiver Lungenerkrankungen beitragen könnten [4].

Weiterhin äußerten der Wissenschaftliche Ausschuss für Gesundheits-, Umwelt- und neu auftretende Risiken (SCHEER) und der Wissenschaftliche Ausschuss für neu auftretende und neu identifizierte Gesundheitsrisiken (SCENIHR) Bedenken hinsichtlich Unsicherheiten bezüglich der Genotoxizität und der fehlenden Daten zur Karzinogenität von Diacetyl [5,6]. Die Substanz wurde daher in die Prioritätenliste der Zusatzstoffe mit erweiterten Meldepflichten gemäß Artikel 6 der Richtlinie 2014/40/EU aufgenommen. Gemäß Artikel 6, Absatz 4 hätten Hersteller und Importeure 18 Monaten nach Aufnahme in die Prioritätenliste einen Bericht zu den Ergebnissen dieser Studien vorlegen müssen. Dies ist nicht geschehen. Die Berichte, die vorgelegt wurden, hatte das Projekt Joint Action on Tobacco Control (JATC) im Auftrag der EU-Kommission geprüft. An diesem Projekt arbeitete das BfR im Rahmen eines Drittmittelprojektes1 mit.

Ferner deuten für mehrere strukturverwandte Diketone, insbesondere 2,3-Pentandion (Acetylpropionyl), einem Aromastoff der als Ersatz für Diacetyl genutzt wird, Tierversuche auf ein ähnlich hohes Gefahrenpotential hin [7,8,9]. Aus Sicht des BfR gibt es neben den Hinweisen auf ein Gesundheitsrisiko durch Diacetyl ebenfalls Hinweise auf diese für 2,3-Pentandion, 2,3-Hexandion und 2,3-Heptandion in Tabakerzeugnissen, wenn diese in Tabakerzeugnissen verwendet werden.

Guarkernmehl (CAS-Nr. 9000–30–0)

Sowohl SCHEER als auch SCENIHR untersuchten u. a. Guarkernmehl als Zusatzstoff für Tabak und äußerten Bedenken zur Frage der Toxizität der Pyrolyseprodukte Formaldehyd, Benzo(a)pyren und Benzol [5,6]. Guarkernmehl wurde daher in die Prioritätenliste der Zusatzstoffe mit erweiterten Meldepflichten gemäß Artikel 6 der Tabakrichtlinie 2014/40/EU aufgenommen. Auf der Basis des vorgelegten Berichts [10], der aktuelle Studien zu Guarkernmehl enthält und der dem BfR über die Mitarbeit im JATC bekannt war, erfolgt die Bewertung des BfR.

Wesentlicher Teil des Berichts sind die Untersuchungen an Testzigaretten, denen verschiedene Mengen an Guarkernmehl zugesetzt wurden. Die Zielkonzentrationen betrugen 0,5 %, 1 % und 1,5 %, wobei die mittlere Konzentration die höchste Konzentration darstellte, die in den Testprodukten des Berichtes zum Einsatz kam. Ausgehend von diesem Wert wurden zum einen ein niedriger Wert („Low“) mit 50 % und zum anderen ein höherer Wert („Max Plus“) mit 150 % verwendet. Diese Testzigaretten und – zum Vergleich – zusatzstofffreie Referenzzigaretten wurden nach Standardverfahren (ISO) abgeraucht und auf verschiedene Schadstoffemissionen im Zigarettenrauch untersucht [10].

Für alle Carbonylemissionen der Testzigaretten wurde ein Anstieg in Abhängigkeit von der zugesetzten Menge an Guarkernmehl gezeigt (siehe Tabelle 1). Statistische Signifikanz erreichte der Anstieg für Formaldehyd, die Werte sind in der Tabelle fett hervorgehoben. Die Werte für die Referenzzigarette streuen erheblich, wie in Tabelle 2 für Formaldehyd dargestellt ist. Auch für die anderen Carbonylverbindungen wurden erhebliche Streuungen für die Referenzzigarette festgestellt, in der Folge ergab sich keine statistische Signifikanz für diese Stoffe. Neben der Formaldehydemission stieg auch die von Cadmium bei Testzigaretten der Level „Max“ und „Max Plus“ statistisch signifikant an [10].

Die Anstiege der Carbonylemissionen werden vom BfR als plausibel bewertet, da die Pyrolyse von Kohlenhydraten einen Einfluss hierauf hat [11] und Guarkernmehl eine kohlenhydratreiche Matrix darstellt. Neben dem statistisch signifikanten Anstieg für Formaldehyd wird auch auf die erheblichen Anstiege für Acetaldehyd und Acrolein hingewiesen.

Der Anstieg der Cadmiumemission lässt sich durch den Zusatz an Guarkernmehl nicht plausibel erklären, da die Cadmiumkonzentration im verwendeten Guarkernmehl bei 5 μg Cadmium/kg Guarkernmehl lag [10]. Für die weitere Bewertung wird dieser Befund daher nicht berücksichtigt.

Im Gegensatz zur Cadmiumemission, die sich in der Größenordnung von Nanogramm pro Zigarette bewegt, können für Formaldehyd Emissionen im Bereich von 17 μg/Zigarette (Referenzzigarette) und fast 35 μg/Zigarette für die Max Plus-Testzigarette festgestellt werden. Formaldehyd ist eine CMR-Substanz, sie ist chemikalienrechtlich als krebserzeugend in der Kategorie Carc 1B eingestuft. Von der Internationalen Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (IARC) wurde Formaldehyd als krebserzeugend für den Menschen (Kategorie 1) eingestuft.

Aus Sicht des BfR stellt der beschriebene Effekt auf die Formaldehydemission einen erheblichen Effekt dar, der zu einem Gesundheitsrisiko führen kann. Insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass der Anstieg der Formaldehydemission nicht isoliert geschah, sondern alle Carbonylverbindungen (darunter auch Acetaldehyd und Acrolein), die im Zigarettenrauch untersucht wurden, ebenfalls erhebliche, wenn auch nicht statistisch signifikante Steigerungen aufwiesen.

Sorbitol (CAS-Nr. 50–70–4)

Sowohl SCHEER als auch SCENIHR untersuchten u. a. Sorbitol als Zusatzstoff für Tabak und formulierten Bedenken zur Frage der Suchtverstärkung durch die Pyrolyseprodukte Acetaldehyd und Formaldehyd. Weiterhin wurden Bedenken geäußert in Bezug auf die Toxizität der Pyrolyseprodukte Furfural, Acetaldehyd und Formaldehyd [5,6]. Sorbitol wurde daher in die Prioritätenliste der Zusatzstoffe mit erweiterten Meldepflichten gemäß Artikel 6 der Tabakrichtlinie 2014/40/EU aufgenommen. Auf der Basis des vorgelegten Berichts [12], der aktuelle Studien zu Sorbitol enthält, erfolgt die Bewertung des BfR.

Wesentlicher Teil des Berichts sind die Untersuchungen an Testzigaretten, denen verschiedene Mengen an Sorbitol zugesetzt wurden. Die Zielkonzentrationen betrugen 0,6 %, 1,2 % und 1,8 %, wobei die mittlere Konzentration die höchste Konzentration darstellte, die in Produkten des Konsortiums zum Einsatz kam. Ausgehend von diesem Wert wurden einmal ein niedriger Wert („Low“) mit 50 % und ein höherer Wert („Max Plus“) mit 150 % verwendet. Diese Testzigaretten und zusatzstofffreie Referenzzigaretten wurden nach Standardverfahren (ISO) abgeraucht und auf verschiedene Schadstoffemissionen im Zigarettenrauch untersucht [12].

Die Emissionen zeigten für alle Carbonylemissionen der Testzigaretten Anstiege der Emissionen in Abhängigkeit von der zugesetzten Menge an Sorbitol (siehe Tabelle 3). Statistische Signifikanz erreichten die Anstiege für Acrolein und Formaldehyd, die Werte sind in der Tabelle fett hervorgehoben. Wie schon im Abschnitt zu Guarkernmehl erwähnt, zeigten die Carbonylwerte der Referenzzigarette erhebliche Streuungen.

Der Anstieg verschiedener Carbonylverbindungen in Abhängigkeit von der zugegebenen Sorbitolmenge erscheint plausibel, da Sorbitol ein Zuckeralkohol und Feuchthaltemittel ist. Eine experimentelle Studie zeigte einen wesentlichen steigernden Einfluss von Zuckern und Feuchthaltemitteln im Tabak auf die Formaldehydemission [11]. Aus Sicht des BfR sind die Anstiege von Formaldehyd und Acrolein ursächlich auf die Zugabe von Sorbitol zurückzuführen.

Für Formaldehyd wurden Emissionen im Bereich von 17 μg/Zigarette für die Referenzzigarette und fast 35 μg/Zigarette für die Max Plus-Testzigarette festgestellt. Formaldehyd ist eine CMR-Substanz, sie ist chemikalienrechtlich als krebserzeugend in der Kategorie Carc 1B eingestuft. Von der IARC wurde Formaldehyd als krebserzeugend für den Menschen (Kategorie 1) eingestuft. Auch die Acroleinemissionen bewegen sich im Bereich von zweistelligen Mikrogrammmengen pro Zigarette, der Vergleich der Referenzemissionen zeigt 30,1 μg/Zigarette im Vergleich zu 54,5 μg/Zigarette für die Max Plus-Testzigarette. Acrolein ist akut toxisch, insbesondere nach Inhalation. Chemikalienrechtlich ist Acrolein als sehr giftig in die Kategorie Acute Tox 1, H330 (Lebensgefahr bei Einatmen) eingestuft.

Aus Sicht des BfR stellen die beschriebenen Effekte auf die Formaldehyd- und Acroleinemissionen toxikologisch relevante Veränderungen dar, die es rechtfertigen von einem Gesundheitsrisiko durch Sorbitol in Tabak auszugehen. Weiterhin sollte berücksichtigt werden, dass auch die anderen untersuchten Carbonylverbindungen (darunter Acetaldehyd), die im Zigarettenrauch untersucht wurden, ebenfalls erhebliche, wenn auch nicht statistisch signifikante Steigerungen aufwiesen.

Cannabidiol (CAS-Nr. 13956–29–1)

Bezüglich einer Prüfung zur Aufnahme von Cannabidiol (CBD) in die Anlagen 1 und 2 der TabakerzV und einer Erfüllung der Kriterien einer der Kategorien (z. B. gesundheitlichen Nutzen, stimulierende Mischung oder CMR Eigenschaften) ergab sich folgendes:

Der Eindruck eines gesundheitlichen Nutzens lässt sich aus Sicht des BfR zum Beispiel aus der Verwendung eines in Europa zur Behandlung von Epilepsie zugelassenen Arzneimittels, das als Arzneistoff synthetisch gewonnenes CBD enthält, ableiten. Diesem liegt ein intrinsischer gesundheitlicher Nutzen inne. Zudem gibt es weitere prä- sowie teils klinische Evidenzen zur Anwendung von CBD bei verschiedensten Krankheiten. Diesen liegen die möglicherweise neuroprotektiven, anxiolytischen, antipsychotischen, analgetischen, antiinflammatorischen, antiasthmatischen sowie antiproliferativen Eigenschaften des Stoffes zu Grunde [13,14,15]. Die Evidenzen für einige dieser Indikationen wurden kürzlich von Pisanti et al. diskutiert und ein therapeutisches Potential von CBD betont. Hieraus lässt sich aus Sicht des BfR eindeutig der Eindruck eines gesundheitlichen Nutzens ableiten [16].

Ferner ergab eine Umfrage von Frontier Data zum Status von CBD in der EU, dass Schmerzbehandlung, Entspannung, Stressabbau und Angstreduktion die Hauptgründe für die Anwendung von CBD sind [17]. Dies spiegelt sich mit Informationen aus den USA [18].

Aus Sicht des BfR kann die Verwendung von CBD in Tabak und Liquids den Eindruck eines vermeintlichen gesundheitlichen Nutzens erwecken. Die Richtlinie 2014/40/EU sieht in solchen Fällen ein Verbot vor.

Referenzen

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https://newfrontierdata.com/cannabis-insights/europes-cbd-market/

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1vgl. https://www.bfr.bund.de/de/joint_action_on_tobacco_control__jatc_-204803.html


Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)


Weitere Informationen

auf der BfR-Website zum Thema

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