Die ganze Tragweite des menschengemachten Klimawandels lässt sich vor allem an der Zunahme von Extremereignissen erkennen wie zum Beispiel häufigere Dürreperioden mit dennoch vermehrten Starkregenereignissen, intensivere Hitzeperioden, eine steigende Zahl von starken Stürmen und vermehrt auftretende Waldbrände. Und auch schleichende Veränderungen dieser Art erfahren wir hierzulande schon heute, wie weniger Frost und Schnee im Winter, aber auch insgesamt häufigere, intensivere und kurzfristigere Temperaturschwankungen.
Das sich ändernde Klima hat weltweit bereits zu erheblichen Verschiebungen in den zugrundeliegen den sozialen und ökologischen Determinanten der Gesundheit geführt mit einer Vielzahl von Einflüssen auf die kardiovaskuläre, respiratorische, aber auch mentale Gesundheit. Langfristige Klimaveränderungen bedrohen dabei die Grundlagen der menschlichen Gesundheit und des Wohlbefindens. Die bereits heute spürbaren Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit werden sich voraussichtlich in Zukunft weiter verstärken. Bemerkenswert ist dabei die im Lancet Countdown 2020 für Deutschland angegebene Zahl von hitzebedingten Todesfällen im Alter von über 65 Jahren von 20.200 für das Jahr 2018 – womit Deutschland weltweit auf Platz drei liegt, hinter China (62.000 Todesfälle) und Indien (31.000 Todesfälle) und noch vor den USA mit fast 19.000 hitzebedingten Todesfällen.
Die unterschiedlichen gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels hängen nicht nur mit einer höheren Durchschnittstemperatur zusammen, an die sich der menschlichen Körper langfristig eventuell anpassen könnte. Viel erheblicher sind die ebenfalls durch den Klimawandel hervorgerufenen häufigeren und stärkeren kurzfristigen Temperaturschwankungen. Besonders die extremen Wetterereignisse wie Hitzewellen können direkte gesundheitliche Auswirkungen haben. Die Häufigkeit und Intensität von Hitzewellen wird in Zentraleuropa voraussichtlich zunehmen. Unter einem „Business as usual“-Szenario werden bis zum Ende des Jahrhunderts verglichen mit dem Zeitraum 1971 bis 2000 jährlich fünf zusätzliche Hitzewellen zwischen Mai und September in Norddeutschland und bis zu 30 zusätzliche Hitzewellen in Süddeutschland vorhergesagt. Hitzestress und hohe bodennahe Ozonkonzentrationen während der Hitzewellen können schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben, insbesondere bei Älteren und Menschen mit Herz-Kreislauf- oder Atemwegserkrankungen. Zum Beispiel Patienten mit Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzinsuffizienz oder COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung). Luftverschmutzung und Klimawandel sind dabei eng miteinander verknüpft. Bei vielen regulatorischen Abläufen im Körper gibt es Parallelen zwischen den Einflüssen der beiden Umweltfaktoren. Somit ist vorstellbar, dass es hier zu Interaktionen und Synergien der gesundheitlichen Wirkung von Lufttemperatur und Luftschadstoffen kommt.
Steigende Temperaturen ermöglichen zudem die Ausbreitung von Überträgern von Infektionskrankheiten, also von Mücken und Zecken. Das betrifft Infektionskrankheiten, die in einigen Teilen Deutschlands bereits vorkommen, wie die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und die Borreliose. Es betrifft aber auch in Deutschland bislang noch nicht vor Ort übertragene Infektionskrankheiten wie das Dengue-Fieber, Zika oder das West-Nil-Virus. Steigende Temperaturen verändern auch die Biologie allergener Pollen, so dass sich bei Pflanzen die saisonale Dauer des Pollenfluges verlängert und die Pollenmenge ansteigt, was Asthma und allergische Reaktionen verstärkt.
Gleichzeitig gehen Klimaschutzmaßnahmen mit erheblichen gesundheitlichen Vorteilen einher. Durch saubere Luft und durch vermehrte Bewegung kann die Häufigkeit nicht-übertragbarer Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Diabetes und chronischer Atemwegserkrankungen erheblich verringert werden. Es ist dringend notwendig, wirkungsvolle Anpassungsstrategien weiter zu erforschen und die potenziellen gesundheitlichen Vorteile, sogenannte Co-Benefits, die mit Klimaschutzmaßnahmen einhergehen, besser zu untersuchen. Durch ihre besondere Verantwortung für den Gesundheitsschutz ergibt sich daher ein Handlungsbedarf für Ärztinnen und Ärzte in Bezug auf die aktive Mitwirkung und Vermittlung von nachhaltigen Maßnahmen. Die zahlreichen direkten und indirekten gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels verlangen zudem nach der Entwicklung eines umfassenden und sektorenübergreifenden Konzepts. Darin sollten Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung auf breiter gesellschaftlicher Ebene als auch auf der Verhaltensebene jedes Einzelnen integriert werden.