Die Nutzung von Apps als Kommunikationsmedium gewinnt eine immer größere Bedeutung in der heutigen Zeit. Insbesondere in der Corona-Pandemie kamen verschiedene Apps auf den Markt, die immer noch im Einsatz sind – sei es zur Kontaktnachverfolgung, zur Information über die Begegnung mit Infizierten oder zum Nachweis des persönlichen Impfstatus. Eine moderne, sichere, universelle und datenschutzkonforme App als Basis ist daher eine Notwendigkeit. Gerade im Hinblick auf die Verwertung personenbezogener Daten für die medizinische Forschung nach Einwilligung der Nutzer:innen ist dies essentiell.
Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten NUM-Teilprojekts COMPASS („Coordination On Mobile Pandemic Apps Best Practice And Solution Sharing“) haben Forschende von neun deutschen Universitätskliniken unter Federführung von Priv.-Doz. Dr. Christian Elsner, Kaufmännischer Vorstand der Universitätsmedizin Mainz, und Prof. Dr. Dagmar Krefting, Direktorin des Instituts für Medizinische Informatik der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), eine webbasierte und freiverfügbare Technologie-Plattform (NUM-COMPASS) für die Entwicklung von Pandemie-Apps entwickelt. Die Plattform erlaubt es nun, Gesundheitsdaten für die medizinische Forschung standardisiert zu erfassen und nachhaltig zu nutzen. NUM-COMPASS ist bereits in der Gutenberg-Gesundheitsstudie, eine der größten lokalen Gesundheitsstudien der Welt, im Einsatz. Das technisch-organisatorische Konzept der Plattform wird im Anschlussprojekt CODEX+ seit Jahresbeginn 2022 weiterentwickelt.
NUM-Teilprojekt COMPASS: Ergebnisse
Das NUM-Teilprojekt COMPASS hatte das Ziel, eine zentrale Lösung zu entwickeln, um eine einheitliche Basis für die Entwicklung von Gesundheits-Apps zu schaffen und verwertbare Daten für die Forschung zu generieren. Wissenschaftler:innen der Universitätskliniken Mainz, Berlin, Erlangen, Göttingen, Köln, Münster, Regensburg, Ulm und Würzburg haben gemeinsam zwölf Monate daran gearbeitet, um eine Technologie-Plattform (NUM-COMPASS) zu schaffen, die diese Anforderungen für eine nachhaltige Datenverwertung erfüllt. Neben einer webbasierten Lösung wurden die technischen Voraussetzungen für die Entwicklung von Apps für Android und iOS geschaffen.
„Dies ist die erste Pandemie, in der wir mitten in der digitalen Transformation sind und in der wir auch den Nutzen von Digitalisierung sehen können. Bei der App-Entwicklung war es uns besonders wichtig, auch Aspekte mit einzubeziehen, die neben der rein technischen Entwicklung von Bedeutung sind. Hierzu gehören beispielsweise ethische Fragen, aber auch Nachhaltigkeit. Denn die tollsten Funktionen in einer App nützen uns nichts, wenn diejenigen, die sie nutzen sollen, diese nicht nutzen wollen oder nicht nutzen können“, sagt Prof. Krefting.
„NUM-COMPASS bildet das „App-Rückgrat“ des Netzwerks Universitätsmedizin“, sagt Priv.-Doz. Dr. Christian Elsner. „Die neue App-Plattform NUM-COMPASS konzentriert sich auf die Anbindung von Apps, die unabhängig von einem konkreten Behandlungszusammenhang oder einer klinischen Studie genutzt, aber mit solchen Daten verknüpft werden können. Die App-Plattform liefert somit die Grundlage, um weitere forschungsrelevante Datenquellen zu erschließen und in die NUM-Datenplattform zu integrieren“, so Elsner.
Mit in den Entwicklungsprozess einbezogen waren industrielle Partner mit Expertise in beispielsweise der App-Programmierung oder der Bereitstellung forschungskompatibler Daten. Weitere wertvolle Erfahrungswerte steuerte unter anderem das Robert-Koch-Institut bei, unter dessen Leitung die Corona Warn-App entstand. Erfahrungen zur Akzeptanz von Apps in der Bevölkerung, Vorlagen für Aufklärungs- und Infotexte konnten so für die COMPASS-Entwicklung sowie für die Beratung bei Anfragen der NUM-Netzwerkpartner:innen genutzt werden. Zudem war das Institut für Ethik und Geschichte der Medizin der UMG für eine Bevölkerungsstudie zur Akzeptanz von Pandemie-Apps unter Leitung von Prof. Dr. Silke Schicktanz involviert. Ein reger Informationsaustausch mit anderen NUM-Projekten trug zum Projekterfolg bei.
Hintergrundinformation
Die Nutzung von Gesundheitsdaten für die Forschung ist ein wichtiges Hilfsmittel, um strategische Entscheidungen und Maßnahmen im Falle akuter Krisensituationen wie der Corona-Pandemie zum Wohle der Bevölkerung treffen zu können. Im Laufe der Pandemie wurden verschiedene Apps etabliert, im Alltag eingesetzt und mit personenbezogenen Daten gespeist. Bisher gab es aber bei der Entwicklung keine einheitlichen Standards, um für die Forschung qualitativ hochwertige und verwertbare Daten zu generieren. Zusätzlich erschweren datenschutzrechtliche Hürden eine rechtskonforme Nutzung der Daten für Forschungszwecke.
Netzwerk Universitätsmedizin (NUM)
Patient:innen optimal versorgen, Infektionen verhindern und Gesundheitsversorgung ausbauen – dazu möchte das im Frühjahr 2020 gegründete Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) beitragen. Es bündelt aktuell Forschungsaktivitäten zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie und eröffnet neue Handlungsstrategien. Gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und koordiniert durch die Charité – Universitätsmedizin Berlin, arbeitet das Forschungsnetzwerk unter Beteiligung der 36 deutschen Standorte der Universitätsmedizin und weiterer Partner an Lösungen für eine bestmögliche Krankenversorgung und Pandemievorsorge. Ein Akzent liegt auf der klinik- und versorgungsnahen Forschung, deren Ergebnisse direkt Patient:innen zugutekommen, in das Krisenmanagement einfließen und zum Aufbau einer nachhaltigen, nationalen Forschungsinfrastruktur beitragen. Zur Umsetzung dieser Aufgabe werden dem NUM und den beteiligten Einrichtungen bis Ende 2024 bis zu 390 Millionen Euro für bundesweite Kooperationsprojekte zur Verfügung gestellt. Mittelfristig ist das Ziel, die innerhalb des Netzwerks geschaffenen Strukturen und Konzepte auch für die Erforschung anderer Krankheitsbilder und somit die Förderung kooperativer Forschung auch über COVID-19 hinaus in der Universitätsmedizin zu nutzen.