07_Mutterschutz

Schwangere Ärztinnen unter Druck

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Die Initiatoren wollten wissen, ob und wie sich die Novellierung des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) auf die Beschäftigungssituation von schwangeren Ärztinnen und Medizinstudentinnen ausgewirkt hat bzw. auswirkt.

Aufgerufen zur Teilnahme waren alle angestellten Ärztinnen und Medizinstudentinnen, die in der Zeit seit 1. Januar 2016 schwanger waren. Vergleichsgrundlage waren vier Abfragezeiträume:

  • 2016–2017: altes MuSchG
  • 2018–2019: neues MuSchG
  • 2020–2021: Corona-Pandemie
  • seit 2022

Die Online-Befragung erfolgte in der Zeit vom 18. November 2022 bis zum 18. Dezember 2022. Insgesamt nahmen 4.748 Ärztinnen und Medizinstudentinnen aus allen Bundesländern an der Umfrage teil, die mit den zahlreichen Freitextantworten ein Ergebnis im Umfang von fast 500 Seiten erreicht.

Die Verteilung der Teilnehmerinnen über die vier Abfragezeiträume ist ausgewogen, sodass Vergleiche in der Auswertung möglich sind.

Die meisten Teilnehmerinnen (66 Prozent) befanden sich während der Schwangerschaft in der Weiterbildung. Ein Fünftel waren in dieser Zeit Fachärztinnen und 9 Prozent Oberärztinnen.

Am häufigsten in der Befragung vertreten sind folgende Facharztgruppen:

  • Innere Medizin
  • Anästhesie
  • Orthopädie/Unfallchirurgie
  • Viszeralchirurgie
  • Frauenheilkunde/Geburtshilfe
  • Neonatologie
  • Kinder- und Jugendmedizin
  • Neurologie
  • Psychiatrie und Psychotherapie
  • Radiologie
  • Urologie

Zusammengefasst nach Gebieten:

  • Innere Medizin = 21 Prozent
  • Chirurgie = 14 Prozent
  • Frauen- und Geburtshilfe = 10 Prozent
  • Allgemeinmedizin = 5 Prozent

Bekanntgabe der Schwangerschaft trotz Bedenken

Die meisten Teilnehmerinnen informierten ihren Arbeitgeber im zweiten und dritten Monat der Schwangerschaft (jeweils ein Drittel der Antworten). Allerdings gibt es auch eine beachtliche Zahl von Befragten (im Mittel 26 Prozent), die ihre Schwangerschaft relativ spät, das heißt im 4. oder 5. Monat, bekanntgaben. Nur 1 Prozent der Teilnehmerinnen teilten mit, die Schwangerschaft gar nicht gemeldet zu haben.

Zu den abgefragten Gründen für den Zeitpunkt der Schwangerschaftsmeldung

Die meisten Teilnehmerinnen nennen als Grund für den Zeitpunkt der Schwangerschaftsmitteilung die Gewissheit über eine stabile Schwangerschaft, Schwangerschaftsbeschwerden oder die Anwendung der Mutterschutzregeln. Nur wenige Teilnehmerinnen (5 Prozent) nennen ein ärztliches Beschäftigungsverbot als Grund.

Auffallend ist der Teil der Schwangeren, die als Grund für ihre Schwangerschaftsmeldung die hohe alltägliche Arbeitsbelastung angegeben haben. Im Zeitraum 2016/2017 waren dies 15 Prozent und jeweils 22 Prozent in den Zeiträumen 2018/2019 sowie 2020/2021. Im Zeitraum ab 2022 liegt der Wert sogar bei 29 Prozent der Befragten, die als Grund die hohe alltägliche Arbeitsbelastung angeben.

Im Mittel hatte die Hälfte der Teilnehmerinnen Bedenken, ihre Schwangerschaft zu melden.

Auf Nachfrage teilten die Befragten in Freitext-Kommentaren mit, welche Bedenken sie im Einzelnen hatten. Diese Stichworte wurden am häufigsten genannt:

  • Einschränkung der Weiterbildung
  • OP-Verbot
  • Tätigkeitsverbot
  • Negative Reaktion des Chefs(in) befürchtet
  • Unverständnis der Kollegen/Kolleginnen erwartet
  • Personalnot
  • Arbeitsplatz gerade gewechselt/Probezeit
  • Angst vor Fehlgeburt/Abwarten einer stabilen Schwangerschaft

Mutterschutzrechtliche Gefährdungsbeurteilung bei zwei Dritteln der Schwangeren

Bei durchschnittlich 61 Prozent der Teilnehmerinnen wurden allgemeine Gefährdungsbeurteilungen vorgenommen (in allen vier Abfragezeiträumen).

Bei einem Fünftel (20 %) war eine Gefährdungsbeurteilung nicht bekannt und bei einem weiteren Fünftel (19 %) lag keine vor.

Individuelle Gefährdungsbeurteilungen lagen bei zwei Dritteln der Teilnehmenden vor, bei einem Drittel nicht.

Betriebliche Beschäftigungsverbote und Einschränkung der Tätigkeit

In der Zeit der Corona-Pandemie zwischen 2020 und 2022 kam es zu den meisten Beschäftigungsverboten. Knapp die Hälfte der Teilnehmerinnen weist auf ein betriebliches Beschäftigungsverbot hin, bei über 30 Prozent kam es zu Einschränkungen ihrer Tätigkeit.

In den beiden Zeiträumen vor Corona gaben sowohl nach dem alten als auch nach dem neuen Mutterschutzgesetz 11 Prozent der Teilnehmerinnen an, dass sich aus der Gefährdungsbeurteilung ein betriebliches Beschäftigungsverbot abgeleitet hat. Bei 56 bzw. 57 Prozent ergaben sich Einschränkungen ihrer Tätigkeit.

Im Zeitraum 2020/2021 waren es 10 Prozent und ab 2022 nur noch 8 Prozent der Befragten, deren ärztliche Tätigkeit eingeschränkt war. Auffallend ist, dass in den beiden Abfragezeiträumen vor Corona 17 Prozent keine Veränderung ihrer Tätigkeit angegeben haben.

Gründe für betriebliche Beschäftigungsverbote

Bei der Frage nach den Gründen für betriebliche Beschäftigungsverbote wurden in den beiden Abfragezeiträumen vor Corona ausschließlich tätigkeitsbezogene Gründe angegeben. Im Zeitraum 2020/2021 nannten 62 Prozent coronabedingte Beschäftigungsverbote, 5 Prozent ausschließlich tätigkeitsbedingte und 33 Prozent sowohl corona- als auch tätigkeitsbedingte Beschäftigungsverbote.

Im Zeitraum ab 2022 nannten 48 Prozent coronabedingte Beschäftigungsverbote, 7 Prozent ausschließlich tätigkeitsbedingte und 46 Prozent sowohl corona- als auch tätigkeitsbedingte Beschäftigungsverbote.

In einer Freitextantwort konnten die Befragten Einschränkung explizit benennen. Hier die häufigsten Antworten:

  • keine OPs/mit Röntgen
  • keine Dienste (Nachtdienste etc.)
  • keine Notaufnahme
  • Nichtbehandlung von infektiösen Patienten
  • keine Blutentnahme/Katheter legen
  • Home-Office
  • keine invasiven Maßnahmen
  • Briefe schreiben/Schreibarbeit/Büroarbeit
  • Patientenferne Tätigkeiten

Operative Eingriffe

Die meisten Einschränkungen gab es bei Operationen. Vor Corona durften im Mittel 60 Prozent gar nicht und ein Viertel nur reduziert operieren.

Mehr als drei Viertel der Teilnehmerinnen durften in der Corona-Pandemie keine Operationen durchführen und 13 Prozent nur reduziert.

Fachgebietsbezogene Unterschiede bei Beschäftigungsverboten und Einschränkungen der Tätigkeit:

In den untersuchten Gebieten Innere Medizin und Chirurgie gab es ein ausgeprägtes Verbot von OPs bzw. Eingriffen, wobei das Gebiet der Inneren Medizin noch stärker betroffen ist. In der Pandemie durften in der Chirurgie über 70 Prozent und in der Inneren Medizin über 80 Prozent der Befragten keine Eingriffe durchführen.

Als Maßnahmen, um die Weiterarbeit im Tätigkeitsfeld weiterhin zu ermöglichen, wurden am häufigsten genannt:

  • Narkosen ohne Gas / TIVA-Narkosen
  • Keine OP mit Röntgen
  • Nur geplante/ausgewählte OPs
  • Einsatz auf Station/Stationsarbeit
  • Administrative Tätigkeiten

Auswirkungen auf den Erwerb von Weiterbildungsinhalten

Zeiträume 2016–2019:

57 Prozent der Teilnehmerinnen konnten Weiterbildungsinhalte für die Qualifikation zur Fachärztin erwerben; bei 23 Prozent bzw. 27 Prozent waren es weniger als vor der Schwangerschaft. 16 Prozent bzw. 20 Prozent gaben an, dass sie keine Weiterbildungsinhalte aufgrund von Einschränkung, Umgestaltung oder anderer Tätigkeit erwerben konnten.

Corona-Zeiträume 2020–2022:

Nur 31 bzw. 32 Prozent konnten in der Corona-Pandemie ab 2020 Weiterbildungsinhalte erwerben. 47 Prozent bzw. 44 Prozent gaben an, keine WB-Inhalte aufgrund von Einschränkung, Umgestaltung oder anderer Tätigkeit erwerben zu können. Bei etwa einem Fünftel waren es weniger als vor der Schwangerschaft. Das Ergebnis macht deutlich, dass vor allem in den Zeiten der Pandemie viele schwangere Ärztinnen beim Erwerb von Nachweisen für ihre Weiterbildung zurückgeworfen wurden.

Auswirkungen auf die Karriereentwicklung

Mehr als 50 Prozent der Befragten gaben für die Zeiträume 2016/2017 und 2018/2019 an, durch Schwangerschaft und Tätigkeitseinschränkungen in ihrer weiteren ärztlichen Karriere behindert worden zu sein. In der Corona-Pandemie stieg der Anteil derer, die sich in ihrer Karriere zurückgeworfen sehen, sogar auf zwei Drittel (66 Prozent).

Aus den exemplarischen Freitext-Kommentaren in den Befragungszeiträumen 2018/2019 und 2022 ergibt sich eine Art Rangfolge der häufigsten Antworten:

  • Schwangerschaft weniger das Problem, Wiedereinstieg mit Kind größere Herausforderung
  • Dauer der Weiterbildung/später Fachärztin
  • Keine Karriereaussichten (Frauen werden nicht mehr gefördert; Oberarztstelle anderweitig vergeben)
  • Teilzeit nach Elternzeit schränkt Karriere ein / Teilzeitfalle
  • Verlust von praktischen Fähigkeiten
  • Nicht mehr als gleichwertige Kraft empfunden
  • Nicht mehr flexibel einsetzbar / kaum Operationen
  • Keine Förderung mehr

Für den Zeitraum ab 2022 stand die zeitliche und inhaltliche Verzögerung der Weiterbildung zur Fachärztin im Ranking an erster Stelle.

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