03_Cannabis

Toxikologische Analytik von Cannabis – Probenmatrices, Analystentechniken und Interpretation der Ergebnisse

Einleitung

Der Konsum von Cannabisprodukten wie Haschisch oder Marihuana als Rausch- oder Freizeitdroge ist in Deutschland besonders unter jüngeren Menschen weit verbreitet. So wird die Zwölfmonatsprävalenz des Cannabiskonsums in den Jahren 2018/2019 im Jahresbericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung 2021 für die Altersgruppe der Zwölf- bis 17-Jährigen mit 8,1 Prozent, in der Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen mit 24,1 Prozent angegeben. Darüber hinaus wird Cannabis in Form von medizinischen Cannabisblüten, Fertigarzneimitteln (z. B. Sativex®) oder dem reinen Wirkstoff Dronabinol auch medizinisch zur Behandlung diverser Krankheitsbilder eingesetzt, die von Spastiken über durch Zytostatika induzierte Übelkeit und Erbrechen bis hin zu chronischen Schmerzen reichen.

Aufgrund seines Missbrauchs-/Abhängigkeitspotenzials und seiner berauschenden Wirkung ergeben sich in der täglichen Routine Fragestellungen bezüglich akuter Wirkung von Cannabis im Sinne akuter Beeinträchtigungen z. B. auf die Fahrsicherheit oder bezüglich der Konsumgewohnheiten oder einer Cannabisabstinenz. Hierbei kommen analytische Methoden zum Einsatz, um eine Cannabisaufnahme zu objektivieren und/oder um diese zeitlich einzuordnen oder Aussagen bezüglich einer möglichen Beeinträchtigung treffen zu können.

Welche Analyten sind für die toxikologische Cannabisanalytik relevant?

Cannabispflanzen der Arten Cannabis sativa L. und Cannabis indica LAM. enthalten mehr als 60 natürliche Cannabinoide. Von diesen ist vor allem das (-)-∆9trans-Tetrahydrocannabinol (THC) für die psychoaktiven Wirkungen von missbräuchlich verwendeten Cannabisprodukten wie Haschisch oder Marihuana, aber auch medizinisch verwendeten Cannabisblüten verantwortlich. THC liegt in der Pflanze weit überwiegend in Form der pharmakologischen inaktiven Vorläufersubstanz ∆9-Tetrahydrocannabinolsäure A (THC-Säure A) vor. Erst während der bei allen gängigen Konsum- bzw. Anwendungsformen von Cannabis vorgeschalteten oder immanenten Erhitzungsprozessen (Rauchen, Vaporisieren, Backen oder Teekochen) wird aus THC-Säure A der eigentliche Wirkstoff THC durch Decarboxylierung freigesetzt.

Nach Aufnahme wird THC im Körper vor allem zu seinem pharmakologisch noch aktiven Metaboliten 11-Hydroxy-THC hydroxyliert, welches sodann metabolisch weiter zum pharmakologisch nicht mehr aktiven Metaboliten 11-Nor-9-carboxy-∆9-Tetrahydrocannabinol (THC-Carbonsäure) oxidiert wird. Letzterer wird wiederum größtenteils mit Glucuronsäure konjugiert und als THC-Carbonsäure-Glucuronid im Urin ausgeschieden. THC und 11-Hydroxy-THC können auch direkt mit Glucuronsäure konjugiert werden. Je nach Fragestellung und untersuchter Probenmatrix können THC und/oder die vorgenannten Stoffwechselprodukte die Zielanalyten für die Untersuchung darstellen und von interpretatorischer Relevanz sein.

Unter Umständen kann auch die Untersuchung auf das ebenfalls pharmakologisch wirksame, aber nicht psychoaktive pflanzliche Cannabinoid Cannabidiol (CBD) von Interesse sein. Es ist je nach Sorte in mehr oder weniger hoher Konzentration in Cannabispflanzen enthalten. Darüber hinaus ist eine Vielzahl von CBD-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln und Lifestyleprodukten im Handel verfügbar, die auch geringe Mengen an THC enthalten können (≤ 3 %).

Darüber hinaus sind in den letzten Jahren Produkte auf dem Drogenmarkt aufgetaucht, die statt (∆9-)THC dessen Stellungsisomer ∆8-THC oder Hexahydrocannabinol (HHC) enthalten, bei dem die Doppelbindung des THCs hydriert ist. Sowohl ∆8-THC als auch HHC kommen in geringen Mengen bzw. Spuren auch natürlich in Cannabisprodukten vor, werden aber für die Verwendung als Rauschmittel vor allem halb synthetisch aus CBD hergestellt. Ihre Wirksamkeit wird im Vergleich zu (∆9-)THC als geringer oder allenfalls gleich stark angegeben. Im Gegensatz zu D8-THC ist HHC in Deutschland nicht als Betäubungsmittel eingestuft.

Welche Probenmaterialien sind für die toxikologische Cannabisanalytik geeignet?

Neben den klassischen Analysenmatrices Blut bzw. Blutserum/-plasma und Urin werden je nach Fragestellung auch die sogenannten alternativen Matrices „Speichel“ (genauer Mundflüssigkeit, engl. „oral fluid“), Haare und Mekonium für die Untersuchung auf Cannabinoide herangezogen.

Blut bzw. daraus gewonnenes Plasma oder Serum stellen die Probenmatrix der Wahl dar, wenn Aussagen bezüglich einer möglichen akuten Cannabiswirkung bzw. -beeinträchtigung, des Zeitpunkts der letzten Cannabisaufnahme und/oder des allgemeinen Aufnahme-/Konsumverhaltens getroffen werden sollen. Bei Verdacht auf eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a StVG (Fahren unter dem Einfluss berauschender Mittel) oder Straftaten gemäß § 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr) oder § 315c StGB (Gefährdung des Straßenverkehrs) werden standardmäßig Blutplasma- oder -serumproben für die Untersuchung verwendet. Zielanalyten im Blut bzw. Plasma/Serum sind vor allem THC und seine Metaboliten 11-Hydroxy-THC und THC-Carbonsäure.

Urin wird vor allem für Cannabisabstinenzkontrollen im klinischen oder arbeitsmedizinischen Bereich sowie in der Fahreignungsdiagnostik verwendet. Im letzteren Fall wird gefordert, dass die Probennahme unter Sicht erfolgt, um Probenmanipulationen auszuschließen. Zudem wird in der Regel die Kreatininkonzentration in der Urinprobe mitbestimmt, um eine eventuelle Verdünnung des Urins durch übermäßige Flüssigkeitsaufnahme oder nachträgliche Wasserzugabe zu der Probe zu erfassen. Weitere Parameter zur Überprüfung der Validität von Urinproben sind die Bestimmung des pH-Wertes und die Messung der Urintemperatur unmittelbar nach der Probenabgabe sowie Verfälschungstests, z. B. in Form von Teststreifen auf Oxidantien oder Nitrite. Die Abgabe von sogenanntem „synthetischem Urin“ statt einer echten Urinprobe kann ggf. durch eine chromatographisch-massenspektrometrische Untersuchungen auf endogene Stoffe wie z. B. Carnithine erfolgen. Die Cannabisanalytik im Urin ist in der Regel auf durch entsprechende Probenvorbereitungsschritte aus ihren Glucuroniden freigesetzte THC-Carbonsäure ausgerichtet (siehe unten). Unter bestimmten Umständen können auch THC und 11-Hydroxy-THC (nach Freisetzung aus ihren Glucuroniden) im Urin nachgewiesen werden.

Speichelproben haben insbesondere für Drogenvortests durch die Polizei, jedoch auch im klinischen Bereich erhebliche Bedeutung. Dies ist nicht nur der nicht invasiven, einfach zu überwachenden und somit eine Manipulation praktisch ausschließenden Probennahme geschuldet, sondern auch dem Umstand, dass die Nachweisfenster vieler Drogen eine relativ gute Übereinstimmung mit dem Vorliegen relevanter Konzentrationen der entsprechenden Substanzen im Blut zeigen. Für Cannabinoide sind positive Vortestergebnisse im Speichel typischerweise auf noch aus dem letzten Anwendungs-/Konsumvorgang (Inhalation, Rauchen, perorale Aufnahme) in der Mundhöhle befindlichen Cannabinoide, speziell THC zurückzuführen. Ein Übertritt von THC und/oder seinen Metaboliten von der Blutseite in den Speichel findet hingegen aufgrund der hohen Plasmaproteinbindung dieser Substanzen nur in sehr geringem Maße statt und spielt für den Nachweis allenfalls eine geringe Rolle. Die Probennahme von Speichel kann zwar prinzipiell durch Herauslaufenlassen aus der Mundhöhle oder durch Spucken erfolgen. In der Regel werden hierfür jedoch spezielle Probennahmesysteme verwendet, die u. a. ein saugfähiges Material und ggf. zusätzliche Puffer zur Konservierung/Stabilisierung der Probe bei der Lagerung enthalten. Einige dieser Systeme enthalten zudem einen Farbindikator, der die Entnahme eines ausreichenden Probenvolumens anzeigt. Letzteres ist allerdings nur von Relevanz, wenn auch eine eventuelle Bestätigungsanalyse (siehe unten) in der entnommenen Speichelprobe erfolgen soll, was auf den klinischen und arbeitsmedizinischen Bereich beschränkt ist. Seitens der Polizei werden für Drogenvortests im Speichel Testsysteme verwendet, in denen die Probennahme und immunchemische Tests integriert ablaufen. Bei positivem Testergebnis werden dann Blutproben für die Bestätigungsanalyse entnommen.

Haarproben können zur Abstinenzkontrolle oder einer Beurteilung des Aufnahme-/Konsumverhaltens über längere Zeiträume herangezogen werden. Dabei hängt der überprüfte Zeitraum von der Länge der untersuchten Haare ab. In der Regel kann bei Kopfhaaren unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Haarwachstumsrate (1 cm/Monat) von einem Monat pro Zentimeter Haarlänge ausgegangen werden. Die tatsächlich abgedeckten Zeiträume können jedoch zwischen 0,7 und 1,4 Monaten pro Zentimeter Haarlänge betragen. Darüber hinaus können bei positiven Befunden aufgrund nicht mehr im Wachstum befindlicher katagener und telogener Haare ggf. auch noch weiter zurückliegende und auch aus der Haarlänge abgeschätzte Zeiträume miterfasst werden. Bei Untersuchungen im Rahmen der Fahreignungsdiagnostik ist die maximal zu untersuchende Länge einer kopfhautnah entnommenen Haarprobe auf sechs Zentimeter – gemessenen von der kopfhautnahen Seite – begrenzt, um eventuelle „Verdünnungseffekte“ durch negative Teile der Haarprobe sowie Auswascheffekte zu vermeiden. Körperhaare können ebenfalls für eine Untersuchung herangezogen werden. Dabei sind jedoch deren spezielle Wachstumszyklen zu beachten. Zielanalyten für die Cannabinoid-Analytik in Haaren sind THC und ggf. dessen Metaboliten 11-Hydroxy-THC und THC-Carbonsäure (siehe unten).

Eine in utero Exposition Ungeborener infolge eines Cannabiskonsum der werdenden Mutter kann post partum durch Analyse des Mekoniums erfolgen. Letzteres wird im 3. Trimester gebildet und erlaubt bei reifgeborenen Kindern insofern eine retrospektive Beurteilung über diesen Zeitraum. Die Cannabisanalytik im Mekonium ist üblicherweise auf THC-Carbonsäure und ggf. zusätzlich 11-Hydroxy-THC ausgerichtet.

Welche Analysentechniken sind für die toxikologische Cannabisanalytik geeignet?

In der toxikologischen Cannabisanalytik wird – mit Ausnahme von Haaranalysen und Mekoniumanalysen – in der Regel eine zweistufige Teststrategie verfolgt. In der ersten Stufe wird mittels immunchemischer Methoden auf Cannabinoide (und ggf. weitere Substanzgruppen) getestet. Dabei handelt es sich um sogenannte hinweisgebende Verfahren, deren Ergebnisse nicht beweissicher und daher bis zur Bestätigung als vorläufig anzusehen sind. Sie werden gemeinhin auch als Drogenvortests oder Drogenschnelltests bezeichnet.

Im Falle eines positiven Ergebnisses in der ersten Stufe schließt sich eine sogenannte Bestätigungsanalyse mit einem identifizierenden Verfahren an, das eine eindeutige und beweissicher Substanzidentifizierung erlaubt. In der Regel kommen hierbei chromatographisch-massenspektrometrische Kopplungstechniken wie Gaschromatographie-Massenspektrometrie (GC-MS) oder Flüssigkeitschromatographie-Tandemmassenpektrometrie (LC-MS/MS) zum Einsatz.

Immunchemische Tests

Für die Vortestung auf Cannabinoide sind zahlreiche unterschiedliche immunchemische Testverfahren verfügbar, die sämtlich auf Antigen-Antikörper-Reaktionen beruhen. Sie unterscheiden sich allerdings in der Zielstruktur. So sind die Testkörper immunchemischer Tests für die Vortestung von Urin und Blut bzw. Plasma oder Serum gegen die THC-Carbonsäure gerichtet, die in diesen Matrices in der Regel in der höchsten Konzentration vorliegt und/oder am längsten nachweisbar ist. In Speicheltests auf Cannabinoide werden hingegen Testantikörper gegen THC verwendet, da THC-Carbonsäure – wenn überhaupt – nur in sehr geringen Konzentrationen im Speichel zu erwarten ist.

Je nach Testprinzip ist die Antigen-Antikörper-Reaktion mit unterschiedlichen Signalsystemen gekoppelt, die ein Signal generieren, das letztendlich für die positiv-negativ Entscheidung herangezogen wird. Dies kann ein einfaches binäres Signal wie die Ausbildung einer Linie in einem Detektionsfeld bei sogenannten Point-of-care-Tests (POCT, „Drogenschnelltest“) sein oder eine kontinuierliche Messgröße wie eine Lichtabsorption bei instrumentellen immunchemischen Tests (siehe unten). Letztere wird über einen Schwellenwert wiederum in ein binäres Ergebnis (positiv oder negativ) umgesetzt. Die mit dem Schwellenwert korrespondierende Konzentration der Kalibratorsubstanz (THC oder THC-Carbonsäure) stellt dabei den sogenannten Cut-off-Wert dar, oberhalb dessen das Ergebnis als positiv, unterhalb als negativ gewertet wird. Die Cut-off-Werte hängen von der angestrebten Testsensitivität und -spezifität und der Analysenmatrix ab.

Unabhängig vom konkreten Testprinzip kann es bei allen immunchemischen Tests auf Cannabinoide sowohl zu falsch positiven als auch zu falsch negativen Ergebnissen kommen. Bei falsch positiven Ergebnissen zeigt der Test ein positives Ergebnis an, obwohl die entsprechenden Zielanalyten (THC oder THC-Carbonsäure) nicht in der untersuchten Probe vorhanden sind. Sie beruhen in der Regel auf einer Kreuzreaktion mit Substanzen, die aufgrund ihrer strukturellen Eigenschaften mit dem Testantikörper reagieren können, obwohl sie nicht zur Zielgruppe des Tests gehören und die Kreuzreaktionen sich alleine aus der chemischen Struktur nicht ohne weiteres erklären. So sind für einige immunchemische Cannabinoid-Tests falsch positive Testergebnisse aufgrund von Kreuzreaktion mit dem nicht nukleosidischen Revers-Transkriptase-Hemmers Nevirapin oder mit Wirkstoffen aus den Gruppen der Protonenpumpenhemmer oder der nichtsteroidalen Antirheumatika beschrieben. Aufgrund der Möglichkeit solch falsch positiver Ergebnisse ist es wichtig, positive Testergebnisse auf Cannabinoide mit einem identifizierenden Verfahren zu bestätigen, wenn das Ergebnis seitens der Patienten angezweifelt oder Therapieentscheidungen (z. B. vorzeitige Beendigung einer Entzugsbehandlung) davon abhängig gemacht werden. Positive Vortestergebnisse auf Cannabinoide bei Fragestellungen, in denen ein beweissicheres Ergebnis benötigt wird, wie bei Verdacht auf eine der o. g. Verkehrsordnungswidrigkeiten/-straftaten bedürfen stets der Bestätigung.

Falsch negative Ergebnisse können ihre Ursache in der Zusammensetzung der Probe haben, z. B. wenn in stark konzentrierten Urinproben durch unspezifische Bindung an Matrixbestandteile die Reaktion der Testantikörper mit den Wirkstoffmolekülen gestört ist. Auch ein Zusatz von Tensiden, Oxidanzien oder Säuren/Laugen können die Antigen-Antikörper-Reaktion stören oder den Analyten in der Probe zerstören.

Immunchemische POCT

Solche Tests werden häufig als sogenannte Drogenschnelltests bezeichnet. Es handelt sich dabei um Teststreifen oder Testkassetten, die Testfelder für eine einzelne Droge oder mehrere Drogen/Drogengruppen enthalten. Sie arbeiten in der Regel nach dem immunchromatographischen Prinzip, bei dem die Probe nach Aufbringen auf den Test über Kapillarkräfte zum Detektionsfeld transportiert wird, wo das Ergebnis (Bildung oder Ausbleiben einer Linie) abgelesen werden kann. Zu beachten ist dabei, dass je nach dem konkreten Testprinzip die Bildung einer Linie in manchen POCT ein positives in anderen hingegen ein negatives Ergebnis anzeigt. Es ist daher zwingend erforderlich, dass die Anwender sich bei einer Neuanschaffung oder einem Produktwechsel mit den Testspezifikationen vertraut machen.

POCT für die Testung auf Cannabinoide (und in der Regel weitere Drogengruppen) werden für Urin- und Speichelproben, nicht jedoch für die Testung von Blut angeboten. Ein Vorteil der POCT ist ihre relativ einfache Handhabung, die keine besonderen analytischen Kenntnisse voraussetzt und eine Anwendung durch Polizeibeamte sowie medizinisches oder Pflegepersonal z. B. in der Notaufnahme oder in der Psychiatrie erlaubt. Ein Probentransport ins Labor kann mithin entfallen, sodass innerhalb von einigen Minuten ein Testergebnis vorliegt. Nachteile der POCT sind, dass die Cut-off-Konzentrationen vom Anwender nicht beeinflusst werden können, was indes bei der Testung auf Cannabinoide von untergeordneter Relevanz erscheint. Auch lässt die Testreaktion keine zuverlässigen Rückschlüsse darüber zu, wie weit die Schwellenkonzentration überschritten wurde. Schließlich kann es bei POCT Ergebnissen zu Fehlinterpretationen kommen, da diese in der Regel nicht von qualifiziertem Laborpersonal durchgeführt werden und die Anwender auf der Station mit den Limitationen der Tests häufig nicht vertraut sind.

Instrumentelle immunchemische Tests

Instrumentelle immunchemische Tests werden für die Untersuchung von Blutplasma/-serum, Urin und Speichel angeboten. Sie werden in der Regel mithilfe von Analysenautomaten durchgeführt, die die einzelnen Analysenschritte von der Probennahme bis zur Detektion vollautomatisch durchführen können und zumindest für Urinproben zum Routineprogramm größerer Kliniklaboratorien und forensisch-toxikologischer Laboratorien gehören. Letztere haben in der Regel auch apparative immunchemische Tests für die Untersuchung von Blut bzw. Serum- oder Plasmaproben auf Cannabinoide etabliert.

Wie bereits oben erwähnt, werden bei diesen instrumentellen immunchemischen Tests kontinuierliche Ergebnisse generiert, die anhand einer Kalibration quantitativ ausgewertet werden können. Zusätzlich zu der positiv-negativ-Entscheidung anhand des Cut-off-Wertes, erhält der Anwender damit zusätzliche Informationen, ob die untersuchte Probe eher hohe oder eher niedrige Analytenkonzentrationen enthält. Jedoch darf diese Abschätzung nicht mit einer definitiven Konzentrationsbestimmung eines konkreten Wirkstoffs verwechselt werden, da auch bei den instrumentellen immunchemischen Methoden keine Aussage möglich ist, durch welche Substanz(en) und/oder Metaboliten das Messergebnis verursacht wurde. So sind die Vortestergebnisse für Cannabinoide im Urin in der Regel deutlich höher als die in entsprechenden Bestätigungsanalysen bestimmten Konzentrationen für den Zielanalyten THC-Carbonsäure, da Urinproben nach Aufnahme von Cannabisprodukten zahlreiche weitere Cannabiswirkstoffe und deren Metaboliten enthalten können, die mit den Testantikörpern kreuzreagieren. Nichtsdestotrotz weisen die Ergebnisse instrumenteller immunchemischer Tests eine höhere Aussagekraft auf als die entsprechender POCT. Zudem lassen die instrumentellen immunchemischen Tests über die Anpassung von Proben- und Reagenzienvolumina eine gewisse Flexibilität bei der Einstellung der Schwellenkonzentrationen zu. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Ergebnisse solcher Tests von qualifiziertem Laborpersonal durchgeführt, ausgewertet und beurteilt werden, die mit den Testspezifikationen sowie mit den Limitationen der Ergebnisse wie falsch positiven oder falsch negativen Ergebnissen vertraut sind.

Chromatographisch-massenspektrometrische Kopplungstechniken

Chromatographisch-massenspektrometrische Kopplungstechniken wie Gaschromatographie-Massenspektrometrie (GC-MS) oder Flüssigchromatographie-(Tandem)massenspektrometrie [LC-MS(/MS)] kombinieren die hohe Trennleistung der Chromatographie mit der hohen Sensitivität und Spezifität der massenspektrometrischen Detektion. Hierdurch können mit diesen Verfahren eine Vielzahl von Wirkstoffen und Metaboliten voneinander und von Matrixbestandteilen unterschieden werden, sodass eine simultane Bestimmung auch in komplexen Biomatrices wie Blut, Urin, Speichel oder Mekonium möglich ist. Zudem erlauben diese Verfahren eine zweifelsfreie Substanzidentifizierung.

Ein Nachteil der chromatographisch-massenspektrometrischen Analysenverfahren ist, dass die Proben nicht direkt analysiert werden können, sondern es einer mehr oder weniger komplexen Probenvorbereitung bedarf. Zudem erfordert der Betrieb solcher Systeme und insbesondere die Auswertung der generierten Analysendaten fundierte Spezialkenntnisse. Sie sind daher nur in spezialisierten Laboreinrichtungen verfügbar. In der toxikologischen Cannabinoidanalytik werden die chromatographisch-massenspektrometrischen Kopplungstechniken vor allem zur Bestätigung positiver immunchemischer Vortestergebnisse in Blut (Serum, Plasma), Urin oder Speichelproben sowie zur direkten, gezielten Untersuchung auf ausgewählte Cannabiswirkstoffe und deren Metaboliten in solchen Analysenmatrices verwendet, für die keine kommerziellen immunchemischen Tests auf Cannabinoide verfügbar sind wie Mekonium oder Haare.

Die Probenvorbereitung für die Untersuchung von Cannabinoiden in den o. g. Körperflüssigkeiten oder Mekonium mittels GC-MS schließt in der Regel zumindest einen Extraktions- und Derivatisierungsschritt ein. Bei der Untersuchung von Urinproben ist zusätzlich eine enzymatische oder chemische Konjugatspaltung erforderlich, um aus den nicht GC-gängigen Glucuroniden die GC-gängigen Muttersubstanzen und/oder Phase-I-Metaboliten, insbesondere THC-Carbonsäure, freizusetzen.

Bei der Untersuchung auf Cannabinoide mittels LC-MS(/MS) kann sich die Probenvorbereitung ggf. auf eine einfache Proteinfällung (Blut, Plasma, Serum) oder Verdünnung mit Lösungsmittel (Urin) beschränken, da bei dieser Analysentechnik keine Derivatisierung erforderlich ist und Phase-II-Metaboliten (Glucuronide) direkt bestimmt werden können. In der Regel wird jedoch auch bei der Analyse auf Cannabinoide im Urin mittels LC-MS(/MS) eine Konjugatspaltung vorgeschaltet. Im Zusammenhang mit Abstinenzkontrollen im Rahmen der Fahreignungsdiagnostik ist dies vorgeschrieben.

Bei der Untersuchung von Haarproben sind vor der eigentlichen Probenvorbereitung noch Waschschritte zur Dekontamination der Haare erforderlich. Zudem müssen die Haare für eine effektive Aufarbeitung zerkleinert, sprich kleingeschnitten oder gemahlen werden.

THC und seine Metaboliten können trotz struktureller Ähnlichkeiten mit in der forensischen Toxikologie typischerweise verwendeten Chromatographiesystemen voneinander getrennt und aufgrund ihrer massenspektrometrischen Eigenschaften unterschieden werden. Die Identifizierung erfolgt durch Abgleich der chromatographischen Retentionszeiten sowie der massenspektrometrischen Daten von Analyten und entsprechenden Referenzstandards. Je nach verwendetem Massenspektrometer und Detektionsmodus können entweder volle Massenspektren für den Abgleich herangezogen werden oder eine Mindestanzahl von drei charakteristischen Fragementionen (selected-ion monitoring, SIM) oder zwei charakteristischen Massenübergängen (selected-reaction monitoring). Die beiden letztgenannten Modi werden aufgrund der höheren Empfindlichkeit und Messzyklen pro Zeiteinheit bevorzugt für quantitative Bestätigungsanalysen eingesetzt. Abbildung 1 zeigt beispielhaft sogenannte Massenfragmentogramme von jeweils drei charakteristischen Fragmenten von THC, 11-Hydroxy-THC und THC-Carbonsäure in einer Serumprobe aus einem authentischen Fall und in einer entsprechenden Qualitätskontrollprobe.

Für die Differenzierung der Stellungsisomeren von ∆9-THC und ∆8-THC ist aufgrund der sehr ähnlichen massenspektrometrischen Eigenschaften eine chromatographische Trennung vor der Detektion unbedingt erforderlich, während HHC aufgrund seiner um zwei Masseneinheiten höheren Molekülmasse notfalls auch alleine anhand seiner massenspektrometrischen Eigenschaften von THC differenziert werden kann.

Bei welchen Fragestellungen werden toxikologische
Cannabis-Analysen durchgeführt?

Typische Fragestellungen, in denen die toxikologische Cannabis-Analytik eingesetzt wird, sind zum einen eine akute Beeinflussung durch Cannabiswirkstoffe, speziell THC und ggf. partialsynthetische Cannabinoide wie ∆8-oder HHC. Zum anderen spielen derartige Analysen eine große Rolle im Rahmen von Abstinenzkontrollen im klinischen Umfeld (Entwöhnungsbehandlung, in utero Exposition), in der Arbeitsmedizin/Arbeitssicherheit und im Rahmen der Fahreignungsdiagnostik. Je nach konkreter Fragestellung werden unterschiedliche Analysenmatrices für die Analytik verwendet.

Fragestellung akuter Cannabiseinfluss

Im klinischen Umfeld stellt sich die Frage nach einem akuten Einfluss insbesondere dann, wenn Patienten mit einer entsprechenden Symptomatik (siehe hierzu) in die Notaufnahme oder eine psychiatrische Klinik kommen oder gebracht werden. Hier kann zunächst über einen Drogenschnelltest oder einen instrumentellen immunchemischen Test im Speichel oder Urin eine vorläufige Überprüfung einer Cannabisaufnahme erhoben werden. Dabei lässt sich ein positives Vortestergebnis im Urin zwar mit einer akuten Beeinflussung vereinbaren. Es lässt jedoch keine zuverlässigen Rückschlüsse diesbezüglich zu, da aufgrund der langen terminalen Elimination von THC bzw. THC-Carbonsäure je nach vorheriger Konsum- oder Anwendungshäufigkeit teilweise noch Wochen nach der letzten Cannabisaufnahme positive Testergebnisse im Urin resultieren können. Ein positives Vortestergebnis im Speichel spricht hingegen je nach Sensitivität des angewandten Testes für eine Cannabisaufnahme innerhalb einiger bis mehrerer Stunden vor der Durchführung des Tests und weisen insofern zwar eher aber nicht notwendigerweise auf eine akute Aufnahme/Beeinflussung hin als ein positives Testergebnis im Urin. Zur weiteren Abklärung kann eine Blutentnahme für eine quantitative Bestätigungsanalyse erfolgen, deren Ergebnis jedoch im günstigsten Fall erst nach wenigen Tagen verfügbar und für das Akutmanagement nicht von Relevanz sein wird.

Im Straßenverkehr stellt sich die Frage nach einem (möglichen) akuten Cannabiseinfluss bei Verdacht auf eine Ordnungswidrigkeit gemäß §24a StVG oder eine Straftat gemäß den §§ 316, 315c StGB. Hier werden – zumindest von der Thüringer Polizei – zur Erhärtung des Verdachts in der Regel Drogenschnelltests im Speichel durchgeführt. Ein positives Ergebnis zeigt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine relevante THC-Konzentration im Blut bzw. Plasma oder Serum an, sodass regelmäßig eine Blutentnahme bei den Betroffenen/Beschuldigten zum Zweck einer späteren Bestätigungsanalyse veranlasst wird. Ein negatives Vortestergebnis zieht in der Regel keine weiteren Maßnahmen nach sich, es sei denn, es liegen positive Vortestergebnisse auf andere Drogen oder Alkohol oder der Verdacht auf eine Einnahme weiterer relevanter Substanzen vor, die durch die verwendeten Drogenvortests nicht erfasst werden.

Bei der Fragestellung einer akuten Cannabisbeeinträchtigung stellt die Konzentration im Blut bzw. Plasma oder Serum den Zielparameter dar. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass keine ausreichende Korrelation zwischen der THC-Konzentration im Blut bzw. Plasma/Serum und der aktuellen Cannabiswirkung bei den betroffenen Personen besteht, um Letztere alleine aus den Analysenergebnissen abzuleiten. Dies gilt insbesondere bei inhalativer Aufnahme durch Rauchen oder Vaporisieren, bei denen aufgrund der raschen Aufnahme über die Lungen zunächst sehr hohe THC-Konzentrationen im Blut resultieren, während das Maximum der THC-Wirkung erst nach Verteilung in das ZNS erreicht wird, wenn die THC-Konzentration im Blut bereits wieder deutlich abgefallen ist. Bei der selteneren oralen Aufnahme werden infolge des hohen first-pass-Effektes und der langsameren Aufnahme deutlich geringere THC-Konzentrationen im Blut erreicht, die nichtsdestotrotz mit Cannabiswirkungen einhergehen, die zudem länger anhalten als nach dem Konsum durch Rauchen.

Darüber hinaus kann es bei regelmäßiger Cannabisaufnahme aufgrund der hohen Lipophilie von THC zu einer Depotbildung vor allem im Fettgewebe kommen. Aus diesen Depots kann das THC zwischen einzelnen Aufnahmevorgängen wieder ins Blut abgegeben werden, sodass sich mehr oder weniger hohe Basalkonzentrationen im Blut einstellen (sogenanntes „residuales THC“), die jedoch nicht mit einer akuten Wirkung assoziiert sind.

Für Ordnungswidrigkeiten gemäß § 24a StVG wurde von der Grenzwertkommission ein Grenzwert von THC von 1,0 ng/ml im Plasma/Serum vorgeschlagen, unterhalb dessen in der Regel keine Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen des Fahrens unter der Wirkung von Cannabis verfolgt werden. Dieser zunächst analytische Grenzwerte wurde in der Folge nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch als Grenzkonzentration angesehen, ab der eine Beeinträchtigung der Sicherheit beim Führen von Kraftfahrzeugen zumindest möglich ist. Vor dem Hintergrund des Umstandes, dass beim weit überwiegenden Teil der Personen mit einer THC-Konzentration von 1 ng/ml keine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Durch eine vom Bundesminister für Gesundheit berufene Expertengruppe wurde ein Grenzwert von 3,5 ng/ml vorgeschlagen. Für die Feststellung der Fahrtüchtigkeit schreibt das Straßenverkehrsgesetz nun erstmalig einen zulässigen Tetrahydrocannabinol (THC)-Grenzwert im Blutserum fest. Ging die Rechtsprechung bisher von einem Grenzwert von 1,0 ng/ml aus, sieht das Gesetz nun einen Wert von 3,5 ng/ml THC vor. Wer diesen überschreitet und ein Fahrzeug führt, handelt ordnungswidrig und muss mit einem Bußgeld bis 3.000 € rechnen.

Im Hinblick auf eine tatsächliche Beeinträchtigung der Fahrsicherheit im Sinne der §§ 316, 315c StGB sind keine Grenzwerte etabliert. Für die Beurteilung einer cannabisbedingten Fahrunsicherheit sind daher neben der THC-Konzentration im Plasma/Serum auch Angaben zur Fahrweise und zum psycho-physischen Erscheinungsbild der Beschuldigten in zeitlicher Nähe zu der vorgeworfenen Tat heranzuziehen.

Die Konzentration von 11-Hydroxy-THC im Blut bzw. Plasma/Serum ist trotz der etwa gleich starken Wirksamkeit im Vergleich zu THC für die Beurteilung einer Beeinflussung durch Cannabis von untergeordneter Relevanz. Sie kann jedoch Hinweise zum Aufnahmeweg geben. So stellt sich bei inhalativer Aufnahme nach wenigen Stunden typischerweise ein Konzentrationsverhältnis von THC zu 11-Hydroxy-THC etwa 2:1 ein. Nach oraler Aufnahme liegt das Verhältnis hingegen nahe 1:1, oder die 11-Hydrox-THC-Konzentration übersteigt die Konzentration an THC.

Die Konzentration an THC-Carbonsäure ist aufgrund der fehlenden pharmakologischen Aktivität für die Einschätzung eines möglichen Cannabiseinfluss nicht von unmittelbarer Bedeutung. Wegen ihrer langen terminalen Eliminationshalbwertszeit kommt es jedoch bei regelmäßiger, sprich täglicher oder fast täglicher Aufnahme zur Kumulation dieses Metaboliten im Blut bzw. Plasma/Serum. Hohe Konzentrationen, die über die üblicherweise bei einmaliger oder gelegentlicher Aufnahme erreichten THC-Carbonsäurekonzentrationen hinausgehen, sprechen daher ab ca. 70 ng/ml mit zunehmender Wahrscheinlichkeit für eine regelmäßige Aufnahme. Bei sehr hohen THC-Carbonsäurekonzentrationen ab 150 ng/ml kann eine solche als gesichert angesehen werden. Bei derart hohen Konzentrationen an THC-Carbonsäure sind daher bei der Beurteilung eines möglichen akuten Cannabiseinflusses entsprechende Toleranzeffekte zu berücksichtigen.

Fragestellung Zeitpunkt des letzten Cannabiskonsums

Die zeitliche Einordnung der letztmaligen Cannabisaufnahme kann anhand von Analysenergebnissen in Speichel, Blut bzw. Plasma/Serum und ggf. Urin abgeschätzt werden. So spricht ein positives Vortestergebnis oder ein chromatographisch-massenspektrometrischer Nachweis von THC im Speichel je nach Cut-off-Werte bzw. Nachweisgrenze der verwendeten Methode für eine Cannabisaufnahme innerhalb weniger bis einiger Stunden vor der Probennahme.

Für die Einschätzung der letzten Cannabisaufnahme anhand von Analysenergebnissen im Plasma/Serum wurden Berechnungsmodelle entwickelt, die entweder alleine auf der THC-Konzentration im Plasma/Serum beruhen (Modell I) oder neben der THC-Konzentration die Konzentration der THC-Carbonsäure im Plasma/Serum mit einbeziehen (Modell II). Diese Modelle können zwar eine letztmalige Aufnahme innerhalb der definierten 95-Prozent-Konfidenzintervalle zwar recht zuverlässig abschätzen. Allerdings umfassen die damit berechneten Zeiträume auch unter günstigen Bedingungen (hohe THC-Konzentration bei geringer THC-Carbonsäurekonzentration) zumindest wenige Stunden. So ergeben sich z. B. bei einer THC-Konzentration von 10 ng/ml und einer THC-Carbonsäurekonzentration von 28 ng/ml ein Schätzwert von 1,2 h mit einer 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,46–3,2 h. Bei regelmäßiger Aufnahme und insbesondere hohem residualen THC können die Modelle zudem zu einem deutlichen Unterschätzen der Zeit zwischen letzter Aufnahme und Blutentnahme kommen.

Urinproben sind für Feststellungen bezüglich des Zeitpunktes der letzten Cannabisaufnahme nur bedingt geeignet. Jedoch sprechen der Nachweis 11-Hydroxy-THC und THC neben THC-Carbonsäure (nach Spaltung der jeweiligen Glucuronide) zumindest bei nicht regelmäßiger inhalativer Aufnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine letztmalige Cannabisaufnahme innerhalb eines Tages bzw. eines halben Tages vor der Probennahme.

Fragestellung Abstinenzkontrolle

Für die Cannabisanalytik im Rahmen von Abstinenzkontrollen im klinischen, arbeitsmedizinischen oder forensischen Umfeld decken Speicheltests nur relative kurze Zeiträume ab, die je nach Empfindlichkeit der verwendeten Testmethoden von mehreren Stunden bis maximal ein bis zwei Tage reichen. In den Richtlinien der European Workplace Drug Testing Society (EWDTS) wird für die Untersuchung von Speichelproben ein maximaler Cut-off-Wert von 10 ng/ml und für die Bestätigungsanalyse eine maximale Cut-off-Konzentration für THC von 2 ng/ml vorgegeben.

Urin stellt für Cannabisabstinenzkontrollen die klassische Probenmatrix und das im Urin ausgeschiedene THC-Carbonsäureglucuronid bzw. die daraus freigesetzte THC-Carbonsäure (siehe oben) den Zielanalyten dar. Die Nachweisfenster von THC-Carbonsäure im Urin hängen maßgeblich von der Häufigkeit der Aufnahme ab. Sie reichen von ca. zwei bis drei Tagen nach einmaliger Aufnahme bis hin zu mehreren Wochen nach zuvor täglicher bis mehrfach täglicher Aufnahme.

Abstinenzuntersuchungen bezüglich Cannabis im Urin erfolgen in der Regel nach der oben beschriebenen Zweistufenstrategie. Dabei werden in der ersten Stufe im klinischen und arbeitsmedizinischen Umfeld in der Regel Drogenschnelltests mit einer Detektionsschwelle von 50 ng/ml für eine positive Reaktion oder instrumentelle immunchemische Tests mit einem Cut-off-Wert von 25 ng/ml verwendet. Diese gelten als bestätigt, wenn in der Bestätigungsanalyse THC-Carbonsäure sicher nachgewiesen wird, sofern kein eigener Cut-off-Wert für die Bestätigungsanalyse definiert ist. In den EWDTS-Richtlinien ist Letzterer für THC-Carbonsäure mit 15 ng/ml angegeben.

Für Cannabis-Abstinenzkontrollen in der Fahreignungsdiagnostik ist ein Cut-off-Wert von 7,5 ng/ml vorgeschrieben, allerdings für die in der Bestätigungsanalyse festgestellte Konzentration von THC-Carbonsäure im Urin nach Konjugatspaltung. Der Cut-off-Wert für den Vortest in der ersten Stufe muss vom Labor so festgelegt werden, dass er bei der vorgenannten THC-Carbonsäurekonzentration sicher überschritten wird. Aufgrund der zusätzlich in der Cannabispflanze enthaltenen Cannabinoiden, die mit dem Test reagieren können, kann der Cut-off-Werte für den Vortest erfahrungsgemäß höher angesetzt werden als für die Bestätigungsanalyse, z. B. bei 10 ng/ml.

Bei der Abstinenzkontrolle mittels Analyse von Haarproben wird in der Regel zunächst auf THC getestet. Fällt diese Analyse negativ aus, so kann das Analyseergebnis als Abstinenzbeleg gewertet werden, sofern die verwendete Analysemethode ausreichende Empfindlichkeit aufweist. In der Abstinenzkontrolle im Rahmen der Fahreignungsdiagnostik ist diesbezüglich ein Cut-off-Wert von 0,02 ng/mg etabliert. Positive THC-Befunde belegen eine Cannabisexposition in dem durch die untersuchte Haarprobe abgedeckten Zeitraum. Da die Einlagerung auch bei Konsumenten vor allem über den Kontakt der Haare mit Cannabisrauch oder Substanzreste an den Händen erfolgt, ist ein positiver Befund nicht zwingend als Beleg für eine Cannabisaufnahme mit Körperpassage des THCs zu werten. Für die Differenzierung einer rein passiven Exposition und einer aktiven Aufnahme kann auf den Cannabismetaboliten THC-Carbonsäure und ggf. zusätzlich auf 11-Hydroxy-THC in den Haaren getestet werden. Werden diese ebenfalls nachgewiesen, kann in der Regel von einer aktiven Aufnahme ausgegangen werden, auch wenn bei engem Kontakt mit Cannabiskonsumenten auch eine passive Antragung von Cannabismetaboliten von außen beispielsweise über Haartalg oder Schweiß von Cannabiskonsumenten oder -patienten u. U. nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass in den letzten ca. 15 Jahren zahlreiche vollsynthetische Cannabinoid-Rezeptoragonisten (SCRA) auf dem Drogenmarkt aufgetaucht sind, welche zwischenzeitlich zum größten Teil dem Betäubungsmittelgesetz (BtmG) oder dem Neue Psychoaktive Stoffe Gesetz (NPSG) unterstellt wurden. Diese häufig als „synthetische Cannabinoide“ bezeichneten Stoffe werden aufgrund ihrer von den natürlichen oder partialsynthetischen Cannabinoiden verschiedenen chemischen Strukturen von den hier beschriebenen Analysenstrategien nicht erfasst. Ihr Nachweis erfordert vielmehr den Einsatz hochsensitiver chromatographisch-massenspektrometrischer Methoden, deren Besprechung den Rahmen dieses auf pflanzliches Cannabis ausgerichteten Artikels überdehnt hätte. Der Umstand, dass sie hier keine ausführliche Erwähnung finden, darf insofern nicht im Sinne einer geringen Bedeutung dieser Substanzen verstanden werden. Vielmehr sind viele dieser synthetischen Cannabinoide aufgrund ihrer um ein Vielfaches höheren Potenz und Toxizität im Vergleich zu natürlichem THC von erheblicher toxikologischer Relevanz.

Danksagung

Der Autor dankt Dr. Daniela Wissenbach, PD Dr. Dirk K. Wissenbach und Lisa Oßowski für die Unterstützung und die Durchsicht des Manuskripts.


Literatur beim Verfasser.

PD Dr. rer. nat. Frank T. Peters

Universitätsklinikum Jena

Institut für Rechtsmedizin, Arbeitsbereich Toxikologie

Am Klinikum 1

07747 Jena

E-Mail:
frank.peters@med.uni-jena.de

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