Zusammenfassung
Unternehmen entsenden immer häufiger Mitarbeiter ins Ausland, z. B. wenn vor Ort Fachkräfte fehlen, Qualifikationslücken geschlossen werden müssen oder um ihr geschäftliches Wachstum weltweit voranzutreiben. Ihre Mitarbeiter sind mobiler als je zuvor. Aber die Investitionen, die für die Entsendung von Mitarbeitern erforderlich sind, können beträchtlich sein: Im Durchschnitt liegt die Gesamtinvestition für einen Auslandseinsatz bei 311.000 USD pro Jahr. Defizite in der Gesundheitsvorsorge können drastische Folgen für Unternehmen und Mitarbeiter haben. Um die Wahrscheinlichkeit des Abbruchs eines Auslandseinsatzes zu reduzieren, ist ein Reiserisiko-Managementsystem erforderlich. Geschäftsreisen sehen je nach Art der Reise, Aufgabe, Reiseziel und Zweck sehr unterschiedlich aus. Doch jede Reise bringt für die Mitarbeiter bestimmte Risiken mit sich. Die ungewohnte Umgebung, spezifische Arbeitsanforderungen, die Kommunikation in einer Fremdsprache, die Anpassung an die örtliche Kultur und die Tatsache, von der Firmenzentrale und deren Unterstützung sowie von Familie und Freunden getrennt zu sein, sind nur einige der Herausforderungen, die die körperliche und mentale Belastung durch Geschäftsreisen erhöhen können.
Während ihres Auslandseinsatzes sind Mitarbeiter je nach Einsatzort und -dauer unterschiedlichen Risiken ausgesetzt. Spezifische Situationen können Gesundheitsgefahren mit sich bringen wie längere Einsätze in abgelegenen oder ländlichen Hochrisikoregionen von Entwicklungsländern. In diesen Fällen sind Mitarbeiter beträchtlichen und anhaltenden Gesundheitsrisiken ausgesetzt, z. B. Infektionskrankheiten, extreme klimatische Bedingungen, unsichere oder qualitativ minderwertige Nahrungsmittel und Wasser sowie sexuell übertragbare Infektionen/Krankheiten. Eine Reihe dieser umgebungsspezifischen Risiken verschärfen möglicherweise kleinere Gesundheitsprobleme, die in entwickelten Regionen unproblematisch wären.
Alle reisenden Mitarbeiter können sich im Ausland Schwierigkeiten und Problemen gegenübersehen. Daher sind effektive und fokussierte Präventionsleitlinien erforderlich, um eine Reduzierung der Risiken zu gewährleisten, die mit den Einsätzen der Mitarbeiter verbunden sind. Der Arbeitgeber ist für Gesundheit und Wohlergehen von Reisenden und Mitarbeitern im Ausland verantwortlich. Es müssen klare Unternehmensleitlinien und -strategien vorhanden sein, die auf die Reduzierung etwaiger Risiken und die Förderung der Gesundheit der Mitarbeiter im Ausland abzielen. Hierzu gehören klare Auswahlkriterien, die Vorbereitung von Mitarbeitern auf die örtlichen Bedingungen und entsprechende Informationen, die Durchsetzung von Präventionsmaßnahmen vor Abreise einschließlich Impfungen sowie Anweisungen, die während des Auslandseinsatzes zu beachten sind, wie Malariaprophylaxe, Schutz vor Krankheitserregern, Sicherheit im Straßenverkehr, Vorsichtsmaßnahmen im Hinblick auf Wasser und Nahrungsmittel, sicherer Sex und Umgang mit Stress.
Wirtschaftliche Argumentation für Präventionsmaßnahmen:
Diese Studie belegt, dass der Nutzen einer Präventionsstrategie für die Gesundheit auf Reisen ihre Kosten deutlich übersteigt. Hierbei wurden zwei spezifische Programme analysiert:
· Ein Programm ärztlicher Vorsorgeuntersuchungen für Auslandsreisende und -mitarbeiter, durch das gezielt bestehende gesundheitliche Probleme ermittelt werden sollen, bevor Mitarbeiter ins Ausland entsandt werden: So soll sichergestellt werden, dass Mitarbeiter für die geplante Tätigkeit tauglich und den Arbeitsbedingungen gewachsen sind. Gleichzeitig sollten allgemeine und tätigkeitsrelevante Gesundheitsprobleme vor der Abreise ermittelt werden.
· Ein gezieltes Malaria-Präventionsprogramm für Mitarbeiter, die in Regionen mit Malariarisiko reisen bzw. dort tätig sind. Mitarbeiter werden vor der Abreise informiert, erhalten medikamentöse Prophylaxe und andere Mittel zum Schutz (wie Moskitonetze, Insektizidsprays und Abwehrmittel) sowie ein Set zur Malaria-Behandlung. Die Kosten-Nutzen-Analyse ergab, dass jeder US-Dollar, der in das medizinische Vorsorge-Programm investiert wird, einen Nutzen von 1,6 USD (Minimum-Szenario) bis 2,53 USD (Maximum-Szenario) erzielt. Das Malaria-Präventionsprogramm konnte Todesfälle um 70 % reduzieren. Auch bei diesem Programm überwiegt der Nutzen die Kosten: Der Nutzen für jeden investierten US-Dollar wurde auf 1,34 USD geschätzt.
1 Einführung
Viele Unternehmen müssen im Zuge ihrer Geschäftstätigkeit immer mehr Mitarbeiter ins Ausland entsenden. Diese Unternehmen bleiben auch während des Auslandseinsatzes für ihre Mitarbeiter und deren Familien verantwortlich. Hierzu gehören nicht nur Leistungen im Bereich Arbeitsgesundheit, sondern auch die Zuständigkeit für alle Gesundheitsprobleme, denen sich Mitarbeiter bei ihrer Tätigkeit in einer unbekannten oder unsicheren Umgebung möglicherweise gegenübersehen. Durch die Entsendung von Mitarbeitern ins Ausland setzt der Arbeitgeber sie zusätzlichen Risiken aus, wenn der Gesundheitszustand vor der Reise und die Reisevorbereitung nicht besonders berücksichtigt werden. Wird nicht angemessen auf Notfallsituationen reagiert, kann dies dramatische Folgen für Mitarbeiter, ihre Familien und das Unternehmen nach sich ziehen.
Die Erstellung von Risikobeurteilungen sollte Teil der Präventionsstrategie jedes Unternehmens sein. Diese sollten folgende Punkte berücksichtigen: den jeweiligen Mitarbeiter, berufliche und landesspezifische Gesundheitsfragen, die bereitgestellten Impfungen, die Malariaprophylaxe, die Beratung über Vorbeugungsmaßnahmen im Hinblick auf Infektionskrankheiten, den Zugang zu qualitativ hochwertiger medizinischer Versorgung sowie ggf. die Organisation der Rückführung/Evakuierung aus Gesundheitsgründen.
Wenn Mitarbeiter an entlegene Einsatzorte mit hohem Risiko entsandt werden, stellt eine ärztliche Bestätigung der Tauglichkeit vor der Abreise sicher, dass der jeweilige Mitarbeiter einsatzfähig und nicht aufgrund unzureichender medizinischer Infrastruktur zusätzlichen Risiken ausgesetzt ist.
Wenn keine geeigneten örtlichen Praxen bzw. Krankenhäuser für die Bedürfnisse erkrankter Mitarbeiter vorhanden sind, ist eine Notfallevakuierung in die nächstgelegene gut ausgestattete medizinische Einrichtung entscheidend, um die Arbeitsfähigkeit des Mitarbeiters zu erhalten und Leben zu retten. Eine Evakuierung kann jedoch für die Gesundheit des Opfers zusätzliche Risiken bedeuten, belastet die Familie und ist für das Unternehmen kostspielig.
Sie bedeutet das Versagen aller Präventionsmechanismen im Vorfeld der Evakuierung. Über die Kosten der medizinischen Versorgung, der Rückführung und des etwaigen Rückzugs ins Heimatland hinaus bedeutet eine Evakuierung für den Mitarbeiter das Scheitern seines Auslandseinsatzes und für das Unternehmen den Verlust der hierfür getätigten Investitionen.
Präventionsprogramme zielen auf die Vorbeugung von Gesundheitsproblemen ab und gewährleisten, dass Mitarbeiter nur in Regionen entsandt werden, die mit ihrem Gesundheitszustand kompatibel sind: Dies kann Leben retten und finanziell rentabel sein.
In dieser Studie sollen Kosten und Nutzen von Präventionsmaßnahmen für Mitarbeiter mit hoher Mobilität im Rahmen einer Investitionsrechnung evaluiert werden.
Für diese Studie wurden zwei Typen von Präventionsmaßnahmen ausgewählt: eine ärztliche Vorsorgeuntersuchung vor der Reise und ein Malaria-Präventionsprogramm.
Da die Kosten-Nutzen-Analyse aus wirtschaftlicher Perspektive erstellt wird, werden nur materielle Kosten für das Unternehmen berücksichtigt: Kosten für Individuum und Gesellschaft im Allgemeinen (wie Schmerzen und Leid), Produktionsverluste durch einen vorzeitigen Tod und Kosten für die Sozialversicherungssysteme werden nicht einbezogen. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass das Leiden und der Tod eines Mitarbeiters auch immaterielle Kosten für ein Unternehmen bedeuten, z. B. im Hinblick auf die interne und öffentliche Reputation des Unternehmens. Diese sind sehr schwer zu quantifizieren.
1. Auslandseinsätze:Eine wachsende Realität
Unternehmen sind zunehmend global tätig und die Geschäftstätigkeit in Schwellenländern steigt. Daher entsenden Unternehmen immer mehr Mitarbeiter auf Auslandseinsätze und ihre Beschäftigten sind mobiler als je zuvor. Die Tätigkeit im Ausland kann Mitarbeitern wertvolle Karrierechancen eröffnen und bereichernde Lebenserfahrungen bieten. Für Unternehmen sind sie jedoch auch mit signifikanten Kosten verbunden.
2.1 Arten von Auslandseinsätzen
In einer Umfrage unter multinationalen europäischen Konzernen und europäischen Tochterunternehmen von multinationalen US-Konzenern ermittelte das Centre for Research into the Management of Expatriation (CReME) die verschiedenen Formen der Auslandseinsätze in diesen Konzernen. Diese Studie unterscheidet vier Typen von Auslandseinsätzen (Tabelle 1):
· Langzeitiger Auslandseinsatz
· Kurzzeitiger Auslandseinsatz
· Internationale Pendler
· Häufig Reisende
Die Studie zeigt, dass in den Konzernen das Volumen der Auslandstätigkeit für alle vier Typen zunimmt.
2.2 Trends bei Auslandseinsätzen
Studien zeigen, dass Unternehmen weltweit zunehmend internationale Stellen für Mitarbeiter im Ausland schaffen, obwohl die zeitliche Länge des Auslandseinsatzes schrittweise abnimmt. Mehr als 70 % der Unternehmen verzeichneten 2013 eine Zunahme kurzfristiger Auslandseinsätze, wie aus einem Bericht von Mercer über Leitlinien und Verfahren für Auslandseinsätze hervorgeht (www.imercer.com).
Diesem Bericht zufolge werden die Auslandseinsätze tendenziell kürzer. Durchschnittlich nehmen die langfristigen Auslandseinsätze nun etwas weniger als 3 Jahre in Anspruch (2 Jahre und 10 Monate). Die durchschnittliche Mindestdauer beträgt 1 Jahr und 5 Monate und die durchschnittlich längsten Einsätze dauern 5 Jahre und 4 Monate. Das Durchschnittsalter der langfristig ins Ausland entsandten Mitarbeiter liegt zwischen 35 und 55 Jahren. Für kurzfristige Einsätze liegt die Mindestdauer weltweit bei 4 Monaten, die Durchschnittsdauer bei 8 Monaten und die Höchstdauer bei 13 Monaten. Das Durchschnittsalter der kurzfristig entsandten Mitarbeiter ist tendenziell niedriger, wobei sich die Unternehmen gleichmäßig auf die Altersklassen der unter 35-Jährigen und der 35- bis 55-Jährigen verteilen.
Die Wahrscheinlichkeit der Entsendung von Frauen ins Ausland ist leicht gestiegen und entspricht nun durchschnittlich einem Prozentsatz von 13 % (nur 3 % höher als noch vor 2 Jahren). Multinationale Unternehmen rekrutieren weiterhin den Großteil (57 %) ihrer Mitarbeiter zur Entsendung ins Ausland im Land ihres Hauptsitzes und entsenden diese in ihre ausländischen Tochterunternehmen. Aber der Prozentsatz der aus Tochterunternehmen versetzten Mitarbeiter hat zugenommen (51 %). Dies lässt darauf schließen, dass die Versetzung von Mitarbeitern von Tochter- in andere Tochterunternehmen (statt vom Mutter- in Tochterunternehmen) seit 2010 zugenommen hat.
Diese Entwicklung ist insbesondere unter europäischen Unternehmen ausgeprägt: Hier melden 6 von 10 Unternehmen (61 %) einen Anstieg dieses Versetzungstyps, was auf einen Kompetenzzuwachs der Mitarbeiter aus anderen Ländern schließen lässt.
Die Ergebnisse der Studie Global Relocation Trends aus dem Jahr 2012 zeigen, dass nur 21 % aller Mitarbeiter im Ausland bereits Erfahrung mit Auslandseinsätzen haben (Global Relocation Trends, Umfrageergebnisse aus dem Jahr 2012, Brookfield Global Relocation Services).
Bei der Altersverteilung stellt die Gruppe der 40 bis 49-Jährigen die größte Kohorte der Mitarbeiter im Ausland, dicht gefolgt von der Gruppe der 30 bis 39-Jährigen. Etwas mehr als 1 von 10 Mitarbeitern im Ausland ist zwischen 20 und 29 Jahre alt (Abbildung 1).
Globale Mobilität bedeutet Zeit- und Verwaltungsaufwand: Dennoch verfügen 2 von 3 Arbeitgebern (65 %) nicht über spezifische Methoden zur Erfassung und zum Management von Auslandseinsätzen sowie der entsprechenden Kosten (siehe 4. Kosten von Auslandseinsätzen).
Wichtigste Erkenntnisse
· Die Anzahl der Auslandseinsätze steigt.
· Die durchschnittliche Dauer der Auslandseinsätze sinkt.
· Mitarbeiter im Ausland sind mehrheitlich Männer und zwischen 30 und 49 Jahre alt
1. Gesundheitsrisiken durch Reisen
Stress und gesundheitliche Auswirkungen von Reisen
Geschäftsreisen können je nach Art der Reise, Aufgabe, Zielort und Zweck sehr unterschiedlich aussehen. Aber jede Reise bringt für die Mitarbeiter bestimmte Gesundheitsrisiken mit sich.
1. Arbeitsbedingte Reisen und gesundheitliche Auswirkungen
In einer Studie zu Mitarbeitern der Weltbank zeigt Liese (1997), dass die Rate der Krankenversicherungsfälle bei männlichen Reisenden 80 % und bei weiblichen Reisenden 18 % höher als bei ihren nicht reisenden Kollegen lag. Dabei ließen sich mehrere mit der Häufigkeit der Reisen verknüpfte Faktoren feststellen. Die größte Belastung durch Reisen ergab sich im Hinblick auf psychische Störungen.
Warum auf Reisende so viel mehr Versicherungsfälle entfallen als auf ihre am Hauptsitz verbleibenden Kollegen, ist nicht abschließend geklärt, aber es gibt einige plausible Erklärungsansätze.
Reisen können bestehende Erkrankungen oder Grundkrankheiten verschärfen. Vor der Abreise suchen Reisende bei Beschwerden vielleicht eher einen Arzt auf als Nichtreisende, die eine Verschlechterung ihres Zustands abwarten. Andererseits ist die erhöhte Rate der Versicherungsfälle unter Reisenden möglicherweise nicht ausschließlich auf eine stärkere Nutzung medizinischer Leistungen zurückzuführen.
Während zu erwarten ist, dass Reisende stärker von bestimmten Krankheitskategorien betroffen sind (beispielsweise Reisedurchfall und andere Infektionskrankheiten), können zahlreiche weitere Krankheitsklassen indirekt mit der körperlichen und geistigen Belastung durch Reisen verbunden sein.
Reisende erleben häufig dramatische und plötzliche Veränderungen der klimatischen Bedingungen, ihres Alltags, ihrer Ernährung sowie ihrer Schlafmuster. Die Arbeitsanforderungen im Rahmen des Einsatzes (möglicherweise einschließlich der Kommunikation in einer Fremdsprache), die Tätigkeit in einer unvertrauten geschäftlichen und lokalen Kultur, lange Tage mit hochintensiven Verhandlungen und die Trennung von Familie und Freunden sowie von deren Unterstützung können die körperliche und geistige Belastung durch Reisen noch verschärfen.
Die beiden Kategorien, die am engsten und konsistentesten mit der Reisehäufigkeit verbunden waren, waren Infektionskrankheiten und psychische Störungen, wobei dies für Männer und Frauen gleichermaßen galt.
Infektionskrankheiten werden schon sehr lange mit Auslandsreisen in Verbindung gebracht. Die Wahrscheinlichkeit, dass Reisende mit Krankheitserregern in Berührung kommen, gegen die sie nicht immun sind, und das Risiko einer derartigen Berührung steigen logischerweise mit zunehmendem Kontakt: entweder durch häufigere Einsätze oder eine längere Dauer der Auslandseinsätze (Tabelle 2).
Nicht alle erhöhten Raten in der Studie korrelierten mit der Einsatzhäufigkeit. Mehrere diagnostische Kategorien (wie Herz-Kreislauf-Krankheiten) traten gehäuft bei männlichen, nicht jedoch weiblichen Reisenden auf. Dennoch ließen sich mehrere hochinteressante Faktoren in Verbindung mit der Reisehäufigkeit feststellen. Der Anteil der Infektionskrankheiten stieg bei Männern und Frauen linear in Verbindung mit der Reisehäufigkeit. Krankenversicherungsfälle aufgrund psychischer Störungen nahmen bei Männern und Frauen mit der Reisehäufigkeit stark zu. Bei Männern war die Rate der psychischen Störungen unter Reisenden mit einem Auslandseinsatz doppelt so hoch wie bei Nichtreisenden. Bei zwei oder mehr Auslandseinsätzen stieg sie auf mehr als das Dreifache.
3.1.2 Stress
Wie die Ergebnisse der obigen Studie zeigen, können geschäftliche Auslandsreisen Gesundheitsrisiken über die Gefahr von Infektionskrankheiten hinaus nach sich ziehen. Die meisten Forscher, die sich mit der Gestaltung von Geschäftsreisen beschäftigt haben, betrachten diese als eine der Ursachen von Stress der Reisenden.
James Strikes stellte in seiner Studie fest, dass mehr als ein Drittel der befragten Reisenden eine hohe oder sehr hohe Stressbelastung durch die Reise anführte (James Strikes, et. al., Risk factors for psychological stress among international business travellers, in: Occupational and environmental medicine, Nr. 56, 1999, S. 245252.).
Gemäß dem Stressmodell von Karasek ist die Belastung durch die Berufstätigkeit unter den Mitarbeitern am höchsten, an die hohe psychische Anforderungen bei reduziertem Entscheidungsspielraum gestellt werden. Zwar verfügen reisende Mitarbeiter im Hinblick auf bestimmte Arbeitsaufgaben möglicherweise über einen relativ hohen Autonomiegrad, aber sie sind möglicherweise nicht in der Lage zu entscheiden, wann sie wohin reisen: Dies kann zu einer Überlastung führen (Bernhard Liese, et. Al., op.cit.).
Individuelle Faktoren wie Gesundheitszustand, Arbeitsbelastung, Jetlag etc. können auf Reisen ebenfalls für Stress sorgen. Bestimmte Eigenschaften von Geschäftsreisenden (wie die Fähigkeit, sich auf andere Kulturen einstellen zu können, Aufgeschlossenheit sowie andere Persönlichkeitsmerkmale) können Reisen mehr oder weniger belastend machen.
Aber allgemein betrachtet können Reisen zu Schlafstörungen führen, da mit dem Wechsel der Zeitzone der Schlaf-Wach-Rhythmus gestört wird.
Die Studie unter Mitarbeitern der Weltbank lässt vermuten, dass die höhere Rate der Krankenversicherungsfälle aus psychischen Gründen unter Reisenden mit von diesen wahrgenommener Arbeitsüberlastung, gleichzeitigen Mehrfach-Anforderungen an ihre Zeit und der Trennung von Familie und Freunden in Verbindung stehen kann. Reisende müssen ihr persönliches und berufliches Leben umorganisieren und häufig familiäre, geschäftliche und gesellschaftliche Aktivitäten verschieben oder unterbrechen. Diese Faktoren können zur Belastung beitragen.
Übereinstimmend mit diesem Ergebnis berichten andere Forscher, dass reisende Mitarbeiter über die häufigen Störungen ihrer täglichen Routine und die hieran erforderliche Anpassung klagen. Häufige Ortswechsel können das Gefühl einer schlechten Anpassung wecken, wenn die Diskrepanz zwischen dem Reiseziel und der eigenen Heimatumgebung besonders groß ist. Aber jeder Ortswechsel kann auch ein Gefühl der Loslösung vom Arbeitsplatz schaffen, das als vorübergehende Linderung von Burnout-Gefühlen wahrgenommen werden kann (Chuang Yuh-Shy, Balancing the stress of international business successfully: the impact of work-family conflict and personal stress, in: Journal of Global Business management). Manche Forscher unterscheiden drei Stadien einer Geschäftsreise: vor, während und nach der Reise (Chuang Yuh-Shy, op.cit.). Sie gehen davon aus, dass jedes Stadium von unterschiedlichen Anforderungen gekennzeichnet ist. Sie beschreiben, dass für häufige Geschäftsreisende die drei Stadien Stressfaktoren unterschiedlicher Intensität bedeuten, denen mit präventiven Maßnahmen begegnet werden muss. Allgemein lässt sich sagen, dass Stress auftreten kann, wenn die Organisation keine geeigneten Mittel zur Verfügung stellt, um den Geschäftsreisenden zu unterstützen und seine Bedürfnisse zu erfüllen, bzw. wenn der Reisende persönlich nicht in der Lage ist, die Anforderungen zu erfüllen. Dies führt sowohl zu einer schlechten Anpassung als auch zu Frustration.
Wichtigste Erkenntnisse
· Arbeitsbedingte Gesundheitsprobleme treten bei reisenden Mitarbeitern häufiger auf als dies bei Nichtreisenden der Fall ist.
· Die Inzidenzraten liegen für alle Krankheiten höher, nicht nur für reisebedingte Erkrankungen.
· Die Inzidenz ist insbesondere bei psychischen Gesundheitsproblemen und Stress erhöht.
3.2 Reiseziele und Risikoexposition
Die Risikoexposition auf Reisen ist von Reiseziel und Dauer des Einsatzes abhängig. Auch die Art der Tätigkeit hat Auswirkungen auf die Risikoexposition. Risiken und Gefahren für die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter sind wesentlich von der politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und Umweltsituation des Landes abhängig.
Eine Umfrage von PMI Global ergab, dass 48 % aller Unternehmen keine Beurteilung des Reiseziels ihrer Reisenden vornehmen (Floyd R (2010). Sending staff abroad: good planning can save lives. Geschäftsleitlinie, online veröffentlicht am 15. März 2010). Arbeitgeber müssen die Risiken für jede Reise separat beurteilen, da das Risiko je nach Reiseziel unterschiedlich ausfallen kann. Basierend auf der Health Risk Map von International SOS lassen sich die medizinischen Risiken einzelner Länder in Abhängigkeit von einer großen Bandbreite gesundheitsbezogener Kriterien einstufen. Dabei gibt es fünf medizinische Risikostufen: niedriges Risiko, mittleres Risiko, hohes Risiko, extremes Risiko und Schwellenländer (Large Rapidly Developing Countries) (Tabelle 4).
3.2.1 Reiseziele und Gesundheitsrisiken
Allgemein wird eine unbekannte Umgebung stets als Gefahr wahrgenommen. Gemäß einer Benchmarking-Studie von International SOS zur Fürsorgepflicht und zum Management von Reiserisiken (Lisbeth Claus, Duty of care and travel risk management: Global Benchmarking Study, International SOS, 2011) bezogen sich 4 der 10 wichtigsten Gefahren in der Wahrnehmung von Mitarbeitern auf Reisen oder bei Auslandseinsätzen auf die Gesundheit: Erkrankung während des Auslandseinsatzes, mangelnder Zugang zu medizinischer Versorgung westlicher Qualität, Infektionskrankheiten und reisebezogene Infektionen.
Gesundheitsgefahren können mit spezifischen Bedingungen in Verbindung stehen, wie längeren Einsätzen in abgelegenen oder ländlichen Hochrisikoregionen von Entwicklungsländern. In dieser Situation sind Mitarbeiter im Ausland aufgrund von Infektionskrankheiten, die durch Insekten, Nahrungsmittel, Wasser sowie Geschlechtsverkehr übertragen werden können, einem signifikanten Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Eine Reihe dieser umgebungsspezifischen Risiken können kleinere gesundheitliche Probleme verschärfen, die in entwickelten Regionen sonst unproblematisch wären.
Zudem kann der Auslandseinsatz auch bei üblichen Gesundheitsproblemen selbst ein zusätzliches Risiko darstellen, wenn dem Mitarbeiter am Einsatzort keine oder nur qualitativ schlechte medizinische Infrastruktur zur Verfügung steht. Im Durchschnitt können 57 % der Mitarbeiter ihren Auslandseinsatz aus medizinischen und psychischen Gründen nicht zu Ende bringen (William Bunn, Vaccine and international health programs for employees travelling and living abroad, in: Journal of Travel medicine 2001; 8 (suppl 1): S20-S23).
3.2.2 Endemische Krankheiten
In Abhängigkeit vom Reiseziel können die Reisenden durch bestimmte Krankheiten gefährdet sein. Hepatitis A, Typhus, Polio und Cholera treten in Ländern mit schlechten Hygienebedingungen weiter auf. Dennoch ist Durchfall die häufigste Reisekrankheit. 3060 % aller Reisenden in weniger entwickelte Regionen der Welt sind von Reisedurchfall betroffen (Alan M. Spira, Preparing the traveller). Durchfall wird durch kontaminierte Nahrungsmittel und Trinkwasser sowie schmutzige Hände oder Gegenstände übertragen. Aus diesem Grund sind bei Reisen unter weniger hygienischen Bedingungen Präventionsmaßnahmen erforderlich (www.who.int).
Zu den Tropenkrankheiten gehören alle Krankheiten, die ausschließlich oder vorwiegend in den Tropen auftreten. In der Praxis wird dieser Begriff häufig in Bezug auf Infektionskrankheiten verwendet, die unter heißen und feuchten Bedingungen gedeihen, z. B. Malaria, Leishmaniose, Bilharziose, Onchozerkose, lymphatische Filariose, Chagas-Krankheit, afrikanische Trypanosomiasis und Denguefieber (www.who.int).
1. Durch Impfung vermeidbare Krankheiten
Impfungen stellen eine hoch effektive Methode zur Prävention bestimmter Infektionskrankheiten dar. In Tabelle 5 sind Krankheiten aufgeführt, die ein Risiko für Reisende darstellen und sich durch Impfungen vermeiden lassen. Die Impfungen gegen diese Krankheiten sind allgemein sehr sicher und schwerwiegende Nebenwirkungen sind selten.
Obwohl Impfungen zur Verfügung stehen, schützen sich nicht alle Reisenden (oder haben hierzu nicht Gelegenheit). Ungeimpfte Reisende können sich in Risikoregionen anstecken. Die Inzidenzrate ist vom Krankheitstyp, dem Reisenden und der Region abhängig. Impfungen bieten Reisenden die Möglichkeit, eine Reihe von Infektionskrankheiten zu vermeiden, die im Ausland auftreten können. Allerdings gibt es für mehrere lebensbedrohliche Infektionen (u. a. Tuberkulose, Malaria und HIV/AIDS) bisher noch keine zufriedenstellenden Impfungen.
3.2.4 Malaria
Malaria ist das typische Beispiel einer Reisekrankheit in tropischen Ländern. Hierbei handelt es sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung. Sie wird durch Parasiten verursacht, die durch den Biss infizierter Stechmücken (Moskitos) auf den Menschen übertragen werden. Den letzten Schätzungen von Dezember 2013 zufolge kam es 2012 zu ca. 207 Mio. Malariafällen (mit einem Unsicherheitsbereich von 135287 Mio.) und geschätzten 627.000 Todesfällen (mit einem Unsicherheitsbereich von 473.000789.000) (WHO, Factsheet (2013)). Malaria wird durch einen Parasiten der Gattung Plasmodium verursacht. Der Parasit wird über den Biss infizierter Anopheles-Stechmücken, die auch als Malaria-Vektoren bezeichnet werden, auf den Menschen übertragen. Diese Moskitos beißen vorwiegend in der Morgen- und Abenddämmerung.
Es gibt fünf Parasitenspezies, die beim Menschen Malaria verursachen:
· Plasmodium falciparum
· Plasmodium vivax
· Plasmodium malariae
· Plasmodium ovale
· Plasmodium knowlesi
Plasmodium falciparum und Plasmodium vivax sind die häufigsten. Plasmodium falciparum ist die tödlichste Spezies. Die meisten Krankheits- und Todesfälle aufgrund von Malaria treten im subsaharischen Afrika auf. Aber auch Asien, Lateinamerika und in geringerem Ausmaß der Nahe Osten sowie Teile Europas sind betroffen. 2013 kam es in 97 Ländern und Territorien zur aktiven Übertragung von Malaria.
Reisende und Mitarbeiter, die sich für einen längeren Zeitraum in Malariaregionen aufhalten, sind während ihres Einsatzes dem Risiko einer schweren Malariaerkrankung ausgesetzt. Manchmal nehmen sie jedoch die fortgesetzte Notwendigkeit einer Risikoreduzierung durch Chemoprophylaxe und persönliche Schutzmaßnahmen nicht ernst (siehe Tabelle 5). Empfehlungen zur Malariaprävention können so interpretiert werden, als gälten sie vorwiegend für die Prävention von Plasmodium-falciparum-Malaria bei kurzfristig Reisenden. Die optimale Malariaprävention bei längerem Einsatz stellt aufgrund der unterschiedlichen Eigenschaften und Einsatzabläufe der Reisenden ein Dilemma dar (u. a. Reisende, die sich nicht über den gesamten Zeitraum in Malariaregionen aufhalten). Weitere Faktoren sind die heterogene Qualität und der Zugang zu medizinischer Versorgung sowie die beschränkten Erfahrungen mit der langfristigen Sicherheit und Wirksamkeit von Malariamedikamenten. Darüber hinaus wandeln sich die Resistenz der Parasiten, die saisonale Verbreitung und die Übertragungsintensität mit den wechselnden Umwelt- und Populationsbedingungen (Lin H. Chen, Malaria in long-term travellers and expatriates, Center for disease controle and prevention).
Marc De Greef, Karla Van den Broek, Odette Wlodarski