Arbeitsschutz

Das neue Präventionsgesetz und seine Bedeutung für die Arbeitswelt

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Am 18. Juni 2015 verabschiedete der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz – PrävG). Es regelt vor allem den § 20 „Primäre Prävention und Gesundheitsförderung“ des Sozialgesetzbuches V (SGB V) für die Gesetzliche Krankenversicherung umfassend neu und hat auch große Bedeutung für den Arbeitsschutz und die betriebliche Gesundheitsförderung.

1. Ziel und Ansatz des Präventionsgesetzes
Ziel dieses Gesetzes ist es,

· die Gesundheitsförderung und Prävention insbesondere in den Lebenswelten zu stärken.

· die Leistungen der Krankenkassen zur Früherkennung von Krankheiten weiterzuentwickeln und

· das Zusammenwirken von betrieblicher Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz zu verbessern.

Der strategische Ansatz der Maßnahmen nach diesem Gesetz zielt vor allem auf die sog. „Lebenswelten“. Das Gesetz definiert sie als „für die Gesundheit bedeutsame, abgrenzbare soziale Systeme insbesondere des Wohnens, des Lernens, des Studierens, der medizinischen und pflegerischen Versorgung sowie der Freizeitgestaltung einschließlich des Sports“ (§ 20a Abs. 1 Satz 1). Maßnahmen der Krankenkassen zur Gesundheitsförderung und Prävention in diesen Lebenswelten sollen „unter Einbeziehung aller Sozialversicherungsträger sowie der privaten Krankenversicherung und der privaten Pflege-Pflichtversicherung“ von statten gehen. „Bewährte Strukturen und Angebote“ in den jeweiligen Lebenswelten sollen genutzt werden.1

Die Arbeitswelt fehlt zwar in der Aufzählung der Lebenswelten. Als die einzige Lebenswelt, für die schon ein im Prinzip flächendeckendes System der Prävention und Gesundheitsförderung existiert, gibt es im Gesetz aber besondere Regelungen.

2. Nationale Präventionsstrategie: Kooperation, Koordination und neue Strukturen
Mit dem Gesetz sollen die strukturellen Grundlagen für eine dauerhafte, verbindliche und zielorientierte Kooperation der Sozialversicherungsträger unter Einbeziehung weiterer verantwortlicher Akteure auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene geschaffen werden.Hierfür wird es zwei Handlungsebenen geben:

Auf Bundesebene

· wird eine Nationale Präventionskonferenz (NPK) geschaffen, die eine Nationale Präventionsstrategie erarbeitet.Neben der GKV werden verpflichtend die gesetzliche Renten-, Unfall- und die Soziale Pflege-Versicherung2 eingebunden. Die private Kranken- und Pflegepflicht-Versicherung kann sich beteiligen, wenn sie angemessen finanziell beiträgt. Die Bundesagentur für Arbeit wird beteiligt. Bund und Länder wie u. a. auch die Spitzenverbände der Sozialpartner bekommen eine beratende Stimme. Die Geschäftsstelle der Nationalen Präventionskonferenz übernimmt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

· In der Nationalen Präventionskonferenz werden bundeseinheitliche trägerübergreifende Rahmenempfehlungen insbesondere für gemeinsame Ziele, vorrangige Handlungsfelder und Zielgruppen festgelegt – dies auch unter Berücksichtigung der Ziele der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA). Dabei sind so gut wie alle für Prävention und Gesundheitsförderung relevanten wissenschaftlichen Disziplinen explizit zu berücksichtigen. Die Leistungsträger und ihre Verbände können wissenschaftlich zu begleitende Modellvorhaben zur Erreichung der in den Rahmenempfehlungen festgelegten gemeinsamen Ziele einzeln oder in Kooperation mit Dritten durchführen.

· Ein regelmäßig alle vier Jahre zu erstellender Präventionsbericht über die Entwicklung der Gesundheitsförderung und Prävention dient der Dokumentation und Evaluation sowie als Grundlage für die Weiterentwicklung gemeinsamer Ziele sowie der Kooperation und Koordination.

· Ein Präventionsforum, in dem vor allem die maßgeblichen Organisationen und Verbände im Bereich von Prävention und Gesundheitsförderung vertreten sein sollen, berät die Nationale Präventionskonferenz. Mit der Geschäftsführung wird die Bundesvereinigung für Prävention und Gesundheitsförderung (BVPG) beauftragt.

Die neuen Strukturen sind weitgehend3 analog zu denen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) gem. Abschnitt Fünf Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) aufgebaut.

Auf Landesebene

· schließen die Sozialversicherungsträger zur Umsetzung der nationalen Präventionsstrategie und zur Sicherung der Zusammenarbeit mit den in den Ländern zuständigen Stellen Landesrahmenvereinbarungen. Hier werden auch die für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörden beteiligt bzw. können der Rahmenvereinbarung beitreten.

· Die genannten Modellvorhaben können auch auf Landesebene zum Einsatz kommen.

3. Gesundheitsziele im Präventionsgesetz
Generell sollen durch Leistungen der Krankenkassen Krankheitsrisiken verhindert und vermindert (primäre Prävention) sowie selbstbestimmtes gesundheitsorientiertes Handeln der Versicherten gefördert werden (Gesundheitsförderung).4

Die Leistungen sollen insbesondere auch zur Verminderung sozial bedingter sowie geschlechtsbezogener Ungleichheit von Gesundheitschancen beitragen.

Das Gesetz wird hinsichtlich der zu berücksichtigenden Gesundheitsziele erstaunlich konkret. Explizit genannt werden:5

1. Diabetes mellitus Typ 2: Erkrankungsrisiko senken, Erkrankte früh erkennen und behandeln,

2. Brustkrebs: Mortalität vermindern, Lebensqualität erhöhen,

3. Tabakkonsum reduzieren,

4. gesund aufwachsen: Lebenskompetenz, Bewegung, Ernährung,

5. gesundheitliche Kompetenz erhöhen, Souveränität der Patientinnen und Patienten stärken,

6. depressive Erkrankungen: verhindern, früh erkennen, nachhaltig behandeln,

7. gesund älter werden und

8. Alkoholkonsum reduzieren.

Dabei sind auch die von der Nationalen Arbeitsschutzkonferenz (NAK) im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) entwickelten Arbeitsschutzziele zu berücksichtigen. Aktuell gilt durch Beschluss der NAK für die GDA-Periode 2013 –2018, dass Bund, Länder und Unfallversicherungsträger ihre Präventionsaktivitäten schwerpunktmäßig auf die Umsetzung von drei gemeinsamen Arbeitsschutzzielen ausrichten:

· Verbesserung der Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes

· Verringerung von arbeitsbedingten Gesundheitsgefährdungen und Erkrankungen im Muskel-Skelett-Bereich

· Schutz und Stärkung der Gesundheit bei arbeitsbedingter psychischer Belastung

4. Finanzierung
Die Leistungen der Krankenkassen zur Prävention und Gesundheitsförderung werden durch das Gesetz mehr als verdoppelt, von 3,09 Euro auf 7 Euro jährlich für jeden Versicherten ab 2016. 45 Cent je Versicherten zahlen die Krankenkassen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zur Unterstützung von Präventionsmaßnahmen, das wären ab 2016 rund 35 Millionen Euro pro Jahr, die von den Krankenkassen an die BZgA fließen. Somit könnten die Krankenkassen künftig jährlich mindestens rund 490 Millionen Euro im Jahr für den Zweck des Gesetzes investieren. Zusammen mit dem Beitrag der Pflegekassen in Höhe von rund 21 Millionen Euro stehen damit künftig rund 511 Millionen Euro im Jahr für Leistungen zur Prävention und Gesundheitsförderung bereit.

Der Schwerpunkt soll bei der Gesundheitsförderung in den Lebenswelten und bei der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) liegen: Der Mindestwert für Leistungen soll in den beiden Bereichen jeweils zwei Euro je Versicherten betragen, was insgesamt mindestens rund 300 Mio. Euro jährlich ausmacht.

Die Krankenkassen müssen ab 2016 mit jährlichen Mehrausgaben von 250 bis 300 Millionen Euro pro Jahr rechnen. Die privaten Krankenversicherungen können sich freiwillig an der Nationalen Präventionskonferenz beteiligen. In diesem Fall werden sie jährlich mit 18 Millionen Euro belastet. Die Privaten Pflegeversicherungen müssen in diesem Fall mit Mehrausgaben von insgesamt 2,7 Millionen Euro rechnen.

5. Gesundheitsuntersuchung und Impfwesen
Das Gesetz sieht vor, dass die bestehenden Gesundheits- und Früherkennungsuntersuchungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene weiterentwickelt werden. Zur Förderung einer zielgruppengerechten Inanspruchnahme von Präventionsleistungen soll die derzeit vorrangig auf die Krankheitsfrüherkennung ausgerichtete Gesundheitsuntersuchung nach dem SGB V zu einer primärpräventiven Gesundheitsuntersuchung weiterentwickelt werden.

Das Gesetz erlaubt jetzt den Betriebsärzten bzw. Fachärzten für Arbeitsmedizin, Impfungen und Check-ups mit den Krankenkassen abzurechnen. Ebenso soll deren „Präventionsempfehlung“ Berücksichtigung finden bei den Angeboten der Krankenkassen.

Bei allen Routine-Gesundheitsuntersuchungen soll künftig der Impfschutz für Kinder, Jugendliche und Erwachsene ebenso wie bei den Jugendarbeitsschutzuntersuchungen überprüft werden. Auch Betriebsärzte sollen künftig wie Vertragsärzte allgemeine Schutzimpfungen vornehmen können. Medizinische Einrichtungen dürfen die Einstellung von Beschäftigten vom Bestehen eines erforderlichen Impf- und Immunschutzes abhängig machen.

6. Besondere berufliche und familiäre Belastungssituationen
Für Versicherte in der GKV mit besonderen beruflichen oder familiären Belastungssituationen wie z. B. Beschäftigte in Schichtarbeit und pflegende Angehörige, die nicht an regelmäßigen mehrwöchigen Angeboten teilnehmen können, wird ein Anreiz für die Inanspruchnahme geeigneter Präventions- und Vorsorgeleistungen geschaffen. Neben wohnortnahen Angeboten, die grundsätzlich eine mehrwöchige regelmäßige Teilnahme erfordern, sollen sie künftig auch wohnortferne Angebote in kompakter Form besser wahrnehmen können, indem sie einen Zuschuss zu den übrigen Kosten erhalten können, die ihnen im Zusammenhang mit dieser Leistung entstehen.

Stärkung der BGF
Die Krankenkassen fördern mit Leistungen zur Gesundheitsförderung in Betrieben insbesondere den Aufbau und die Stärkung gesundheitsförderlicher Strukturen.

Hierzu erheben sie unter Beteiligung der Versicherten und der Verantwortlichen für den Betrieb sowie der Betriebsärzte und der Fachkräfte für Arbeitssicherheit die gesundheitliche Situation einschließlich ihrer Risiken und Potenziale und entwickeln Vorschläge zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation sowie zur Stärkung der gesundheitlichen Ressourcen und Fähigkeiten und unterstützen deren Umsetzung.

Dabei arbeiten die Krankenkassen mit dem zuständigen Unfallversicherungsträger sowie mit den für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden zusammen. Sie können diese Aufgaben auch durch andere Krankenkassen, durch ihre Verbände oder durch zu diesem Zweck gebildete Arbeitsgemeinschaften (Beauftragte) mit deren Zustimmung wahrnehmen lassen und sollen bei der Aufgabenwahrnehmung mit anderen Krankenkassen zusammenarbeiten.

Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren
Die Krankenkassen unterstützen die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung bei ihren Aufgaben zur Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren. Insbesondere erbringen sie in Abstimmung mit diesen auf spezifische arbeitsbedingte Gesundheitsrisiken ausgerichtete Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung und informieren diese über die Erkenntnisse, die sie über Zusammenhänge zwischen Erkrankungen und Arbeitsbedingungen gewonnen haben.

Ist anzunehmen, dass bei einem Versicherten eine berufsbedingte gesundheitliche Gefährdung oder eine Berufskrankheit vorliegt, hat die Krankenkasse wie bisher schon dies unverzüglich den für den Arbeitsschutz zuständigen Stellen und dem Unfallversicherungsträger mitzuteilen.

Zur Wahrnehmung dieser Aufgaben arbeiten die Krankenkassen eng mit den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung sowie mit den für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden zusammen. Dazu sollen sie und ihre Verbände regionale Arbeitsgemeinschaften bilden.

Bessere Bedingungen für KMU
Die umfangreicheren Leistungen der Krankenkassen sollen vor allem auch dafür eingesetzt werden, dass kleine und mittelständische Betriebe mehr für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter tun. Dazu soll die betriebliche Gesundheitsförderung stärker mit dem Arbeitsschutz verflochten werden. Die Kompetenz der Betriebsärztinnen und Betriebsärzte und der Fachkräfte für Arbeitssicherheit ist verbindlich zu nutzen, indem sie an der Ausführung von Leistungen im Betrieb zu beteiligen sind.

Zur Sicherstellung eines niedrigschwelligen und unbürokratischen Zugangs zu diesen Leistungen werden die Krankenkassen verpflichtet, den Unternehmen in gemeinsamen regionalen Koordinierungsstellen Beratung und Unterstützung anzubieten. Um die regionale Netzwerkbildung zu fördern, sollen die Krankenkassen mit örtlichen Unternehmensorganisationen kooperieren. Die Krankenkassen fördern diese Netzwerke aus Mitteln, die nicht vollständig für eigene Projekte der betrieblichen Gesundheitsförderung benötigt werden. Die Möglichkeit der Krankenkassen, Boni für Arbeitgeber und für an Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung teilnehmende Versicherte zu leisten, wird verbindlicher gestaltet.

8. Zusammenfassung, Bewertung und Ausblick
Das Gesamtziel und der strategische Ansatz des Gesetzes erfahren zu Recht breite Zustimmung:

· Erstmals wird es in Deutschland eine abgestimmte Präventionsstrategie geben.

· Die Gesundheitsförderung wird direkt in den „Lebenswelten“, also z. B. in Kita, Schule und am Arbeitsplatz gestärkt.

· Dabei müssen auch Menschen mit ungünstigen sozialen Voraussetzungen und Defizitbereiche wie KMUs in den Blick genommen werden.

· Die Grundlagen für eine stärkere Zusammenarbeit der Sozialversicherungsträger, Länder und Kommunen und anderer Akteure in der Prävention und Gesundheitsförderung werden umfassend gestärkt.6

· Dies gilt auch für die Kooperation der Krankenkassen selbst, so z. B. im Hinblick auf BGF-Leistungen in Branchen, wo alle Krankenkassen wegen zu geringer Mitgliederzahlen „desinteressiert“ sind.

· Auf nationaler Ebene muss die Rolle des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in der Prävention grundlegend gestärkt werden.

· Last not least steht künftig ein verlässliches Mindest-Finanzvolumen für Prävention und Gesundheitsförderung vor allem in den Lebenswelten zur Verfügung.7

Im Hinblick auf Prävention und Gesundheitsförderung bei der Arbeit ist festzuhalten:

1. Kooperation von Arbeitsschutz und BGF
BGF und Arbeitsschutz werden auf allen Ebenen durchgängig eng verknüpft u. z. im Sinne eines Unterstützungs- und Ergänzungsverhältnisses der Maßnahmen der GKV zu den Arbeitgeberpflichten im Arbeitsschutz und dem Präventionsauftrag der Gesetzlichen Unfallversicherung:

· Die GDA und ihre Ziele werden in der nationalen Präventionsstrategie berücksichtigt.

· Auch auf Länderebene sind die Arbeitsministerien jetzt im Rahmen der länderbezogenen Präventionsaktivitäten zu beteiligen. Formal waren sie bisher bei der BGF „außen vor“.

· Die Kooperation mit der Gesetzlichen Unfallversicherung geht soweit, dass die BGF-Maßnahmen sogar auch der Prävention konkreter arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren dienen sollen.

· Die Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit werden unmittelbar bei BGF-Maßnahmen beteiligt und bekommen so de facto neue Aufgaben.

· Die Betriebsärzte bzw. Fachärzte für Arbeitsmedizin können zukünftig Impfungen und Check-ups mit den Krankenkassen abrechnen.8 Ihre „Präventionsempfehlungen“ werden bei den Angeboten der Krankenkassen berücksichtigt.

· Die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung und die betrieblichen Arbeitsschutzstrukturen sind bei BGF-Maßnahmen zu berücksichtigen.

2. Systematisierung und Erweiterung der BGF
Andererseits wird die Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt als eigenständiges Handlungsfeld gestärkt:

· Die Aufgaben in der BGF werden in paralleler Formulierung zu den Arbeitgeberpflichten im Arbeitsschutzgesetz systematisiert, sozusagen ein „Traumpass“ für die Kooperation!

· Der grundsätzliche und verpflichtende Beteiligungsansatz der BGF kann positiv in den Arbeitsschutz und seine Pflichtmaßnahmen hineinwirken.

· Lücken in der Versorgung der Betriebe mit BGF-Maßnahmen, die durch die Strukturen der GKV bedingt sind, können geschlossen werden.

· Ausgehend von den Strukturen des Arbeitsschutzes und ihrer Stärkung ist die GKV aufgerufen, „strukturinnovativ“ tätig zu werden. So könnten z. B. in Zeiten der Entgrenzung der Erwerbsarbeit neue Formen der Kooperation für Heimarbeit, mobiles Arbeiten, Crowd Working usw. erprobt werden.

· Auch die Modellvorhaben bedeuten gerade in diesem Sinne für alle Präventionsakteure der Arbeitswelt eine große Chance.

· Für die Kooperation mit den Arbeitgebern von KMUs sollen neue gemeinsame Stellen und Vernetzungen aufgebaut werden. Die GKV kann so ein echter Präventions- und BGF-Akteur in der Fläche werden.

Angesichts der bis heute noch vielfach völlig beziehungslosen „Parallelwelten“ der allgemeinen Gesundheitspolitik und des Arbeitsschutzes stellen die neuen Regelungen einen wirklich großen Fortschritt dar! Der Ansatz, die Strategie und die flächendeckende Infrastruktur des modernen Arbeitsschutzes sind in der allgemeinen Gesundheitspolitik über weite Strecken unbekannt. Andererseits kennt der Arbeitsschutz die übergreifenden Gesundheitsziele, z. B. zur Bewegung, Ernährung und Drogenprävention nicht bzw. hat damit in organisierter Form nichts zu tun.

Das Gesetz hat im Übrigen die Bedingungen dafür geschaffen, dass auch andere „Parallelwelten“, z. B. die der Rentenversicherung und der Arbeitsmarktpolitik, Kontakt mit dem Basisbereich der betrieblichen Prävention aufnehmen können – und vice versa!

Zu guter Letzt: Alle Prognosen über Schwierigkeiten in der Umsetzung des Gesetzes werden natürlich Recht behalten. Auf Dauer ist dem klaren Auftrag des Gesetzes aber nicht auszuweichen, Nachbesserungen im Detail eingeschlossen.

Am 26. Oktober 2015 hat sich die Nationale Präventionskonferenz (NPK) konstituiert. Die NPK will bereits Anfang 2016 die bundeseinheitlichen „Rahmenempfehlungen für Prävention und Gesundheitsförderung“ verabschieden9, ebenso auch Landesrahmenvereinbarungen.

Tamara Hammer

Bruno Zwingmann

1. Zur Unterstützung der Krankenkassen bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben soll die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit der Entwicklung krankenkassenübergreifender Leistungen, deren Implementierung und deren wissenschaftlicher Evaluation beauftragt werden.

2. Der Auftrag der gesetzlichen Pflegeversicherung wurde dafür erweitert.

3. Nur bei der Geschäftsführung des Präventionsforums geht das Präventionsgesetz einen Schritt weiter als die GDA, indem es die Bundesvereinigung für Prävention und Gesundheitsförderung beauftragt, die ja schon die Aufgabe hat, die Organisationen und Verbände in diesem Bereich zusammenzuführen ähnlich wie dies Aufgabe der Basi für die Arbeitswelt ist.

4. Damit schafft das Präventionsgesetz auch eine Legaldefinition von „primärer Prävention“ und „Gesundheitsförderung“.

5. Die amtliche Begründung weist darauf hin, dass es zu diesen Gesundheitszielen mehrere Bekanntmachungen des Bundesgesundheitsministeriums gibt.

6. Kritisiert wird hier lediglich die Rolle und vor allem Finanzierung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung durch Finanzmittel der Krankenkassen, handelt es sich doch nicht um Steuergelder, sondern um Beitragsmittel der Versicherten.

7. Kritisiert wird die alleinige finanzielle Beanspruchung der GKV für eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

8. Die neuen Aufgaben schaffen bei aller grundsätzlichen Zustimmung auch Probleme in der Abgrenzung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge und zur betriebsärztlichen Betreuung nach Arbeitssicherheitsgesetz und dies vor dem Hintergrund eines ohnehin bestehenden Betriebsärztemangels.

9. Diese können an den schon bestehenden GKV-Leitfaden Prävention anknüpfen.

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