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DBfK-Positionspapier zur Einführung einer betrieblichen Gesundheitspflegerin

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International ist das Handlungsfeld Occupational Health Nursing/betriebliche Gesundheitspflege etabliert. Pflegefachpersonen spezialisieren sich in Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz und werden in Betrieben und Einrichtungen als Occupational Health Nurses (OHN) eingesetzt. Neben einer pflegerischen Grundqualifikation verfügen OHNs über Kenntnisse in Personalentwicklung, Hygiene, Public Health, Gesundheitsförderung, Case- und Caremanagement, Ergonomie, Unfallschutz, Arbeitsschutz etc. Ziel von betrieblichem Gesundheitsschutz ist die Minimierung der langfristigen Auswirkungen von Arbeit auf die Gesundheit der Beschäftigten.

In Deutschland wird der betriebliche Gesundheitsschutz durch Betriebsärzte (Arbeitsmediziner) und Fachkräfte für Arbeitssicherheit (FaSi, also Ingenieure, Techniker oder Meister1) wahrgenommen. Im betriebsärztlichen Dienst sind etwa 12.000 befähigte Arbeitsmediziner sowie gut 72.000 Fachkräfte für Arbeitssicherheit tätig. Weiterhin gibt es etwa 510.000 Sicherheitsbeauftragte und 1,4 Mio. in Erster Hilfe unterwiesene Personen.2

Die Betriebsärzte werden durch arbeitsmedizinisches Personal unterstützt. Hierbei handelt es sich meist um medizinische Fachangestellte (MFA) und/oder Rettungssanitäter/-assistenten; vereinzelt kommen auch Pflegefachpersonen („Betriebskrankenschwestern“) zum Einsatz. Das arbeitsmedizinische Personal entlastet die Ärzte durch Assistenz bei Routinetätigkeiten wie z. B. Reihenuntersuchungen.

Der Bedarf an betrieblichem Gesundheitsschutz bzw. betrieblicher Gesundheitsförderung steigt an. Gründe dafür sind das höhere Alter der Beschäftigten durch längere Lebensarbeitszeiten, vermehrtes Auftreten von chronischen Krankheiten und Multimorbidität sowie wachsender Arbeitsdruck und -verdichtung. Auch die psychische Gesundheit gewinnt an Relevanz. Zusätzliche Belastungen entstehen in den Familien, wenn ältere oder pflegebedürftige Familienangehörige unterstützt und gepflegt werden müssen. Diese zusätzliche Leistung zu erbringen fällt oft schwer, erschwert die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und z. B. auch die Teilnahme an Fort- und Weiterbildung.

Aktuelle Umfragen zeigen, dass Gesundheitsversorgung und -förderung in der Arbeitswelt zu kurz kommen (z. B. iga.Report 273). Diese Versorgungslücke könnte durch den Einsatz von Occupational Health Nurses geschlossen werden. Betrieblicher Gesundheitsschutz ist ein präventiv geprägtes Arbeitsfeld mit hohem Beratungsanteil. OHNs haben als Pflegefachpersonen einen anderen Zugang zu den Betroffenen, Gesundheitsvorsorge und -förderung sind explizite Bestandteile ihrer Ausbildung. Sie beraten lebensweltbezogen, z. B. zum Umgang mit chronischer Krankheit, bei Behinderung, nach Rehabilitation und zur beruflichen Wiedereingliederung nach Arbeitsunfähigkeit. Durch ihre spezifischen Kenntnisse zu Arbeitsbedingungen, dem persönlichen und beruflichen Werdegang des Beschäftigten und mittels geeigneter Assessments schätzen sie den Gesundheitszustand sowie die Gesundheitsprognose der Beschäftigten ein (WHO 2001). Sie identifizieren Belastungspunkte und minimieren diese. Bei Bedarf entwickeln sie passgenaue Gesundheitsprogramme, z. B. für ältere Mitarbeiter, bei Rückenschmerzen, zur Gewichtskontrolle, Raucherentwöhnung, psychischen und/oder häuslichen Belastungssituationen. Insbesondere der Beratungsbedarf von pflegenden Angehörigen zu Unterstützung, Bewältigung und Selbstsorge nimmt durch den demographischen Wandel zu. OHNs sind in vielen unterschiedlichen Rollen tätig. Die einhellige Bewertung von Experten lautet, dass der Einsatz von OHNs sich positiv auf die Produktivität auswirkt: Unfälle, Verletzungen, Erkrankungen und damit Fehlzeiten sowie Erwerbsunfähigkeit werden reduziert. Durch das Aufgreifen gesundheitsbezogener Fragen, die z. B. auch Familie, Partnerschaft oder Angehörige betreffen, kann die Konzentrationsfähigkeit am Arbeitsplatz erhöht werden (WHO 20014).

Dem wachsenden Bedarf an betrieblicher Gesundheitsversorgung und -schutz kann durch Arbeitsmediziner schon jetzt und zukünftig verstärkt aufgrund des Fachkräftemangels5 kaum nachgekommen werden. Laut Bundesärztekammer (BÄK, 2012) sind fast 60 % der Betriebsärzte über 60 Jahre alt. Nachwuchs ist auch aufgrund unattraktiver Vergütung rar.

Der DBfK setzt sich für die Einführung von Occupational Health Nursing als pflegerisches Tätigkeitsfeld in Deutschland ein. In den Nachbarstaaten und den USA sind Pflegende auf unterschiedlichsten Qualifikationslevels in großem Umfang in Public-Health-Rollen, wie z. B. im betrieblichen Gesundheitsschutz, tätig. Auch in Deutschland gab es bereits vor ca. 100 Jahren „Fabrikschwestern“, die sich durch Fortbildungskurse für „erfahrene Schwestern mit sozialen Erfahrungen und Vorkenntnissen“ qualifizierten. Occupational Health Nursing ist eine Ausprägung einer erweiterten Pflegepraxis (Advanced Nursing Practice-ANP) durch den Einsatz speziell qualifizierter Pflegefachpersonen nach internationalem Vorbild. Auch in Deutschland könnte die Einführung einer „betrieblichen Gesundheitspflegerin“ zur Weiterentwicklung des betrieblichen Gesundheitsschutzes einen wichtigen Beitrag zur Gesunderhaltung der Beschäftigten leisten. Dies gilt für sämtliche Einrichtungen und Betriebe und besonders auch für Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen.

DBfK-Bundesvorstand

Literatur

1. fernlehrgang.unfallkassen.de/webcom/show_article.php/_c-669/_nr-2314/i.html

2. www.dguv.de/medien/inhalt/zahlen/documents/schueler/dguvstatistiken2012d.pdf, S.91

3. www.iga-info.de/veroeffentlichungen/iga-reporte/iga-report-27.html (17.09.2014)

4. The Role of the Occupational Health Nurse in Workplace Health Management: www.who.int/occupational_health/regions/en/oeheurnursing.pdf

5. www.bundesaerztekammer.de/downloads/StatArb2012.pdf

6. icohweb.org/site_new/ico_homepage.asp

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