Ergonomie

Haltungsfeedback am PC-Arbeitsplatz

Zusammenfassung Zusammengesunkenes Sitzen belastet die Wirbelsäule. Empfehlungen, die Haltung am Arbeitsplatz häufiger zu verändern, scheitern jedoch meist an der praktischen Umsetzung. Ziel dieser Studie war zu untersuchen, ob durch ein Haltungsfeedbacksystem messbare Effekte hinsichtlich Kraft und Beweglichkeit des Rumpfes erzielt werden können. 50 Probanden, die mindestens 80 % im Sitzen arbeiten, wurden während der Arbeitszeit über sechs Wochen mit einem elektronischen Haltungstrainer ausgestattet. Dieser meldet mittels eines Vibrationsalarms eine Zunahme der lumbo-thorakalen Kyphose. Als Parameter erfasst wurden die Rückenstreckkraft, der Finger-Boden-Abstand sowie das Wohlbefinden und das Aktivitätsniveau mittels Fragebogen. Der Einsatz des Feedbacksystems resultierte in einer Zunahme (p < 0.05) der Rückenkraft sowie in einer Verbesserung der Rumpfbeweglichkeit (p < 0.05). Ebenfalls konnten Verbesserungen hinsichtlich des subjektiven Wohlbefindens und des Aktivitätsniveaus festgestellt werden. In einem Vergleichszeitraum, in dem kein Feedback erfolgte, ergaben sich keine Veränderungen. Das Feedbacktraining stellt einen hinreichenden Trainingsreiz für eine Verbesserung der muskulären Kraft des Rückens dar. Durch die Anwendung während der Arbeit können Wirbelsäulen belastende Haltungen reduziert und ein wirkungsvoller Beitrag zur Rückengesundheit erzielt werden. Schlüsselwörter

· Haltungstraining

· Wirbelsäule

· Arbeitsplatz

· Sitzen

· Feedback

· Posture training

· Spine

· Workplace

· Sitting

· Feedback

Einleitung
Rückenschmerzen sind epidemiologisch (Waddell 1996) und individualmedizinisch ein bedeutendes Gesundheitsproblem. Hohe Erkrankungs- und Arbeitsunfähigkeitsraten führen zu hohen direkten und noch mehrfach höheren indirekten Kosten für die Gesellschaft, insbesondere durch Produktionsausfall (Linton SJ 1998, Maniadakis 2000). Circa 37 % der Betroffenen entwickeln chronisch persistierende oder rezidivierende Schmerzen (Raspe 1993) und nur 40 % der Personen, die länger als sechs Monate rückenschmerzbedingt ausfallen, kehren an ihren Arbeitsplatz zurück. Da es sich bereits nach zwei Monaten abzeichnet, welche Personen gefährdet sind, chronische Schmerzen zu entwickeln (Klenerman et al. 1995), erscheint es geboten, bereits im frühen Stadium (4.-12. Erkrankungswoche) Präventionsmaßnahmen einzuleiten, die eine Chronifizierung von Rückenschmerzen verhindern.

Bedeutendste somatische Ursache von Rückenschmerzen stellt die degenerative Wirbelsäulenerkrankung dar. Anhaltend starke axiale Druckbelastung und verlangsamter Stoffaustausch im Zwischenwirbelabschnitt durch mangelnde Bewegung sind wesentlich für das frühzeitige Auftreten degenerativer Veränderungen der Bandscheiben beim Menschen verantwortlich. Verschieden Studien belegen, dass insbesondere längeres Sitzen als ein Risikofaktor für Rückenschmerzen angesehen wird (Anderson 1992, Anderson 1974). Nach Hedtmann et al und Pope et al. (Hedtmann 1990, Pope 2002)sind diese Schmerzen in erster Linie auf eine adynamische und fixierte Haltung während des Sitzen, v. a. am Arbeitsplatz, zurückzuführen. Weiterhin ist bekannt, dass eine zusammengesunkene Haltung zu zervikalen degenerativen Gelenkerkrankungen, Myelopathie, Impingementsyndrom der Schulter, Kopfschmerz und temporomandibulärem Dysfunktionen führen kann (Paris 1983).

Umgekehrt entlastet eine neutrale, aufrechte Sitzhaltung die Wirbelsäule auf die Dauer mehr als eine zusammengesunkene Sitzhaltung (Fischer 2004). Diese Aufrichtung schließt nicht aus, dass die Wirbelsäule in Bewegung bleibt. Schließlich erscheint eine dynamische Haltung im neutralen Bereich auf jeden Fall gesünder als eine statische Dauerbelastung der Gewebe am Ende der Bewegungsfähigkeit, wie etwa beim zusammengesunkenen Sitzen (Twomay 1994).

Ein Ansatz, um Einfluss auf die Haltung zu nehmen, ist die ergonomische Gestaltung unserer Umwelt. Eine gesunde Haltung kann aber nur erzielt werden, wenn auch das Haltungsbewusstsein geschult wird (Ernst 1992, Hedtmann 1990). Sehr häufig wird Patienten mit Rückenproblemen empfohlen, des Öfteren eine aktive Haltungsveränderung vorzunehmen. Obwohl dieser Sachverhalt allgemein bekannt und anerkannt ist, fällt die praktische Umsetzung im Alltag schwer. Da die Menschen heutzutage von Kindheit an viel sitzen (Schule, Ausbildung) und sitzende Berufe immer mehr zunehmen, wäre es daher sinnvoll, im Alltag ein Feedback zu erhalten, dass nach längeren Phasen zusammengesunkener Haltung daran erinnert, sich aufzurichten und zu bewegen. Ziel dieser Studie war es zu untersuchen, ob sich durch ein Haltungsfeedback das subjektive Wohlbefinden, das Aktivitätsniveau, die Mobilität und die Rückenkraft der Wirbelsäule verbessern lassen.

Untersuchungsablauf
Für die Studie wurden 50 Mitarbeiter aus drei Firmen aus dem Raum Tübingen untersucht. Hierbei handelte es sich um eine Firma aus dem IT-Bereich und zwei Firmen aus dem administrativen Verwaltungsbereich. Zum Eingangstest eingeladen wurden Mitarbeiter, die laut eigener Angaben mindestens 80 % ihrer Arbeitszeit sitzend verbringen. Die Probanden wurden gemäß den Vorgaben der lokalen Ethikkommission der Universität Tübingen über die Studie informiert und gaben ihr schriftliches Einverständnis zur Teilnahme.

Die Vermittlung der momentanen Körperposition erfolgt mittels eines kommerziellen Feedbackgerätes (ZEGRA-Haltungstrainer, www.haltungstrainer.de). Im Rahmen von Wiederholungsmessungen konnte eine ausreichende Genauigkeit des Haltungstrainers nachgewiesen werden (Fischer 2008). Des Weiteren zeigte sich im Vergleich mit einem klinischen Test eine gute Validität (Fischer 2008), so dass das System zur Erfassung von Haltungsparametern verwendet werden kann. Der Haltungstrainer wird auf oder unter der Kleidung mit Hilfe eines Gurtes auf dem Brustbein befestigt (Abbildung 1). Die Haltung wird gemessen über einen passiven Sensor, der beim Einschalten die aktuelle Krümmung als Referenzwert speichert und im weiteren Verlauf die aktuelle Haltung (Frequenz = 1 Hz) zum Referenzwert misst.

Überschreitet der Benutzer den voreingestellten Referenzwert durch eine lumbo-thorakale Kyphosierung, so löst dies einen Vibrationsalarm aus (Abbildung 1, rechtes Bild), der daran erinnert, sich wieder aufzurichten. Der Wert, ab welchem eine Zunahme der Kyphose rückgemeldet wird, konnte von den Probanden frei gewählt werden. Der Haltungstrainer bietet zwei Modi der Vibrationsauslösung, entweder sofort beim Überschreiten des Grenzwertes oder mit einer Verzögerung von 16 s. Um funktionelle Bewegungsabläufe nicht zu beeinträchtigen, erfolgte die Auslösung des Vibrationsalarmes mit einer Verzögerung von 16 s. Dies soll gewährleisten, dass ausschließlich eine Rückmeldung nach einer längeren statischen Phase erfolgt. Die Probanden wurden angewiesen, das Feedbacksystem an drei Tagen der Woche für jeweils vier Stunden während der Arbeitszeit zu tragen und immer einen Tag Pause zur Regeneration zwischen den Trainingstagen einzuhalten. Zur Kontrolle der Tragezeiten sollten diese in einem Trainingsbuch notiert werden.

Für die Durchführung der Studie wurden die Probanden in zwei Gruppen aufgeteilt. Aus organisatorischen Gründen erfolgte keine randomisierte Gruppenaufteilung, sondern Gruppe A bestand aus den Mitarbeitern der beiden Verwaltungsfirmen und Gruppe B aus den Mitarbeitern der IT-Firma. In Gruppe A waren 11 Frauen (41 ±9 Jahre) und 11 Männer (42 ±11 Jahre). Gruppe B setzte sich zusammen aus 8 weiblichen (40 ±6 Jahre) und 20 männlichen Mitarbeitern (37 ±6 Jahre).

Zuerst trainierte Gruppe A für sechs Wochen mit dem Haltungstrainer, während Gruppe B als Kontrollgruppe fungierte. Danach trainierte Gruppe B für sechs Wochen mit dem System und Gruppe A fungierte als Kontrollgruppe (Abbildung 2).

Für die Erfassung von Kraft, Mobilität, Wohlbefinden und Aktivitätsniveau kamen alle 50 Probanden zur Eingangs-, Zwischen- und Abschlussuntersuchung in die Sportmedizin Tübingen. Die Zwischenuntersuchung definierte dabei für Gruppe A das Ende der Trainingsphase und den Beginn der Trainingsphase für Gruppe B, während die Abschlussuntersuchung für Gruppe A die Kontrollphase und für Gruppe B die Trainingsphase beendete.

Rückenstreckkraft
Zur Analyse der isometrischen Rücken-extensionskraft wurde das DAVID System 110 zur Erfassung der lumbalen/thorakalen Extensionsmuskulatur verwendet. Von Denner (Denner 1997) wurde gezeigt, dass das Messsystem eine gute Reliabilität sowie Validität für die Erfassung der Rückenkraft bietet. Diese wird durch eine feste und exakt definierte Positionierung der Probanden gewährleistet. Die Messung der Kraft erfolgte hierbei in der vom Hersteller (Fa. DAVID, Ulm Deutschland) empfohlenen Standardposition (Hebelarm 30°). Diese Position entspricht einem Hüftflexionswinkel von 60° und einem Kniewinkel von 90°. Aus dieser Position hatte der Proband eine maximale Aufrichtung gegen den Hebelarm zu absolvieren, wobei die Arme vor der Brust verschränkt wurden. Um eine reproduzierbare Sitzposition bei allen Messungen zu gewährleisten, wurden die Geräteeinstellungen individuell für jeden Probanden in einem Versuchsprotokoll gespeichert.

Nach einer Instruktion sowie einer Probekontraktion, in der nur mit geringem Kraftaufwand gegen den Hebel gedrückt werden sollte, wurde der Proband aufgefordert, eine maximale Kraft für ca. 2 s gegen den Hebel auszuüben. Für die weitere Analyse wurde der Bestwert aus maximal 3 Messwiederholungen notiert.

Mobilitätstest
Für die Erfassung der Wirbelsäulenmobilität wurde als Test der Finger-Boden-Abstand (FBA) verwendet. Der FBA ist ein einfaches, kostengünstiges und schnell durchzuführendes Instrument zur Quantifizierung der Rumpfbeuge aus dem Stand (Ensink 1996). Er vermittelt dem Untersucher einen Eindruck über die Gesamtbeweglichkeit der lumbalen und thorakalen Wirbelsäule, des Beckens, der Hüftgelenke und der Arme (Saur et al. 1996). Der Test bietet eine sehr gute Validität, Reliabilität und Verlaufssensitivität (Perret 2001). Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass selbst unerfahrene und in der Methode ungeübte Therapeuten gute Ergebnisse erzielen können (Gauvin 1990).

Zur Bestimmung des FBA standen die Probanden ohne Schuhe auf einem Holzpodest von 20 cm Höhe, um auch einen FBA von < 0 erfassen zu können. Zur Ausführung des Tests standen die Probanden hüftbreit mit maximal extendierten Knien, so dass die Zehenspitzen bündig mit der Vorderkante des Podests abschlossen. Für eine exakte Messung des Abstands umgriffen die Probanden bei schulterbreitem Handabstand eine eckige Metallstange. Ziel des Tests war es, ohne Knieflexion mit der Metallstange möglichst nahe zum Boden zu kommen. Subjektives Wohlbefinden und Aktivitätsniveau
Das subjektive Wohlbefinden wurde mittels des California Functional Evaluation Test (CAFE) erfasst (Fung et al. 1997). Der Test wurde entwickelt, um das subjektive Wohlbefinden sowie das Aktivitätsniveau (Leistungsfähigkeit im Beruf und Alltag) zu evaluieren. Die Anwendung des Tests ist bedingt durch seine einfache Fragestellung leicht und zeigt mit r = 0.71 eine gute Test-Retest- Reliabilität (Fung et al. 1997).

Zur Erfassung des allgemeinen Wohlbefindens (Lebensqualität, Gesundheit, Konzentration, Energieniveau, Stimmung, Schlaf) wurden 8 Fragen gestellt sowie 13 Fragen das individuelle Aktivitätsniveau betreffend. Die Bewertung der Fragen erfolgte anhand einer Ordinalskalierung von 0-7 wobei 7 als „absolut richtig“ und 0 als „absolut falsch“ eingestuft ist. Des Weiteren sollten die Probanden auf einer Skala von 0 (kein Rückenschmerz) bis 10 (den schlimmsten Rückenschmerz, den ich kenne) angeben, ob Sie momentan unter Rückenschmerzen leiden. Außerdem wurde gefragt, ob bei Rückenschmerzen eine Medikamenteneinnahme erfolgt.

Statistische Methoden
Die statistische Analyse erfolgte mittels SPSS (Version 14.0). Für die grafische Darstellung wurden Mittelwerte sowie das 95% Konfidenzintervall berechnet. Die Me ssergebnisse an den unterschiedlichen Untersuchungszeitpunkten wurden per gepaartem t-Test und einem Signifikanzniveau von a = 5 % verglichen. Aufgrund der drei Messzeitpunkte, wurde auf multiples Testen nach Bonferroni adjustiert. Danach war ein einzelner Test signifikant, falls ein Signifikanzniveau von a = 0,05/3 = 0,017 unterschritten wurde.

Ergebnisse
Während der sechswöchigen Haltungstrainerphase, sollte der Haltungstrainer insgesamt 72 Stunden getragen werden. Die abgerundeten Eintragungen der Probanden im Trainingstagebuch ergaben im Mittel 55 Stunden, während der Haltungstrainer minutengenau 54,2 Stunden aufzeichnete. Dies bedeutet, dass die Angaben der Probanden zuverlässig waren und sie tatsächlich nur 3 x 3 Stunden pro Woche trainiert haben.

Wohlbefinden und Aktivitätsniveau
Die Einschätzung auf der Skala von 0–10 zum aktuellen Rückenschmerz zeigt für Gruppe A einen Mittelwert von 1,81 (SD±1,4) und 0,83 (SD±1,1) für Gruppe B. Für eine Angabe von signifikanten Veränderungen in der Schmerzsymptomatik war die Zahl der Probanden, die Rückenschmerz angaben, zu gering.

Die aus dem CAFE abgeleiteten Fragen zum Wohlbefinden und zum Aktivitätsniveau wurden als Mittelwert zusammengefasst. Beim subjektiven Wohlbefinden und beim Aktivitätsniveau per Fragebogen veränderten sich die Ergebnisse in der feedbackfreien Kontrollphase weder bei Gruppe A (p-Wert = 0,85) noch bei B (p-Wert = 0,80) signifikant, während die Ergebnisse nach dem Haltungstraining auch nach Adjustierung für multiples Testen signifikant besser waren (p = 0,006). Der Mittelwert sowohl im Fragenkomplex Aktivität als auch Wohlbefinden lag zu allen gemessenen Zeitpunkten bei beiden Gruppen und zu jedem Untersuchungszeitpunkt über einem Wert von 5 (Aktivität = 5,63 ±,08 SD, Wohlbefinden 5,4 ±,07 SD).

Isometrische Maximalkraft
Betrachtet man die in Abbildung 3 dargestellten isometrischen Kraftwerte, so lässt sich bei beiden Gruppen ein Zuwachs durch das Training aufzeigen. Im Vergleich hierzu hatte die Kontrollphase, in der nicht trainiert wurde, keine bzw. nur minimale Veränderungen zur vorhergehenden Untersuchung zur Folge (Abbildung 3). Wegen mangelnder Power in den Einzelgruppen wurde die statistische Signifikanz anhand der gemeinsamen Kraftwerte beider Gruppen ermittelt. Der gemeinsame Mittelwert der Rückenstreckkraft beider Gruppen betrug vor dem Training 245,76 ±90 Nm. Nach dem Training konnte eine signifikante (p = 0,004) Kraftzunahme auf 260,20 ±104 Nm aufgezeigt werden, was einem Zuwachs von 14,44 Nm oder 5,9 % (Gruppe A = 5,6 %, Gruppe B = 6,0 %) entspricht. In der als Kontrollphase bezeichneten Periode (kein Training) kam es zu keiner signifikanten Veränderung der maximalen Kraft (p = 0,29).

Mobilität
Betrachtet man den in Abbildung 4 dargestellten Finger-Boden-Abstand, so lässt sich nach der Trainingsphase bei beiden Gruppen eine Reduzierung des Abstandes (gleichbedeutend mit verbesserter Mobilität) darstellen. Die sechswöchige Kontrollphase der Gruppe B (vor der Trainingsphase) veränderte ihre Beweglichkeit nicht, während bei Gruppe A, nicht nur nach der Trainings-, sondern auch noch bei der folgenden Kontrollphase eine gewisse Beweglichkeitszunahme zu sehen ist.

Wegen mangelnder Power in den Einzelgruppen wurde die statistische Signifikanz anhand der gemeinsamen Beweglichkeitswerte beider Gruppen ermittelt. Die Messung des Finger-Boden-Abstandes zeigte eine signifikante (p = 0,001) Verbesserung von durchschnittlich 31,28 ±11cm vor dem Training auf 29,59 ±11cm nach dem Training. Dies entspricht einer Verbesserung von 1,69 cm oder 5,4 % (Gruppe A = 5,1 %, Gruppe B = 5,7 %). Die Kontrollphase bewirkte dagegen keinen signifikanten Unterschied (p = 0,36).

Diskussion
Da langes und insbesondere zusammengesunkenes Sitzen eine Reihe anatomischer Strukturen belastet und dadurch Rückenschmerzen verursachen kann, wird in verschiedenen Studien angeregt, häufiger die Haltungsposition zu wechseln und längere Phasen des zusammengesunkenen Sitzens zu vermeiden (Fischer 2008, Reinecke 1994). Eine entsprechende Korrektur fällt aber oft schwer, weil das Haltungsbewusstsein fehlt oder durch die Ablenkungen des Alltags verloren geht. Erfolgt kein externer Reiz, der eine Fehlhaltung regelmäßig ins Bewusstsein ruft und zu einer entsprechenden Korrektur veranlasst, sind es oft erst die Rückmeldungen der Nozizeptoren, die diese Funktion erfüllen. Sie führen aber im Sinne einer Prävention von rückenbelastenden Positionen nicht rechtzeitig zu Haltungskorrekturen. Aus diesem Grund erscheint die Rückmeldung von belastenden Positionen oder von zu lang andauernden statischen Positionen mittels externer Feedbacksysteme ein sinnvoller Ansatz im Umgang von Rückenproblemen.

Die Zunahme der Rückenstreckkraft während der Trainingsphasen in der vorliegenden Studie lässt darauf schließen, dass der voreingestellte Referenzwert im Verlauf einer Trainingseinheit häufig unterschritten wurde. Die hierauf folgende Aufrichtung des Rumpfes stellt in der Summe einen adäquaten Trainingsreiz für die Rückenmuskulatur dar. Hierbei wird vor allem der erector spinae beansprucht, der für eine Aufrichtung des Rumpfes verantwortlich ist (O”Sullivan 2006). Zieht man in Betracht, dass bei der Aufrichtung des Rumpfes ca. 30 % der Gesamtkörpermasse (Hanavan 1964) angehoben werden müssen, so bedeutet ein mehrmaliges Anheben des Rumpfes eine vor allem für Untrainierte hohe Reizanforderung. In diesem Zusammenhang wäre es sinnvoll, die Häufigkeit der Vibrationsrückmeldung zu erfassen, um eine genauere Beschreibung des tatsächlichen Trainingsumfangs zu dokumentieren.

Neben dem Kraftzuwachs konnte auch eine signifikante Verbesserung der Rumpfbeweglichkeit festgestellt werden. Diese verbesserte Mobilität könnte präventiv Rückenschmerzen vermeiden, die durch eine eingeschränkte Mobilität der Lenden- und Brustwirbelsäule verursacht werden (Denner 1997). Williams (Williams 1991) stellte fest, dass sich das Wohlbefinden von Rückenschmerzpatienten durch eine aufrechtere Haltung verbessern lässt. Daher wäre es möglich, dass es auch in der vorliegenden Studie diese Aufrichtung war, die das Wohlbefinden im Laufe der Haltungstrainingsphase steigerte, während es in den Kontrollphasen zu keinen signifikanten Veränderungen von Kraft und Mobilität kam. Auf welche Weise eine aufrechtere Haltung das Wohlbefinden steigert, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen. Bekannt ist allerdings, dass neben biomechanischen Vorteilen der aufrechten Haltung auch das Bewusstsein, aktiv etwas für die eigene Rückengesundheit tun zu können, ein wichtiger Beitrag zur Prävention von Rückenproblemen ist (Schneider 2005).

Wie aus den Abbildungen 3 und 4 ersichtlich, zeigte sich in Gruppe B nach dem sechswöchigen Training eine deutliche Verbesserung der Kraft und Mobilität, wohingegen es nach den vorhergehenden sechs Wochen ohne Feedback weder bei Kraft noch bei Mobilität zu Veränderungen gekommen war. Die Gruppe A hingegen, bei der die Kontrollphase auf die Trainingsphase folgte, verlor die in der Trainingsphase hinzugewonnene Kraft im Laufe der 6-wöchigen trainingsfreien Phase nicht. Die Mobilität der Gruppe A verbesserte sich in dieser Zeit sogar noch leicht. Dies lässt auf eine mindestens sechswöchige Nachhaltigkeit des Trainings schließen. Die Angaben zum Wohlbefinden bzw. zum Aktivitätsniveau legen den Schluss nahe, dass sich die Probanden als eher gesund und aktiv tätig einstuften. Nicht untersucht wurden Patienten mit akuten Rückenschmerzen. Aufgrund der Tatsache, dass bei nahezu Rückengesunden ein positiver Effekt auf die Kraft und Mobilität gefunden wurde, lässt die Folgerung zu, dass auch Patienten mit akutem Rückenschmerz von einem Feedbacksystem profitieren könnten. Zudem konnte ein einjähriges Haltungsfeedback bei zehn von zwölf Mädchen die Progredienz ihrer Skoliose stoppen (Dworkin et al 1985).

Der Haltungstrainer dieser Studie wurde von den Probanden während der Arbeit freiwillig sechs Wochen lang für durchschnittlich 3 x 3 Stunden pro Woche getragen und selbstständig angewendet. Dies lässt vermuten, dass der Haltungstrainer die Probanden in diesem Umfang nicht bei ihrer Arbeit behindert hat und somit für einen selbstständigen Einsatz am Büroarbeitsplatz geeignet ist. Dass er statt der vorgeschriebenen 3 x 4 Stunden im Schnitt nur 3 x 3 Stunden pro Woche getragen wurde, könnte ein Hinweis darauf sein, dass dies die praktikable Obergrenze darstellt. Nachdem diese Trainingsdauer offensichtlich schon ausreicht, um signifikante Effekte zu erzielen, wäre es interessant zu sehen, wie eine Kontrollgruppe mit nur 3 x 2 oder 3 x 1 Stunde abschneidet.

Fazit für die Praxis
Unsere Ergebnisse zeigen, dass ein sechswöchiges Training mit je 3 x 3 Stunden automatischem Haltungsfeedback pro Woche die Beweglichkeit der Wirbelsäule, die Kraft der Rückenstreckermuskulatur, das subjektive Wohlbefinden und das Aktivitätsniveau positiv beeinflusst. Ein einfach zu handhabendes Feedbacksystem kann deshalb in der Prävention und der Rehabilitation von Rückenschmerzen eine gute Ergänzung zu herkömmlichen Behandlungen darstellen. Ein Vorteil des Feedbacksystems ist die Einsetzbarkeit während der Arbeit, so dass ein nachhaltiges Training während der Arbeitszeit möglich ist.

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