Arbeitsschutz

Technikstress – Beanspruchung durch Technik Darstellung ausgewählter Ergebnisse einer Grundlagenuntersuchung zu Technikstress

Zusammenfassung Die rasante Veränderung der Arbeits- und Lebenswelt durch die Entwicklung und den Einsatz neuer innovativer Technik, stellt die Wissenschaft in die Verantwortung diese Prozesse kritisch zu hinterfragen und wissenschaftlich zu analysieren, um auf zukünftige Probleme oder neue Anforderungen adäquat zu reagieren oder Empfehlungen zu geben. In diesem Kontext wurde eine Grundlagenuntersuchung konzipiert. Ziel der nachfolgend beschriebenen Studie war es nachzuweisen, dass psychische Beanspruchung in Form von Technikstress bei unvorhergesehenem Technikversagen auftritt und subjektive Erlebenswerte von den Probanden, die im Berufsleben mit der PC Technik arbeiten, zu erfassen. In einem Laborexperiment wurden bei 136 Probanden während der Arbeit mit einem PC Hautleitfähigkeitswerte gemessen, per Videoaufzeichnung Reaktionen beobachtet und mit Fragebögen subjektive Erlebenswerte evaluiert. Alle Teilnehmer hatten die Aufgabe mit handelsüblicher PC Technik an einem Arbeitsplatz, wie er bei jedem Teilnehmer auch zu Hause eingerichtet sein könnte, einen Text von einer Papiervorlage in ein elektronisches Dokument zu übernehmen. Die Teilnehmer kamen aus unterschiedlichen Alters-, Sozial- und Berufsgruppen und waren zwischen 18 und 65 Jahre alt. Die Probanden wussten nicht, dass drei Ereignisse bei ihrer Arbeit auftreten werden, die Stresssituationen simulierten und die Arbeit beeinträchtigten. Der Versuchsaufbau und die große Datenmenge stellten eine Herausforderung für die Aufbereitung und Interpretation der Messwerte dar. Aus den Erkenntnissen der Hautleitfähigkeitswerte bei den simulierten Ereignissen, zu unterschiedlichen Fehlersuchzeiten und Erlebenswerten bei Technikversagen, wurde ein Erklärungsmodell für Technikstress entwickelt und Handlungsregularien für Hersteller und Nutzer abgeleitet. Auch im Ergebnis dieser Studie bleibt die Messung der Hautleitfähigkeitswerte als Methode zur Beanspruchungsmessung kritisch zu betrachten, da auch in einem standardisierten Laborexperiment nicht alle Einflussfaktoren in jedem Fall berücksichtig werden können, aber im Einsatz mit weiteren Methoden, wie Befragung und Reaktionsaufzeichnung dennoch interpretierbare Ergebnisse möglich sind. Schlüsselwörter Technikstress, Technikstressmodell, Handlungsregularien, psychische Beanspruchung Techic – stress – Strain caused by technology On overlook to selected outcomes of basic research about technological stress (Technic-stress). Summary By applying new and innovative technology the way of living and working is changing very fast. It is the responsibility of science to ask questions and analyze these processes in a critical way, so science can react and give appropriate advice to future problems and new demands. Considering this context a general sciences type study was designed. The goal was to find evidence for psychological strain in the shape of technological stress, if technology fails suddenly. In the same way, the subjectively perceived levels of strain of participants working occupational with a personal computer were recorded. In a laboratory experiment the skin conductive levels of 136 participants working with a personal computer were recorded and put together with video data of their reactions and questionnaires evaluating subjective perception. The task for the participants was to type a text from paper copy into an electronic document. Therefore they used a common personal computer at their workplace, in the same kind as it can be found in many homes. The participants had a different background of age and social and occupational status. The age was between 18 and 65 years. The participants did not know that during their task three interrupting events creating a stressful situation will take place. The design and the amount of data collected were a big challenge for further processing and interpretation of the outcomes. Considering the knowledge taken from the change in the skin conductive level during the events, from the difference in the participants error search times and from their subjective perceptions an explaining model for technological stress was developed. From this model standing orders of acting for producers and users of technology were derived. Even considering the outcome of this study, the recording of skin conductive levels as a measurement method for psychological strain should be considered as critical, because also in this laboratory setting not all of the influencing factors could be considered in every case. But together with other research methods like interviewing or recording of reactions an interpretation of the outcomes is possible. Keywords Technological stress, technological-stress-model, standing-orders of acting, psychological strain

1. Ausgangssituation

Durch neue innovative Technologien und technische Produkte kommen in schneller Folge Veränderungen in der Arbeitswelt, der privaten Freizeit und der gesellschaftlichen Umwelt auf die Nutzer zu. Die Komplexität und Multifunktionalität der technischen Systeme erweitert den Handlungsspielraum und den zeitlichen Einsatz von Technik in Arbeitsabläufen, wirft aber zugleich auch Fragen nach der technischen Zuverlässigkeit auf. Nicht jeder Mensch ist ein Technikfan, es gibt auch die Beweisforderer und die Gegner (Weil/Rosen, 1998). Das hängt in hohem Maße von der allgemeinen Einstellung zu Technik, der Kompetenz im Umgang mit Technik und der konkreten Akzeptanz des jeweiligen technischen Arbeitsmittels ab und wirft wiederum Fragen nach der menschlichen Zuverlässigkeit auf. Das Vertrauen in die ständig gleiche Verfügbarkeit der Arbeitstechnik verführt zu knapper Zeiteinteilung einzelner Tätigkeiten und zu technikabhängigem Selbstmanagement. Bei Versagen der Technik stellt sich die Frage nach technischen oder menschlichen Fehlern (Hacker, 1987; Reason, 1994; Hollnagel, 1998) und nach möglichen zusätzlichen Beanspruchungen für die Nutzer von Technik in konkreten Arbeitssituationen. Damit können in sicherheitsrelevanten Arbeitstätigkeiten Risiken verbunden sein. Grundsätzlich stellt sich immer auch die Frage nach Leistung und Gesundheit, wenn negativ erlebte Beanspruchungen im Arbeitsalltag betrachtet werden. Gerade das plötzliche und unvorhersehbare Versagen von Technik stellt eine Arbeitsunterbrechung mit Leistungsminderung und möglicher psychischer Beanspruchung dar. Zur Untersuchung von Technikstress (Hoppe/Binkowski, 2006) als Beanspruchung bei Versagen der Technik wurde deshalb ein Experiment konzipiert, bei dem Probanden, die aktiv im Arbeitsleben die PC Technik häufig nutzen, unter Laborbedingungen drei Ereignissen unwissentlich ausgesetzt waren, bei denen Indikatoren für Beanspruchungen gemessen, erfragt und beobachtet wurden.

1. Theorieansatz

In der vorgestellten Untersuchung wird Stress als eine Beanspruchungsfolge (Richter, 2008) auf die Psyche des Menschen betracht. Die Stressforschung selbst hat eine lange Tradition, in der die inhaltliche Beschreibung des Begriffes Stress (Cannon, 1930; Seyle, 1936; Lazarus 1974; Luczak 1979, Nitsch, 1981; Pauls, 2004) aus verschiedenen fachlichen Ansätzen heraus erfolgte. Um den Begriff Technikstress für die Untersuchung näher zu beschreiben wurden Studien zu Beanspruchungen, die im Zusammenhang mit der Technik auftraten, analysiert. Interessant waren z. B. Ansätze bei der Betrachtung von „Stress im Kopf“ (Lazarus/Folkman, 1984; Eberspächer, 2004) als Folge von negativer Einstellung und Antizipation. Ein weiterer Ansatz war auch die Formulierung der sechs Klassen zur Beschreibung der Belastung von Mc Grath (Richter, 2000), bei dem unter anderem die technisch komplexen Systeme betrachtet wurden. Eine wichtige inhaltliche Beschreibung von Stress, der im Umgang mit der Technik entstehen kann, war der vom amerikanischen Psychologen Craig Brod 1984 veröffentlichte „Computerstress“ als „… eine moderne Krankheit der Anpassung, die aus der Unfähigkeit, mit der neuen Computertechnik klar zu kommen resultiert“. Einbezogen wurde auch Erkenntnisse von Weil und Rosen zur Beschreibung von Technikstress aus einer 16-jährigen Untersuchung in 23 Ländern, dass Stress keine eigenständige Krankheit ist, sondern ein „…negativer Einfluss auf die Einstellung, die Gedanken, das Verhalten oder den körperlichen Zustand, der entweder direkt oder indirekt durch die Technik ausgelöst wird“ (Weil/Rosen, 1998). In Anlehnung an die allgemeinen Stressdefinitionen (Janis, 1984; Zimbardo, 1995), an die beschriebenen theoretischen Ansätze und aus verschiedenen eigenen Untersuchungen zu Beanspruchungen im Zusammenhang mit komplexen technischen Systemen (Hoppe/ Binkowski, 2006; Hoppe/Holzbecher/Kockrow, 2008; Hoppe/Binkowski/Haake, 2008; Hoppe, 2009) konnte eine inhaltliche Beschreibung von der Zentralkategorie Technikstress schon 2006 (Hoppe/Binkowski, 2006) vorgenommen werden, die durch die vorliegenden Untersuchungen überarbeitet wurde. „Technikstress ist eine spezielle Form von Stress, ein spezifisches oder unspezifisches Reaktionsmuster des Organismus auf äußere und innere Reizereignisse, die direkt oder indirekt durch Technik, das heißt schon durch die Gestaltung technischer Hilfsmittel, bei der Nutzung von technischen Hilfsmitteln und durch die allgemeine Einstellung und Akzeptanz gegenüber technischen Hilfsmitteln, entsteht und sein physisches und psychisches Gleichgewicht stört sowie seine Fähigkeiten zur Anpassung oder Bewältigung strapaziert oder überschreitet.“ (Hoppe, 2009). Unter Einbeziehung der vorhandenen Literatur und der eigenen empirischen Untersuchungen wurde ein Modell in drei Stufen zur Beschreibung und Erklärung von Technikstress als positive (z. B. Motivation zur Leistung, Erfolgserleben, …) oder negative (z. B. Vermeidungsverhalten, Misserfolgserleben, …) Beanspruchungsfolge erarbeitet. Nachfolgend soll die dritte Stufe des Technikstressmodells dargestellt werden (Abb.1), die auch theoretische Grundlage für die Konzeption der Untersuchungsmethodik für das Experiment war. Die Grafik beschreibt exemplarisch eine Technik-Mensch-Schnittstelle. Ein technisches Hilfsmittel (Richter, 2008) wirkt direkt durch eine Arbeitsaufgabe (im Experiment: Text verfassen) oder indirekt durch die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit der Tätigkeit als Reiz (Technikreiz) auf den Menschen ein (im Experiment: PC). Neben Umweltreizen (im Experiment: Versuchsraum), somatischen Reizen (im Experiment: aktuelle Befindlichkeit), Gedächtnisreizen (im Experiment: verschiedene Handlungsprogramme), Motivation (im Experiment: aktuelle Bereitschaft zur Aufgabenbewältigung) und Einstellung (im Experiment: aktuell positiv/negativ gegenüber der Gesamtsituation) wird der Technikreiz mit den eigenen subjektiven Kompetenzen (z. B. Fähigkeiten und Fertigkeiten) zur Erreichung des Handlungsziels (im Experiment: Text in 15 min übernehmen) verglichen, bewertet und sich im positiven Fall für ein Kompetenzprogramm, welches Erfolg verspricht, entschieden. Werden die individuellen Kompetenzen subjektiv als ausreichend bewertet und stellen einen Erfolg des Handlungsziels in Aussicht, entstehen positive Gefühle. Beim Fehlen von Kompetenzen oder Misserfolgsantizipation kann Unsicherheit und Angst eine Bewertungsfolge sein. Eine positive Selbstkontrolle kann wiederum die Mobilisierung von Kräften hervorbringen (Everly/Mitchell, 1998) und eine negative Bewertung (Nitsch, 1981) der eigenen Handlung führt im schlimmsten Fall zu Demotivation, negativer Einstellungsbildung, verstärkter Angst, Aggressionen oder Vermeidungsverhalten. Dies kann im weiteren Arbeitsverlauf zu Leistungsminderung, negativen Gefühlen und körperlichen Beschwerden führen. Beim Versagen von Technik (im Experiment: Text verschwindet) kann das Handlungsziel (im Experiment: Text erstellen) mit Anstrengung erreicht (im Experiment: Fehler 1) oder auch trotz großer Anstrengung nicht erreicht (im Experiment: Fehler 2) werden. Der Mensch erlebt z. B. ein Erschrecken, Herausforderung, Frustration, Wut, Abhängigkeitserleben, Hilflosigkeit oder Schuldgefühle und er gerät unter Zeitdruck (im Experiment: Ermahnung zur Zeiteinhaltung). Es entsteht oft zuerst eine positive Reaktion auf Herausforderung (Luczak, 1979), wie z. B. Handlungsbereitschaft, Handlungsausführung, Handlungserleben oder Aufwärmeffekte (Luczak, 1979) und kann dann negative Reaktionen bei Misserfolgserleben, wie z. B. negative Handlungsbereitschaft, Vermeidungsverhalten (Cannon, 1938 in Everly/Mitchell, 1998) und negative Emotionen oder innere Erschöpfung (Burisch, 2006) auslösen. Diese Gefühle beeinflussen in der Selbstkontrolle und in der Bewertung des Reizes, der direkt von der Technik ausgeht, die Motivation, die Einstellung und die Kompetenzprogramme und können diese nachhaltig tendenziell prägen. Positive und negative Vorwegnahmen der Zielerreichung und die Bewertung der Handlungserfolge oder -misserfolge sind in die modellhafte Darstellung aufgenommen worden. Der daraus entstehende Technikstress ist in der psychischen und physischen Beanspruchung mit positiven und negativen Effekten benannt (Abb. 1).

1. Untersuchungsmethodik

Die Problematik bei der Erfassung und Bewertung psychischer Vorgänge bestand darin, brauchbare Indikatoren zu finden, die in einem festgelegten Zusammenhang mit der Zielgröße stehen (Gutjahr, 1972). Die Untersuchung von Beanspruchung – ausgelöst durch Technikversagen – zum Hinweis auf erlebten Stress wurde sinnvoller Weise über die Erfassung von mehreren Daten vorgenommen, durch die Messung und Beobachtung von Reaktionen und durch die Befragung der Probanden. Diese mehrdimensionale Herangehensweise entspricht den Angaben der DIN EN ISO 10075–3:2004. Deshalb wurde die Situation betrachtet und die Reaktion im Kontext mit den inneren Dispositionen analysiert. Eine Zerlegung der Messwerte in analysierbare Komponenten (Zyklen zwischen den Ereignissen und die Ereignisse selbst) war dabei für die Erhebung und Interpretation wichtig. Problematisch erschien jedoch, dass aufgrund der komplexen Wirkungszusammenhänge (z. B. die aktuelle subjektive Befindlichkeit der Probanden, die besondere Situation, Beeinflussung durch Beobachter) aber auch durch begrenzte Zuverlässigkeit der Messungen und Befragungen nicht die gesamte Varianz Erklärung finden kann (Nachreiner, 2008). Für die quantitative Bewertung der psychischen Beanspruchung in der Mensch-Maschine-Interaktion wurde als wichtiger Indikator ein physiologischer Parameter, die elektrodermale Aktivität (Schandry, 1998) verwendet. Dieser Indikator ist für die Erfassung kurzfristiger Beanspruchungen und Beanspruchungsveränderungen gut geeignet (Nienhaber, 1997). Probleme bei der Verwendung sind in deren Mehrdeutigkeit und mangelnder Interkorrelation zu sehen (Nitsch, 1981). Physiologische Indikatoren verändern sich in Abhängigkeit von unterschiedlichen Einflussgrößen (z. B. körperlicher Aktivität, Emotion, Tagesrhythmus etc.), so dass eine eindeutige Zuordnung laut Nitsch nur unter der jeweiligen Stressreaktion zu einem ganz bestimmten Stressor bestenfalls unter extrem kontrollierten Bedingungen möglich ist. Deshalb wurde ein komplexes Testverfahren konzipiert, um diese kontrollierten Bedingungen für die Hautleitfähigkeitsmessung, Reaktionsbeobachtung und die Befragung in einem Versuchsablauf zu schaffen.

3.1 Befragung
In dem nachfolgend dargestellten wissenschaftlichen Laborexperiment erfolgten die Erfassung der aktuellen psychischen Bedingungen und die subjektiven Erlebenswerte durch Probandenbefragung. Hierzu kam ein Fragebogen mit geschlossenen Fragen in zwei Teilen zum Einsatz, der einmal vor der Arbeitsaufgabe und ein zweites Mal nach Beendigung der Arbeitsaufgabe den Probanden vorgelegt wurde. Verwendet wurden geschlossene Fragen, um eine Vergleichbarkeit der Aussagen möglich zu machen. Neben soziodemografischen Daten (Item F1a/b und F2), Daten zur Einstellung zu Technik (Item F3 bis F7) und Daten zur aktuellen individuellen Situation (Item F8 bis F11) im ersten Teil des Fragebogens, wurden im zweiten Teil, der nach Beendigung der Arbeitsaufgabe zum Einsatz kam, Daten zum subjektiv erlebten Stress (Item F12 bis F16) und Daten zur subjektiven Leistungsbewertung (F17 bis F19) erfasst. Verwendet wurde dabei eine vierstufige Likert-Skala zur Einstellungsmessung oder subjektiven Bewertung von Fähigkeiten. Hierbei waren die Skalenenden stets konträr zueinander. Die Antwortstufung wurde geradzahlig gewählt um sicherzustellen, dass der Befragte, auch bei spontaner Unsicherheit, eine zumindest tendenzielle Entscheidung trifft. Einige Items ließen Mehrfachantworten zu, wenn die Items nicht die Einstellung oder subjektive Bewertung von Fähigkeiten, sondern erlebte Situationen oder ähnliches betrafen. Für die Gewährleistung der Überschaubarkeit wurden die Antwortmöglichkeiten in diesen Fällen auf sechs begrenzt. Neutrale „Flucht-Antworten“ wie „sonstiges“ wurden nicht einbezogen, um auch hier eine Entscheidung des Befragten zu gewährleisten. Da der Fragebogen in Zusammenhang mit dem Versuch eingesetzt wurde, beträgt die Rücklaufquote 100 Prozent. Auch konnten die Teilnehmer während der Befragung Unsicherheiten im Verständnis der Fragen mit einem anwesenden Versuchsbegleiter klären, sodass alle Fragebögen verwendet werden konnten.

3.2 Messung
Die Auswertung der Veränderungen des Hautleitwertes erlaubt die Bewertung der psycho-physischen Beanspruchung (Luczak, 1979). Nach Nitsch und Udris (Nitsch/Udris, 1976) sind Hautleitwertmessungen zwar sehr sensibel, jedoch nicht immer zuverlässig für alle Beanspruchungs- und Ermüdungsuntersuchungen, aber eine akzeptable Möglichkeit zur Erfassung emotionaler Zustände und Stressreaktionen, also für die hier beschriebene Untersuchung geeignet. Die elektrodermale Aktivität ist ein guter Indikator des Sympathikotonus (der inneren Anspannung) (Bruns, 2002). Die Hautleitfähigkeit kann nur an den ausschließlich sympathisch gesteuerten ekkrinen Schweißdrüsen der Hand- und Fußinnenflächen registriert werden, als Veränderungen (messbar 1,5 bis 6 Sekunden nach Ereigniseintritt) bioelektrischer Eigenschaften der Haut. Die psychophysiologischen Daten wurden mit dem Par-Port/ F Gerät der Firma PAR Medizintechnik Berlin erhoben. Die Ableitung der elektrodermalen Aktivität erfolgte, im hier beschriebenen Experiment, mit Hilfe von zwei auf der Handinnenfläche (hypothenar) angebrachten Ag/AgCl- Mehrfachelektroden (Ø 9mm) an der nichtdominanten Hand. Die Ag/AgCl-Mehrfachelektroden wurden mit Elektrodengel bestrichen und zusätzlich mit einer elastischen Binde befestigt, um ein Verrutschen zu vermeiden. Die zu erwartenden Veränderungen des Hautleitwertes wurden dabei als EDA registriert und gespeichert. Die individuelle Reaktion auf Belastungen kann sowohl in Form einer Hyperaktivierung, als auch in Desaktivierung des Organismus als Reizreaktion auftreten (Nitsch, 1981). Prinzipiell sind Beanspruchungsanteile in einer beobachteten Situation als sprunghafte Steigerung des Hautleitwertes zu erkennen (Hoppe/Binkowski/Kockrow, 2008). Gleichzeitig kann auch ein arbeitsbedingter Anstieg vorliegen (Luczak, 1979). Deshalb wurden die Veränderungen nach und die Zyklen zwischen den Ereignissen als Messdaten aufgezeichnet und mit Reaktionsbeobachtungen in Beziehung gesetzt. Gemessen wurden physiologische Parameter in Form von Skin Conductance Response (SCR) und Skin Conductance Level (SCL), jeweils in Mikrosiemens erfasst.

3.3 Beobachtung
Die wissenschaftliche Beobachtung wurde mit einem Beobachtungsplan (Bortz/Döring, 2006), der den Beobachtungsgegenstand vorgibt, durchgeführt. Der Planungsvorgang der systematischen Beobachtung erfolgte anhand der Modellierungsregeln (Bortz/Döring, 2006) Selektion, Abstraktion, Klassifikation, Systematisierung und Relativierung und legte Ort, Zeit, die Art, den Umfang, wesentliche und unwesentliche Beobachtungsinhalte sowie den Zeitpunkt der Beobachtung fest. Die zu beobachtende Situation wurde künstlich hergestellt, war jedoch im Wesentlichen auf die Realität übertragbar. Im vorliegenden Versuchsaufbau wurde eine verdeckte nicht-teilnehmende Beobachtung durchgeführt, um eine Beeinflussung oder Verunsicherung der Teilnehmer durch die Anwesenheit der Beobachter auszuschließen. Daher wurde eine nonreaktive, apparative Beobachtungsform mittels Videoaufzeichnung gewählt. Bei der Auswertung der Videoaufzeichnung waren stets die eingewiesenen Beobachter zugegen, um eine subjektive Verfälschung der Daten in der Deutung zu verringern. Die Datenauswertung erfolgte quantitativ. Mit Hilfe des mit MS Excel erstellten Beobachtungsprotokolls konnten die wesentlichsten Reaktionen der Probanden im Rahmen der Untersuchung erfasst werden. Das Beobachtungsprotokoll wurde ausschließlich für diese Beobachtung erstellt. Hierbei wurden für die Modellierung der Kategorien folgende Regeln beachtet: Ausschließlichkeit, Vollständigkeit, Konkretheit und Begrenztheit. Es wurden alle Reaktionen, die auf das plötzliche Technikversagen zu erkennen waren aus den Verhaltensaufzeichnungen im Nachgang aufgeschrieben und nach Häufigkeit in Gruppen zugeordnet. Einige Reaktionen wurden zeitsynchron protokolliert, z. B. das Bemerken des Fehlers, um die Reaktion den gemessenen Hautleitwertveränderungen zeitlich zuordnen zu können.

3.4 Versuchsbeschreibung
Die Teilnehmer kamen aus der Region Cottbus und die Zusammensetzung der Probandengruppe erfolgte zufällig. Die Probandengewinnung wurde per Direktansprache durchgeführt. Dabei wurden größere Gruppen, wie Studierende, Professoren und Mitarbeiter der Universität mündlich über die Versuche vorabinformiert und zur Teilnahme eingeladen. Weiterhin konnten Kooperationspartner aus dem Mittelstand und der Industrie zur aktiven Teilnahme durch Vorträge in den Unternehmen gewonnen werden. Teilnehmerlisten mit Datums- und Zeitangabe für den jeweiligen Versuch lagen dabei aus und konnten sofort genutzt werden. Alle Teilnehmer, die sich bereiterklärten, wurden auch als Probanden zugelassen, da schon bei der Einladung der Gruppen für die Direktansprachen darauf geachtet wurde, dass alle mit handelsüblicher PC Technik arbeiteten und noch alle im aktiven Ausbildungs- und Arbeitsleben standen.

In einer ersten Erprobung des Laborexperiments wurde mit einer Pretestgruppe von 10 willkürlich ausgewählten Probanden ein Vortest vorgenommen, bei dem sowohl der Aufbau, Ablauf, Auswertung und Zielüberprüfung vorgenommen wurde. Der zeitliche Ablauf und die Reihenfolge der Fehlerereignisse wurden überprüft und der Fragebogen auf Verständnis hin untersucht. Der Fragebogen wurde in seiner Länge überarbeitet. Unterlagen, wie die Ansprachen und die schriftlichen Erklärungen wurden standardisiert und gekürzt. Die aufgenommenen Daten der 10 Probanden aus dem Vortest wurden bei der Auswertung des gesamten Versuches nicht einbezogen. Die Konzeption des Versuchs wurde vor Beginn der Forschungsarbeit zur Prüfung der Ethikkommission des Landes Brandenburg vorgelegt und die Genehmigung für die Durchführung durch diese Kommission erteilt.

Im vom Durchgangsverkehr ausgeschlossenen Ergonomielabor (Versuchsraum 1) wurde eigens für den Versuchszeitraum ein Büroarbeitsplatz aufgebaut. Die Aufgabe für alle Probanden war gleich. Ein einseitiger Fachtext (Gerätebeschreibung: Manual, LMT – Leuchtdichtemessgerät Serie L 1000) sollte innerhalb von 15 Minuten von der Papiervorlage in ein elektronisch vorliegendes Dokument abgeschrieben werden. Dazu war ein Arbeitsplatz mit Bürostuhl, einem Schreibtisch, einer Arbeitstechnik, bestehend aus Bildschirm, Tastatur und Rechner, einem Dokumentenhalter, einer Maus und einer Fußstütze in einem von zwei nebeneinander liegenden Ergonomielaboren eingerichtet worden. Der Arbeitsplatz war fensternah, konnte aber auch, bei Bedarf, abgedunkelt werden. Die Benutzung des Dokumentenhalters konnte von jedem Probanden individuell vorgenommen werden. Eine kleine, kaum wahrnehmbare Kamera in der Fensterecke auf dem Arbeitsplatz zeichnete die Reaktionen der Probanden während des gesamten Versuchsablaufs auf. Eine zweite Kamera, hinter dem Arbeitsplatz stehend, zeichnete die Arbeitsschritte und die Handlungen mit der Arbeitstechnik auf. In einem angrenzenden Raum (Versuchsraum 2) befand sich die Aufzeichnungstechnik. Auf einem Arbeitsplatz war für den Versuchsbegleiter auf mehreren Bildschirmen und einem Monitor der gesamte Versuchsraum zeitgleich beobachtbar und auch alle akustischen Signale, wie die Einweisung oder die verbalen Reaktionen der Probanden, konnten aufgezeichnet werden. Mit Hilfe der Videotechnik wurden von allen Probanden Reaktionsaufzeichnungen während des gesamten Versuchs auf Videofilm aufgenommen. Im Versuchsraum 1 war ein Überwachungsplatz für einen zweiten Versuchsbegleiter (Einweiser) eingerichtet. Hier konnte der Einweiser die Hautleitwertmessungen überwachen, um bei Messfehlern am Anfang des Versuchs korrigierend und bei Unwohlsein eines Probanden helfend einzugreifen. In diesem abgegrenzten Bereich befanden sich auch Tische zur Beantwortung der Fragebogenteile vor und nach dem Versuch und zum Anbringen der Messelektroden. Die Gruppe der Probanden ohne Fehler arbeitete mit nur einem unvorhergesehenen Ereignis, der Ermahnung durch den Einweiser zur Zeiteinhaltung, an der Erfüllung der Arbeitsaufgabe. Die Gruppe der Probanden mit Fehler bekam vor der Ermahnung zur Zeiteinhaltung noch zusätzlich zwei Fehler als unvorhergesehene Ereignisse, ohne eigenes Verschulden, aus dem Nebenraum eingespielt. Im Versuchsraum 2 hatte der Versuchsbegleiter Zugriff auf die Arbeitstechnik des Probanden und konnte standardisiert Fehler zuschalten, bei denen das jeweilige Arbeitsergebnis vom Monitor des Probanden verschwand. Der erste Fehler ließ, bei einiger Kenntnis der Technik ein Wiederherstellen des Arbeitsergebnisses zu, während der zweite Fehler nicht zu reparieren war und das Arbeitsergebnis verloren blieb. Bei den Probanden stellten sich die Fehler jeweils als plötzliches unvorhersehbares Versagen der Technik dar. Die Ermahnung zur Zeiteinhaltung wurde den Probanden mit Fehler zeitgleich zu der Gruppe ohne Fehler vorgegeben. Während des ganzen Versuchs wurden die Handlungen und Reaktionen der Teilnehmer aufgezeichnet. Die Versuchsdurchführung dauerte insgesamt zwischen 30 und 45 Minuten. Der gemessene Zeitabschnitt für die Erledigung der Arbeitsaufgabe war mit 15 Minuten für jeden Probanden standardisiert festgelegt, unabhängig vom jeweiligen Ergebnis. Danach wurden die Messelektroden entfernt und die Probanden wurden in den vorderen Bereich des Versuchsraumes 1 geführt, um den zweiten Teil des Fragebogens auszufüllen. Alle Probanden konnten während des Laborexperiments jederzeit den Versuch abbrechen. Am Ende des Versuchs erfolgte nochmals eine Information der Probanden über die Videoaufzeichnungen und der Versuchsaufbau im Raum 2 konnte besichtigt werden. Mit jedem Teilnehmer wurde vor Ort eine kurze Auswertung seiner eigenen Messwerte vorgenommen. Am Schluss wurde noch Stillschweigen über den Versuchsaufbau und Ablauf mit den Teilnehmern vereinbart, bis die Versuchsreihe abgeschlossen war.

1. Ergebnisse

Die Gesamtzahl der Probanden betrug 146. Die Anzahl ergab sich aus der Meldung der Probanden auf eine Teilnehmeranfrage. Kein Proband wurde abgelehnt, um eine größtmögliche Stichprobe zu erlangen. In der Untersuchung wurden 136 Probanden ausgewertet, wobei eine zweite Betrachtung die Gesamtmenge der Probanden unterteilt, in eine Gruppe mit Fehlern und eine Gruppe ohne Fehler (jeder 5. Proband). Die Gruppe der Probanden mit Fehler wurde beabsichtigt größer gewählt, weil die Untersuchung der Reaktion auf Technikversagen im Vordergrund stand. 15 Probanden konnten nicht in die Auswertung der gemessenen Daten einbezogen werden, weil während des Versuches bei 14 Probanden keine Messdaten vom Gerät erfasst wurden oder sehr starke Messfehler auftraten. Ein Proband brach den Versuch vorzeitig ab und gab ein sehr hohes Stresserleben auf Grund der ungewohnten technischen Hilfsmittel an. Um bei der Interpretation der Ergebnisse einen Vergleich der Fragebogenaussagen mit den Hautleitwertmessungen vornehmen zu können, wurden die 15 ungültigen Probanden bei den Vergleichsbetrachtungen der Fragebögen zu den Hautleitwertmessungen nicht einbezogen. Sodass sich die Gruppe der 121 gültigen Probanden in 23 ohne und 98 Teilnehmer mit induzierten Fehlerereignissen unterteilte. Jedem Probanden wurde fortlaufend eine Zahl zugeordnet, die er in allen Teilen des Versuches beibehielt, sodass eine anonyme Auswertung gegeben war. Die Auswertung erfolgte im Auszählverfahren und wurde prozentual dargestellt. Die Verhaltensanalyse erfolgte bei allen Probanden an Hand der Videoaufzeichnungen. Mit der laborexperimentellen Untersuchung von Technikstress wurde ein wissenschaftliches Themengebiet neu erforscht, weshalb bedingt durch die wenigen vorhandenen und gesicherten Quellen und die allgemeinen durchaus auch zutreffenden Kritikpunkte zu Hautleitwertuntersuchungen zunächst auf eine deskriptive Statistik fokussiert wurde. Detailliertere Ausführungen finden sich bei Hoppe 2009, Seite 104ff. Weitere Schritte in Richtung einer schlussfolgernden Statistik wurden bzw. werden in anschließenden Forschungsprojekten in der Kooperativen Forschungsstelle Technikstress (KFT) momentan nachfolgend umgesetzt.

Die Abbildung 2 zeigt die geschlechterspezifische Aufteilung der Probanden und unterteilt gleichzeitig in Fehlergruppe und Nicht-Fehlergruppe.

Um den Einfluss der besonderen Situation durch den Versuchsraum, die unbekannte Aufgabe und die Versuchsanordnung festzustellen, wurden die Probanden nach ihrem aktuell erlebten inneren Zustand (F11) befragt. Bei der Interpretation der Messwerte mussten die angegebenen Extremausprägungen beachtet werden. Mit „sehr aufgeregt“ antworteten 1,7% der Probanden, was mit der unbekannten Situation und Umgebung erklärt werden kann. „Sehr ruhig“ gaben 3,3% aller Teilnehmer an. 95,0% waren neugierig auf die Aufgabe und gaben „eher ruhig“ (54,5%) oder „eher aufgeregt“ (40,5%) an, was als normal anzusehen ist. Um die Einstellung zur Technik festzustellen, wurde die Frage: „Wie gern arbeiten sie mit dem Computer?“ gestellt. 37,2% der Teilnehmer antworteten mit „sehr gern“ und 55,4% mit “gern“, was auf eine positive Einstellung zum technischen Hilfsmittel hinweist. Nur 7,4% der Probanden arbeiten „weniger gern“ mit dem Computer und bei der Aussage „ungern“ erfolgte keine Nennung. Zusätzlich kann aus den Aussagen der Probanden zu dem Item F4 (Nutzungsdauer) 74,4% (Nutzung der Computertechnik mehrere Stunden am Tag), dem Item F6 (Anwendungsbereich) 66,9% (Nutzung des Computers privat und dienstlich), dem Item F7 (Nutzungsmöglichkeiten) 92,5% (Büroanwendungen) und 86,0% (Internetrecherche) auf allgemeine Grundkenntnisse bis hin zu guten Kompetenzen im Umgang mit der Computertechnik geschlossen werden. Das spiegelt sich auch in der subjektiven Bewertung der eigenen Kompetenz (Item F19) im Umgang mit dem PC wider. 70,5% aller Teilnehmer gaben eine „hohe“ und 10,7% eine „sehr hohe“ Kompetenz im Umgang mit der Versuchstechnik an. Bei der Aussage „sehr niedrig“ trug sich kein Proband ein. Aus den Antworten zu Item F18 (Anspruchsdenken) geht hervor, dass 66,1% aller Probanden ein „hohes“ und 29,5% der Probanden ein „sehr hohes“ eigenes Anspruchsdenken zur Erfüllung von Aufgaben haben. Da die Aufgabenstellung ohne Konsequenzen bei Nichterfüllung gestellt wurde, ist das hohe Anspruchsdenken der Probanden für die Erledigung der Aufgabe wichtig und für die Untersuchungsziele förderlich. Um Aussagen zu Belastungen zu treffen und eine Abgrenzung zu den Zielen der Untersuchung vornehmen zu können, wurde in Item F17 nach der subjektiven Einschätzung der Schwierigkeit des Textes gefragt. 57,0% aller Probanden bewerten den Text als „schwer“. Als „leicht“ wurde der Text von 38,3% aller Probanden eingeschätzt. Wichtig sind die Extrembewertungen. „Sehr schwer“ (3,7%) und „sehr leicht“ (0,9%) wurde der Text von einer geringen Anzahl der Probanden eingeschätzt, was auf eine geeignete Schwierigkeit für das Laborexperiment schließen lässt. Der unbekannte Text sollte die Aufgabenerfüllung mit Anstrengungen für möglichst viele Teilnehmer ermöglichen, ohne zum Hauptstressor zu werden. Um noch zusätzliche Informationen zum Stresserleben (F15) auswerten zu können, wurde nach den allgemeinen Reaktionen auf Technikversagen gefragt. Hierbei war eine Mehrfachnennung möglich. Die häufigste Nennung (89,2%) erfolgte bei „Lösung selbst suchen/finden“. Die zweithäufigste Nennung (53,3%) war „Hilfe holen“ und die dritthäufigste Angabe (51,7%) war „innerlich ärgerlich, wütend, abwartend“. Diese drei Aussagen können auch auf ein zusätzliches Ergebnis dieser Studie hinweisen. Wenn bei Technikversagen die größte Anzahl der Nutzer nach Lösungen sucht, Hilfe holt oder ärgerlich abwartet, entsteht eine längere Arbeitspause. Damit ist der zeitliche Aufwand gemeint, der mit dem direkten Suchen vergeht und der zeitliche Aufwand, der mit dem gedanklichen Neubeginn der unterbrochenen Arbeit zusammenhängt. Anzunehmen ist auch, dass ein längeres Suchen ohne Erfolg zu größerer Frustration und erhöhtem Stresserleben führen kann. Die durchaus positive Aussage, dass der Nutzer selbst nach Lösungen sucht, könnte hierdurch relativiert werden. Gleichzeitig ist die Reaktion „ärgerlich“ ein Zeichen von emotionaler Reaktion und deutet als Symptom auf Stress hin. Formen von Stressreaktionen sind auch das „verbal aggressive“ Verhalten (18,3%), „aggressive Handlungen“ (0,8%) und „aufgeben“ (1,7).

In der Abbildung 3 sind die Veränderungen des Hautleitwertes der Probanden nach dem Bemerken der Fehler und der Ermahnung zur Zeiteinhaltung dargestellt. Gemessen wurde der plötzliche Anstieg nach Bemerken des Fehlers im Verhältnis zu dem Niveau kurz vor jedem der drei Ereignisse. Es ist zu erkennen, dass es deutliche Beanspruchungsreaktionen auf alle drei Ereignisse in der Gruppe mit Fehlern gab. 88,8% der Probanden reagierten nach dem Bemerken des Fehlers 1 und 87,8% nach Bemerken des Fehlers 2 mit prozentual erhöhten Hautleitwerten. Die Spontanausschläge nach den Ereignissen waren ein deutlicher Hinweis für eine Beanspruchungsreaktion in Form von Technikstress auf Technikversagen und Zeitdruck.

Die Einschätzung des Stresserlebens während des gesamten Versuchs wurde von den Probanden unterschiedlich angegeben. Interessant ist hierbei die prozentuale Betrachtung zwischen den 98 gültigen Probanden mit Fehler und den 23 gültigen Probanden ohne Fehler. Von den Probanden mit Fehler gaben 45,9% ein „hohes“ Stresserleben und 4,1% ein „sehr hohes“ Stresserleben an. Aus der Gruppe ohne Fehler waren es dagegen nur 27,3%, die ein „hohes“ und 4,5% ein „sehr hohes“ Stresserleben angaben. Das wird auch durch die Häufigkeit der Angaben zu einem „sehr niedrigen“ Stresserleben deutlich. Während in der Gruppe mit Fehlern nur 2,0% der Probanden ein „sehr niedriges“ Stresserleben ankreuzten, waren es in der Gruppe der Probanden ohne Fehler 13,6%.

Befragt nach den Ursachen für das persönliche Stressempfinden ergab sich folgendes Bild (Abb. 4): Die Probanden mit Fehlern gaben als hauptsächliche Beanspruchungsquelle (79,6%) das Versagen der Technik an, während die Probanden ohne Fehler (70,0%) die Schwierigkeit des Textes als Hauptstressor benannten. Zeitdruck rangierte in beiden Gruppen auf Platz zwei (Abb. 4).

Zu beachten sind die Arbeitsunterbrechungen (Zeitraum vom Bemerken des Fehlers bis zu dessen Beseitigung oder bis zum Neubeginn der Arbeit) nach den einzelnen Fehlerereignissen (Abb. 5). Die gemessenen Werte der Arbeitspausen lagen bei 1s (für die kürzeste Arbeitspause) und 365s (für die längste Arbeitspause). Die Arbeits- und Suchpausen nach dem zweiten Technikversagen verdoppelten sich (maximale Suchdauer nach dem ersten Fehler: 173s, nach dem zweiten Fehler: 365s). Hierbei ist zu vermuten, dass die Probanden nach dem geglückten Wiederherstellen des Textes, den zweiten Fehler auch unbedingt rückgängig machen wollten und deshalb nicht akzeptierten, dass dieser Fehler nicht zu beseitigen war. Ein Proband nahm die Arbeit bis zum Schluss nicht mehr auf und versuchte, den Fehler zu ergründen. Dadurch wurde das Arbeitsergebnis nicht mal mehr annähernd erreicht.

Betrachtet man die subjektiven Aussagen zur Häufigkeit des Auftretens von Technikversagen (F14) wird deutlich, dass 24,2% aller Probanden „täglich“ und 5,85% „mehrmals täglich“ bei der Erfüllung ihrer Aufgaben durch Technikversagen gehindert werden. Bemerkenswert ist vor allem, dass nur 1,7% aller Probanden angaben „nie“ durch Technikversagen beim Arbeiten gehindert zu werden. Damit ist die Bedeutung der Problematik noch einmal kenntlich gemacht worden.

1. Schlussfolgerungen

Generell kann eingeschätzt werden, dass die Konzeption des Laborexperiments in der beschriebenen Form und die eingesetzten Untersuchungsmethoden geeignet sind, um Beanspruchungen in Form von Technikstress durch Technikversagen zu untersuchen. Kritische Betrachtungen ergaben, dass eine Verbesserung des Versuchsaufbaus durch ein kurzes akustisches Signal bei den Fehlerereignissen das zeitliche Zuordnen der Suchhandlungen bei der Auswertung vereinfacht hätte. Auch ist nicht völlig auszuschließen, dass einzelne Probanden untereinander Kontakt hatten und so den Versuchsaufbau als Vorabinformation weitergegeben haben. Aber selbst bei einer solchen Annahme sind deutliche Spontanausschläge bei fast 90% der Probanden während der Ereignisse nachweisbar. Aus subjektiven Einschätzungen der Fähigkeiten am Computer durch die Probanden selbst geht hervor, dass alle Teilnehmer ausreichend PC Grundkenntnisse besaßen, um die gestellte Aufgabe ohne Hilfe von außen, mit den Vorgaben erfüllen zu können. Hierbei zeigte sich die Zusammensetzung der Probandengruppe für dieses Laborexperiment als geeignet. Deutliche Veränderungen der Hautleitwerte nach den Ereignissen waren an Hand der Messungen nachweisbar. Dadurch konnte das Ziel, eine Beanspruchung durch Technikversagen nachzuweisen, erreicht werden. Prozentual gaben die Teilnehmer in der Gruppe ohne Fehler ein geringeres Stresserleben an, als die Gruppe der Probanden mit Fehler. Da für alle Probanden die Bedingungen bis auf die Fehler gleich waren, kann hieraus ebenfalls abgeleitet werden, dass Technikversagen eine Beanspruchungsreaktion auslöste und einen negativen Einfluss auf das Stresserleben ausübte. Zusätzlich belegt wird dies durch die Aussagen zum Stressauslöser. Das Versagen der Technik wurde in der Gruppe mit Fehlern als der Hauptstressor benannt, während in der Vergleichsgruppe der Text als hauptsächlich Stress auslösend empfunden wurde. Die Arbeitsunterbrechungen nach den Fehlern sind für die kurze Versuchsdauer recht lang. Das war in der Auswertung der Reaktionsaufzeichnungen deutlich zu erkennen. Wie im Modell dargestellt, konnte mit Hilfe der Fragebogenauswertung nachgewiesen werden, dass die Kompetenz, Einstellung und die Motivation einen Einfluss auf die Handlungen auch bei Technikversagen haben (Hoppe, 2009). Im Experiment suchen Probanden mit subjektiv eingeschätzter hoher Kompetenz und positiver Einstellung nach dem Fehler, weil sie möglicherweise einen Handlungserfolg antizipieren (Hoppe, 2009). Beim zweiten Fehler verlängerten sich die Suchzeiten, da möglicherweise der vorherige Erfolg positive Antizipationen verstärkte. Das findet zusätzlich Bestätigung in der häufigsten Nennung „die Lösung selbst suchen“ bei Technikversagen. Im direkten Vergleich der Hautleitwertreaktionen mit den subjektiven Erlebenswerten aus den Fragebögen und den beobachteten Reaktionen auf die Fehler konnte ebenfalls Technikstress in der Gruppe mit Fehlern, unter den beschriebenen Bedingungen, als negativ erlebte psychische Beanspruchung nachgewiesen werden. Somit kann das Ziel der Untersuchung als erreicht eingeschätzt werden.

Interessant wäre es, weitere Untersuchungen zu konzipieren, um die psychische Beanspruchung in längeren Arbeitsphasen genauer zu analysieren. Damit könnten eventuelle Leistungsminderungen oder länger wirkende Frustrationen aber auch positive Erlebenswerte, wie Motivation und Erfolgserleben identifiziert und genauer untersucht werden.

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