Arbeitsschutz

Feuerwehrschutzkleidung – Liaison von Schutz und Tragekomfort

Das Löschen von Bränden ist nur ein geringer Teil der Aufgaben der heutigen Feuerwehren. Weit häufiger sind technische Hilfsleistungen gefragt. Das Spektrum möglicher Einsätze stellt auch an die Bekleidung und Schutzartikel der Einsatzkräfte unterschiedlichste Anforderungen – gefragt sind höchster Schutz in Extremsituationen ebenso wie angenehmer Tragekomfort bei weniger gefährlichen Tätigkeiten. Ihre neuesten Schutzlösungen und Kollektionen präsentierten die Hersteller, Konfektionäre und Mietdienstleister im Rahmen der A+A 2011 in Düsseldorf, der mit mehr als 1.500 Ausstellern international führenden Fachmesse für Persönliche Schutzausrüstungen, betriebliche Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (18. bis 21. Oktober).

Körperliche Höchstleistungen in lodernden Flammen vollbringen, Unfallschäden bei nassem, kaltem Wetter beseitigen oder nur eine Tür aufbrechen: „Je nach Struktur werden die Feuerwehren heute in 60 bis 80 Prozent aller Fälle zu technischen Hilfsleistungen wie Bergen von Fahrzeugen, bei Wasser- und Sturmschäden und nicht zu Bränden gerufen“, sagt Jochen Thorns, Kommandant bei der Feuerwehr Filderstadt und Chefredakteur des Fachblattes BRANDSchutz. Ist die Sirene einmal erklungen bzw. meldet sich der Pieper, springen die Einsatzkräfte in ihre Schutzkleidung. Meist sehen die Einsatzkräfte jedoch erst vor Ort, was zu tun ist. Wenigstens ein Teil von ihnen muss für den Extremfall Brand ausgerüstet sein.

Für technische Hilfsleistungen müssen Feuerwehrleute lediglich Bekleidung der Schutzstufe 1 tragen. Sie ist flammenhemmend ausgerüstet und relativ leicht. Für Atemschutzgeräteträger, die zur Brandbekämpfung in den Innenangriff gehen, ist kompakte Schutzbekleidung mit Schutzlevel 2 nötig. Sie wirkt nicht nur flammenhemmend, sondern verfügt auch über eine Thermoisolierung, die gegen Hitze schützt. „Bei uns in Filderstadt sind alle Feuerwehrleute mit Bekleidung der Schutzstufe 2 bekleidet. Wir halten das aufgrund des Risikopotenzials für sinnvoll, und außerdem hat es auch logistische Gründe“, so Thorns.

Relevante Normen und Vorschriften
Feuerwehrbekleidung muss der DIN EN 469 Schutzkleidung für Feuerwehr oder je nach Bundesland der HuPF (Herstellungs- und Prüfungsbeschreibung für universelle Feuerwehrschutzbekleidung) genügen. In der DIN EN 469 sind Sicherheitsvorschriften formuliert, in der HuPF sind es Produktvorschriften. In beiden sind Mindestanforderungen formuliert, die von moderner Einsatzkleidung meist weit überboten werden.

Die größte Herausforderung bei der Konzeption von Feuerwehrschutzbekleidung mit Level 2 ist der Brandschutz auf der einen Seite, die Atmungsaktivität und der Tragekomfort bei extremer Hitze, aber auch bei leichteren Tätigkeiten auf der anderen Seite. In Amerika sterben die Hälfte der Feuerwehrleute nicht durch Feuer, Wärme, Wasserdampf oder Wasser von außen, sondern aufgrund von Überhitzung des Körpers von innen. „Eine der häufigsten Unfallursachen ist Hitzestress“, bestätigt auch Uwe Heinemann, Verkaufsleiter der Texport GmbH in Salzburg.

Flammfest, robust und wasserabweisend
Um vor Feuer zu schützen, muss die Bekleidung einen flammfesten Oberstoff haben. Er muss reiß- und abriebfest sowie antistatisch ausgerüstet sein. Um der Wärmestrahlung des Feuers und plötzlich auftretenden Rauchgasdurchzündungen standzuhalten, muss Feuerwehrbekleidung außerdem über ausreichend Thermoisolation verfügen. Seit einigen Jahren auf dem Markt ist die „Gore-Tex Airlock“-Technologie von W.L. Gore & Associates, Putzbrunn. Das Funktionsprinzip basiert auf einem Lufteinschluss, der durch Abstandhalter gewährleistet wird und thermischen Schutz bietet. Diese Abstandhalter sind mit einer Membran, die als Nässeschutz dient, verbunden.

Auf einem ähnlichen Prinzip basiert die „Pudots“-Hitze- und Nässesperre von Lion Apparel in Köln. Die im Textil auf einem „Nomex“-Fleece angebrachten Abstandshalter aus hochtemperaturbeständigem PU-Schaum haben durch die starken Lufteinschüsse eine besonders hohe Isolation. Das Material ist außerdem weich und relativ leicht bei hohem Schutz.

Die Nässesperre ist nötig, um die thermische Isolierung vor Durchfeuchtung von außen etwa durch Löschwasser zu schützen. Denn eine feuchte Isolation leitet die Wärme weiter und hebt so den thermischen Schutz. Natürlich darf auch Heißdampf – er hat Temperaturen bis 300°C und ist im Gegensatz zum wesentlich weniger heißen Wasserdampf durchsichtig – die Bekleidung auf keinen Fall durchdringen, sonst kann es durch das angesammelte Wasser zu Verbrühungen kommen.

Der Feuerwehrbekleidungsspezialist Tex-port thematisierte auf der A+A 2011 auch ein neues Material für Schutzkleidung, das den Feuerwehrmann deutlich länger vor Hitze durch direkte Beflammung und Hitzestrahlung schützt. Erreicht wird die bessere Thermoisolierung des „X-Treme“-Materials durch eine vierte Lage und einen geänderten Lagenaufbau. Über dem Futter liegt die „Gore-Tex“-Membran, es folgen eine Zwischenlage und schließlich der Oberstoff. Normalerweise liegt die Membran direkt unter Oberstoff. Durch ihre offene Struktur wirkt die Zwischenlage wie eine Blockade gegen Hitze, gleichzeitig ist sie extrem atmungsaktiv.

Atmungsaktiv, komfortabel und ergonomisch
Feuerwehrschutzbekleidung muss aber nicht nur Nässe von außen abhalten, sondern auch die Feuchtigkeit von innen nach außen leiten. Verdunstender Schweiß sorgt dafür, dass der Körper gekühlt wird. Verhindert die Kleidung jedoch das Verdunsten des Schweißes, steigt die Körpertemperatur bis zum Kreislaufkollaps, der zum Tode führen kann (Hitzschlag). Wie beim Durchdringen von Feuchtigkeit von außen kann die Schweißdurchdringung der Isolation ebenfalls zu Verbrühungen führen. Damit die Bekleidung genau so funktioniert, wird in der Regel eine Membran eingesetzt, die beides leistet. Sie wird zwischen die Lagen der Bekleidung eingearbeitet.

Wichtig ist auch die Verarbeitung der Bekleidung, denn eine wasserdichte Membran nützt nichts, wenn die Nähte nicht auch wasserdicht sind. Taschenbeutel müssen Abflussöffnungen haben, damit sich das Wasser nicht staut. Der Reißverschluss muss innen hinterlegt sein, vorne eine doppelte Patte haben, damit Wasser nicht eindringen kann.

Weitere Anforderungen an die Bekleidung sind neben einem akzeptablen Gewicht ergonomische Schnitte, die freie Bewegung und Handlung zulassen. Die Hosen müssen an den Knien gut gepolstert sein, etwa mit ergonomisch vorgeformten Kniepads. Die Ärmel mit den Bündchen müssen so geschnitten sein, dass sie bei Arbeiten über Kopf nicht herunterrutschen. Dafür sorgen Quetschfalten in den Achselhöhlen. Die Bündchen müssen eng anliegen. A+A-Aussteller S-GARD, Heinsberg, beispielsweise bietet ein langes Bündchen mit besonderer Daumlösung, „ITC – individual thumb control“ genannt. Taschen müssen sinnvoll angeordnet und funktional sein.

Farbe und Warnschutz
„Feuerwehr sieht künftig rot“, titelte der Südkurier Bodensee-Oberschwaben, als im vergangenen Jahr in Owingen 90 Feuerwehrkameraden mit roter Multifunktionsjacke ausgestattet wurden. Üblich sind eigentlich die Farben Blau (vermutlich wegen des Uniformcharakters) oder Orange wegen der guten Sichtbarkeit. Orange wird beispielsweise getragen in Baden-Württemberg, Niedersachsen sowie teils in den neuen Bundesländern. Blau hingegen waren die ersten Jacken, die nach der HuPF-Beschreibung Ende der 90-er Jahre getragen wurden. „Die Feuerwehrleute wollen nicht aussehen wie Angestellte der Abfallwirtschaftsbetriebe und votieren spontan für Blau, weil es einfach gut aussieht“, so die Erfahrung von Jochen Thorns. Doch es ist sogar von der Prüfanstalt EMPA (Schweiz) bestätigt worden, dass Blau eine schlechte Sichtbarkeit besitzt und die Lichtabsorption sehr hoch ist. Der rund zweieinhalbjährige Trageversuch der Feuerwehr Filderstadt hatte auch ergeben, dass die rot-gelbe Kleidung bei richtiger Pflege nicht anfälliger für Verschmutzung ist als andere Farben, nur wurde er bei der blauen Bekleidung eben nicht so wahrgenommen. Die Feuerwehr Filderstadt entschied, dass es für die Gesundheitsprophylaxe der Mannschaft besser ist, wenn die Verunreinigungen durch Blut, Körperflüssigkeiten und Schmutz gut sichtbar sind und die Bekleidung dann tatsächlich auch öfter gewaschen wird. Ein deutschlandweites Novum in Filderstadt ist außerdem die sogenannte „High-Visibility“-Schutzkleidung „FIRELINER“ von der Schweizer Firma Consultiv (A+A-Aussteller) mit fluoreszierenden Flächen und retroreflektierenden Streifen für den regulären Einsatz, die der DIN EN 471 für Warnkleidung entspricht. Normalerweise genügt für den Einsatz der Feuerwehr an ungesicherten Unfallstellen eine Warnschutzweste bzw. eine Jacke, deren fluoreszierenden und retroreflektierenden Flächen einer der zwei durch die DGUV vorgegebenen Gestaltungsmöglichkeiten entsprechen.

Neue Ansätze und Zukunftsvisionen
Die vergangenen Jahre haben gezeigt, welch positiven Beitrag qualitativ hochwertige Schutzbekleidung und innovative Lösungen leisten können. Es konnte nicht nur die Leistungsfähigkeit gesteigert werden, auch die Verletzungsgefahr ist deutlich kleiner geworden. Um das Leben der Feuerwehrleute noch besser zu schützen, arbeiten Hersteller, Institute und eigentlich branchenfremde Unternehmen an noch intelligenteren Systemen.

Das Unternehmen Vorndamme Isotemp, Horn-Bad Meinberg, thematisierte zur A+A 2011 unter anderem Jacken mit Schlaufen im Rückenbereich oder auf der Brust. Diese dienen zum Herausziehen von Feuerwehrleuten im Einsatz aus Notsituationen oder zur Selbstrettung. Texport beispielsweise hat Jacken in unterschiedlichen Ausführungen im Sortiment. Zum einen gibt es den verdeckten Taillenbergegurt mit Karabiner, zum anderen den verdeckten Gurttunnel auf Brusthöhe, in den eine Rettungsschlaufe eingezogen werden kann. Der Austritt des Gurtes oder der Schlaufen ist mit Patten verdeckt. Er dient vor allem der Selbstrettung. Bei der Firma S-GARD heißt das Modell mit eingebautem Kanalsystem für Rettungsschlaufen „Swissguard“, weil in der Schweiz Jacken mit Rettungsgurten u. a. für die Höhenrettung ein Muss sind.

Um starkem Schwitzen, Konzentrationsproblemen, Herzrasen oder gar Kreislaufversagen entgegenzuwirken, ist das Unternehmen Lion Apparel in Köln einem ungewöhnlichen Ansatz gefolgt und hat aktiv kühlende Hosenträger auf den Markt gebracht. Die Hosenträger werden aktiviert, indem sie einige Sekunden in Wasser gehalten werden. Es wird über das High-Tech-Vlies „COOLINE“ aufgenommen und dann über 24 Stunden abgegeben. Die Verdunstungskälte kühlt dann den Körper.

Die Wissenschaftler der Hohenstein-Institute, Bönnigheim, haben in Zusammenarbeit mit dem ITCF Denkendorf die weltweit ersten Textilien entwickelt, die sowohl elektromagnetische wie auch Infrarotstrahlung effektiv abschirmen. Ihre abschirmende Wirkung erhalten die Chemiefasern entweder durch Einbindung oder Beschichtung mit Indiumzinnoxid. Gedacht ist an einen Einsatz in Persönlicher Schutzausrüstung für wärmeexponierte Arbeiten.

Um Feuerwehrleute vor allem bei Großeinsätzen noch besser schützen zu können und somit auch die Rettungschancen für Opfer zu vergrößern, arbeiten unterschiedliche Projektgruppen an verschiedenen Lösungen von sensorischer Bekleidung und setzen große Erwartungen in die möglichen Lösungen. Eines dieser Projekte trägt den Namen SAFE (semipermeable Schutzanzüge für Einsatzkräfte). Ziel dieses Projektes, dessen Partner u. a. die Freudenberg-Forschungsinstitute in Weinheim sind, ist es, Einsatzkräfte aktiv und passiv vor Hitze, vor einer mit Schadstoffen belasteten Atmosphäre zu schützen. Aufbauend auf einem absorbierenden Material, das möglichst viele Schadstoffe bindet, soll eine komfortable Ausrüstung für Einsatzkräfte geschaffen werden, die außerdem mit Sensoren für Vital-, Orts- und Umgebungsparameter ausgestattet ist.

Das Projekt SensProCloths, mit Partnern wie dem ITV (Denkendorf), dem Frauenhofer-Institut für integrierte Schaltungen (Erlangen) und der Hubert Schmitz GmbH & Co. KG (Marke S-GARD/Heinsberg), arbeitet ebenfalls an Sensorik in der Bekleidung. Durch die sehr kompakte Schutzkleidung können die Einsatzkräfte von Umweltreizen und körperlichem Empfinden so entkoppelt sein, dass sie Gefahrenhinweise nicht ausreichend wahrnehmen. „Dem Feuerwehrmann im Einsatz werden seine Gesundheitsparameter mit Grün für alles OK, Gelb für kritisch und Rot für gefährlich übermittelt“, sagt Bruno Schmitz von S-GARD. Ein Ortungssystem hilft außerdem, den Standort des gefährdeten Feuerwehrmanns zu bestimmen. Gleichzeitig übermittelt das Rechnersystem das EKG der bedrohten Person von der vergangenen Einsatzzeit, sodass der Notarzt nach der Bergung wertvolle Schlüsse für die Behandlung ziehen kann.

Kirsten Rein

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