Betriebliches Gesundheitsmanagement

Der demografische Wandel – (k)eine Herausforderung für Betriebe und Arbeitsschutz

Foto: MEV

Zusammenfassung Alternde Belegschaften und Fachkräftemangel sind im Zuge der demografischen Entwicklung in vielen Branchen unausweichlich. Da Fachkräfte weder aus Europa, noch aus Asien gewonnen werden können, muss sich Deutschland auf sein eigenes Potential konzentrieren. Der demografische Wandel ist für viele kleine und mittlere Betriebe eine neue, bisher nur am Rande zur Kenntnis genommene Herausforderung. Dieser Wandel birgt Risiken, aber auch Chancen. Ein umfassender betrieblicher Gesundheitsschutz wird weniger denn je Luxus, sondern vielmehr lebenswichtig für den Mittelstand werden, um am Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. Was Betriebe und Arbeitsschützer schon heute gegen die Folgen des demografischen Wandels tun können, zeigen zwei Informationsbroschüren der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Schlüsselwörter

· Demografischer Wandel

· Fachkräftemangel

· alternde Belegschaften

· kleine und mittlere Unternehmen (KMU)

· Handlungshilfe

· Demographic change

· lack of skilled staff

· aged staff

· small and medium enterprises (SME)

· guidance

Einleitung
Der demografische Wandel ist die Herausforderung der Zukunft. Der heute schon spürbare Fachkräftemangel wird durch die geburtenschwachen Jahrgänge weiter verstärkt. Die Betriebe werden zunehmend in einen Wettbewerb um die besten Arbeitskräfte gezwungen. Unternehmen müssen die betrieblichen Anforderungen künftig mit den vorhandenen und zunehmend alternden Belegschaften bestehen. Konkurrenzfähig bleiben langfristig nur die Betriebe, denen es gelingt, gut ausgebildete Mitarbeiter zu finden und langfristig im eigenen Unternehmen zu binden. Dazu müssen sie sich stärker als bisher an den Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter ausrichten (zum Beispiel bei der Flexibilisierung der Arbeitszeiten oder der Vereinbarkeit von Familie und Beruf).

Parallel mit der Verlängerung der Lebensarbeitszeiten („Rente mit 67“) sind die betrieblichen Anstrengungen zum Erhalt der Gesundheit und der Leistungsfähigkeit der vorhandenen Belegschaften zu erhöhen. Betrieblicher Gesundheitsschutz muss in Zukunft über das klassische Verständnis des Arbeitsschutzes hinaus in einem umfassenden Sinne einen höheren Stellenwert erhalten, wenn Betriebe am Markt bestehen wollen.

Neben der Gesunderhaltung der Mitarbeiter werden Investitionen in die Bildung ein Rettungsanker sein, den Herausforderungen des demografischen Wandels erfolgreich zu begegnen. Bildungsmaßnahmen setzen zunehmend früher ein. Sie beginnen heute bereits in Kindertageseinrichtungen und schließen künftig eine permanente betriebliche Weiterqualifizierung ausdrücklich mit ein – unabhängig vom Alter des Mitarbeiters (Lebenslanges Lernen).

Der demografische Wandel und die daraus resultierenden Konsequenzen werden in den meisten Betrieben bisher nicht thematisiert. Gerade der Mittelstand wird in naher Zukunft vom Wettbewerb um die besten Fachkräfte besonders stark betroffen sein. Um diese Betriebe zu sensibilisieren und ihnen eine Unterstützung zu bieten, haben Fachleute der Unfallversicherung unter Federführung der DGUV eine praxisnahe Handlungshilfe für den Mittelstand veröffentlicht.

Bevölkerungsentwicklung: weltweit, europäisch und national
Auf der Erde leben heute so viele Menschen wie nie zuvor. Nach Hochrechnungen beträgt die Weltbevölkerung inzwischen fast sieben Milliarden Menschen. Und die Erdbevölkerung wächst weiter. 2050 werden es nach Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge neun Milliarden Menschen sein. Mit Blick auf die Entwicklungs- und Schwellenländer ist von einer Bevölkerungsexplosion die Rede.

Ganz anders verläuft die Entwicklung in den (meisten) europäischen Staaten. Auf Grund der niedrigen Geburtenrate in Europa schrumpft die Bevölkerung seit Jahrzehnten. Parallel dazu ist die Lebenserwartung der Menschen deutlich gestiegen. Europa altert.

Die gleichen Trends gelten auch für Deutschland. Bis zum Jahr 2030 wird sich die Bevölkerung in Deutschland um fünf Millionen Menschen auf 77 Millionen verringern. Die Zahl der Erwerbsfähigen wird sich von derzeit 50 Millionen, im Jahre 2030 auf 42 Millionen reduzieren. Parallel dazu gibt es eine zweite Entwicklung. In den nächsten zehn Jahren erwartet die deutsche Wirtschaft einschneidende Veränderungen der Alterstruktur. Zwischen 2017 und 2024 wird das Potential der Erwerbsfähigen jeweils zu 40% aus den 30 bis 50-Jährigen und den über 50- bis 65-Jährigen bestehen. Danach wird dieses Potential an Erwerbsfähigen zu einem erheblichen Teil aus Menschen bestehen, die älter als 50 Jahre sind. Dem Arbeitsmarkt stehen immer weniger Erwerbsfähige zur Verfügung. Und diejenigen, die zur Verfügung stehen, sind zunehmend älter.

Die Lebenserwartung in Deutschland liegt aktuell bei 82 Jahren für Frauen und bei 77 Jahren für Männer1. Dieser Trend hält an. Laut Prognosen des Statistischen Bundesamtes wird die durchschnittliche Lebenserwartung 2050 bei 88 Jahren (Frauen) beziehungsweise 84 Jahren (Männer) liegen. Auch Deutschland altert.

Gesellschaftliche Veränderungen dieses Umfangs können nicht ohne Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben bleiben.

Die Fachkräfte der Zukunft – woher werden sie kommen?
Mit dem Bevölkerungsrückgang in Europa im Allgemeinen und Deutschland im Speziellen wird sich der Fachkräftemangel weiter verschärfen. Es versteht sich von selbst, dass innereuropäisch ein gegenseitiges „Abwerben“ qualifizierter Arbeitskräfte nicht zur Lösung des Problems wird beitragen können, da fast alle europäischen Länder vor einer ähnlichen Bevölkerungsentwicklung stehen.

Wenn der innereuropäische Fachkräftemarkt nicht genügend Potential bietet, liegt es aus Sicht der Wirtschaft nahe, Fachkräfte in den aufstrebenden Schwellenländern wie China und Indien zu rekrutieren.

Alleine Indien bildet im Jahr ungefähr 400 000 Ingenieure aus. Das ist rund das Zehnfache der Absolventen mit einem Ingenieurstudium in Deutschland.

Mit einem Bruchteil dieses indischen Potentials ließe sich der deutsche Mangel an Ingenieuren ausgleichen. Die Realität sieht allerdings anders aus. Nach derzeitigen Schätzungen hat Indien wegen seines enormen wirtschaftlichen Wachstums einen so hohen Bedarf an Fachkräften, dass dem Land in absehbarer Zeit selbst 500 000 Ingenieure fehlen könnten. Indien steht also vor der gleichen Schwierigkeit. Die Situation unterscheidet sich lediglich in ihrer Ursache vom europäischen Fachkräfte-Problem.

Auch mit dem als „Green-Card“ bezeichneten Sofortprogramm zur Deckung des IT-Fachkräftemangels wurden im Jahre 2000 viele Hoffnungen geweckt. Letztlich ist diese nationale Initiative, fehlende IT-Experten aus Indien für den deutschen Markt zu gewinnen, weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die Green-Card hat sich als Papiertiger erwiesen. Damit fällt Indien als außereuropäischer Fachkräftemarkt weg. Für das aufstrebende China mit ähnlichen wirtschaftlichen Wachstumsprognosen wie Indien, dürfte das gleiche gelten.

Welche Lösung bietet sich also an, wenn eine höhere Geburtenrate in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist, die Lebenserwartung weiter steigt und eine Zuwanderung von Fachkräften aus anderen EU-Mitgliedsstaaten oder des außereuropäischen Auslands nur in begrenztem Maße zu einer Entspannung der Situation beitragen werden?

Die Lösung liegt vor der eigenen „Haustür“. Die von einer Überalterung der Bevölkerung betroffenen Länder wie Deutschland, müssen sich auf die eigenen Kräfte besinnen und das eigene Potential stärken, statt auf eine Lösung von außen zu hoffen. Im konkreten Fall bedeutet das für Deutschland als rohstoffarmes Land, die Bildung und die Gesundheit der eigenen Bevölkerung in den Fokus des politischen Handelns zu nehmen.

In Bezug auf die Bildung, ist nicht erst seit den PISA-Ergebnissen von mehr Investitionen in das deutsche Bildungssystem die Rede. Die tatsächlich zur Verfügung gestellten Mittel zur Überwindung der Defizite in der Bildung reichten bisher nicht aus, um die Schwachstellen nachhaltig zu beseitigen. Spätestens wenn die weniger werdenden Schulabgänger auf den Arbeitsmarkt drängen, werden diese Versäumnisse im deutschen Bildungswesen offen zu Tage treten.

Was das Gesundheitssystem in Deutschland betrifft, wird der Kostenexplosion mittelfristig nur dann zu begegnen sein, wenn der präventive Gedanke im System wesentlich stärkeren Einfluss gewinnen wird. Andernfalls wird das deutsche Gesundheitswesen in dieser Qualität nicht mehr finanzierbar bleiben. Das von der rot-grünen Regierung initiierte und von der großen Koalition weiter verfolgte Präventionsgesetz hatte diesen präventiven Gedanken im Gesundheitssystem stärker verankern wollen. Gescheitert ist das Gesetz letztlich an den hohen zusätzlichen Kosten für die Sozialversicherungszweige und neuen bürokratischen Lasten, die das Gesetz nach sich gezogen hätte. Die neue christlich-liberale Regierung hat zwischenzeitlich verkündet, keine neue Novelle des Präventionsgesetzes vorzulegen.

Vor welchen Herausforderungen stehen die Betriebe?
In vielen kleinen und mittleren Unternehmen stehen Fragen um die kurz- oder mittelfristige Sicherung des Betriebes im Vordergrund. Die Schwierigkeit an neue Aufträge und Existenz sichernde Kredite zu kommen, spielt dabei eine zentrale Rolle. Durch die derzeitige weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise sind diese Probleme größer geworden.

Auch der Absatz der eigenen Produkte hängt von den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Er ist in Krisenzeiten schwieriger. Gleiches gilt für die Auftragszahlen, die sich je nach Branche mehr oder weniger rückläufig entwickeln.

Der Geburtenrückgang in Deutschland ist kein neues Phänomen, sondern seit den späten sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts eng mit der Metapher „Pillenknick“ verbunden. Die geburtenschwachen Jahrgänge werden – wie bereits dargelegt – den Fachkräftemangel weiter verschärfen.

Auch mit mangelhaft qualifizierten Berufsanfängern müssen sich Betriebe seit vielen Jahren auseinandersetzen. Selbst Abiturienten verfügen häufig nicht mehr über ausreichende Qualifikationen für den erfolgreichen Einstieg ins Berufs- oder Hochschulleben. Weiterhin fehlt vielen Schulabgängern beim Eintritt ins Arbeitsleben die Fähigkeit, im Team zu arbeiten – eine Fähigkeit, die für betriebliche Prozesse und ein entspanntes Miteinander unerlässlich sind. Viele Unternehmen sind heute gezwungen, ihren jungen Nachwuchskräften in speziellen Seminaren zu vermitteln, wie betriebliche Schwierigkeiten gemeinsam zu lösen sind.

Ein – zumindest in diesem Ausmaß – relativ neues Phänomen für Deutschland ist die zunehmende Abwanderung hochqualifizierter Fachleute ins Ausland. Bei diesen Hochqualifizierten handelt es sich neben Ingenieuren, Medizinern, Wissenschaftlern, auch um Facharbeiter aus Industrie und Handwerk. Berechnungen der vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration in Auftrag gegebenen Studie „Qualifikation und Migration: Potenziale und Personalpolitik in der „Firma“ Deutschland2 vom Mai 2009 zufolge, sind seit 2003 rund 180 000 Fachkräfte ins Ausland abgewandert. Dadurch gehen den Betrieben schon heute wertvolle Ressourcen verloren. Dass den Sozialkassen durch diesen Arbeitskräfteverlust Ausfälle in Milliardenhöhe entstehen, sei nur am Rande erwähnt.

Die bürokratischen Lasten dürfen an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, da sie eine ständige Herausforderung für die Betriebe und ein Dauerthema für den Mittelstand sind. Die vor einigen Jahren einsetzenden Bestrebungen der Bundesregierung zum Bürokratieabbau haben bei den Unternehmen viele Hoffnungen geweckt, aber längst nicht alle erfüllt. Unter dem Stichwort „Deregulierung im Arbeitsschutz“ sollten die Betriebe von zu vielen Vorschriften entlastet und ihre Eigenverantwortung gestärkt werden. Diesem Ansinnen würde niemand ernsthaft widersprechen wollen. Quantitativ sind in der Tat Erfolge vorzuweisen. Was jedoch die Anwendbarkeit des neuen Arbeitsschutzrechts in der Praxis angeht, steht den staatlichen Institutionen und den Unfallversicherungsträgern im Zuge der Verzahnung beider Rechtsbereiche noch eine Herkulesaufgabe bevor.

Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen sind künftig stärker als bisher auf leicht verständliche und praxisnahe Handlungshilfen angewiesen. Unternehmer sind als Arbeitsschutzlaien weder personell noch zeitlich in der Lage, bestehende Vorschriften und Regeln zu konkretisieren oder aus dem „Fachchinesischen“ in eine Laiensprache zu übersetzen. Darüber hinaus könnten sie nicht grundsätzlich von der gewünschten Rechtssicherheit ausgehen. Und um sich die Leistungen von externen Beratern durchführen zu lassen, fehlen häufig die Mittel.

„Im Vergleich zur demografischen Katastrophe ist der Zusammenbruch des Kommunismus unwichtig.“ Claude Levi-Strauss

Mehr denn je sind hier die Arbeitsschutzfachleute des Staates und der Unfallversicherungsträger gefragt. Sie verkörpern in ihrer Funktion als Aufsichtspersonen die Nahtstelle zu den betrieblichen Praktikern. Den Aufsichtspersonen obliegt es, als „Dolmetscher des Arbeitsschutzrechts“ in den entsprechenden Ausschüssen dafür Sorge zu tragen, dass die komplexen Sicherheits- und Gesundheitsthemen in verständliche und praxisnahe Handlungshilfen übersetzt werden. Nur so kann der Transfer wirksamer Präventionsmaßnahmen in die Unternehmen gelingen. Darin liegt die Zukunft. Gelingt dieser Transfer, wird der Arbeitsschutz in den Betrieben eine höhere Akzeptanz finden. Das klingt einfach, ist es in der Umsetzung aber ganz und gar nicht.

Vor dem Hintergrund dieser aufgeführten Herausforderungen, bleibt kleinen und mittleren Unternehmen wenig Spielraum, sich intensiv mit einer „neuen“ Herausforderung, den Folgen des demografischen Wandels für ihren Betrieb, auseinanderzusetzen.

Betriebe sensibilisieren
Ein erster Schritt, die Betriebe zu sensibilisieren, sind leicht verständliche Informationen, mit deren Hilfe Risiken und Chancen der demografischen Entwicklung dargestellt und praxisnahe Lösungen aufgezeigt werden. Von einer flächendeckenden Sensibilisierung für die Thematik kann derzeit keine Rede sein. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen fühlen sich von diesem Trend (noch) nicht angesprochen. Aber gerade der Mittelstand ist von dieser Entwicklung stark betroffen und muss sich mit alternden Belegschaften auseinandersetzen. Im Gegensatz zu großen Betrieben verfügen kleine und mittlere Unternehmen in der Regel nicht über eigene Stabsbereiche, in denen sich Fachleute neuen Entwicklungen intensiv widmen können. Sie müssen sich mit aktuellen Fragestellungen neben dem Tagesgeschäft und ohne eigenen Expertenpool auseinandersetzen. Der Mittelstand ist künftig stärker als bisher auf leicht verständliche und praxisnahe Handlungshilfen angewiesen, die ihnen diese Arbeit abnehmen und eine Unterstützung bieten.

Ein Perspektivenwechsel lohnt!
Um der Tragweite des demografischen Wandels gerecht zu werden, reicht es heute nicht, Ältere aus der Arbeitslosigkeit wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren.

Es geht auch nicht in erster Linie darum, ältere Arbeitnehmer mit Reha-Maßnahmen im Arbeitsprozess zu halten, um eine Frühverrentung zu vermeiden. Diesem Ansatz fehlt die präventive Ausrichtung, weil er erst Maßnahmen vorsieht, wenn Defizite bereits offen zu Tage getreten sind. Der Ansatz ist zu sehr auf die berufliche Endphase von Beschäftigten, also das letzte Viertel ihres Berufslebens, ausgerichtet. Die davor liegende, wesentlich längere Phase des Berufslebens und das dieser Phase innewohnende Potential der Mitarbeiter bleiben weitgehend unberücksichtigt.

Aus Sicht der Prävention geht es bei der Bewältigung des demografischen Wandels auch nicht ausschließlich darum, spezielle Präventionsmaßnahmen für die Bedürfnisse älterer Arbeitnehmer zu entwickeln, ihnen zum Beispiel einen altersgerechten Arbeitsplatz einzurichten. Auch diese Perspektive ist zu stark auf die gegenwärtige Situation und zu sehr auf die heutigen „Alten“ eingeengt. Der Blick auf die älteren Arbeitnehmer der Zukunft, also diejenigen, die in 20, 30 oder 40 Jahren zu den Alten zählen, bleibt versperrt.

Ziel muss es künftig sein, schon heute die Jungen mit ins Visier zu nehmen, damit sie über ihr gesamtes (zunehmend länger werdendes) Berufsleben gesund, leistungsfähig und motiviert bleiben. Es geht darum, den Gesundheitsschutz im öffentlichen wie gewerblichen Bereich zu einem integralen Bestandteil der Bildungsmaßnahmen und des Berufslebens zu machen. Prävention kennt keine Altersgrenzen. In diesem Sinne muss Prävention so früh wie möglich beginnen und bis zum gesetzlich festgelegten Rentenalter reichen – aus Sicht der Unfallversicherung von der Kinderkrippe bis zum Ruhestand. Das ist eine Zeitspanne von weit über 60 Jahren! Eine auf diesen langen Zeitraum angelegte Gesundheiterhaltung und Sicherung der Leistungsfähigkeit durch lebenslanges Lernen in allen Lebensbereichen erfordern einen Kraftakt aller Beteiligten: der Politik, der Gesellschaft, der Wirtschaft, der Betriebe und jedes Einzelnen.

Auch „neues Denken“ lohnt!
Was bedeutet „neues Denken“? Es bedeutet in erster Linie vom lange Zeit dominierenden sogenannten „Defizitmodell“ Abstand zu nehmen. Das Modell blickte zu einseitig auf die Einschränkungen älter werdender Beschäftigter (Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit, altersbedingte Abnahme des Seh- und Hörvermögens) und zu wenig auf die positiven Aspekte des Älterwerdens („Kompetenzmodell“), wie zum Beispiel die reichhaltigere Erfahrung, größere Gelassenheit und höhere Zuverlässigkeit bei älteren Beschäftigten.

Neues Denken bedeutet für Unternehmen, sich von einer jugendzentrierten Personalgewinnung neuer Mitarbeiter, die sich in Stellenanzeigen vieler Firmen noch immer widerspiegelt, zu verabschieden.

Es ist wirtschaftlich wie gesellschaftlich geradezu leichtsinnig, das Wissen und die Erfahrungen der „Alten“ nicht optimal zu nutzen und an die Jüngeren weiterzugeben. Das werden sich die modernen Industriegesellschaften in Europa nicht mehr leisten können. Sie werden – wie frühere Gesellschaften – die Alten wieder stärker ins Berufsleben integrieren (müssen). Die Lösung liegt in der Verzahnung der Fähigkeiten jüngerer Arbeitnehmer mit denen der älteren. Das ist im Grunde keine neue Erkenntnis. Aber zu Zeiten der geburtenstarken Jahrgänge, als Unternehmen bei der Rekrutierung ihres Personals sozusagen aus dem Vollen schöpfen konnten, glaubte man sich von dieser für Mitarbeiter und den Betrieb fruchtbaren, generationenübergreifenden Kooperation lösen zu können.

Angebote der gesetzlichen Unfallversicherung
Die Prävention der gesetzlichen Unfallversicherung hat eine lange Tradition. Der direkte Zugang in die Betriebe sicherte der Unfallversicherung seit jeher unschätzbares Wissen und umfassende Erfahrungen in Sachen betrieblicher Prävention. Die demografische Entwicklung ist nicht die erste gravierende Entwicklung, auf die sich die Unfallversicherung einstellen und für die Betriebe angepasste Lösungen finden muss. In der jüngeren Vergangenheit waren die Globalisierung und der technologische Wandel geradezu revolutionäre Veränderungen mit entsprechenden Auswirkungen auf die gesamte Arbeitswelt. Diese Veränderungen konnten nicht ohne Folgen für das Präventionshandeln der Unfallversicherung bleiben. Hier bestehen Wechselwirkungen. Sie führten unter anderem dazu, dass die ehemals fast ausschließlich mit Ingenieuren besetzten Präventionsabteilungen der Unfallversicherungsträger im Zuge der genannten Entwicklungen heute größtenteils interdisziplinär zusammengesetzt sind. Damit hat die Unfallversicherung eine solide Grundlage geschaffen, einen umfassenden Gesundheitsschutz zu verfolgen.

a) Eine Informationsschrift für kleine und mittlere Unternehmen (KMU)
Um den Mittelstand bei den Auswirkungen des demografischen Wandels zu unterstützen, haben Fachleute gewerblicher und öffentlicher Unfallversicherungsträger fünf relevante Handlungsfelder für Betriebe in leicht verständlicher Form aufbereitet (siehe Kasten Seite 64). Diese Handlungsfelder wurden in der Informationsschrift: „Die Mischung macht’s – Jung und Alt gemeinsam bei der Arbeit“3 zusammengestellt.

Die Schrift bietet kleinen und mittleren Unternehmen einen ersten, leicht verständlichen Einstieg in die Thematik, der ihnen helfen soll, ihren Betrieb mit den alternden Belegschaften zukunftsfest zu machen.

Grundlage für die Neuausrichtung der Personalentwicklung ist eine einfache Altersstrukturanalyse. Sie gibt erste Hinweise, wie die Verteilung der Altersgruppen in einzelnen Betriebsbereichen aussieht. Eine für Betriebe einfach durchzuführende Altersstrukturanalyse ist der Information beigefügt.

Auf der Basis konkreter Fragen zu den fünf Handlungsfeldern kann der Betrieb herausfiltern, ob und wo konkreter Handlungsbedarf besteht. Jedem in der Broschüre beschriebenen Handlungsfeld ist ein gelungenes Beispiel aus einem mittelständischen Unternehmen beigefügt. Bei weitergehenden Fragen liegt es im Ermessen des Unternehmers, seinen Unfallversicherungsträger zu konsultieren oder auf eine Link- und Literaturliste in der Informationsschrift zurückgreifen.

b) Leitfaden für Aufsichtspersonen, Sicherheitsfachkräfte, Betriebsärzte
Parallel zu Informationsschrift für kleine und mittlere Betriebe wurde ein Leitfaden für Aufsichtspersonen entwickelt, der auch für Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte von Interesse sein dürfte. Der Leitfaden mit dem Titel „Prävention kennt keine Altersgrenzen – Demografischer Wandel in der Arbeitswelt/Tipps und Argumente für die Prävention“4 beantwortet fünf Kernfragen, die Arbeitsschutzfachleuten eine Richtschnur bei der Behandlung des Themas im Betrieb bietet (siehe Kasten Seite 66).

Literaturverweise

1. Lebenserwartung in Deutschland: Trends, Prognose, Risikofaktoren und der Einfluss ausgewählter Medizininnovationen; Abschlussbericht. Gabriele Doblhammer, Elena Muth, Anne Kruse; Rostocker Zentrum zur Erforschung des Demografischen Wandels; 1. September 2008

2. Qualifikation und Migration: Potenziale und Personalpolitik in der „Firma“ Deutschland. Informationen der Geschäftsstelle des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR); Info SVR GmbH – Mai 2009

3. Die Mischung macht’s – Jung und Alt gemeinsam bei der Arbeit/Tipps für Wirtschaft, Verwaltung und Dienstleistung (BGI/GUV-I 7009). Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung – DGUV (siehe: www.dguv.de Webcode: d69167). Die Schrift liegt auch in englischer Sprache unter dem Titel „The secret’s in the mix: Young and old at work togehter“ vor.

4. Prävention kennt keine Altersgrenzen – Demografischer Wandel in der Arbeitswelt/Tipps und Argumente für die Prävention Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung – DGUV (siehe: www.dguv.de Webcode: d69167)

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