Arbeitsschutz

Arbeitsplatzanalyse in einer Kunstglaserei

Zusammenfassung: Zahlreiche Vorschriften regeln den betrieblichen Arbeitsschutz. Für die Umsetzung sind regelmäßige Arbeitsplatzbegehungen erforderlich. Eine Hilfe können Checklisten mit den zu prüfenden Punkten sein. Sie ersetzen aber nicht die praktische Erfahrung im Arbeitsschutz. Beispielhaft werden die Ergebnisse einer Arbeitsplatzanalyse wiedergegeben, die in einer Kunstglaserei durchgeführt wurde. Messwerte, z.B. von Schadstoffen in der Luft am Arbeitsplatz, sind stets auf ihre Plausibilität zu prüfen, bevor Schlussfolgerungen daraus gezogen werden. Die vorgestellten Arbeitsplätze können Anregungen geben, die Arbeitssicherheit in anderen Betrieben zu verbessern. Schlagwörter: Arbeitsplatzanalyse – Gefährdungsbeurteilung – Schadstoffmessung – Blei Work analysis in a glazier’s workshop Summary: Legislative and administrative measures have been implemented to deal with hazards at the work places. Work analysis including the inspection of work places is an import means to perform risk assessment. Special checklists may facilitate job analysis and documentation. However, the personal practical experience is very important for the evaluation of work places. In this paper, the results of a risk analysis are reported, which was performed in a glazier’s workshop. Results of measurements, e.g. ambient air monitoring, must be critically evaluated, before conclusions can be drawn. The reported results may give practical advice for several aspects of risk assessment in order to improve occupational safety in other factories. Key words: work analysis – risk assessment – ambient monitoring – lead

1 Einleitung
Gemäß dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) ist der Arbeitgeber u.a. verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Diese ist ein wesentlicher Bestandteil des betrieblichen Arbeitsschutzes und beinhaltet die systematische Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdungen und Belastungen. Sie ist die notwendige Voraussetzung, um zielgerichtet Arbeitsschutzmaßnahmen durchführen zu können. Diese Aufgabe wird häufig an die Fachkraft für Arbeitssicherheit und den Betriebsarzt delegiert.

Der Praktiker vor Ort hat eine Vielzahl unterschiedlicher Gesetze bzw. Vorschriften zu beachten. Dazu zählen u.a. die Arbeitsstättenverordnung, Gefahrstoffverordnung, Betriebssicherheitsverordnung, Bildschirmarbeitsplatzverordnung, Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung, Biostoffverordnung, Mutterschutzrichtlinienverordnung und -gesetz. Zur Gefährdungsbeurteilung können je nach konkreter Fragestellung verschiedene Methoden bzw. Verfahren eingesetzt werden. Dazu gehören u.a. Betriebsbegehungen, Befragungen von Beschäftigten, sicherheitstechnische Überprüfungen von Arbeitsmitteln sowie spezielle Ereignis-, Sicherheits- und Risikoanalysen1. Eine umfassende Darstellung befindet sich beispielsweise in einem von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin herausgegebenen Ratgeber1, der auch Prüflisten und Formblätter zur Dokumentation enthält.

Eine Prüfliste ist eine wesentliche Hilfe, sie ersetzt aber nicht die Erfahrung der vor Ort handelnden Personen. Ziel dieses Beitrags ist es deshalb, praktische Kenntnisse zu vermitteln. Anlässlich eines Berufskrankheitenverfahrens hat der Autor eine Kunstglaserei besichtigt und Mängel fotografisch dokumentiert. Diese sollen als Anschauungsmaterial dienen. Grund für die Betriebsbesichtigung war eine persistierende, erhebliche Erhöhung des Blutbleispiegels einer Frau mit Kinderwunsch, die vom Autor im Rahmen einer arbeitsmedizinischen Begutachtung untersucht worden war. Seit etwa neun Monaten hatte keine äußere Bleibelastung, auch keine private, mehr bestanden. Der ungewöhnliche Verlauf des Blutbleispiegels war medizinisch nicht zu erklären2. Das Ziel der Betriebsbesichtigung war es, eine berufliche Bleibelastung soweit wie möglich auszuschließen bzw. im Falle einer Bleibelastung konkrete Maßnahmen der Prävention einzuleiten.

2 Methoden
Die Betriebsbesichtigung fand im Jahr 2007 statt. Gegenstand einer Vorbesprechung mit dem Betriebsleiter waren die allgemeinen Betriebsabläufe, Arbeitsschutzmaßnahmen, frühere Messungen und die wesentlichen Gefahrstoffe im Betrieb. An der Betriebsbesichtigung nahmen u.a. die Patientin, die von einem privaten regionalen Dienstleister gestellte Sicherheitsfachkraft und der Technische Aufsichtsbeamte der Berufsgenossenschaft teil. Der Betriebsarzt, der demselben Dienstleister wie die Sicherheitsfachkraft angehörte, war verhindert. Die Arbeitsplatzanalyse erfolgte in Kenntnis der einschlägigen Vorschriften. Eine spezielle Checkliste (z.B.1) wurde nicht verwendet. Der Fokus lag entsprechend der gutachterlichen Fragestellung auf der Bleibelastung. Ergänzend wurden die anderen Arbeitsbereiche besichtigt. Mehrere Mitarbeiter wurden zu ihren Tätigkeiten und zu Arbeitsschutzmaßnahmen befragt. Im Anschluss an die Besichtigung fand eine Besprechung mit dem Betriebsleiter statt.

3.1 Vorbesprechung
Der Betrieb stellt Bleiglasfenster her und restauriert ältere. Bei zu reparierenden Kirchenfenstern werden die alten Bleifassungen in Handarbeit entfernt, die Gläser gereinigt, ggf. ersetzt und anschließend in neue Bleiprofile eingefügt, die verlötet werden. Für private Käufer werden außerdem Bleiglasfenster in Doppelglasfenster eingefügt, welche Aluminiumprofile besitzen.

Der sehr offene Firmeninhaber wunderte sich über den Berufskrankheitenfall, denn bei einer Messung durch die Gewerbeaufsicht im Jahr 2001 hatten die Bleikonzentrationen in der Luft in allen untersuchten Arbeitsbereichen weit unter dem (ehemaligen) MAK-Wert von 0,1 mg/m³ gelegen. Gemäß dem Messbericht waren keine Kontrollmessungen erforderlich. Die Produktionsabläufe hätten sich zwischenzeitlich nicht geändert. Beim Bleilöten seien mittlerweile deutlich weniger Mitarbeiter als früher beschäftigt. Deshalb war aktuell von einer eher niedrigeren Bleibelastung im Vergleich zu den Vorjahren auszugehen. An ihren ehemaligen Arbeitsplätzen hatte die Patientin verschiedene Aufgaben wahrzunehmen. Bei zu restaurierenden Fenstern entfernte sie alte Bleiprofile. In der Bleiverglasung wurde Blei in Form von H- oder U-Profilen verarbeitet. Die angelieferten Profile wurden auf die erforderliche Länge geschnitten, die Glasscheiben in die Profile eingeschoben, die weichen Bleiprofile an das Glas angedrückt und die Knotenpunkte der Profile mit einem bleihaltigen Lötzinn zusammengelötet. Der Anteil der reinen Lötarbeiten betrug ca. 20% der Arbeitszeit. Nach ihrer Erkrankung war die Patientin ab dem Herbst 2006 in der Isolierglasabteilung beschäftigt. Verfahrensbedingt gebe es dort keine Bleibelastung.

Essen, Trinken und Rauchen am Arbeitsplatz seien verboten. Die Mitarbeiter würden sich an die Verbote halten.

3.2 Betriebsbesichtigung
Ehemalige Arbeitsplätze der Patientin

In der so genannten Glasmalerei wurde nicht nur Glas bemalt, sondern es wurden vor allem Bleiprofile von zu restaurierenden Fenstern auf einem großen benachbarten Arbeitstisch manuell entfernt. Zum Zeitpunkt der Besichtigung waren drei Mitarbeiterinnen mit dieser Arbeit beschäftigt. Eine Mitarbeiterin saß auf einem vierbeinigen Stuhl ohne Beinraum und trug ihre private Kleidung und gepuderte Latexhandschuhe (Abbildung 1). Die Verwendung von gepuderten Latexhandschuhen geht mit einem hohen Allergierisiko einher 3. Die Bleiprofile waren zum Teil scharfkantig. Eine Mitarbeiterin hatte zwei Pflaster auf ihrer Hand angebracht (Abbildung 2). Die Frage nach Schnittverletzungen negierte sie. Die Patientin hingegen hatte berichtet, häufiger blutende Schnittverletzungen erlitten und die blutenden, mit Bleistaub kontaminierten Finger in den Mund gesteckt zu haben. Sowohl der Arbeitstisch als auch der Fußboden waren mit bleihaltigem Staub bedeckt. Sie wurden mit Handfeger und Besen gereinigt. In einer Ecke des Raums stand ein Industriestaubsauger, der – nach der darauf liegenden Staubschicht zu urteilen – offensichtlich nicht häufig benutzt wurde. Nach TRGS 505 (erhältlich über:

http://www.baua.de/nn_16714/de/ Themen-von-A-Z/Gefahrstoffe/TRGS/pdf/TRGS-505.pdf)

ist in so einem mit Blei belasteten Arbeitsbereich eine mobile Absauganlage zur Verfügung zu stellen, die die Spezifikation „Staubklasse „M“ gemäß DIN EN 60335–2–69“ erfüllt. Jedoch war niemand in der Lage, Auskunft über die Art des Filters in dem Industriestaubsauger zu geben. Hinter dem Industriestaubsauger stand ein Tischventilator, der offensichtlich im Sommer benutzt wurde.

Leider wurden am Tag der Besichtigung keine Malarbeiten ausgeführt. Die Farben werden von einer speziell ausgebildeten Mitarbeiterin aus Pulvern angerührt. Die nachführbare Absaugung war schwergängig. Es kann deshalb vermutet werden, dass die Absaugung von der nicht kräftigen Mitarbeiterin nicht regelmäßig nachgeführt wurde. Aus Zeitgründen konnte ein Schrank mit zahlreichen Farbpulvern nicht inspiziert werden. Nach Angaben des Betriebsleiters würden aktuell keine Farben mit krebserzeugenden Inhaltsstoffen verwendet.

An die Glasmalerei schloss sich der Arbeitsbereich Bleiverglasung an. Dort wurde ohne jegliche Schutzvorkehrungen gelötet, eine Absaugung gab es nicht (Abbildung 3). Aus technischen Gründen konnten die Lötrauche auf dem Foto nicht dargestellt werden, in natura waren sie deutlich erkennbar. Auch dieser Mitarbeiter trug seine private Kleidung. Seine Finger waren schwarz durch Bleistaub (Abbildung 4). Auf dem Arbeitstisch befand sich ein offenes, unbeschriftetes Kindernahrungsglas, in dem sich ätzendes Lötwasser befand. Einige Meter davon entfernt stand auf einem anderen Tisch eine Bleisäge. Ihre Absaugung mündete in einen offenen Plastiksack (Abbildung 5), so dass bleihaltiger Feinstaub in der Umgebung verteilt werden konnte. Der Arbeitsplatz und der Boden waren mit Bleistaub bedeckt, die Reinigung wurde mit einem Handfeger durchgeführt (Abbildung 6). Auf einem ebenfalls staubigen Arbeitstisch stand ein Ventilator. Auf Befragen war zu erfahren, dass der Ventilator im Sommer zur Kühlung benutzt werde, weil es wegen der seit zwei Jahren defekten Jalousie bei Sonnenschein sehr heiß würde.

Alle Mitarbeiter mit einer Exposition gegenüber Bleistaub oder -rauchen trugen ihre private Kleidung (vgl. Abbildung 1, 4 und 7b), die zu Hause gewaschen wurde. Auf mehreren Aushängen wurde auf das Verbot, am Arbeitsplatz zu rauchen, zu trinken und zu essen, hingewiesen und bei Verstößen eine Abmahnung angedroht. Dennoch entdeckten wir in einem mit Blei kontaminierten Raum frisch benutzte Kaffeetassen (Abbildung 7a und 7b). Diese Beobachtung war der Anlass für eine gezielte Suche in den mit Blei belasteten Arbeitsbereichen. Das Ergebnis waren ein verstaubter Wasserkocher, Speisereste und Lebensmittelverpackungen in zwei Mülleimern und eine Zigarettenkippe auf dem Fußboden daneben (Abbildung 8) sowie eine private Umhängetasche, in der vermutlich ein Teil der Lebensmittel transportiert worden war.

Ein lötender Mitarbeiter erklärte auf Nachfrage, dass bei ihm keine arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt würden. Eine Kollegin ergänzte, dass er erst seit drei Monaten in der Bleilöterei arbeitete. Aus dem Bericht der Gewerbeaufsicht aus dem Jahr 2001 ging aber hervor, dass er bereits damals Lötarbeiten ausgeführt hatte (dokumentierte personenbezogene Messung).

Aktueller Arbeitsplatz der Patientin

Nach ihrer Bleiintoxikation war die Patientin in der Isolierglasabteilung tätig. Nach ihren Angaben reinigte sie Glasflächen mit Glasreiniger und klebte sie ab, damit die Gläser später sandgestrahlt werden konnten. Die Profile der Glasfenster bestanden aus Blei. Auch auf ausdrückliches Nachfragen wurde versichert, dass die Profile nur abgewischt würden und keine mechanische Bearbeitung erfolge. Jedoch befand sich metallisch aussehender Staub sowohl auf dem Arbeitstisch als auch auf dem Fußboden. Der Staub wurde durch das Sägen von Aluminiumprofilen in der Nachbarschaft erklärt. Auf Vorschlag des Gutachters nahm der Technische Aufsichtsbeamte eine Staubprobe für die Analytik. Der Bleigehalt betrug 3,4 Massenprozent. Daraufhin suchte der Technische Aufsichtsbeamte nochmals den Betrieb auf. Nach Konfrontation mit dem Messwert wurde zugegeben, dass die Bleiprofile ohne Schutzmaßnahmen gefeilt wurden, wenn sie nicht in die Aluminiumrahmen passten. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Bestimmung des Bleigehalts von Staubproben kein validiertes Verfahren ist, um die Höhe einer Bleibelastung zu beurteilen.

Andere Arbeitsplätze

Arbeitsbereich Sandstrahlen

Hier wurden Gläser mit einem Sandstrahlgerät bearbeitet. Gestrahlt wurde nach Angaben der Mitarbeiter mit Quarzsand. Das Sicherheitsdatenblatt für das Strahlmittel war nicht vorhanden. Das Sandstrahlgerät war an der Seite nicht dicht, auf den äußeren Teilen und dem Boden befand sich Strahlsand (Abbildung 9), so dass (zunächst) von einer Belastung mit silikogenem Staub auszugehen war. Eine Messung der Staubkonzentration und arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen gemäß dem Grundsatz G 1.1 „Quarzhaltiger Staub“ waren nicht durchgeführt worden. Die nachfolgenden Ermittlungen des Technischen Aufsichtsbeamten ergaben, dass das Strahlmittel laut EG-Sicherheitsdatenblatt ein Regenerat aus keramisch gebundenen Schleifscheiben war. Wesentliche Inhaltsstoffe waren „80,1% Al2O3 und 11,6% SiO2“. Konkrete Angaben zu einem möglichen Gehalt an kristallinem Siliziumdioxid wurden nicht gemacht und das Vorhandensein von Gefahrstoffen negiert. Dementsprechend hatte der Hersteller das Strahlmittel als „kein gefährliches Produkt im Sinne der Richtlinie 1999/45/EG“ eingestuft.

Subjektiv bestand eine hohe Lärmbelastung, so dass es sich wahrscheinlich um einen Lärmbereich handelte. Eine Messung war bis dato nicht erfolgt. Beschäftigte wurden ohne Gehörschutz und ohne Sicherheitsschuhe angetroffen. Von einem Bandschleifgerät war die Schutzabdeckung entfernt. Ein Mitarbeiter erklärte dies damit, dass zuvor eine große Vase geschliffen worden sei, die das Entfernen der Abdeckung erfordert habe. Auf Nachfrage berichtete er, dass es keine Schutzbrillen gebe. Bei einer Säge fehlte eine Abdeckung für die Transmission, so dass Verletzungsgefahr bestand (Abbildung 10). Auf dem Boden befand sich eine große Pfütze, weil das Dach undicht war.

Verfugen von Fenstern

In einem Durchgangsraum wurden Fenster mit einer Kunststoffmasse verfugt (Abbildung 11a). Ein Sicherheitsdatenblatt war nicht vorhanden. Dem Geruch nach zu urteilen enthielt das Produkt Ketone. Überschüssiges Material wurde großzügig auf einem Pappkarton abgestrichen (Abbildung 11b). Dort verdunsteten die in der Masse enthaltenen organischen Lösungsmittel. Subjektiv erschien die Belästigung eher gering. Sie könnte aber durchaus hinreichend gewesen sein, bei einem Menschen mit einem hyperreagiblen Bronchialsystem, z.B. einem Asthmatiker, Husten und/oder eine Atemwegsobstruktion zu verursachen.

Betriebsschlosserei

Eine Rampe vor dem Eingang war ca. 15 cm von der Türschwelle entfernt und stellte somit eine Stolperfalle dar (Abbildung 12). Die Werkstatt erinnerte insgesamt an ein nicht aufgeräumtes Kinderzimmer. Der Leiter der Werkstatt trug beim Schleifen mit der Flex keine Schutzbrille. Daraufhin wurden er sowie die Mitarbeiter vom Technischen Aufsichtsbeamten eingehend und nachdrücklich über die Notwendigkeit belehrt, beim Schleifen eine Schutzbrille zu tragen. Auf dem Rückweg vom Lager wurde die Werkstatt ein zweites Mal besichtigt. Ein Mitarbeiter schliff mit der Flex, ohne eine Schutzbrille zu tragen. Das Werkstück hielt er in der linken Hand, die Trennscheibe war nur wenige Zentimeter von seinen Fingern entfernt (Abbildung 13). In der Schlosserei und im Gang davor waren Schweißflaschen nicht gegen Umfallen gesichert.

Lager

Im Lager wurden große Glasplatten mit einem Gewicht bis zu ca. 13 kg von zwei Beschäftigten transportiert, beide trugen keine Sicherheitsschuhe. In einem anderen Lagerraum war der Zugang zum Feuerlöscher durch Material verstellt (Abbildung 14).

Fluchtwege

In den schmalen Fluren, die zu den Sozialräumen führen, wurden größere Mengen an Glasplatten senkrecht gelagert (Abbildung 15). Der Zugang zu einem Feuerlöscher war durch Material verstellt.

Sanitäre Anlagen

Die relativ kalten Umkleideräume hatten Duschen, die von den Beschäftigten aber nicht nach der Arbeit genutzt wurden. Ein Mitarbeiter duschte nach der Fahrt mit dem Fahrrad vor der Arbeit. Schwarz-Weiß-Räume gab es nicht.

4 Diskussion
Vom Technischen Aufsichtsbeamten wurde eine Sanierung der Arbeitsplätze veranlasst. Ein Teil der notwendigen Maßnahmen ist in der TRGS 505 „Blei“ aufgeführt und soll an dieser Stelle nicht wiederholt werden.

Mitarbeiterbefragungen sind in der Regel ein wichtiges Instrument einer Gefährdungsbeurteilung1. Im vorliegenden Fall wurden aber relevante Informationen vorenthalten bzw. Sachverhalte falsch dargestellt. Dieses Verhalten ist gut nachvollziehbar, weil die Betroffenen Angst hatten. Denn für den Fall gravierender Verstöße wie Essen, Trinken und Rauchen am Arbeitsplatz waren Abmahnungen angedroht. In solchen Fällen müssen andere Informationsquellen herangezogen werden. Manchmal ist detektivische Arbeit erforderlich, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Hilfreich waren hier die Analyse der Staubprobe auf ihren Bleigehalt sowie eine eingehende Inspektion der Arbeitsräume einschließlich der Abfallbehälter.

Der vorliegende Fall ist ein typisches Beispiel dafür, dass fehlerhafte Messwerte alle Beteiligten in falscher Sicherheit wiegen können. Aber bereits aufgrund einer bloßen Inspektion der bleibelasteten Arbeitsplätze hätte eigentlich jedem Fachkundigen klar sein müssen, dass der damalige MAK-Wert von 0,1 mg Blei/m³ 4 erheblich überschritten sein musste. Die Ursache des Messfehlers ist ungeklärt, denkbar sind sowohl Fehler bei der Probennahme als auch bei der Analytik. Im Rahmen des Berufskrankheitenverfahrens wurde eine erneute personenbezogene Messung durchgeführt. Beim Bleilöten ohne Absaugung betrug die Bleikonzentration 0,716 mg/m³. Eine ortsbezogene Messung beim Zerlegen von alten Bleiglasfenstern ergab eine Konzentration von 0,17 mg Blei/m³. Ein einzelner Messwert ist nicht zwangsläufig repräsentativ für die durchschnittliche Belastung an einem Arbeitsplatz, entscheidend im vorliegenden Fall ist die Größenordnung.

Im Rahmen einer Arbeitsplatzanalyse müssen alle Aufnahmepfade und nicht nur die inhalative Belastung während bestimmter Arbeitsvorgänge berücksichtigt werden. Die TRGS 402 beschreibt alle Schritte, die vor einer Messung durchgeführt werden müssen. Zu einer Arbeitsbereichsanalyse gehören u.a. die Beschaffung des Grundwissens über die Tätigkeit, die Anlagenart, die Verfahrensweise, die Schutz- und Lüftungseinrichtungen, die Emissionsorte und die Aufenthaltsdauer der Arbeitnehmer.

Arbeitsschutz kann nur erfolgreich sein, wenn die Mitarbeiter entsprechend einbezogen werden und sich auch einbeziehen lassen wollen. Beispielhaft sei hier die eingehende Belehrung des Werkstattleiters angeführt, der beim Schleifen mit starkem Funkenflug keine Schutzbrille getragen hatte. Die Belehrung war in Gegenwart seiner Mitarbeiter erfolgt. Das Ergebnis war, dass kurze Zeit danach einer der Mitarbeiter in Gegenwart des Werkstattleiters ein äußerst unfallträchtiges Verhalten zeigte. In solchen hartnäckigen Fällen ist ein nachhaltiges Engagement der Betriebsleitung erforderlich.

Gravierende Verstöße gegen grundlegende arbeitshygienische Regeln hat der Autor auch in mehreren anderen Blei verarbeitenden Betrieben unterschiedlicher Branchen beobachtet. Vor wenigen Jahren wurde über zehn Bleiintoxikationen bei einer Brückensanierung berichtet 5. Von erfahrenen Technischen Aufsichtsbeamten wurde mir mitgeteilt, dass es auch in anderen Branchen Betriebe gibt, die arbeitshygienische und sicherheitstechnische Mängel in einem vergleichbaren Ausmaß wie die Kunstglaserei aufweisen. Bei dem beschriebenen Betrieb handelt es sich also nicht um einen Einzelfall. Die vorgestellten Arbeitsplätze sollen auch als Lehrbeispiel für in der betrieblichen Prävention Tätige dienen, die sich in der Weiterbildung befinden. Wenn die dargestellten Mängel Anregungen geben, die Arbeitssicherheit in anderen Betrieben zu verbessern, hat diese Publikation ihren Zweck erfüllt.

Danksagung

Der Autor dankt dem zuständigen Unfallversicherungsträger für die gute Kooperation. Die Abbildungen 8 und 14 wurden von Frau Dr. med. Jutta Scharnbacher zur Verfügung gestellt.

· Literatur

Efker M, Fähnrich R, Hahne H, Henn M, Janßen M, Kuhn K et al. Ratgeber zur Ermittlung gefährdungsbezogener Arbeitsschutzmaßnahmen im Betrieb. Dortmund/ Berlin: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2004. http://www.baua.de/nn_28722/de/Themen-von-A-Z/ Gefaehrdungsbeurteilung/pdf Ratgeber-Gefaehrdungsbeurteilung.pdf?

Muttray A, Scharnbacher J. Bedeutung der Arbeitsplatzanalyse für die Begutachtung und Prävention am Beispiel einer chronischen Bleiintoxikation. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2008; 43: 618–621

Latza U, Haamann F, Baur X. Effectiveness of a nationwide interdisciplinary preventive programme for latex allergy. Int Arch Occup Environ Health 2005; 78: 394–402

Deutsche Forschungsgemeinschaft. Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe. MAK- und BAT-Werte-Liste 2001. Maximale Arbeitsplatzkonzentrationen und Biologische Arbeitsstofftoleranzwerte. Weinheim: Wiley-VCH, 2001.

Weber W, Blech R. Berufsbedingte Bleiintoxikationen bei Sanierungsarbeiten einer Brücke in Rheinland-Pfalz. ErgoMed 2005; 29: 140–143

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