Erkrankungen des Atemsystems und des Stimmapparates gehören zu den häufigsten Ursachen für Arbeitsunfähigkeit im Büro. Insbesondere im Winter kommt es vermehrt zu Grippewellen und anderen Infektionen der Atemwege. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass die Lebensdauer von Viren und die Immunabwehr direkt von der Luftfeuchte abhängen.
Luftdichte Gebäude, große Glasfassaden und Fenster, die nicht geöffnet werden können, sind heute in vielen Büros Alltag. Zum Leid der Mitarbeiter, die bei falscher Gebäudeplanung an viel zu warmer und trockener Raumluft leiden: Die Schleimhäute trocken aus, die Augen brennen, die Stimme versagt – die typischen Symptome des „Dry-Building-Syndroms“.
„Dry-Building-Syndrom“ macht krank
Unsere Atemluft umgibt uns permanent und ist unser wichtigstes Lebensmittel: Am Tag fließen bis zu 10.000 Liter Luft durch unsere Nase, Mund und Lungen. Bis zu 90% unserer Zeit verbringen wir in geschlossenen Räumen. Die Qualität der Innenraumluft und die Fähigkeit, uns vor Verschmutzungen und Krankheitserregern zu schützen, sind für unsere Gesunderhaltung maßgeblich. Aktuelle Studien haben jetzt bestätigt, dass die relative Luftfeuchtigkeit für die Funktionsfähigkeit und Immunabwehr der Schleimhäute von immenser Bedeutung ist. Die Lebensdauer von Viren und Bakterien hängt ebenfalls entscheidend von der Luftfeuchte ab: eine optimale Luftfeuchte von über 40% ist für ausgehustete Grippe- und Erkältungsviren innerhalb von Minuten tödlich. Unterhalb von 40% Luftfeuchte bleiben die Viren stundenlang infektionsfähig und können im ganzen Raum verteilt und eingeatmet werden. Der Schutz vor den Folgen des „Dry- Building-Syndroms“ ist daher insbesondere für Unternehmen mit Großraumbüros und Open Space Strukturen eine notwendige Maßnahme der Prävention im betrieblichen Gesundheitsmanagement.
Viren lieben es trocken
Überall dort, wo viele Mitarbeiter sich lange gemeinsam aufhalten, wächst die Gefahr, sich mit Grippe- oder Erkältungsviren anzustecken. Atmet, spricht, hustet oder niest ein infizierter Kollege, verbreiten sich in der Luft Tausende infektiöser Tröpfchen – auch Aerosole genannt. Die von erkrankten Menschen abgegebenen Aerosole sind mit Viren und Bakterien beladen, die in einem Wassermantel aus Bronchialschleim, Speichel und gelösten Salzen eingebettet sind. Beim Verlassen der Atemwege kommen die Aerosol-Tröpfchen mit fast 100% Wassersättigung in die viel trockenere Raumluft. Hier schrumpfen die Tröpfchen in Sekundenbruchteilen auf rund die Hälfte ihres Durchmessers. Sie verlieren dabei 90 Prozent des Gewichtes durch Wasserabgabe und die Konzentration der Salze steigt massiv an. Ist die relative Luftfeuchte im Büro für den Menschen im optimalen Bereich zwischen 40% und 60%, steigt die Salzkonzentration in den Tröpfchen so stark an, dass die meisten Viren nicht „überleben” und inaktiviert werden Die Ansteckungsgefahr ist bei dieser optimalen Luftfeuchtigkeit nur gering. Ganz anders sieht es jedoch aus, wenn die relative Luftfeuchte unter 40 Prozent liegt: Es kommt dann zu einer sofortigen, sprunghaften Auskristallisation der gelösten Salze, da die Aerosole noch mehr Wasser an die trockene Luft abgeben. Die auskristallisierten Salze schädigen die Viren nicht mehr. Im Gegenteil: die Viren werden dadurch „konserviert“ und bleiben länger aktiv und ansteckend. Die Ansteckungsgefahr durch Grippe- und Erkältungsviren ist dadurch bei zu trockener Raumluft stark erhöht.
Keine Immunabwehr ohne Feuchte
Im Büro ist der Mensch Angriffen von Viren und Bakterien nicht schutzlos ausgeliefert: Im Atemtrakt schützen uns die Schleimhäute durch ihren Selbstreinigungs-Mechanismus und ihre Immunabwehr vor Infektionen. Wie wirksam diese Infektionsabwehr in Abhängigkeit von der relativen Luftfeuchte ist, zeigen aktuelle Forschungsergebnisse: Die Schleimhäute in der Nase und den unteren Atemwegen besitzen an ihrer Oberfläche unzählige feine Flimmerhärchen, die sich in einer leichtflüssigen Sol-Schicht wie Gräser im Wind bewegen. Darüber liegt eine klebrige Gel-Schleimschicht, an der Viren, Bakterien und Luftschadstoffe anhaften können. Durch die rhythmischen Bewegungen der Flimmerhärchen wird der Schleim kontinuierlich gegen den Kehlkopf transportiert, wo er zusammen mit den Krankheitserregern verschluckt oder ausgehustet werden kann und damit unschädlich wird. Dieser Selbstreinigungs-Mechanismus hält den Menschen gesund. Bei sinkender Luftfeuchtigkeit wird der Sol-Schicht Wasser entzogen. Volumen und damit Dicke der Sol-Schicht nehmen ab und die Flimmerhärchen werden zunehmend niedergedrückt, bis sie sich schließlich nicht mehr bewegen können. Der Abtransport von Krankheitserregern kommt dann zum Stillstand. Viren können dadurch leichter in die Schleimhautzellen eindringen und Infektionen auslösen. Untersuchungen zeigen, dass die höchste Transportgeschwindigkeit und damit das geringste Ansteckungsrisiko bei über 45% relativer Luftfeuchtigkeit erreicht werden. Bei sinkender Luftfeuchtigkeit werden die Flimmerhärchen zunehmend blockiert und das Infektionsrisiko steigt an.
Luftbefeuchtung wird ein Muss
Das aktuelle Wissen über das „Dry-Building-Syndrom“ zeigt, dass eine optimale Luftfeuchte in Bürogebäuden heute nicht mehr als reiner Wohlfühlfaktor verstanden werden darf. Energieeffiziente Bauweisen, zunehmende Flächenoptimierung durch Open Space und der Verzicht auf eine technische Luftbefeuchtung machen trockene Luft zu einem Risikofaktor für die Gesundheit. Experten sind sich daher einig, dass es in den nächsten Jahren eine noch rasante Entwicklung hin zu mehr Gesundheit in Büros geben muss: Für fast drei Viertel der Experten ist es sicher, dass bereits 2030 in nahezu jedem Büro eine optimale Luftfeuchte herrschen wird (vgl. Fraunhofer IAO, Stuttgart: Delphi-Studie, 2012). Die Prävention vor den Folgen des „Dry Building Syndroms“ sollte daher für Planer, Immobilienbesitzer und Gebäudenutzer schon jetzt Herausforderung und Aufgabe zugleich sein – für mehr Gesundheit und Leistungsfähigkeit.
Dry-Building-Syndrom
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