Wo und wie werden die Zutaten für das Mittagessen produziert? Das Bewusstsein für die Herkunft und Qualität von Lebensmitteln steigt. Bio, Regionalität, Nachhaltigkeit und Fair Trade sind die Trends in der Gemeinschaftsverpflegung.
Bio ist in der Gemeinschaftsverpflegung auf dem Vormarsch. Was Betriebskantinen von Groß- und mittelständischen Unternehmen vormachten, wird in immer mehr Krankenhäusern und Altenheimküchen umgesetzt. Immer mehr Betriebe setzen auf ökologisch erzeugte Produkte. Ökologisch (oder auch: biologisch) erzeugte Lebensmittel stehen dabei für Transparenz hinsichtlich ihrer Herkunft, Erzeugung und Verarbeitung. Bio-Lebensmittel müssen aus ökologisch kontrolliertem Anbau ohne Einsatz konventioneller Pestizide, Kunstdünger oder Abwasserschlamm stammen und dürfen nicht gentechnisch verändert sein.
Essen für mehr Leistung
Eine bedarfsgerechte Ernährung beeinflusst unsere Leistungsfähigkeit, Stimmung und Kommunikation. So können Leistung und Konzentration gesteigert werden, wenn das Angebot an Speisen bedarfsgerecht, ausgewogen und nach gesundheitlichen Aspekten zusammengestellt ist. Dies muss aber nicht bedeuten, dass beliebte Gerichte wie Schnitzel oder die Currywurst mit Pommes von der Speisekarte verschwinden müssen. In Kombination mit anderen Lebensmittel können diese Bestandteile einer gesunden Ernährung sein.
In der Gemeinschaftsverpflegung bzw. in den Betriebskantinen ist es wichtig, neue Produkte und Verpflegungskonzepte auszuprobieren, um den veränderten Essgewohnheiten der Gäste Rechnung zu tragen. Ein Trend weg von klassischen Fleischgerichten hin zu Gerichten mit mehr Gemüse zeichnet sich schon seit vielen Jahren ab. Auch die verstärkte Nachfrage nach Bio-Convenience-Produkten unterstreichen diese Entwicklung. Für die Verbraucher spielen dabei Qualität und Lebensmittelsicherheit eine große Rolle. Bioprodukte aus dem Convenience-Bereich erfüllen diesen Anspruch. Darüber hinaus sind sie jederzeit verfügbar und können ein
erster Schritt zu einer gesunden Ernährung sein. Inzwischen bietet Bio-Convenience das Meiste, was auch im konventionellen Bereich erhältlich ist. Dieses vielfältige Angebot, es reicht von vorgeschnittenen Kartoffeln über Tiefkühlbackwaren bis hin zu Komplettgerichten, wird von orthodoxen Bio-Verfechtern jedoch mit Skepsis gesehen. Dabei liegt der entscheidende Vorteil von Bio-Convenience gegenüber herkömmlichen Fertigprodukten darin, dass die Liste der erlaubten Zusatzstoffe (siehe EG-Öko-Verordnung 2092/91) stark eingeschränkt ist. Der Energiebedarf für die aufwendige Verarbeitung und der oft erhöhte Verpackungsaufwand passen jedoch nicht zum Ideal der Naturkost-Bewegung, dem Vorläufer der modernen Bio-Lebensmittel.
Bio fördert das Image
Die Betriebskantine kann mit Bio-Lebensmitteln bei seinen Gästen und den Mitarbeitern einen Wettbewerbsvorteil und Imagegewinn erzielen. Die meisten empfinden Lebensmittel aus der ökologischen Landwirtschaft als zeitgemäß und als ernährungsphysiologisch sinnvoll. Sie glauben, dass sie damit einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Die Entscheidung, in einer Betriebskantine Bio-Produkte einzusetzen, sollte jedoch keinem kurzlebigen Trend folgen. Bio-Gerichte müssen langfristig und schrittweise in das Speiseangebot aufgenommen und nach Möglichkeit zertifiziert werden. Zu Beginn ist weniger auf eine breite Auswahl von Biolebensmitteln im Angebot zu achten als auf Qualität, Ausgewogenheit und Frische der Lebensmittel. Sinnvoll ist zunächst nur einzelne Komponenten oder Beilagen aus ökologisch kontrolliertem Anbau in den Speiseplan aufzunehmen. Die Erfahrungen und Auswertungen von Unternehmen, die auf Bio-Lebensmittel umgestellt haben, zeigen, dass vor einer Entscheidung zugunsten von Bio eine gründliche Planung und Analyse erforderlich und sinnvoll ist. Nur so ist es möglich, auf lange Sicht erfolgreich zu arbeiten. Jeder der einbezogenen Entscheidungsträger sollte sich fragen, inwieweit eine Umstellung durchführbar und kostendeckend ist. Zudem müssen sich alle Beteiligten gegenseitig unterstützen, damit eine langfristige Umstellung erfolgreich sein kann. Die Einführung geeigneter Kommunikationsmittel zwischen den verschiedenen Akteuren bis hin zu den Mitarbeitern und Gästen ist entscheidend, damit die Umstellung gelingen kann.
Ist die Entscheidung erst einmal gefallen, kann der Einsatz zum Beispiel von Bio-Gewürzen, Bio-Kaffee bzw. Bio-Tee oder Bio-Convenience-Produkten ein erstes und in der Küche schnell umsetzbares Signal an die Mitarbeiter sein.
Bio muss nicht teurer sein
Als Argument gegen die Umstellung auf Bio-Lebensmittel wird häufig die zu erwartende Kostenexplosion angeführt. Dabei zeigen Auswertungen der vergangenen Jahre, dass die Unternehmensküche mit einem Bio-Anteil von nur zehn Prozent ohne nennenswerte zusätzliche Belastungen wirtschaften kann Engagement, Begeisterung und Motivation des Küchenteams vorausgesetzt. Viele Gäste akzeptieren einen höheren Preis, vorausgesetzt, Qualität und Geschmack stimmen. In einer von CHD-Experten im Jahr 2008 durchgeführten Studie musste der Gast für ein Bio-Mittagsessen in der Betriebsverpflegung im Durchschnitt 3,35 Euro bezahlen, für ein konventionelles Gericht mit Fleisch 3,29 Euro. Für 2015 dürfte sich das Niveau in etwa halten, da Bio salonfähig ist. Um die Mehrkosten aufzufangen, gibt es verschiedene Möglichkeiten:
· Überprüfung und eventuell Neuausrichtung der Küchenabläufe zur Effizienzsteigerung
· regelmäßige Kostenkontrolle
· sinnvolle Speiseplangestaltung, unter anderem durch den gezielten Einsatz von jahreszeitlichen und regionalen Produkten sowie der Verringerung der Portionsgröße bei Fleisch
· Optimierung der Einkaufsquellen (Rabatte mit Lieferanten aushandeln, Preise verschiedener Lieferanten miteinander vergleichen)
· abwägen, ob alle oder nur einzelne Speisekomponenten, wie zum Beispiel Fleisch, Fisch oder Kartoffeln, in Bio-Qualität eingesetzt werden sollen.
Von den ersten Schritten zur Zertifizierung
Marktlage und Marktentwicklung, nachhaltige Ernährungskonzepte, Belieferungsmöglichkeiten und eine adäquate Kommunikation mit Mitarbeitern und Gästen sind notwendig, damit eine Umstellung auf Bio-Lebensmittel erfolgreich und langfristig gelingen kann. Besonders die Mitarbeiter müssen hinter dem Konzept stehen. Um bei jedem Einzelnen die notwendige Sicherheit und Überzeugung zu erlangen, ist eine regelmäßige Schulung zu den Themen Anbau, Verarbeitung und Kontrolle von Lebensmitteln empfehlenswert. Kommunikationsaktivitäten wie Informationsblätter können zudem die Akzeptanz steigern. Anbieter wie Naturland, Demeter, Bioland und BÖL bieten hierfür speziell entwickelte Leitfäden an. Regelmäßige Befragungen über Geschmack, Bekömmlichkeit und Zusammenstellung der Speisen zeigen den Verantwortlichen der Küche, wie zufrieden die Gäste mit der Verpflegung sind.
Kontrolle und Zertifizierung
Bio und Öko sind geschützte Begriffe, mit denen nur bei Einhaltung der gesetzlichen Regelungen geworben werden darf. Seit dem 01.07.2009 muss jedes Unternehmen, das in der Gemeinschaftsverpflegung und Gastronomie seine Bio-Lebensmittel bewirbt, nach der EG-Öko-Verordnung an einem Kontrollverfahren teilnehmen. Die Kontroll- und Kennzeichnungsregelungen für die Gemeinschaftsverpflegung und Gastronomie sind im Öko-Landbaugesetz (Gesetz zur Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des ökologischen Landbaus, kurz ÖLG) geregelt.
Möchte sich ein Betrieb durch Bio-Gerichte abheben, kann er sich nach strengen Richtlinien zertifizieren lassen. Eine Bio-Zertifizierung bietet Einkauf, Küche und Gast Sicherheit und schafft zusätzliche mehr Transparenz der Erzeugungs- und Verarbeitungsschritte von der Lebensmittelherstellung bis hin zum Anrichten auf dem Teller.
Um den Prozess der Zertifizierung einzuleiten, nimmt eine Großküche bzw. Kantine mit einer Kontrollstelle Kontakt auf und schließt einen Kontrollvertrag ab. Für die bevorstehende Kontrolle wird für die Öko-Kontrollstelle eine Betriebsbeschreibung (mit Lageplan und Organigramm des Unternehmens etc.) vorbereitet. Entscheidend sind die korrekte Kennzeichnung, Etikettierung und Buchführung. Eine entsprechende Trennung von Lebensmitteln aus konventionellem und ökologischem Anbau in der Lagerhaltung wird genauso kontrolliert wie der Wareneingang, der Warenfluss und die richtige Auslobung der Speisen auf der Speisekarte und in den Werbematerialien. So muss beispielsweise für den Lieferanten ein aktuell gültiges Zertifikat einer Öko-Kontrollstelle vorliegen. Zudem muss der Lieferant die Bio-Produkte als solche auf dem Lieferschein und der Rechnung kennzeichnen. Die Kosten der Kontrolle muss der überprüfte Betrieb selbst tragen. Das Zertifikat ist jeweils ein Jahr gültig.
Was sind Bioprodukte?
Bei ökologisch erzeugten Produkten wird eine besondere Form der Landwirtschaft eingesetzt. Es ist eine schonende Art, den Boden und die Pflanzen zu nutzen. Bio-Produkte stammen zudem häufig von regionalen Erzeugern, sodass regionale Strukturen, bäuerliche Kleinbetriebe und handwerkliche Herstellungsweisen gefördert und faire Erzeugerpreise geboten werden. Bio-Lebensmittel müssen ohne gentechnische Verfahren, synthetische Düngemittel und konventionelle Pestizide auskommen. Lediglich ein Zehntel der insgesamt 300 zugelassenen Zusatz- und Hilfsstoffe werden bei der Verarbeitung verwendet. Zudem hilft der ökologische Landbau die Arten- und Sortenvielfalt von Pflanzen und Tieren zu erhalten.
Andrea Hernik