Warum verkraften einige Menschen seelische Belastungen, Stress, Dauerdruck oder traumatische Erlebnisse besser, während andere verzweifeln und psychisch krank werden? Welcher Fähigkeiten bedarf es, um aus Krisen gestärkt hervorzugehen?
Die Tatsache, dass einige Menschen wie Stehaufmännchen auch nach großen psychischen Belastungen schnell wieder auf die Füße kommen, lässt vermuten, dass ihre mentalen Schutz-und Selbstheilungsmechanismen einfach besser funktionieren. Diese seelische Widerstandskraft wird Resilienz genannt und gilt als Wunderwaffe im Kampf gegen stressbedingte psychische Störungen. Denn wer gelernt hat, Herausforderungen erfolgreich zu meistern, wird auch in Zukunft ähnliche Situationen besser bewältigen können. Psychologen, Neurowissenschaftler und Mediziner arbeiten deshalb mit Hochdruck daran, dem Geheimnis der Resilienz auf die Spur zu kommen und daraus wirksame Präventionsmaßnahmen zur Vorbeugung seelischer Krisen zu entwickeln.
Diese Entwicklung ist noch relativ neu. Lange Zeit hat sich die klinische Forschung in Psychiatrie und Psychotherapie stark an den Krankheitsbildern orientiert und sich weniger um die Prävention gekümmert. Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Sucht haben aber häufig lange Vorlaufzeiten, in denen chronische Stresssituationen oder kritische Lebensereignisse die seelische Belastbarkeit der Betroffenen Stück für Stück aushöhlen. Hier könnte ein präventives Resilienztraining frühzeitig ansetzen und die Entwicklung einer Krankheit im Keim ersticken.
Alle Volkskrankheiten sind auch wesentlich in Umwelteinflüssen begründet, wie Lebensstilen, Erziehung, frühkindlichen Erfahrungen bzw. Traumen und aktuellen Belastungen. Hier setzt Resilienz ein, denn der Umgang und die Bewältigung solcher Erlebnisse kann psychotherapeutisch so trainiert werden, dass die häufigen seelischen Folgestörungen nicht auftreten. Optimismus, Bewältigungskompetenzen und Selbstwirksamkeit sind beispielhafte krankheitsvermeidende Strategien. Diese müssen wir aber vor der Krankheitsmanifestation, also präventiv zu Aufbau und Stärkung von Resilienz einsetzen, erklärt Dr. Iris Hauth, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde.
Sicher scheint heute zu sein, dass Resilienz eine Fähigkeit ist, die jeder Mensch zu jedem Zeitpunkt seines Lebens aufbauen und trainieren kann unabhängig von seiner genetischen Veranlagung. Dabei geht es vor allem um hilfreiche psychologische Faktoren wie positives Denken und die Fähigkeit, flexibel auf belastende Lebensereignisse zu reagieren. Es macht einen großen Unterschied, ob ich mit meinem Schicksal hadere und mich als hilfloses Opfer sehe, oder ob ich die Situation akzeptieren und mich auf ihre Lösung konzentrieren kann. Weitere Merkmale von Resilienz sind die Fähigkeit, die eigenen Emotionen und Impulse kontrollieren und ein tragfähiges Netz aus sozialen Bindungen aufbauen zu können.
Diese psychologischen Schutzmechanismen für die seelische Gesundheit sind mittlerweile gut erforscht und anerkannt. Entsprechende Methoden werden in der Stressbewältigung schon seit langem erfolgreich angewandt. So können in speziellen Resilienztrainings wie dem MBSR Programm nach Jon Kabat-Zinn kognitive Umstrukturierung und achtsame Selbstbeobachtung im Alltag eingeübt werden. Auch regelmäßige Meditation und Konzentrationsübungen aus dem Zen-Buddhismus haben eine positive Wirkung auf unsere geistigen Fähigkeiten und die innere Widerstandskraft.
Am europaweit ersten Resilienz Zentrum an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz arbeiten seit letztem Jahr fachübergreifend Neurowissenschaftler, Mediziner und Psychologen an der neurobiologischen Erforschung der Resilienz. Ziel des Forscherteams ist es, ihre grundlegenden Mechanismen zu entdecken und das Gehirn als zentrales Resilienzorgan zu begreifen. Die entscheidende Frage dabei lautet, welche Prozesse festlegen, wie das Gehirn eine bestimmte Situation oder einen bestimmten Reiz bewertet. Wir wollen verstehen, welche Vorgänge im Gehirn Menschen dazu befähigen, sich gegen die schädlichen Auswirkungen von Stress zu schützen und wie diese Resilienzfaktoren gezielt trainiert und langfristig verstärkt werden können, so Professor Klaus Lieb, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz und stellvertretender Sprecher des Deutschen Resilienzzentrums.
Aus diesem Grund hat das Resilienz-Zentrum mehrere Langzeitstudien auf den Weg gebracht. Die Gutenberg Brain Study ist eine breit angelegte Studie, bei der 5000 Probanden quer durch alle Bevölkerungsschichten neurobiologisch untersucht werden. Einer der Schwerpunkt ist die Frage, ob durch Resilienztraining der Abbau kognitiver Fähigkeiten im Alter verhindert oder zumindest verlangsamt werden kann. Im Mainzer Resilienz Projekt sollen 5000 Studenten über mehrere Jahre begleitet werden, um Stressfaktoren, denen sie im Laufe der Zeit ausgesetzt sind, und deren Auswirkungen auf die psychische Gesundheit zu erfassen.
Dabei spielt vor allem das Thema Resilienz im Arbeitsleben eine wichtige Rolle. Gerade hier ist die Gefahr groß, durch ständige Überforderung in einen Teufelskreis aus chronischem Stress und der damit verbundenen Gefahr einer psychischen Erkrankung zu geraten. Belastende Arbeits-bedingungen können auch Menschen krank machen, die von Natur aus eine robuste Gesundheit besitzen. Denn der angeborene und erlernte Stressschutz kann unter Dauerdruck auch versagen. Deshalb ist hier vor allem die Verantwortung der Organisationen und Arbeitgeber gefragt, für gesunde Arbeitsbedingungen und positive Umweltfaktoren zu sorgen.
Dieses Ziel hat sich auch die engagierte Initiative Die Pfalz macht sich/Dich stark Wege zur Resilienz auf die Fahnen geschrieben. Resilienz ist nicht nur eine Sache des Einzelnen, sie muss auf allen gesellschaftlichen Ebenen stattfinden. Auch Unternehmen, Schulen und Gemeinden sollten präventiv die seelische Gesundheit fördern und ihre Aktivitäten miteinander vernetzten, findet Paul Bomke, Geschäftsführer des Pfalzklinikums und Initiator der Initiative. Experten aus Medizin, Gesundheits-, Arbeits- und Sozialpolitik suchen gemeinsam nach Wegen, das Gesundheitssystem in der Pfalz nachhaltig in Richtung Prävention zu verändern und arbeiten hierbei auch eng mit internationalen Initiativen zusammen. Die Vision ist eine resiliente Pfalz im Jahr 2025, in der die seelische Gesundheit bei Bürgern, Unternehmen und Politikern ganz oben auf der Agenda steht.
Das Aktionsbündnis Seelische Gesundheit ist eine bundesweite Initiative, gefördert vom Bundesministerium für Gesundheit. Zu den rund 80 Mitgliedsorganisationen zählen die Selbsthilfeverbände der Betroffenen und Angehörigen von Menschen mit psychischen Erkrankungen sowie Verbände aus den Bereichen Psychiatrie, Gesundheitsförderung und Politik. Gemeinsam setzen wir uns für einen offenen und toleranten Umgang mit Menschen mit psychischen Erkrankungen und den Abbau von Stigmatisierung und Diskriminierung in der der Gesellschaft ein. Initiiert wurde das Bündnis 2006 von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) gemeinsam mit Open the doors als Partner des internationalen Antistigma-Programms.
Aktionsbündnis Seelische Gesundheit