Arbeitsschutz

Vorbildliches Gesundheitssystem für Afrika

Ein altes ruandisches Sprichwort sagt:

„Ganz gleich, wo der liebe Gott sich tagsüber aufhält, nachts kommt er immer zum Schlafen nach Ruanda.“

Wer einmal das landschaftlich wunderschöne Ruanda bereist hat und in die strahlenden Augen der Kinder blicken konnte, der versteht dieses Sprichwort nur zu gut. Fühlt man sich doch im ländlichen Bereich von Ruanda vielfach wie im Paradies. Das Land vermittelt dem Reisenden den Eindruck einer friedlichen Welt im Einklang von Mensch und Natur mit dem Schöpfer.

Auf den zweiten Blick erkennt man aber recht schnell die ständige Präsenz der bitteren Armut, besonders unter der Landbevölkerung. Mit ihrer tiefen Religiosität besteht sie den täglichen Kampf ums Überleben. Nur sehr langsam entwickelt sich unter der von vielen Stammesfehden heimgesuchten Bevölkerung ein – für unsere Sichtweise der Grundbedürfnisse des Menschen – entsprechender Lebensstandard. Der seit wenigen Jahren mit vielen Fremdmitteln erreichte Aufschwung in der Hauptstadt Kigali hat derzeit einen starken Preisanstieg zur Folge. Das führt indirekt zu einer weiteren Verarmung der Landbevölkerung, da viele Güter für diese Menschen unerschwinglich werden. Sie erhalten im Gegenzug für ihre einfachen landwirtschaftlichen Produkte nicht mehr Geld. Erst mit den Jahren, so ist zu hoffen, wird ein akzeptabler Wohlstand auch außerhalb der Hauptstadt ankommen.

Die Landbevölkerung wird daher noch sehr lange auf fremde -unsere- Hilfe angewiesen sein. Erschwerend zum genannten Entwicklungsprozess kommt noch die tiefe Kluft, welche der Völkermord (Genozid) von 1994 zwischen den bedeutenden Stämmen des Landes geschlagen hat, hinzu. Die Bevölkerung lebt fast ausschließlich von der Landwirtschaft. Die winzigen bäuerlichen Betriebe reichen heute kaum zur Ernährung der Familie. Handwerk, Handel und Industrie sind nur wenig entwickelt, Ruanda hat keine nennenswerten Bodenschätze.

Der einzige Reichtum Ruandas sind seine Kinder. Durchschnittlich acht Kinder haben die ruandischen Familien, sie gelten als Segen und Glück der Familie.

„Kinder zählen bringt Unglück“, sagt ein ruandisches Sprichwort, und „wo sieben satt werden reicht es auch für ein achtes.“

Aber eben diese völlig überalterte Einstellung beschert nicht nur Ruanda, sondern ganz Afrika zunehmend Probleme. In einigen Ländern Afrikas hat dies schon zur Revolution der Jugend geführt. Wird, was zu erwarten ist, in diesen Ländern nicht die Produktivität nennenswert gesteigert, so wird mit den Jahren aus der Jugendarmut eine Altersarmut mit allen gesellschaftlichen und sozialen Folgen entstehen.

Ein Umdenken ist dahingehend unerlässlich, dass Ruanda zunehmend die psychologischen und sozialen Werte der Kinder empfindet, als von Ihnen vornehmlich einen ökonomischen Nutzen zu erwarten. Nicht möglichst viele sondern möglichst gebildete, im Leben erfolgreiche stärken das Ansehen und die soziale Sicherheit der Eltern. Schlüsselworte dazu lauten Familienplanung, Bildung und Gesundheit. Ruanda hat da einen für Afrika vorbildlichen Weg eingeschlagen.

Familienplanung ist Aufgabe der Gesundheitszentren geworden. Mit der eingeleiteten Gesundheitsreform sind den Gesundheitszentren neben den allgemeinen Aufgaben der medizinischen Basisversorgung auch soziale Aufgaben, wie die Familienplanung, übertragen worden. Ruanda hat das Bestreben eine vorbildliche für Afrika richtungsweisende Gesundheitspolitik zu betreiben. Gesundheitszentren sollen zu Polikliniken ausgeweitete werden. Damit wird versucht, dem Ärztemangel in den ländlichen Bereichen zu kompensieren. Mit dem neuen Krankenkassensystem soll allen Bürgern Ruandas der Zugang zu den Gesundheitszentren ermöglicht werden.

Auf einen Arzt kommen etwa 18.000 Menschen. Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt rund 57 Jahre für Männer, für Frauen 58 Jahre. 31 % der Frauen nehmen Gesundheitsdienste bei der Geburt in Anspruch. 18 % der unter 5-jährigen Kinder sind fehlernährt (Stand 2010). Die Sterblichkeit der unter 5-jährigen Kinder beträgt etwa 7,6 %. Die HIV-Prävalenz an der Gesamtbevölkerung wird mit 2,9 % angegeben; sie ist in den sexuell aktiven Bevölkerungsteilen jedoch höher. In Ruanda wird mit deutscher Hilfe ein neues Krankenkassensystem aufgebaut. Dadurch ist künftig für alle Menschen eine notwendige medizinische Betreuung gewährleistet. Der Anteil der gesetzlich krankenversicherten Bevölkerung hat sich dadurch in den letzten Jahren stark vergrößert und liegt bei derzeit 91 %. (Stand 2010). Alle als arm eingestuften Menschen werden von der Zahlung des Beitrags befreit. Alle weiteren Bürger des Landes zahlen jährlich 3.000 RWF, dies entspricht etwa 3,70 EUR. Aber selbst dieser geringe Beitrag ist für die vielen kinderreichen Familien noch unerschwinglich. Mit der Einführung der Gesundheitsreform stehen auch die Gesundheitszentren vor neuen, großen Herausforderungen.

Bereits Anfang 2004 fanden erste Gespräche zwischen dem Gesundheitsministerium und der „Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ, heute GIZ) zu einer grundlegenden Gesundheitsreform und dem Aufbau einer für alle Bürger zugänglichen, nationalen Krankenkasse statt. Ein Ziel der Reform war, die Gesundheitsvorsorge aller Bürger von Ruanda zu verbessern. Im Vordergrund der Gesundheitsreform stand die Weiterentwicklung der Gesundheitszentren zu Polikliniken, in denen eine umfassende ambulante Versorgung und soziale Betreuung der Patienten erfolgt. Die Einweisung von Kranken und Verletzten in Krankenhäuser hat nur zu erfolgen, wenn die Notwendigkeit dazu in den Gesundheitszentren festgestellt und bescheinigt wurde oder im akuten Notfall. Diese Vorgehensweise wurde als geeignete Möglichkeit gesehen, bei dem enormen Ärztemangel in den ländlichen Bereichen eine Grundversorgung zu gewährleisten. Die an die Gesundheitszentren gestellten Aufgaben wurden wesentlich erweitert. Umgehend wurden auch soziale Themen, wie zum Beispiel die Verringerung des Bevölkerungswachstum durch gezielte und flächendeckende Familienplanung, einschließlich Empfängnisverhütung, und eine verstärkte Aidsprävention, in das Programm aufgenommen.

Die Einführung des nationalen Krankenkassensystems veränderte zusätzlich die Situation in den Gesundheitszentren. Besonders der armen Landbevölkerung soll damit der kostenfreie Zugang zu den Dienstleistungen der Gesundheitszentren und zu den Krankenhäusern ermöglicht werden. Alle Bürger Ruandas müssen sich krankenversichern lassen. Werden Personen bei der Registrierung als „arm“ eingestuft, übernimmt der Staat den Krankenkassenbeitrag. Ansonsten ist pro Person derzeit ein Jahresbeitrag von 3.000 FRW (3,75 EUR) zu entrichten. Das hört sich wenig an, ist aber für eine Familie auf dem Land, mit vielen Kindern und nur geringem Einkommen, eine enorme Summe. Durch viel „Propaganda“ versucht das Gesundheitsministerium den Bürgern die Notwendigkeit der Versicherung zu verdeutlichen. In einem Gespräch erläuterte die Gesundheitsministerin Dr. Agnes Binagwaho dem Autor ihre Ziele, besonders hinsichtlich der künftigen Eigenfinanzierung der Gesundheitszentren über die Krankenkassen. Bis zur endgültigen Realisierung ist es aber auch da noch ein weiter Weg. Es bleibt zu hoffen, dass der eingeschlagene Weg in Jahren auch der Landbevölkerung den gewünschten Erfolg bringt.

Spendenkonto:

Chlemensschwestern für Afrika

Darlehnskasse des Bistum Münster EG,

Kto. 3 156 004, BLZ 400 602 65

Bernhard Tenckhoff

Literatur

1. Bernhard Tenckhoff, „Don´t forget Rwanda“ Herausgeber, Clemensschwestern Münster

2. Bernhard Tenckhoff, „Ruanda: Das Centre de Santé Kaduha“, Praktische Arbeitsmedizin, April 2009

3. Bernhard Tenckhoff, „Segensreiche Arbeit der Clemensschwestern in Ruanda wird fortgeführt“, Praktische Arbeitsmedizin, Mai 2010

4. Johannes Röser, „Frauensache ist Männersache“ Christ in der Gegenwart, 64. Jahrgang, Heft 6

Aktuelle Ausgabe

Partnermagazine

Akademie

Partner