Arbeitsschutz

Welche Änderungen bringt die neue DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“?

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Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat als zuständige Aufsichtsbehörde nach § 15 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) am 08. August 2013 – im Benehmen mit den zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder – die Genehmigungsfähigkeit des vorliegenden Mustertextes der neuen DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“ erklärt. Diese Muster-Unfallverhütungsvorschrift wurde zuvor durch die neun gewerblichen Berufsgenossenschaften und die 27 Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand, unter Federführung ihres gemeinsamen Spitzenverbandes, der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (DGUV), während der vorangegangenen Jahre erstellt. Die Mitgliederversammlung der DGUV hat in Folge dieser Vorgenehmigung durch das BMAS auf ihren Sitzungen am 27. und 28. November 2013 in Düsseldorf dem Musterentwurf der DGUV Vorschrift 1 zugestimmt und ihren 36 Mitgliedern empfohlen, die neue Unfallverhütungsvorschrift in deren Häusern in Kraft zu setzen. Die meisten Unfallversicherungsträger haben diesen Entwurf auch mittlerweile umgesetzt.

Das Besondere – Eine neue harmonisierte „Vorschrift 1“
Die „Vorschrift 1“ ist seither die zentrale Unfallverhütungsvorschrift der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach der seit 2011 existierenden DGUV Vorschrift 2 „Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“, wird die DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“ die zweite einheitliche Unfallverhütungsvorschrift in der Bundesrepublik sein. Auf Seiten der gewerblichen Berufsgenossenschaften löst die DGUV Vorschrift 1 die jeweiligen BGV A1 (BGV = Berufsgenossenschaftliche Vorschrift) und bei den Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand die bisherigen GUV-V A1 (GUV = Gemeindeunfallversicherungsverband) ab. Im Zuge dessen werden die einzelnen Unfallversicherungsträger auch neue Konkretisierungen und Erläuterungen in Form der nun ebenfalls harmonisierten DGUV Regel 100–001 herausgeben. Hierdurch werden vornehmlich den Unternehmern Möglichkeiten aufgezeigt, wie sie die geforderten Schutzziele der neuen DGUV Vorschrift 1 erreichen können. Gleichzeitig wurden die alten BGV A1 bzw. GUV-V A1 durch die einzelnen Vertreterversammlungen (mit anschließender formaler Genehmigung des BMAS) aufgehoben und die hierdurch hinfälligen BGR A1 bzw. GUV-R A1 zurückgezogen. Die jeweiligen BGV A1 als auch GUV-V A1 der gesetzlichen Unfallversicherungsträger hatten bereits bisher – hinsichtlich der Kernregelungsinhalte – nur geringfügige Unterschiede. Mit dem Schritt zur gemeinsamen DGUV Vorschrift 1 wurde zu den Inhalten erstmals ein einheitlicher Mustertext als Vorlage erarbeitet. Die neue Unfallverhütungsvorschrift fügt sich insofern auch nahtlos in die Forderungen des sogenannten Leitlinienpapiers der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) vom August 2013 zur „Neuordnung des Vorschriften- und Regelwerks im Arbeitsschutz“ ein. Mit der harmonisierten DGUV Vorschrift 1 wird das autonome Vorschriften- und Regelwerk der gesetzlichen Unfallversicherungsträger weiter optimiert. Gleichzeitig werden notwendige Anpassungen vorgenommen.

Eine Frage des Blickwinkels
Je nachdem, aus wessen Blickwinkel die neue DGUV Vorschrift 1 im Vergleich zur „gewohnten Vorschrift 1“ betrachtet wird, werden unterschiedliche Anpassungen auffallen. Dies liegt daran, dass der Begriff des „Unternehmers“ bzw. des „Versicherten“ im Bereich der Berufsgenossenschaften einerseits bzw. der Unfallkassen, Gemeindeunfallversicherungsverbände und Feuerwehr-Unfallkassen andererseits standardmäßig unterschiedlich belegt ist. Das Hauptaugenmerk der Berufsgenossenschaften richtet sich etwa auf Großbetriebe oder den klassischen „Handwerksbetrieb um die Ecke“ mit dem Chef und seinen Angestellten. Bei den Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand hingegen fallen einem automatisch die öffentliche Verwaltung, Feuerwehren, Kinder, Schüler oder Ehrenamtliche ein. Vor diesem Hintergrund erscheinen nach Zusammenführung der ehemaligen BGV A1 und GUV-V A1 in der DGUV Vorschrift 1 einige Änderungen im ersten Moment „neu“. Diese vermeintlichen Änderungen im Zuge der Harmonisierung werden beispielsweise deutlich, wenn exemplarisch die derzeit gültige BGV A1 der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) mit der neuen DGUV Vorschrift 1 paragraphenweise verglichen wird und eine enge Orientierung am Verordnungstext erfolgt:

§ 1
Der Geltungsbereich von Unfallverhütungsvorschriften wurde in Absatz (2) um die Einschränkung erweitert, dass die DGUV Vorschrift 1 nicht anzuwenden ist, wenn der Unternehmer des inneren Schulbereichs (Schulhoheitsträger) mit Schülern von allgemein- oder berufsbildenden Schulen betroffen ist.

· Diese „Änderung“ ist zwar aus Sicht der Berufsgenossenschaften neu in der DGUV Vorschrift 1, jedoch für diese nicht relevant. Auf Seiten der Unfallkassen ist dieser Passus seither bekannt. Seitens der zuständigen Kultusministerien gibt es hierzu gleichwertige Regelungen.

Die DGUV Vorschrift 1 lässt an dieser Stelle bedauerlicherweise eine eindeutige Klarstellung vermissen, ob Personen, die nach dem autonomen Satzungsrecht der Unfallversicherungsträger versichert sein könnten – gedacht sei beispielsweise an Besucher – ebenfalls in den Geltungsbereich dieser Vorschrift fallen.

§ 4
Hinzu gekommen ist Absatz (3) in Bezug auf die Unterweisung von Versicherten. Hier wird klargestellt, dass der Schulhoheitsträger (innerer Schulbereich) hinsichtlich Unterweisungen von Schülern an allgemein- oder berufsbildenden Schulen (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 Buchstabe b SGB VII) durch den Sachkostenträger (§ 136 Abs. 3 Nr. 3 SGB VII; „äußerer Schulbereich“) zu unterstützen ist.

· Für die Berufsgenossenschaften ist dieser Absatz neu, jedoch ebenfalls ohne Bedeutung. In den GUV-V A1 der Unfallkassen ist diese Forderung bereits heute festgeschrieben.

§ 24
Die Allgemeinen Pflichten des Unternehmers wurden analog zu dem oben geschilderten § 4 Abs. 3 um Absatz (7) ergänzt. Demnach hat der Schulsachkostenträger den Schulhoheitsträger bei der Durchführung von Maßnahmen zur Sicherstellung einer wirksamen Ersten Hilfe für Schüler an allgemein- oder berufsbildenden Schulen zu unterstützen.

· Es gibt keine Auswirkungen auf die Praxis aus dem Blickwinkel der Berufsgenossenschaften. Den Unfallkassen ist dieser Absatz aus der Vergangenheit bestens bekannt.

§ 25
Bei den erforderlichen Einrichtungen und Sachmitteln der Ersten Hilfe wurden in Absatz (5) Kindertageseinrichtungen, allgemein bildende und berufsbildende Schulen sowie Hochschulen aufgenommen. Hiernach hat der Unternehmer geeignete Liegemöglichkeiten zur Erstversorgung von Verletzten in der erforderlichen Anzahl vorzuhalten.

· Sollte ein Mitgliedsbetrieb einer Berufsgenossenschaft eine eigene Kindertageseinrichtung (sogenanntes „Hilfsunternehmen“) haben, könnte dieser Absatz zum Tragen kommen. Ansonsten ist diese Regelung den Unfallkassen nicht neu.

§ 27
Der Vorschriftentext zur Zahl und Ausbildung der Betriebssanitäter hat eine Konkretisierung erfahren und zwar insofern, dass der Kreis der Versicherten auf Beschäftigte beschränkt wurde.

· Für die Berufsgenossenschaften ist diese Formulierung zwar neu, jedoch überwiegend ohne Relevanz. Die alten Vorschriften der Unfallkassen enthielten diese Regelung bereits, beispielsweise im Hochschulbereich.

Tatsächliche Neuerungen für alle
Es gibt aber auch Änderungen in der neuen DGUV Vorschrift 1, die sowohl für die Berufsgenossenschaften als auch für die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand „wirkliche“ Neuerungen darstellen und Auswirkungen auf die tägliche Praxis haben. Einige Neuerungen werden erst deutlich, wenn auch hier der genaue Wortlaut des Vorschriftentextes verglichen wird:

§ 2
Bei den Grundpflichten des Unternehmers ist Absatz (1) dahingehend ergänzt worden, dass die nach staatlichem Recht bestimmten Maßnahmen auch zum Schutz von Versicherten gelten, die keine Beschäftigten sind.

· Durch diese Regelung ist der Adressatenkreis des enger gefassten Begriffs des Beschäftigten auf den weiter gefassten Begriff des Versicherten ausgedehnt worden. Alle Versicherten unterliegen mithin den gleichen Vorschriften. Beispielsweise spricht das Arbeitsschutzgesetz als staatliches Recht von Beschäftigten. Einzelne Berufsgruppen oder Schüler sind somit hiervon schon definitionsgemäß nicht erfasst, so dass weitere Regelungen im autonomen Vorschriftenwerk der Unfallversicherungsträger für diese Fälle ohne die Anpassung vonnöten wären. Gleiches könnte für Personen gelten, die laut Satzung des Unfallversicherungsträgers versichert sind.

Bemerkenswert sind die feinen Umformulierungen in Absatz (2). Demnach hat der Unternehmer künftig bei erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren sowie der wirksamen Ersten Hilfe, bei denen er von den allgemeinen Grundsätzen nach § 4 Arbeitsschutzgesetz auszugehen hat, vorrangig das staatliche Regelwerk sowie das Regelwerk der Unfallversicherungsträger heranzuziehen.

· Bisher waren insbesondere das staatliche und das Regelwerk der gesetzlichen Unfallversicherungsträger heranzuziehen. Interessant wird der hier formulierte „Vorrang des staatlichen Rechts“ in den zu erwartenden Auswirkungen, etwa wenn die Betriebssicherheitsverordnung im Widerspruch zu den bei einigen Unfallversicherungsträgern noch gültigen technischen Unfallverhütungsvorschriften (bspw. GUV-V D6 „Krane“, BGV D27 „Flurförderzeuge“) steht.

§ 3
Die Beurteilung der Arbeitsbedingungen, Dokumentation und Auskunftspflichten des Unternehmers wurden um Absatz (5) für Nothelfer bzw. Rettungskräfte erweitert. Demnach hat der Unternehmer, der für Personen zuständig ist, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich tätig werden, Maßnahmen zu ergreifen, die denen bei einer Gefährdungsbeurteilung gleichwertig sind.

· Auch für Freiwillige Feuerwehren und andere Rettungsdienste ist mithin eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen und die getroffenen Maßnahmen des Arbeitsschutzes sind festzuhalten. Auch wenn die Gefährdungen vor dem Einsatz meist unbestimmt und die Maßnahmenhierarchie („S-T-O-P“) möglicherweise aus der Situation heraus unterwandert wird, muss sich der Unternehmer vorab anhand des spezifischen Vorschriften- und Regelwerkes Gedanken machen, welche Maßnahmen – analog einer „normalen“ Gefährdungsbeurteilung – zu ergreifen wären.

§ 7
Absatz (1) wurde hinsichtlich der Befähigung für Tätigkeiten mit einem zusätzlichen Hinweis versehen. Demnach hat der Unternehmer für bestimmte Tätigkeiten festgelegte Qualifizierungsanforderungen zu berücksichtigen.

· Dieser Punkt stellt für die Praxis sicherlich eine wesentliche Änderung in der Vorschrift dar. Im Zusammenhang mit der DGUV Regel 100–001 wird die Betrachtung der Befähigung (= Qualifizierungsanforderungen) im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 3 DGUV Vorschrift 1 wichtiger werden. Grundsätzlich gilt: Je größer das Gefährdungspotential, desto höher sind auch die Anforderungen an die Befähigung. Dies muss der Unternehmer berücksichtigen und konkrete Maßnahmen ergreifen.

§ 12
Der Paragraph ist umbenannt worden in Zugang zu Vorschriften und Regeln. Bisher war von einer „Zurverfügungstellung“ der Vorschriften und Regeln die Rede. Inhaltlich ist Absatz (1) dahingehend ergänzt worden, dass der Unternehmer den Versicherten nicht nur wie bisher die Unfallverhütungsvorschriften zugänglich machen muss, sondern darüber hinaus auch die Regeln der Unfallversicherungsträger sowie die einschlägigen staatlichen Vorschriften und Regeln. Absatz (2) hebt nochmals deutlich hervor, dass den mit der Durchführung und Unterstützung von Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren sowie der wirksamen Ersten Hilfe betrauten Personen (z. B. Sicherheitsbeauftragte oder andere Beauftragte nach § 13), die nach dem Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung für ihren Zuständigkeitsbereich geltenden Vorschriften und Regeln zur Verfügung zu stellen sind.

· Mit dem Wort „Zugang“ anstatt „Zurverfügungstellung“ hat der Verordnungsgeber diesen Paragraphen zeitgemäß gestaltet, indem er in Absatz (1) den Möglichkeiten der neuen Medien (bspw. speziellen Arbeitsschutzbereichen im unternehmenseigenen Intranet) Rechnung getragen hat. Einzelne Unfallversicherungsträger sahen diese Einsatzmöglichkeit der elektronischen Medien in ihren Satzungen bereits vor – nun ist es in der DGUV Vorschrift 1 für alle verankert. Im Zuge dessen wird es für die Praxis auch nicht schwer sein, dem erweiterten Umfang zu entsprechen. Absatz (2) schreibt nochmals nieder, was bisher schon überwiegend gängige Praxis ist.

§ 13
Über die DGUV Regel 100–001 wird die Pflichtenübertragung zur Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes an Bedeutung gewinnen. Dadurch wird weitere Transparenz in die betrieblichen Führungsstrukturen – mit Blick auf den Arbeitsschutz – gebracht. Die Pflichtenübertragung auf die Vorgesetztenebenen (Abteilungs-, Teamleiter, Meister, etc.) muss künftig so erfolgen, dass die Aufgabenverteilung konkret nachvollziehbar wird.

· Gängig ist die Übertragung von Unternehmerpflichten auf Führungskräfte im Arbeitsschutz durch den Arbeitsvertrag. Anhand des Musters in der DGUV Regel 100–001 sind Arbeitsschutzpflichten konkret nachvollziehbar, schriftlich und mit dem Arbeitsvertrag vereinbar zu bestätigen, um wirksam übertragen zu werden.

§ 14
Bei im Einzelfall vom Unternehmer schriftlich zu beantragenden Ausnahmen von Unfallverhütungsvorschriften wurde der seither bestehenden Forderung, dem Antrag eine Stellungnahme der betrieblichen Arbeitnehmervertretung beizufügen, Nachdruck verliehen. Systematisch kommt dies darin zum Ausdruck, dass der ehemals in Absatz (2) geregelte Passus nunmehr in Absatz (1) steht.

· Die wichtige Stellung der betrieblichen Arbeitnehmervertretung (Personal- bzw. Betriebsrat) im Arbeitsschutz wird nochmals – gedacht werden sollte an die DGUV Vorschrift 2 – klar hervorgehoben.

· Hinweis: Im Fall eines Antrages durch eine Kindertageseinrichtung, eine allgemeinbildende oder berufsbildende Schule oder eine Hochschule wurde in Absatz (2) – (aus dem Blickwinkel der Berufsgenossenschaften, für die die Regelung jedoch nicht relevant ist) – ergänzt, dass zusätzlich der Leitung der Einrichtung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist. Für die Unfallkassen ist die Regelung nicht neu.

§ 20
Der bisherige Paragraph „Sicherheitsbeauftragte“ (siehe auch Beitrag „Neuregelung zur Bestellung von Sicherheitsbeauftragten“ in dieser Ausgabe) hat sich grundlegend geändert und heißt fortan umfänglicher „Bestellung und Aufgaben von Sicherheitsbeauftragten“. Erstmals gibt es somit in der gesetzlichen Unfallversicherung eine einheitliche Regelung zur Bestimmung der Zahl von Sicherheitsbeauftragten. Die bisher vorgegebenen Höchstzahlen der Versicherten je Sicherheitsbeauftragten wurden abgeschafft und stattdessen fünf Kriterien formuliert, um Sicherheitsbeauftragte in erforderlicher Anzahl zu bestellen:

1. Unfall- und Gesundheitsgefahren,

2. Räumliche Nähe,

3. Zeitliche Nähe,

4. Fachliche Nähe,

5. Anzahl der Beschäftigten

Sicherheitsbeauftragte sind in Unternehmen mit regelmäßig mehr als 20 Beschäftigten zu bestellen. Gesetzlich geregelt ist dies in § 22 SGB VII. Für den betrieblichen Arbeitsschutz leisten Sicherheitsbeauftragte seit über 100 Jahren wertvolle Dienste – nun sind die seit langem geforderten konkreten Kriterien zur „betrieblichen Feinjustierung“ gegeben.

§ 21
Die allgemeinen Pflichten des Unternehmers werden über die DGUV Regel 100–001 an Bedeutung gewinnen. Der Begriff der „unmittelbar erheblichen Gefahr“ (Raubüberfall, Einsatz der Feuerwehr, ggf. Auslandseinsatz, etc.) wurde im zugehörigen Regeltext der Unfallversicherungsträger hinsichtlich der zu treffenden Maßnahmen durch den Unternehmer näher definiert.

· Wenn der Unternehmer das spezifische Vorschriften- und Regelwerk der Unfallversicherungsträger bzw. die maßgeblichen Dienstvorschriften (bspw. für Lehrer) eingehalten hat, kann der Unternehmer davon ausgehen, dass er „geeignete Vorkehrungen“ getroffen hat.

§ 26
Hinsichtlich der Zahl und Ausbildung der Ersthelfer gibt es einige Änderungen. Zunächst wurden in Absatz (1) Vorgaben für die Anzahl an Ersthelfern in Kindertageseinrichtungen (je ein Ersthelfer pro Kindergruppe) und an Hochschulen (10% der Beschäftigten) aufgenommen.

· Diese Anpassung ist auf Seiten der Unfallkassen nicht neu. Mitgliedsbetriebe von Berufsgenossenschaften sind unter Umständen betroffen, wenn ein betriebseigener Kindergarten als sogenanntes „Hilfsunternehmen“ vorhanden ist.

Nach Absatz (2) darf künftig auch als Ersthelfer in Unternehmen eingesetzt werden, wer über eine sanitäts- bzw. rettungsdienstliche Ausbildung oder eine abgeschlossene Ausbildung in einem Beruf des Gesundheitswesens verfügt. Diese Personen gelten zudem gemäß Absatz (3) als fortgebildet, wenn sie regelmäßig an Fortbildungsveranstaltungen teilnehmen oder bei ihrer beruflichen oder ehrenamtlich sanitätsdienstlichen / rettungsdienstlichen Tätigkeit regelmäßig Erste-Hilfe-Maßnahmen durchführen.

· Es ist davon auszugehen, dass diese Anpassungen in den Unternehmen sehr befürwortet werden. Häufig sind Mitarbeiter privat in Rettungs- und Hilfsorganisationen oder als Übungsleiter in Sportvereinen tätig. In diesem Rahmen erworbene Kenntnisse der Ersten Hilfe können nun leichter in den Unternehmen genutzt werden, da formale Hürden abgebaut werden.

Hinweis: § 26 gilt gemäß Absatz (5) nicht für Unternehmer hinsichtlich von Schülern an allgemein- oder berufsbildenden Schulen. Bei den Unfallkassen ist dies seither bekannt und für Berufsgenossenschaften ohne Bedeutung.

Weiterhin: In Ausgabe 9/2014 des Sicherheitsingenieurs wurde ein Fachartikel zur Novellierung (1.1.2015) der Erste-Hilfe-Ausbildung veröffentlicht.

§ 29
Bei der Bereitstellung von Persönlicher Schutzausrüstung wurde die bisherige Einschränkung hinsichtlich der EG-Konformitätserklärung für vor dem 1. Juli 1995 erworbene persönliche Schutzausrüstungen ersatzlos gestrichen.

· Künftig müssen für alle bereitgestellten persönlichen Schutzausrüstungen EG-Konformitätserklärungen vorliegen – ausgenommen sind (wie bisher) Hautschutzmittel.

Anlage 2 (zu § 26 Abs. 2)

Die ehemalige Anlage 3 zu den Voraussetzungen für die Ermächtigung als Stelle für die Aus- und Fortbildung in der Ersten Hilfe wurde in Nummer 5 um besondere Voraussetzungen in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für Kinder erweitert.

· Explizite Erste-Hilfe-Maßnahmen für Erwachsene und Kinder (siehe BGI/GUV-I 5146 „Handbuch zur Ersten Hilfe in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für Kinder“) werden fortan für Kinderbildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen gefordert.

Die „Kleinigkeiten“ – Nützliche Hilfestellungen für die Praxis
Bei genauem Studium der DGUV Vorschrift 1 fällt auf, dass die Erarbeitung des neuen Mustertextes die Möglichkeit bot, (notwendige) „redaktionelle Änderungen“ vorzunehmen, um die Umsetzung und Handhabung in der täglichen Praxis zu erleichtern:

· Zur besseren Lesbarkeit (Stichwort: „Leichte Sprache“) wurden Abkürzungen vermieden: Aus „Abs.“ wurde „Absatz“ (siehe exemplarisch § 2 Abs. 3), aus „Nr.“ wurde „Nummer“ (siehe exemplarisch § 27 Abs. 2).

· Zwecks eindeutiger Zuordnungen sind bei identischem Textinhalt teilweise Nummerierungen eingefügt (siehe exemplarisch § 5 Abs. 1) oder bisherige Aufzählungen in Nummerierungen umgewandelt (siehe exemplarisch § 24 Abs. 4) worden.

· Im Zuge der Harmonisierung der DGUV Vorschrift 1 wurden Verallgemeinerungen hinsichtlich der Zuständigkeit der gesetzlichen Unfallversicherungsträger vorgenommen. Folgerichtig ist bspw. „Berufsgenossenschaft“ durch „Unfallversicherungsträger“ ersetzt worden (siehe exemplarisch § 10 Abs. 1) oder aus „BG-Regeln“ wurden „Regeln der Unfallversicherungsträger“ (siehe exemplarisch § 4 Abs. 2).

· Einzelne sprachliche Formulierungen wurden korrigiert: „Erste-Hilfe-Material“ heißt jetzt „Mittel zur Ersten Hilfe“ (siehe § 25 Abs. 2) oder der ehemalige Sanitätsraum heißt nun „Erste-Hilfe-Raum“ (siehe § 25 Abs. 4).

· In Anlage 1 zu § 2 Abs. 1 ist eine Aktualisierung der Auflistung der staatlichen Arbeitsschutzvorschriften, die die zu treffenden Maßnahmen des Unternehmers näher bestimmen, vorgenommen worden. Folgende zwischenzeitlich neue Rechtsverordnungen kamen zu der nicht abschließenden Aufzählung hinzu:

· Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV)

· Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV)

· Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch künstliche optische Strahlung (OStrV).

· In Bezug auf den Regelungsinhalt nach § 10 wurde in Absatz (2) die durch eine zurückliegende Änderung des SGB VII aus dem Jahr 2008 notwendig gewordene terminologische Klarstellung vorgenommen, dass Aufsichtspersonen und nicht Unfallversicherungsträger Anordnungen erlassen.

Schlussbemerkung
Die neuen „Grundsätze der Prävention“ werden für Unternehmer und Versicherte verbindlich, sobald die Vertreterversammlungen ihrer gesetzlichen Unfallversicherungsträger das vorliegende Muster der DGUV Vorschrift 1 in Kraft setzen und die jeweilige Aufsichtsbehörde diese im Anschluss daran genehmigt. Dieser Schritt wurde von den Meisten vollzogen. Streckenweise sind Paragraphen im Vergleich zur alten „Vorschrift 1“ vollkommen unverändert. Stellvertretend seien hier § 32 „Ordnungswidrigkeiten“ oder aber § 6 „Zusammenarbeit mehrerer Unternehmer“ angeführt. Darüber hinaus gibt es neben den aufgezeigten Anpassungen, die der Harmonisierung geschuldet sind und keine „wirklichen“ Änderungen darstellen, auch tatsächliche Neuerungen. Diese werden nicht ohne Auswirkungen für die tägliche Praxis bleiben, gleichzeitig aber auch neue Möglichkeiten bieten. Exemplarisch seien die „Bestellung der Ersthelfer“ (§ 26) sowie die „Anzahl der Sicherheitsbeauftragten“ (§ 20) genannt. Die aufgezeigten „Kleinigkeiten“ werden das Anwenden und Lesen der neuen „Vorschrift 1“ hoffentlich das eine oder andere Mal erleichtern.

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