Ergonomie

Beschwerdenreduktion durch ergonomische Bildschirmarbeitsplatzumgebung

Zusammenfassung Hintergrund: Bildschirmarbeitsplätze gelten als belastungsarm; typische, langfristige Zwangshaltungen können jedoch bestehende Beschwerden insbesondere im muskulo-skelettalen Apparat verschlechtern. Material und Methoden: Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurden die Nutzungsdaten von elektronisch höhenverstellbaren Sitz-Steh-Arbeitstischen, ein Wirbelsäulenscreening (MediMouse) und die Einschätzungen der Arbeitsplatzbedingungen (ABETO) sowie des Gießener Beschwerdebogens (BGG-24) zu zwei Messzeitpunkten in einem Unternehmen der öffentlichen Verwaltung erhoben. Ergebnisse: 52 vollständige Datensätze konnten zu T1 und T2 in die Studie mit eingeschlossen werden. Insgesamt zeigten sich Verbesserungen im Bereich der Einschätzung der Arbeitsplatzbedingungen und des eigenen Wohlbefindens. Die Nutzung der variablen Tische korrelierte mit dem Parameter Körpergröße. Schlussfolgerung: Sitz-Steh-Arbeitstische können einen Beitrag zu Positionsänderungen am Bildschirmarbeitsplatz leisten und sollten im Rahmen weiterer Studien in Zusammenhang mit den besonderen Bedürfnissen für Rehabilitanden untersucht werden. Schlüsselwörter

1. Institut für Arbeitsmedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Freie Universität & Humboldt-Universitätzu Berlin, Thielallee 69–73, 14195 Berlin

2. Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin, Abteilung Rehabilitationsmedizin, Goethe-Universität, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main

3. Medizinische Klinik m. S. Psychosomatik, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Freie Universität Berlin und Humboldt-Universität zu Berlin, Charitéplatz 1, 10117 Berlin

· Bildschirmarbeitsplatz

· Sitz-Steh-Arbeitstische

· ABETO

· MediMouse

· Gießener Beschwerdebogen

· visual display terminal

· variable desks

· ABETO

· MediMouse

· Gießener Beschwerdebogen

Hintergrund und Fragestellung
Im vergangenen Jahrhundert wurde in den westlichen Industrienationen ein einschneidender Wandel der Arbeitswelt vollzogen. Durch die fortschreitende Technisierung konnten die Arbeiter von physisch stark beanspruchender Arbeit entlastet werden. Mittlerweile ist der Wandel von der Industrie- zu einer Dienstleistungsgesellschaft weitgehend abgeschlossen. Diese Umstrukturierungen veränderten den Charakter der Arbeit nachhaltig. Klassische Gefahrenstoffe wie chemische und physikalische Noxen sind nicht länger Hauptgefahrenquellen im Arbeitsalltag. Zu den neuen Belastungen gehören eine stärkere Beanspruchung der kognitiven Funktionen, eine steigende psychische Belastung durch Stress, gesellschaftlichen Leistungsdruck und Angst um den Arbeitsplatz oder aber eine Unter- oder Überforderung durch monotone Tätigkeiten und geringe Entscheidungsspielräume.1–4 Besonders betroffen von diesen Entwicklungen zeigen sich die Bildschirmarbeitsplätze (BAP). Auch Arbeitnehmer, die nicht vorrangig an einem Bildschirmarbeitsplatz arbeiten, müssen für Arbeitsvorgänge zunehmend Personal Computer in Anspruch nehmen. Seit der Jahrtausendwende arbeiten in Deutschland etwa 15 Millionen Menschen an einem Bildschirmarbeitsplatz.5

Bildschirmarbeitsplätze werden grundsätzlich als belastungsarme Arbeitsplätze eingestuft. Ist dieser Arbeitsplatz aber ungenügend auf die ergonomischen Bedürfnisse des Arbeitnehmers abgestimmt, so wird sich dies zwangsläufig auf die Gesundheit und das Wohlbefinden niederschlagen. Durch das stundenlange Sitzen an dem Bildschirmarbeitsplatz können eine Zwangshaltung, Bewegungseinschränkung und fehlerhafte Sitzposition entstehen, aber auch Rückenschmerzen mit oder ohne anatomische Grundlagen chronifiziert werden.1,2,4

Die körperlichen Belastungen betreffen vorwiegend den Bewegungs- und Halteapparat, insbesondere den Schulter-Arm-Bereich und die Lendenwirbelsäule. Im Bewegungsapparat werden lokale Belastungen, z. B. durch bestimmte notwendige Arbeitsplatzhaltungen jedoch häufig durch Ausgleichsbewegungen oder -haltungen kompensiert. Damit wird zwar eine Reduktion der Beschwerden in der eigentlich betroffenen Körperregion erzielt, es ist aber möglich, dass dann Beschwerden in anderen Körperregionen auftreten, da Körperhaltung und -bewegung immer auf die Gesamtstatik zurückwirken.1,2,4

Verschiedene Faktoren begünstigen die Verstärkung körperlicher Belastungen am Bildschirmarbeitsplatz.

Hierzu zählen unter anderem eine ungünstige Körperhaltung, eine einseitige Belastung, unzureichende Arbeitsmittel und eine unzureichende Arbeitsorganisation.3,6 Ebenso sind psychosoziale Belastungen, wie fehlende Arbeitszufriedenheit, monotone Arbeitsinhalte, ergonomische Arbeitsplatzdefizite und außerberufliche Faktoren nachgewiesene Risikofaktoren für das Auftreten von körperlichen Beschwerden.3,4,6

Tägliche Fehlhaltungen oder -belastungen, etwa durch eine mangelhafte Arbeitsplatzgestaltung, wirken sich negativ auf vorbestehende Schädigungen aus. Rückenschmerzen haben häufig die Tendenz zur Chronifizierung. Hauptaugenmerk sollte daher auf der primären Prävention von muskulo-skelettalen Beschwerden und Erkrankungen liegen.

Dorsopathien werden zu einem immer größeren Kostenfaktor im Gesundheitswesen. Rückblickend kann folgende Entwicklung beobachtet werden: Während 1976 durchschnittlich weniger als vier Arbeitsunfähigkeitstage auf die Gruppe der Muskel- und Skelettbeschwerden entfielen, verdoppelte sich bis 1990 diese Krankheitsgruppe auf acht Arbeitsunfähigkeitstage und führt seitdem die Statistik an. Dies stellt insbesondere für Orthopäden eine große Herausforderung dar.2,3 Rückenschmerzen sind Schätzungen zufolge nur zu 20 % spezifisch, d. h. einer anatomischen Ursache zurechenbar. In 80 % der Fälle lässt sich bisher keine körperliche Ursache zuordnen.7

Dem aktuellen Bericht des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen zufolge führen muskulo-skelettale Beschwerden immer noch die Diagnoseliste der Arbeitsunfähigkeitstage an.8 In der Bundesrepublik Deutschland ging 2007 ca. jede fünfte Frühberentung auf muskulo-skelettale und Bindegewebserkrankungen zurück und die Tendenz ist weiter steigend. Erkrankungen des Stütz- und Halteapparates sind dabei meist ein Produkt sowohl unergonomischen Verhaltens als auch (zusätzlicher) psychosozialer Belastungen wie arbeitsbedingtem Stress.1,9,10

Im Rahmen des demografischen Wandels und einer angestrebten verlängerten Lebensarbeitszeit ist mit einer weiteren Zunahme muskulo-skelettaler Erkrankungen zu rechnen.2 Aktuell wieder leicht steigende Fehlzeiten von Bildschirmarbeitern untermauern einen Zusammenhang zwischen psychischen und physischen Belastungen am Arbeitsplatz.11

Durch die Kombination verschiedener Risikofaktoren wie unergonomischer Arbeitsmöbel, einseitiger oder falscher Sitzhaltung, aber auch durch mangelnden Bewegungsausgleich, sowohl während der Arbeits- als auch in der Freizeit, entsteht ein hohes Gefährdungspotenzial.

Eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung ist fester Bestandteil von Gesundheitsförderungsprogrammen. Ergonomisch günstige Verhältnisse am Arbeitsplatz zu schaffen, liegt auch zunehmend im Interesse der Arbeitgeber.

Die Anzahl der Bildschirmarbeiter, die über einen Sitz-Steh-Arbeitstisch verfügen, steigt kontinuierlich und liegt zurzeit nach Schätzungen aus Fachkreisen bei etwa 15–20 %, wovon bereits 80 % dieser Bildschirmarbeitsplätze mit einem elektronisch gesteuerten Sitz-Steh-Tisch und nicht mehr mit einem Modell, das mit einer Gasfeder ausgerüstet ist, ausgestattet sind (bso – Verband Büro-, Sitz- und Objektmöbel e.V. 2009, Dietmar Krause – Geschäftsführer CEKA Büromöbelwerke, 2009). Im Rahmen dieser Untersuchung sollen psychische und physische Effekte durch eine mittelfristige Nutzung (T1-T2) von elektrisch höhenverstellbaren Sitz- und Steharbeitsplätzen auf muskulo-skelettale Beschwerden speziell im Bereich der Wirbelsäule an gesunden Probanden untersucht werden und Empfehlungen für direkte und spezifische Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen in der orthopädischen Praxis abgeleitet werden.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden
Im Rahmen dieser Untersuchung kommt ein Mehrebenenansatz zur Anwendung. Nutzungsgewohnheiten elektronisch höhenverstellbarer Sitz- und Steh-Arbeitstische und Beschwerden/Wohlbefinden sollen untersucht und mögliche Änderungen der Gesamtkörperhaltung erfasst werden. Es werden sowohl subjektive (Gießener Beschwerdebogen, ABETO) als auch objektive Messmethoden (Messdatenauslese Tisch, Wirbelsäulenmessung MediMouse®) zu zwei Messzeitpunkten eingesetzt.

In einer Einrichtung der öffentlichen Hand wurden bereits im Dezember 2009 alle Bildschirmarbeitsplätze der Angestellten mit elektrisch höhenverstellbaren Sitz- und Steharbeitsplätzen (VitalForm Sitz-Steh-Tische) der Firma CEKA-Büromöbel ausgestattet. Die Ein- und Ausschlusskriterien in die Studienpopulation wurden wie folgt definiert:

Einschlusskriterien:

· Der Proband ist Angestellter der Einrichtung

· Der Proband arbeitet an einem Bildschirmarbeitsplatz

· Der Arbeitsplatz des Probanden ist seit mindestens drei Monaten mit einem höhenverstellbaren Sitz- und Steh-Arbeitsplatz ausgestattet

· Der Proband hat ein Mindestalter von 18 Jahren

Ausschlusskriterien:

· akute Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule, die eine biometrische Vermessung mittels der MediMouse® ausschließen

· akute Schmerzen, die zwar nicht im Bereich der Wirbelsäule lokalisiert sind, die aber eine ausreichende Kooperation zur Durchführung der biometrischen Vermessung mittels MediMouse® nicht gewährleisten

Zum ersten Erhebungszeitraum vom 06. bis 09.09.2010 konnten die Datensätze von 65 Teilnehmern erhoben werden. 62 Teilnehmer wurden nach Prüfung der Ein- und Ausschlusskriterien in die Studie eingeschlossen. Die Gruppe bestand aus 35 Frauen und 27 Männern. Das Durchschnittsalter der Studienteilnehmer betrug 45 Jahre (21–63 Jahre) (Tabelle 1).

Bei drei Studienteilnehmern war keine vollständige Datenerhebung möglich. Gründe hierfür waren:

· technische Probleme bei der Auslesung der Daten aus dem Speichergerät der Sitz- und Steh-Arbeitsplätze

· akute Lumbago

· Fragebogen wurde nicht abgegeben

Der zweite Teil der Datenerhebung fand im Zeitraum vom 29.11. bis 01.12.2010 statt. Ausschlusskriterien für den zweiten Teil der Studie wurden erweitert und sind wie folgt definiert:

Ausschlusskriterien:

· akute Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule, die eine biometrische Vermessung mittels der MediMouse® ausschließen

· akute Schmerzen, die zwar nicht im Bereich der Wirbelsäule lokalisiert sind, die aber eine ausreichende Kooperation zur Durchführung der biometrischen Vermessung mittels MediMouse® nicht gewährleisteten

· Der Studienteilnehmer hat am ersten Teil der Studie (Zeitraum 06. bis 09.09) nicht teilgenommen

· Vom Studienteilnehmer konnte kein vollständiger Datensatz beim ersten Studiendurchlauf erhoben werden

Nach Prüfung aller Ein- und Ausschlusskriterien konnten die Datensätze von 52 Teilnehmern in die Studie eingeschlossen werden. Die Gruppe bestand aus 25 Frauen und 27 Männern. Das Durchschnittsalter der Studienteilnehmer betrug 47 Jahre (25–63 Jahre) (Tabelle 1).

Zehn Teilnehmer der Studie beendeten die Studie nicht. Gründe hierfür waren:

· Krankschreibung zum Zeitpunkt der zweiten Datenerhebung

· Urlaub zum Zeitpunkt der zweiten Datenerhebung

· Dauer der Untersuchung nicht vereinbar mit täglichem Arbeitsgeschäft

Bewegungsdaten der elektrisch höhenverstellbaren Sitz-Steh-Tische
Die VitalForm Sitz-Steh-Tische der Firma CEKA-Büromöbelwerke sind zwischen 68 bis 119 cm elektrisch höhenverstellbar und mit einer Verstellgeschwindigkeit von ca. 5 cm/Sekunde ausgestattet. Ein im Steuerelement integrierter Chip speichert die Bewegungsdaten der Tische. Erfasst werden:

· der zurückgelegte Weg,

· •die Anzahl der Bewegungen,

· die Anzahl der erkannten Kollisionen (z. B. zwischen Tisch und z. B. anderem Mobiliar und automatisch erfolgendem Bewegungsstopp) und

· eventuelle erfolgte Kurzschlüsse.

Zur Registrierung der abgespeicherten Bewegungsdaten wurde ein spezielles Auslesegerät zwischen dem Steuerelement des Tisches und einem Laptop angeschlossen. Vom Hersteller CEKA wurde eine spezielle Software, das „Desk Diagnose Tool“ der Firma Kesseböhmer Ergonomietechnik zum Auslesen der Datensätze zur Verfügung gestellt.

Die Kurzform des Gießener Beschwerdebogens (GBB-24)
Für diese Studie wurde die 24 Items umfassende Kurzversion des Gießener Beschwerdebogens (GBB-24) von Brähler, Scheer & Hinz aus dem Jahre 2008 verwendet.12

In unserer Studie kommt die Kurzversion des GBB – der GBB-24 – zum Einsatz. Diese Entscheidung wurde aus zeitökonomischen Gründen getroffen, da die Befragung der Studienteilnehmer während der regulären Arbeitszeit stattfand. Der GBB-24 hat sich als bewährtes Instrument zur Quantifizierung körperlicher Beschwerden etabliert. Es existieren bundesdeutsche Normwerte, die zum Vergleich mit den Werten der Studienpopulation herangezogen werden können.

Skala 1 bis 4 bestehen aus jeweils sechs Items. Die Ermittlung der Skalenrohwerte erfolgt durch Punktevergaben der angegebenen Häufigkeiten für jedes Item, reicht also von 0 (nicht) bis 4 (stark). Für die Skalen 1 bis 4 können Punktwerte zwischen 0 und 24 berechnet werden, für Skala 5 Werte zwischen 0 und 96. Der Aufbau des GBB-24 ist in Tab. 2 dargestellt.

Arbeitsplatzanalyse nach ABETO-Verfahren
ABETO bedeutet Arbeitsplatzbeurteilung nach Bildschirmverordnung und EU-Richtlinie der Technologieberatungsstelle (TBS) Oberhausen. Das Arbeitsplatzanalyseverfahren ABETO dient der Beurteilung von Büro- und Bildschirmarbeitsplätzen und besteht aus vier einzelnen Teilen, die auch unabhängig voneinander durchgeführt werden können. Im Einzelnen beurteilt werden die Ausführungsbedingungen, die Software, die Arbeitstätigkeit und die gesundheitliche Beanspruchung.13 Das ABETO-Verfahren ist Bestandteil des Fachbuches „Ergonomie-Prüfer“ der Autoren Martin, Prümper und von Harten.13 Ziel des „Ergonomie-Prüfers“ ist, das komplexe Feld des Büro- und Bildschirmarbeitsplatzes differenziert zu beleuchten und somit ein umfassendes Bild über den zu beurteilenden Arbeitsplatz zu schaffen. Im Rahmen dieser Studie wurde nur ein Teilbereich der Arbeitsplatzbeurteilung durchgeführt. Zum Einsatz kam der Fragebogen zur Erhebung der Ausführungsbedingungen. Unter Ausführungsbedingungen werden hier die Ergonomie der Hardware, der Möbel und der Umgebung verstanden. Insgesamt werden 39 Fragen in sieben Teilgebieten erfragt: „Büro-Raum“, „Büro-Arbeitstisch“, „Büro-Arbeitsstuhl“, „Bildschirm“, „Maus und Tastatur“, „Lärm, Klima, Beleuchtung, Raum“ und „Bildschirmpausen, Unterweisung, Vorsorgeuntersuchung“. Dem Teilnehmer stehen zur Beantwortung aller Fragen jeweils drei Antwortoptionen zur Verfügung: „Ja“, „Nein“ und „Weiß nicht“.

Biometrische Wirbelsäulenvermessung mittels MediMouse®
Die MediMouse® ist ein mobiles Gerät zur strahlenfreien Untersuchung der Wirbelsäule. In unserer Studie kam die Programmversion SpinalMouse® System G6 zur Anwendung (Abbildung 1).

Der Vergleich verschiedener Haltungen (aufrechte Haltung, Extension und Flexion) erlaubt es dem Programm, die Beweglichkeit der Wirbelsäule sowie die Beweglichkeit der einzelnen Segmente zu errechnen.

Durchgeführt wurden folgende Messungen in der Sagittalebene:

· Messung der aufrechten Haltung stehend und sitzend

· Messung der Flexionshaltung stehend und sitzend

· Messung der Extensionshaltung stehend und sitzend

Um reproduzierbare Messergebnisse zu erhalten, mussten die Probanden standardisierte Messpositionen einnehmen. Die Probanden wurden gebeten, die Schuhe auszuziehen, da diese die Haltung beeinflussen und die Messung verfälschen können. Der Oberkörper musste entkleidet werden. Die gesamte Wirbelsäule von C7 bis Rima Ani musste frei zugänglich sein, gegebenenfalls musste auch die Hose/der Rock aus dem Messfeld entfernt werden.14–17

Die sagittalen Messungen der aufrechten Haltung im Sitzen wurden analog zu den Vorgaben der Messung im Stehen durchgeführt. Gleiches gilt für die sagittalen Messungen der Flexions- sowie Extensionshaltung im Sitzen. Für die Messungen im Sitzen wurde ein geeigneter Bürostuhl mit Aussparungen im Mittelfeld der Rückenlehne benutzt (Abbildung 2), in der die MediMouse® entlanggeführt werden konnte.18 Die Messungen wurden jeweils von derselben in der Handhabung der MediMouse® geschulten Fachkraft durchgeführt.

Die statistische Auswertung der Ergebnisse wurde mit der Statistiksoftware SPSS (Statistical Package for the Social Sciences) Version 18.0 für Windows durchgeführt. Unterschiede nach Alter und Geschlecht wurden bei kategorialen Variablen mit dem Chi-Quadrat-Test überprüft. Bei metrischen Variablen kamen je nach Datenverteilung parametrische sowie non-parametrische Testverfahren zum Einsatz. Das Signifikanzniveau wurde auf p < 0,05 festgelegt und zweiseitig getestet. Eine Alphaadjustierung kam nicht zur Anwendung. Ergebnisse
Den vom Kooperationspartner zur Verfügung gestellten Informationen über den personellen Aufbau zufolge arbeiten insgesamt 139 Angestellte an einem Bildschirmarbeitsplatz (BAP). Somit ergibt sich eine Teilnahmequote von 47 % beim ersten Messzeitpunkt. Die Ausgangsuntersuchung umfasste die vollständigen Datensätze von 52 Studienteilnehmern, welche alle in die Endauswertung eingeschlossen wurden. Die abschließende Teilnehmerquote betrug 37 % (Abbildung 3).

Die 139 Beschäftigten an einem BAP unterteilen sich in 89 Frauen (64 %) und 50 Männer (36 %). In unserer abschließenden Studienpopulation mit 52 Teilnehmern zeigte sich eine knappe Mehrbeteiligung der männlichen (27 Männer, 52 %) gegenüber den weiblichen Angestellten (25 Frauen, 48 %). Ausgehend von der Gesamtzahl der Beschäftigten ergibt sich eine Gesamtbeteiligung von 54 % der männlichen Angestellten und 28 % der weiblichen Angestellten.

Soziodemografische Verteilung
In der abschließenden Studienpopulation mit 52 Teilnehmern lag der Altersdurchschnitt bei 47 Jahren. Der Body-Mass-Index liegt bei 50 % der Untersuchten über 25 und entspricht somit einem präadipösen Zustand.

Die wöchentliche Arbeitszeit am Bildschirm wurde mit durchschnittlich 31,5 Stunden (± 8,8 SD) angegeben. Die geringste Wochenarbeitszeit am Bildschirm wurde mit 6 Stunden, die höchste mit 50 Stunden pro Woche angegeben. 39 % arbeiten mindestens 30 Stunden pro Woche, 17 % davon mehr als 40 Stunden. Im Durchschnitt arbeiteten die Studienteilnehmer seit 13,6 Jahren (± 5,2 SD) an einem Bildschirmarbeitsplatz. Die Angaben bewegten sich zwischen 1 Jahr und 30 Jahren. 28 % arbeiten bereits seit mehr als 15 Jahren an einem BAP. Abbildung 3 gibt einen Überblick über die Arbeitsstunden pro Woche und die Arbeitsjahre am BAP.

Bewegungsumfang und -distanz während des Untersuchungszeitraumes
Die Bewegungen der Sitz-Steh-Tische wurden zum Zeitpunkt T1 und zum Zeitpunkt T2 bestimmt. Um vergleichbare Werte für die Benutzung zu haben, wurde ebenfalls die Differenz von T2 zu T1 bestimmt, also die Anzahl der Bewegungen, die in den elf Wochen zwischen den zwei Untersuchungszeitpunkten lagen. Sowohl die Anzahl der Tischbewegungen als auch die zurückgelegte Distanz waren in der Studienpopulation nicht normal verteilt. Während der Untersuchungsdauer wurden die Sitz-Steh-Tische im Schnitt 108-mal (SD ± 174) bewegt, die zurückgelegte Distanz betrug im Mittel 8,3 m (SD ± 11,10 m). Geht man von einer Fünftagewoche aus, so wurden die Tische im Schnitt zweimal pro Tag bewegt.

Gesamtbewegungsumfang der Sitz- und Steh-Arbeitsplätze
Der Gesamtbewegungsumfang der elektrisch höhenverstellbaren Sitz- und Steh-Arbeitsplätze liegt im Durchschnitt bei 31,75 m, mit 1,96 m als minimalem und 120,36 m als maximalem Wert (Abbildung 4).

Auswertung nach soziode mografischen Merkmalen
Zum Zeitpunkt T1 hatten die Sitz-Steh-Tische der männlichen Studienteilnehmer im Schnitt 345 Bewegungen vollzogen und es wurden durchschnittlich 29,5 m zurückgelegt. Bei Betrachtung der Messdaten zur Benutzungsfrequenz im Untersuchungszeitraum unterschied sich weder die Anzahl der Bewegungen der Sitz-Steh-Tische (p = 0,443 ns) noch die zurückgelegte Distanz (p = 0,071 ns) signifikant zwischen männlichen und weiblichen Studienteilnehmern. Während der gesamten Studiendauer bewegten die Männer die Sitz-Steh-Tische im Mittel 111-mal (95 % KI 64 – 158; SD ± 116). Bei den weiblichen Studienteilnehmern waren es im Schnitt 105 Bewegungen (95 % KI: 11 – 199; SD ± 223). Das Alter der Untersuchten hatte weder bei der Bewegungshäufigkeit noch bei der zurückgelegten Distanz einen Einfluss. Die Körpergröße korrelierte mit der Kategorie Distanz.

Der Gießener BeschwerdebogenBeschwerden im Zeitvergleich
Zur Erstbefragung konnten von 65 ausgeteilten GBB-24-Fragebögen 61 wieder eingesammelt werden (Rücklaufquote von 94 %). Zur Zweitbefragung standen alle 52 ausgegebenen GBB-24-Fragebögen vollständig ausgefüllt der Auswertung zur Verfügung. Um vergleichbare Ergebnisse zu erhalten, wurden nur die Fragebögen der Studienteilnehmer ausgewertet, die den GBB-Fragebogen zu beiden Erhebungszeitpunkten ausgefüllt hatten. Insgesamt standen 52 Fragebögen zur weiterführenden Auswertung zur Verfügung. Innerhalb dieser Fragebögen waren keine fehlenden Werte zu verzeichnen.

Im Vergleich T1 zu T2 weisen die Skalen 1 Erschöpfung, 2 Magenbeschwerden und 5 Beschwerdedruck signifikant geringere Punktwerte zum Zeitpunkt T2 auf. Dabei ist die Symptomreduktion sowohl in Skala 1 Erschöpfung (p = 0,002**) als auch in Skala 5 Beschwerdedruck (p = 0,001**) signifikant. Eine signifikante Reduktion der Symptome ließ sich zudem in der Skala 2 Magenbeschwerden (p = 0,012*) nachweisen. Skala 3 Gliederschmerzen (p = 0,438 ns) und Skala 4 Herzbeschwerden (p = 0,059 ns) haben sich nicht signifikant verändert. Jedoch ist eine tendenzielle Verbesserung auch in Skala 4 Herzbeschwerden zu beobachten.

Vergleicht man die Werte der männlichen Studienteilnehmer, so zeigen sich nur in Skala 1 Erschöpfung signifikante Differenzen (p = 0,031*) zum Zeitpunkt T2. Die Skalen 2–5 weisen über den Beobachtungszeitraum keine signifikante Veränderung auf (0,055 < p < 0,948; ns). Vergleicht man T1 und T2 für die Frauen, so zeigt sich in Skala 5 Beschwerdedruck eine stark signifikante Symptomreduktion (p = 0,009**). Die Werte der Skalen 1 Erschöpfung (p = 0,041*) und Skala 2 Magenbeschwerden (p = 0,037*) waren signifikant geringer. Skala 3 Gliederschmerzen (p = 0,310 ns) und Skala 4 Herzbeschwerden (p = 0,137 ns) waren bei den Frauen nicht signifikant verändert. Abbildung 5 veranschaulicht die Ergebnisse der Skalenauswertung 1–5 für die gesamte Studienpopulation. Auswertung nach soziodemografischen Subgruppen
Bei T1 war in keiner der Skalen ein signifikanter Unterschied (0,351 < p < 0,987; ns) zwischen Männern und Frauen festzustellen. Auch zum Zeitpunkt T2 waren die Differenzen der Skalen 1–5 nicht signifikant (0,461 < p < 0,811; ns). Das Alter der Studienteilnehmer hatte keinen signifikanten Einfluss auf die Bewertung der 5 Skalen des GBB-24 (0,156 < p < 0,558; ns.) Untersucht wurde ferner, ob die wöchentliche Arbeitszeit am BAP und die Gesamtarbeitszeit in Jahren am BAP Auswirkungen auf das psychische oder physische Befinden der Studienteilnehmer haben. Zur Auswertung herangezogen wurden die Angaben über die geleisteten Arbeitsstunden pro Woche am BAP (Durchschnittswerte) respektive die Gesamtarbeitszeit am BAP in Jahren und die Angaben des GBB-24 über psychische und physische Beschwerden in den vergangenen drei Monaten. Berechnet wurden die Korrelationen für alle 24 einzelnen Items des GBB-24 und die Gesamtwerte der Skalen 1–5. Zwischen den einzelnen Skalen (1–4) und Skala 5 („Beschwerdedruck“ = Summe aus Skala 1–4) und den geleisteten Arbeitsjahren an einem Bildschirmarbeitsplatz ließ sich kein Zusammenhang nachweisen (0,125 < p < 0,597; ns). Für die Gesamtwerte der Skalen 1–4 konnten keine signifikanten Zusammenhänge zur wöchentlichen Arbeitszeit festgestellt werden (0,775 < p < 0,992; ns). ABETO Analyse der Häufigkeiten
In Rahmen der Studie wurden die Ausführungsbedingungen am Bildschirmarbeitsplatz nach ABETO-Verfahren erfasst. Es werden sieben Themenkomplexe, bestehend aus insgesamt 39 Fragen auf Grundlage gesetzlicher Regelungen sowie internationaler und nationaler Normen abgefragt.

Etwa 90 % der Befragten beurteilen zu T1 Größe und Ausstattung des Büroraumes zufriedenstellend. Zu T2 steigt diese Zustimmung noch leicht an.

Der Büroarbeitstisch wird insgesamt betrachtet zu T2 leicht verbessert wahrgenommen, insbesondere die Beurteilung der Tischhöhe erreicht zu T2 eine höhere Zustimmungsrate mit 90 % im Vergleich zu 75 % zu T1. Die Tischbreite und -tiefe verschlechtert sich zwischen T1 und T2 von 85 % auf 73 %. Der Büroarbeitsstuhl, seine Funktionen, die Handhabbarkeit und sein Komfort wurden im zeitlichen Verlauf von den Untersuchten deutlich besser eingeschätzt. Die Werte steigen von anfänglich 51–67 % auf 76–80 %. Auch in der subjektiven Wahrnehmung des eigenen Bildschirmes und seiner technischen Möglichkeiten verbessert sich das Ergebnis zwischen T1 und T2 deutlich. Dennoch erreichen Fragen nach der Strahlungsarmut und ein von Beleuchtung störungsfreier Aufstellungsort insgesamt nur eine Zustimmung von etwa 46 %.

Die Einschätzung der PC-Maus und Tastatur verbessert sich allgemein leicht. So werden ergonomische und funktionelle Gegebenheiten, wie die Größe der Handauflagefläche oder die anatomische Formung der Maus zum zweiten Messzeitpunkt günstiger wahrgenommen. Die Werte steigen auf deutlich über 90 % an. Einzige Ausnahme bildet die Einschätzung der Tastaturhöhe von 3 cm, die zu T2 noch von 73,1 %, im Vergleich zu T1, als es noch 84,6 % waren, bejaht wird. Das Urteil zum Themenkomplex „Lärm, Klima, Beleuchtung“ verbessert sich in drei Kategorien erheblich zwischen T1 und T2. So wird ein behagliches ruhiges und gut beleuchtetes Raumklima um etwa ein Drittel häufiger zu T2 konstatiert. Die anderen Kategorien zu störenden Lichtquellen bleiben auf einem vergleichbaren Werteniveau. Im Fragenkomplex zu „Bildschirmpause, Vorsorgeuntersuchung, Unterweisung“ konnte ebenfalls eine teilweise ausgeprägte, verstärkte Zustimmung beobachten werden. Insbesondere die Frage nach regelmäßigen Unterweisungen in Sachen gesundheitlicher Gefährdung (T1 = 15 %, T2 = 40 %) und Untersuchungen des Sehvermögens (T1 = 69 %, T2 = 78 %) wurde zu T2 deutlich häufiger bejaht. Die Zustimmung zur Frage nach Ausgleichsübungen blieb auf einem niedrigen Niveau von 5 % konstant, während die Möglichkeit zu regelmäßigen Pausen konstant auf einem Niveau 98–100 % blieb.

MediMouse®- Wirbelsäulenvermessung
Die MediMouse® von der Herstellerfirma idiag AG verspricht eine fundierte Vermessung der Wirbelsäule für eine spezifische Rückenbehandlung. Die Handhabung wird als präzise, unkompliziert, schnell und strahlenfrei beworben. Weitere wissenschaftliche Studien untersuchten bereits mit diesem Messgerät.14–17

Nach Auswertung der erhobenen Datensätze musste jedoch festgestellt werden, dass die Messergebnisse des ersten Messzeitpunktes nur zu einem kleinen Prozentsatz mit denen des zweiten Messzeitpunktes übereinstimmten. Die Vielzahl und die scheinbare Willkür der Veränderungen der Messwerte veranlassten uns, möglichen Fehlerquellen nachzugehen.

Die knöcherne Struktur der Wirbelsäule ist nach Abschluss der Pubertät keinen starken Veränderungen physiologischer Natur unterworfen. Natürlich ist denkbar, dass sich bei einem gewissen Prozentsatz der Studienteilnehmer im freien Untersuchungsintervall zwischen September und November 2010 Veränderungen, etwa durch muskuläre Verspannung oder Traumen, in der knöchernen Struktur vollzogen haben. Da das Studiendesign eine Erhebung von Vorerkrankungen und aktuellen Ereignissen nicht mit einbezog bzw. von vorneherein diese Personen ausgeschlossen wurden, kann diese potenzielle Fehlerquelle vernachlässigt werden.

Im Rahmen der Messungen mussten wir feststellen, dass die Einstellung und Handhabung pro Proband wesentlich komplizierter als angegeben ist. Es zeigte sich, dass reliable Messwerte entscheidend von der Oberbekleidung, dem Tageszeitpunkt der Messung und der Kooperation der Probanden beeinflussbar waren. In der Regel sind damit also mehrere Messversuche pro Versuchsperson nötig, um sachlich richtige Werte erheben zu können. Die Untersuchungsergebnisse sind nicht verlässlich reproduzierbar. Im zeitlichen Abstand zwischen T1 und T2 kam es daher im überwiegenden Maß zu Veränderungen, die nicht logisch erklärbar und verständlich waren.

Die erhobenen Befunde sind aufgrund dieser Einschränkungen nicht weiter auswertbar. Für weitere Feldstudien müssen wir aus heutiger Sicht vom Einsatz der MediMouse® abraten, da die Untersuchungen in Sachen Durchführung sowie Auswertung weder pragmatische noch ökonomische Vorteile im Vergleich zu klassischen orthopädischen Screenings bieten.

Diskussion
Im Rahmen unserer Untersuchung wurden Personen, die an einem Bildschirmarbeitsplatz tätig sind, hinsichtlich ihrer Einschätzung der Büroumgebung und -ausstattung sowie der eigenen Befindlichkeit zu zwei verschiedenen Messzeitpunkten befragt. Die Nutzung moderner höhenverstellbarer Sitz-Steh-Arbeitstische wurde anhand objektiver Messdaten erhoben. Eine biometrische Untersuchung erfolgte mithilfe der Medimouse®. Insgesamt konnten 52 komplette Datensätze analysiert werden. In Bezug auf die Altersverteilung und die Teilnahmequote von etwa 40 % konnten aussagekräftige Ergebnisse erzielt werden. Die gewählte Stichprobe war hinsichtlich der Geschlechterverteilung im Vergleich zur Grundgesamtheit nicht repräsentativ. Einschränkend muss für unsere Studie eine fehlende, valide körperliche Untersuchung angeführt werden. Eine andere exakte medizinische Untersuchung wäre allerdings weder zeitlich noch aus anderen internen Gründen mit den Abläufen vor Ort vereinbar gewesen. Der Bildschirmarbeitsplatz ist (vor allem in Verbindung mit dem Bürodrehstuhl) Teil eines komplexen Systems und beinhaltet technische, soziale und arbeitsorganisatorische Komponenten. Für eine beanspruchungsoptimale bzw. funktionale Gestaltung der Arbeit lassen sich prinzipiell drei grundlegende Ansatzpunkte – im Sinne einer verhaltens- und einer verhältnisorientierten Prävention und Rehabilitation – zur optimalen Nutzung eines Bildschirmarbeitsplatzes unterscheiden:

1. Individuelle Anpassung der Bildschirmarbeitsplätze an die Mitarbeiter. Hierzu zählen insbesondere individuell abgestimmte Schulungsmaßnahmen über die Funktionen und Möglichkeiten der Sitz-Steh-Tische im Zusammenspiel mit den Bürodrehstühlen sowie anthropometrische Empfehlungen über die Standardeinstellungen der Drehstühle und Tische.19

2. Optimierung und Intensivierung der Nutzung der Sitz-Steh-Arbeitsplätze zur Erhöhung der gesundheitlichen Wirkung. Hierzu zählen beispielsweise im Tagesverlauf verteilte Aufforderungen zur intensiveren Nutzung des Tisches bzw. zum Positionswechsel.20

3. Arbeitsorganisatorische Maßnahmen, die Haltungsänderungen begünstigen, z. B. über wechselnde Tätigkeiten, die stehend, sitzend oder in Bewegung erfüllt werden können. Denn ein mehrmaliger Wechsel zwischen Stehen und Sitzen im Laufe der Arbeitszeit hat positive Auswirkungen auf Gesundheit und Produktivität.21

Erste Untersuchungsergebnisse mit variablen Tischplatten und höhenverstellbaren Monitoren versprechen positive Effekte.22 Eine erhöhte Muskelaktivität bzw. weniger statische Haltungen scheinen einen positiven Einfluss auf den muskulo-skelettalen Apparat zu haben.

Unsere Messung der tatsächlichen Nutzung der höhenverstellbaren Sitz-Steh-Tische muss unter dem Gesichtspunkt der vermutlich subjektiv zu hoch angesetzten wöchentlichen Arbeitszeit vor dem PC betrachtet werden. Unsere Beobachtungen vor Ort haben ergeben, dass ein hoher Anteil an Arbeitszeit nicht direkt am Schreibtisch stattfindet. Regelmäßige Besprechungen, Wege zu Drucker/Kopierer oder Kollegen unterbrachen die tägliche Routine, ähnlich wie es die empfohlene stündliche Haltungsänderung mithilfe des Sitz-Steh-Tisches ermöglichen kann. So sind relativ geringe Nutzungsdaten nicht zwangsläufig als ein Indiz für eine fehlende Akzeptanz bei den Mitarbeitern zu werten. Der Sitz-Steh-Arbeitstisch kann als eine weitere Möglichkeit betrachtet werden, Positionswechsel am BAP zu begünstigen.

In den bisher zugänglichen Vergleichsstudien wurde bis zu einer Dauerbelastung von 60 Minuten überprüft. Tatsächlich verbringt ein Großteil der Arbeitnehmer aber längere Zeitperioden vor einem PC, sodass aus den bisher vorliegenden Ergebnissen keine Rückschlüsse auf Langzeitbelastungen gezogen werden sollten. Tägliche Bildschirmarbeit über vier Stunden gilt als Risikofaktor für muskulo-skelettale Beschwerden.23 Die Auswirkungen auf den muskulo-skelettalen Apparat von Schülern und Studenten, die möglicherweise über eine weniger funktional angepasste Ausstattung verfügen als dies an unserem Untersuchungsort vorlag, sollten weiterhin Ziel neuer Untersuchungen sein, insbesondere um frühe Schädigungen zu vermeiden, die in der Folge im weiteren Berufsleben chronifiziert werden könnten.23,24

Die Ergebnisse des Gießener Beschwerdebogens verbessern sich über den Untersuchungszeitraum für unsere Probanden hinweg. Es lassen sich signifikante Veränderungen vor allem in Bezug auf Erschöpfung, Magenbeschwerden und Beschwerdedruck beobachten. Leichte Verbesserungen sind auch für Herzbeschwerden festzustellen. Insgesamt verbessert sich die subjektiv empfundene Befindlichkeit zwischen beiden Messzeitpunkten. Weder Alter, Geschlecht noch Wochen- oder Lebensarbeitszeit haben einen signifikanten Einfluss auf die Ergebnisse.

Die Verringerung der Beschwerden aus dem GBB 24 korreliert mit den zu T2 verbessert wahrgenommenen Arbeitsplatzbedingungen aus dem ABETO. Kritisch muss daher angemerkt werden, dass unsere Untersuchung insbesondere auf die Ergebnisse des ABETO und des GBB 24 einen intervenierenden Effekt zu haben schien. Die deutliche Verbesserung in sehr vielen Bereichen muss aus unserer Sicht in Zusammenhang mit der Untersuchungsdurchführung gesetzt werden, da es nach den Aussagen der Arbeitsschutzbeauftragten ansonsten zu keinen weiteren Veränderungen der Arbeitsplätze oder -aufgaben etc. gekommen war. Es wird vermutet, dass jede Form der Intervention zu zumindest kurzfristigen, subjektiv wahrgenommenen Verbesserungen führt.25 So zeigte beispielsweise ein Studienergebnis, dass sich der Effekt durch eine persönliche ergonomische Beratung nicht vom Einsatz eines Biofeedbackgerätes unterschied.26,27 Es kann daher empfohlen werden, regelmäßige Beratungen und ergonomische Einweisungen durchzuführen, aber auch gezielt zu einer verstärkten Nutzung einzuladen. Entlastend im beruflichen Alltag wirken angemessene Gratifikationen, ein gutes soziales Arbeitsklima und andere Interventionen wie Gesundheitsförderungsprogramme, die helfen, physischen oder emotionalen Stress zu reduzieren.28–30 In der Regel gilt, je individueller das Programm auf die einzelnen Mitarbeiter abgestimmt wird, je mehr Mitbestimmungsrecht bei den einzelnen Maßnahmen eingeräumt wird, umso effektiver ist die Intervention. Neue Kommunikationsmittel, wie beispielsweise über ein Intranet, können hierfür eine kostengünstige Alternative darstellen.

Neue Studiendesigns sollten Menschen mit einbeziehen, die bereits unter einer Vorerkrankung leiden oder langfristige Effekte kontrollieren. Es scheinen sich erste positive Effekte auch für vorbelastete Studienkollektive abzuzeichnen.31

Ein Einfluss der Jahreszeiten auf die Einschätzung insbesondere der Büroausstattung (Lichtquellen), Raumklima und die subjektiv empfundene körperliche Befindlichkeit sollte erwogen werden.32–35 Unser erster Untersuchungstermin lag im Spätsommer und der zweite Termin zu Beginn der vorweihnachtlichen Adventszeit. Es erscheint plausibel, dass über die Büroausstattung und Arbeitsbelastung hinaus private Umfeldbedingungen auf den momentanen Zustand als Confounder einwirken.

Sitzende Tätigkeiten sind als Auslöser für Beschwerden im unteren Rücken anerkannt. Dies wird auf eine monotone und verlängerte mechanische Last durch die sitzende Haltung zurückgeführt. Häufig liegen den Beschwerden Trainings- und Bewegungsmängel der Beschäftigten mit einer geringen Ausprägung der Muskulatur im Bereich des Halte- und Bewegungsapparates zugrunde, was sich durch muskuläre Verspannungen und Schmerzen äußert. Resultierend zeigte sich, dass durch ein Trainingskonzept, mithilfe dessen den durch Bewegungsmangel entstandenen muskulären Dysbalancen entgegengewirkt werden kann, eine Beschwerdenreduktion und eine Belastungsoptimierung bei den Beschäftigten erreicht werden konnte.6

Dynamische Bürostühle scheinen gegenüber fixierten Stühlen Vorteile bei bestimmten Tätigkeiten zu haben. Die Art der Aufgabe beeinflusst in den Studien die Werte dabei aber stärker als das Stuhlmodell.36 Vergleicht man die Ergebnisse unserer Untersuchung mit ähnlichen, älteren Studien oder Studien aus weniger entwickelten Ländern, so zeigen sich insgesamt weniger und geringere Belastungssymptome für unsere Stichprobe.37–39

Neuere Analysen finden allerdings insgesamt weniger Zusammenhänge zwischen Computerarbeit und Beschwerden im muskulo-skelettalen Bereich.40–42 Möglicherweise spielt dabei die inzwischen international verbesserte Ausstattung (flimmerfreie PC-Bildschirme, schnellere Software) eine wichtige Rolle. Ergonomische, medizinische und psychologische Forschungsergebnisse und sich daraus ableitende Präventions- und Rehabilitationsstrategien, die im Rahmen der starken Verbreitung von Bildschirmarbeitsplätzen inzwischen analysiert werden konnten, haben vermutlich bereits zu einer Problementschärfung beigetragen.43,44

Insbesondere für Menschen mit einer Vorerkrankung oder auch längeren krankheitsbedingten Ausfallszeiten können ergonomische Interventionen am Arbeitsplatz – in Abhängigkeit von der körperlichen Schwere der Arbeit – sinnvoll sein.45 Je älter die Belegschaft, desto sinnvoller erscheinen also weitere Interventionen, die zur individuell abgestimmten Nutzung anregen, da die Zahl und die Wahrscheinlichkeit an muskulo-skelettalen Erkrankungen zu leiden steigt.

Eine einseitige Betrachtung des Arbeitsplatzes als mögliche auslösende Variable für Veränderungen wäre nicht zielführend. Verhältnisse und Verhaltensweisen in der arbeitsfreien Zeit müssen bei präventiven Angeboten berücksichtigt werden. Gibt es im häuslichen Umfeld beispielsweise keine angemessenen Möbel, kann dies bei einem bewegungsarmen Freizeitverhalten die Symptome verschlechtern.46

Schlussfolgerung
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine ergonomisch gestaltete Büroumgebung primär, sekundär und tertiär präventive Effekte begünstigt. Längsschnittuntersuchungen sind in diesem Feld schwer durchführbar, da sich nach wie vor ein rascher technologischer Fortschritt beobachten lässt. Zum anderen sind Arbeitsbelastungen und Anforderungen einem stetigen Wandel unterworfen. Ein gesundheitsfördernder Arbeitsstil sollte durch ein ebensolches Freizeitverhalten ergänzt werden, um positive Wirkungen zu verstärken.

Danksagung
Wir danken der Verwaltungsberufsgenossenschaft, insbesondere Herrn Dr. Jens Petersen für die Unterstützung dieser Studie.

Unser Dank gilt darüber hinaus den Unternehmen CEKA, Dauphin und Kesseböhmer für die zur Verfügung gestellten Kontakte, Bildmaterialien und Software.

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