Ergonomie

Von ergonomisch optimierten und zugleich attraktiven Arbeitsplätzen profitieren Angestellte und Unternehmen

Susanne WeberErgonomieberaterin, Physiotherapeutin, Trainerin – Dauphin HumanDesign Group GmbH & Co. KG, Offenhausen

1. Einleitung

Transformationsprozesse in der Wirtschaft sind in den vergangenen Jahren aufgrund der Digitalisierung und zunehmenden weltweiten Verflechtung rasant vorangeschritten. Ganzen Berufsgruppen, Arbeitswelten und Wirtschaftszweigen steht immer weniger Zeit zur Verfügung, sich an die wandelnden Begebenheiten anzupassen. Arbeitsbedingungen und soziale Verhältnisse, die sich von der industriellen Revolution bis zum Übergang in die heutige Dienstleistungsgesellschaft langsam und kontinuierlich über Jahrzehnte wandelten und etablierten, sind im 21. Jahrhundert innerhalb kürzester Zeit veraltet. Die Ergonomie – also die Lehre der Anpassung – ist dadurch für Unternehmen bedeutungsvoller als jemals zuvor. Bekanntermaßen kann der Körper des Menschen mit diesem rasanten Wandel in der Arbeitswelt längst nicht mehr ohne Weiteres Schritt halten. Stattdessen müssen die Arbeitsplätze, Büroumgebungen und Hilfsmittel an die Beschäftigten und ihre Aufgaben angepasst werden, nicht umgekehrt. Gelingt es den Unternehmen, den Faktor Mensch in den Mittelpunkt zu stellen, können sie dadurch den höheren Effizienz-, Flexibilitäts- und Produktivitätsanforderungen der heutigen Wirtschaftswelt gerecht werden.

2. Wohlfühlen heißt Produktivität

An diesem Punkt stoßen viele Unternehmen aber bislang an ihre Grenzen. Die Komplexität der digitalisierten Dienstleistungsgesellschaft benötigt immer mehr Ressourcen, bindet Arbeitskraft und erfordert einen hohen Organisationsgrad. Zeit für Kreativität und Ideenreichtum, womit Wissensarbeiter heutzutage den Grundstein für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg legen, geht verloren. Die Produktivität sinkt. Die Unzufriedenheit unter den Beschäftigten bewegt sich seit Jahren auf einem konstant hohen Niveau. Nur 15 Prozent fühlen sich noch im Büro wohl, eine große Mehrheit von 70 Prozent macht lediglich Dienst nach Vorschrift. 15 Prozent haben sogar innerlich gekündigt, so die aktuellen Zahlen des Gallup Instituts, das seit 2001 Arbeitnehmer in Deutschland für seinen jährlichen „Engagement Index“ befragt. [vgl. Nink 2016] Um diesen großen Anteil der Belegschaft wieder zu erreichen, gestalten moderne Unternehmen motivierende Arbeitsumgebungen. Vor allem jüngere Generationen und Hochschulabsolventen zeigen sich dabei fasziniert von Unternehmenskonzepten wie bei Apple oder Google, wo sich die Menschen in allen Bereichen wohlfühlen können. Aber nicht jedes Unternehmen ist nun gezwungen, den milliardenschweren High-Tech-Schmieden nachzueifern, um Mitarbeiter zu motivieren. Mit einem kompetenten Partner an der Seite können die Verantwortlichen die Herausforderung annehmen, um ebenfalls ein produktives Arbeitsumfeld zu schaffen.

Doch was zeichnet eine motivierende und die Produktivität unterstützende Umgebung aus? Fest steht, dass sich eine wohnliche Atmosphäre, ansprechendes Design sowie variantenreiche Einrichtungen positiv auf die Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit der Mitarbeiter auswirken. Ein intelligentes Konzept bezieht dabei auch den funktionalen Arbeitsplatz, optimale Lichtverhältnisse und eine gute Klimatisierung mit ein. Gleichzeitig benötigt es mehr Anpassungsfähigkeit, denn die Aktivitäten des modernen Arbeitsalltags überlappen sich vermehrt. Dadurch berühren Bürotätigkeiten meist mehr als nur einen der sechs zentralen Bereiche Welcome (Empfang), Work (klassische Einzel- und Mehrpersonenbüros, Bench-Lösungen im Open Space, Mikroarbeitsplätze), Lead (Chefbüro, Vorstandsetage), Meet (Mittelzone, Konferenz- und Besprechungsräume), Learn (Schulungsraum) und Relax (Cafeteria, Pausenraum, Empfangsbereich, Mittelzone). Hierbei wird ersichtlich, dass sich die Arbeitswelten von heute, morgen und übermorgen immer seltener in einen festen Rahmen fassen lassen und daher mehr Anpassungsfähigkeit erfordern. Moderne Büromöbelhersteller mit einem ganzheitlichen Portfolio bieten daher vermehrt flexible beziehungsweise anpassungsfähige Lösungen an, mit denen sich alle Arbeitsstile optimal unterstützen lassen. So entwickelt beispielsweise die Dauphin-Gruppe unter dem Namen „Dauphin Solutions“ aufeinander abgestimmte Einrichtungskonzepte für alle Bereiche der modernen Bürolandschaft. Damit bestärkt der Anbieter die Entwicklung, dass trotz des Wandels und der Digitalisierung das Büro der zentrale Arbeitsort der Zukunft bleibt. Hier gilt es nun, den wichtigsten Faktor – also den Menschen – in den Mittelpunkt zu rücken und gemeinsam mit ihm auf die veränderten Rahmenbedingungen zu reagieren. Das erlaubt Unternehmen von den Prämissen der Vergangenheit abzukehren, in denen sie darauf setzten, mehr Performance lediglich durch die Optimierung einzelner Prozesse und Abläufe zu generieren.

3. Ergonomie braucht den
ganzheitlichen Blick

Doch wie rücken ganzheitliche Einrichtungslösungen den Menschen in den Mittelpunkt und welcher Aspekt ist dabei zentral? Unabdingbar ist hierbei die Ergonomie. Sie unterstützt die Beschäftigten, sich aktiv um den Erhalt ihrer Gesundheit und damit auch um ihre Leistungsfähigkeit zu kümmern. Dass dieser Gesundheitsaspekt in der Wirtschaft immer noch zu kurz kommt, belegt die Zunahme an Muskel-, Knochen- und Gelenkerkrankungen. [vgl. Lohmann-Haislah 2012] Gesundheitsprobleme des Muskel-Skelett-Systems entwickelten sich in den vergangenen Jahrzehnten zum Sinnbild des Wandels in der modernen Arbeitswelt und stehen für die zunehmende Belastung. Rund jeder fünfte Arbeitsunfähigkeitstag ist auf Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes zurückzuführen, so die Erwerbstätigenbefragung 2012 des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Darunter leiden nicht nur die Mitarbeiter – Fehlzeiten und Arbeitsausfälle aufgrund fehlender oder nachlässiger Ergonomie beschränken auch die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe. Die volkswirtschaftlichen Kosten sind enorm. Bei krankheitsbedingten volkswirtschaftlichen Produktionsausfällen von insgesamt 64 Milliarden Euro entfallen allein 25 Milliarden auf Erkrankungen des Bewegungsapparats.

Um Rückenbeschwerden, Leistungsabfall und schließlich krankheitsbedingte Ausfallzeiten vorzubeugen, müssen die Betriebe einen zielgerichteten Ergonomie-Prozess entwickeln. Einen wesentlichen Einfluss haben dabei ergonomische Bürostühle. Mit ihrer innovativen Sitztechnik unterstützen sie die Beschäftigten während der Arbeit. Eine nach vorne geneigte Sitzfläche bringt das Becken in eine Position, die dazu beiträgt, die Wirbelsäule zu entlasten. Mobilisierende Stühle fördern zudem das dynamische Sitzen mit regelmäßigen Haltungswechseln und bieten eine adäquate Rückenunterstützung. Mit einer biege-elastischen Rückenlehne schmiegt sich die Fläche komplett an den Rücken des Nutzers an und beugt so wirkungsvoll Verspannungen, Kopfschmerzen und Fehlhaltungen vor. Ergänzt wird ein passender Stuhl durch einen höhenverstellbaren Schreibtisch, der im Idealfall auf Knopfdruck zum Steharbeitsplatz wird. Damit können regelmäßige Phasen der Steh-Arbeit eingeplant werden. Im Stehen steigt die Produktivität um 10 bis 20 Prozent. Nutzer von Sitz-Steh-Arbeitsplätzen behaupten, wacher, aufgabenorientierter und positiver zu sein. Während der Arbeit aufzustehen, ist eine Gewohnheit, an die sich der Körper erst anpassen muss. Es ist wichtig, zwischen Sitzen und Stehen zu variieren. Den ganzen Tag zu stehen, ist auch nicht gesund – die Abwechslung zählt. Idealerweise beginnt man mit jeweils fünf Minuten Stehen pro Stunde.

Die Einführung einzelner ergonomischer Produkte – von Bürostühlen über höhenverstellbare Tische bis hin zu biodynamischen Leuchten – ist zwar ein Anfang, reicht für die Komplexität der modernen Arbeitswelt jedoch nicht mehr aus. Wegweisend ist ein ganzheitlicher Blick für ergonomische Büroverhältnisse. Dieser umfasst die gesamte Umgebung der Beschäftigten, also auch Bewegungsabläufe, Arbeitsmittel, Klimatisierung, Pausenräume und Konferenzbereiche in den zentralen Bereichen der Büroarbeitswelt. Erst diese ganzheitliche Verankerung der Ergonomie in den Einrichtungskonzepten fördert die innerbetriebliche Gesundheit und wirkt sich positiv auf die Motivation und Leistungsbereitschaft aus. Das zeigen die Ergebnisse des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). Der Office Excellence Check 2016 attestiert Investitionen in die Büroausstattung enormes Potenzial und zeigt, dass das attraktive Gestalten der Arbeitsumgebung zu einer höheren Performance führt. Beschäftigte, die sich im Büro wohlfühlen, arbeiten motivierter und sind um bis zu 36 Prozent produktiver.

Insbesondere das klassische Großraumbüro weist dabei aber noch einen enormen Nachholbedarf auf. Zwar ermöglicht diese Büroform, Flächen effizienter zu nutzen, weshalb sich in den vergangenen Jahren die offene Gestaltung anhaltender Beliebtheit erfreute. Doch vor allem der Lärm beeinträchtigt die Zufriedenheit, Leistungsfähigkeit und Konzentration der Mitarbeiter im Vergleich zum Einzelbüro. Als Reaktion darauf greifen moderne Open-Space-Landschaften die Vorteile beider Konzepte auf und schaffen eine Mischung aus Ein- und Mehrpersonen-Büros. Um die Kommunikation und Interaktion unter den Mitarbeitern jedoch weiterhin zu ermöglichen und zu fördern, sind sogenannte Mittelzonen oder „Community Areas“ notwendig. Bei der multifunktionalen Gestaltung liegen dabei sogenannte Lounge- und Cocooning-Möbel stark im Trend. Ausgewählte Produkte können visuellen Schutz bieten, den Schall absorbieren und so den Produktivitätshemmer Lärm auf ein Minimum reduzieren. Hierbei stehen die Beschäftigten im Mittelpunkt, die sich für die konzentrierte Einzelarbeit oder zum Entspannen in der Pause aus der offenen Büroumgebung zurückziehen wollen.

4. Verhalten und Verhältnisse
ergänzen sich

Doch warum wird dieses produktivitätssteigernde Potential nicht häufiger von den Unternehmen genutzt? Oft fürchten sich die Verantwortlichen vor einer Investitionswelle, wenn Betriebsräte, Betriebssicherheit oder Arbeitsmediziner die Ergonomie im Unternehmen prüfen. Dabei lassen sie außer Acht, dass heutzutage 80 Prozent der Betriebskosten im Verwaltungsbereich auf das Personal entfallen. Hierbei sind auch Lohnfortzahlungen und Vertretungen im Krankheitsfall ein großer Faktor. Gebäude und die technische Ausstattung verursachen dagegen 19 Prozent der Unternehmenskosten. Der Rest, lediglich ein Prozent, entfällt auf Einrichtungskosten. Zudem ist die Gestaltung der Umgebung nur ein Teil der angestrebten Ergonomie. Wichtig ist, das Bewusstsein dafür zu schärfen. Unterstützung finden Unternehmen bei Büromöbelherstellern, die nicht nur ergonomische Möbel, sondern auch eine zeitgemäße Ergonomieberatung anbieten, die die Eigenverantwortung der Mitarbeiter stärkt. Denn vielerorts werden neu etablierte ergonomische Produkte und Lösungen falsch oder gar nicht benutzt. Dabei gibt die Arbeitsstättenverordnung seit 2016 geeignete Rahmenbedingungen für ein gesunderhaltendes Arbeiten im regulierten Raum aus, beispielsweise am Empfang, in Mehrpersonen- oder Chefbüros. Speziell geschulte Multiplikatoren, die ihre Kollegen für das Thema Rückenprävention sensibilisieren, und Schulungen direkt am Arbeitsplatz helfen, präventives Verhalten bei der Büroarbeit zu verankern. Die Digitalisierung unterstützt hierbei auch die individuelle Einstellung: Durch Tools wie den „90-Sekunden-Arbeitsplatzcheck“ können die Mitarbeiter ihre Arbeitsplatzsituation ganz einfach am PC oder Smartphone überprüfen und erhalten dabei praktische Tipps. Denn den gesamten Arbeitstag in ungünstigen Körperhaltungen und in nicht-ergonomisch ausgerichteten Umgebungen zu arbeiten, kann die Gesundheit auf Dauer schädigen. [vgl. Liebers/Latza 2015]

Eine Erkenntnis, die für viele Beschäftigten zunehmend wichtiger ist, da immer häufiger an Orten außerhalb des Unternehmens gearbeitet wird. Cafés, öffentliche Verkehrsmittel und das Hotelzimmer werden flexibel von unterwegs zum Arbeiten genutzt. Für kurze, zeitlich begrenzte Arbeiten ist das in Ordnung. Auf Dauer führt die Haltung zu Verspannungen, die Lautstärke zu Kopfschmerzen und die permanenten Störungen verursachen Fehler. Das ergonomische Bewusstsein erweitert sich durch eine zeitgemäße Ergonomieberatung auf den regulierten Bürobereich, auf diverse nicht-regulierte, innerbetriebliche Räume wie Lounges, Meeting-Räume, Think Tanks sowie auf den öffentlichen Raum. Nur so kann verhindert werden, dass die Beschäftigten in der modernen Arbeitswelt und ihren nicht-regulierten Räumen innerhalb und außerhalb des Unternehmens völlig auf sich alleine gestellt sind.

5. Fazit

Moderne Wissensarbeit beschränkt sich nicht mehr auf den Schreib-tisch. Zeitgemäße Bürolandschaften bestehen zunehmend aus variantenreichen Arbeitswelten für Einzel- und Teamarbeit. Fortschrittliche Einrichtungslösungen erfassen dabei alle zentralen Bereiche in einem Unternehmen. Das garantiert, dass die Mitarbeiter ganzheitlich in den Mittelpunkt gestellt werden können, was die Zufriedenheit, Motivation und Leistungsbereitschaft fördert. Das Plus an Flexibilität gibt den Unternehmen die Möglichkeit, alle modernen Arbeitsstile bestmöglich zu unterstützen und die Produktivität zu steigern.

Indessen macht die Transformation und Diversifizierung der Arbeitswelt in regulierte, nicht-regulierte und öffentliche Räume eine ergonomische Beratung für Mitarbeiter unerlässlich. Diese kann das erforderliche Wissen vermitteln, um sich im modernen Arbeitsalltag gesunderhaltend zu verhalten.

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