Rund 26.500 Schreck- und Gewaltvorfälle wurden der BGW von 2018 bis 2022 als meldepflichtige Arbeitsunfälle angezeigt, jährlich sind es durchschnittlich circa 5.300. Meldepflichtig ist ein Arbeitsunfall, wenn er zu mehr als drei Tagen Arbeitsunfähigkeit führt. Mehr als drei Viertel davon sind Gewaltvorfälle zwischen Beschäftigten oder von betriebsfremden Personen ausgehend. Zu den ebenfalls erfassten „Schreckvorfällen“ gehören beispielsweise auch Bedrohungen ohne körperliche Gewalt. In 88 Prozent aller Vorfälle kommt es zu einer physischen Verletzung, in 12 Prozent zu einer psychischen Verletzung. Dabei ist zu bedenken, dass eine psychische Verletzung sich oft erst mit zeitlichem Abstand zeigt und nicht zu einer Meldung zu führt.
Die meisten Meldungen kommen aus den Branchen „Betreuungs- und Beratungseinrichtungen“ (35 Prozent), „Pflege“ (28 Prozent) sowie „Kliniken“ (14 Prozent). Diese Verteilung überrascht nicht, denn besonders in den beiden erstgenannten Branchen betreut oder pflegt das Fachpersonal häufig Menschen mit herausforderndem Verhalten und in außergewöhnlichen sozialen Situationen. Strategien gegen Gewalt, die in anderen Arbeitsfeldern funktionieren, sind dort nur begrenzt anwendbar.
Zahl der Meldungen hat zugenommen
Die Zahl der jährlich gemeldeten Vorfälle hat sich von 2018 bis 2022 nur wenig verändert. Beim Blick weiter zurück zeigt sich jedoch bis heute eine Zunahme der Meldungen: 2020 veröffentlichte die BGW eine gleichartige Statistik für die Jahre 2015 bis 2019. In dieser Zeit lag der Jahresdurchschnitt bei knapp 5.000 Schreck- und Gewaltvorfällen. Im Jahr 2015 wurden rund 4.500 Arbeitsunfälle im Zusammenhang mit Schreck und Gewaltvorfällen gemeldet.
Wie stark die Häufigkeit der Vorfälle zunimmt und in welchem Maß ein stärkeres Bewusstsein dafür sorgt, dass diese öfter gemeldet werden, lässt sich nicht sicher feststellen. Wie man es auch dreht und wendet, die Zahlen sind zu hoch, sagt Jörg Schudmann, Hauptgeschäftsführer der BGW. Der Umgang mit Gewalt und Aggression ist deshalb ein wichtiger Teil des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes.
Studie zeigt viele Gewaltvorfälle in Notaufnahmen
Im Fokus der Öffentlichkeit steht aktuell die Gewalt in Kliniken. Dass die meldepflichtigen Fälle nur die Spitze des Eisbergs sind, zeigt auch eine Studie von 2020, deren Ergebnisse ebenfalls im Bericht enthalten sind: 349 Beschäftigte aus Notaufnahmen nahmen an einer Online-Umfrage teil. 87 Prozent von ihnen gaben an, innerhalb eines Jahres körperliche Gewalt durch Patientinnen oder Patienten erfahren zu haben, 64 Prozent durch deren Angehörige. Noch mehr Beschäftigte hatten Erfahrung mit verbaler Gewalt gemacht: 97 Prozent durch Patientinnen oder Patienten, 94 Prozent durch Angehörige. Als emotionale Folge empfanden die meisten Befragten Ärger oder Wut. Viele gaben an, sich hilflos zu fühlen und mehr als ein Viertel berichtete von Angstgefühlen.
Bei der Studie ging es um einen möglichen Zusammenhang zwischen der im Berufsalltag erlebten Gewalt und empfundenem Stress oder Burn-out bei den Beschäftigten. Dabei zeigte sich: Eine hohe Resilienz und das Gefühl, durch die Einrichtung gut auf mögliche Gewaltübergriffe vorbereitet zu sein, wirken schützend vor psychischen Verletzungen. Wesentlich ist deshalb auch, wie sich Führungskräfte und Unternehmensleitungen positionieren, betont Jörg Schudmann. Und zwar mit der klaren Botschaft, dass Gewalt gegenüber ihren Mitarbeitenden nicht akzeptiert wird, und mit dem Angebot entsprechender Präventionsmaßnahmen. Handlungshilfen, Qualifizierungsangebote und weitere Unterstützungsangebote finden unsere Mitgliedsbetriebe auf www.bgw-online.de/gewalt.
Maßnahmen gegen Gewalt in
Unternehmen zu unbekannt
24 Prozent der Befragten kannten keine Angebote zum Umgang mit Gewalt in ihrem Unternehmen. Insgesamt fühlte sich nur jede oder jeder zehnte durch die eigene Einrichtung auf solche Übergriffe gut vorbereitet. Ein ähnliches Bild zeigt die zweite im Datenbericht enthaltene Studie von 2021: In einer Umfrage zu sexueller Belästigung und Gewalt gab ein Drittel der Befragten an, nichts über Maßnahmen zur Prävention oder Nachsorge in ihrem Unternehmen zu wissen.
Das Arbeitsschutzgesetz fordert Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ausdrücklich auf, Gesundheitsgefährdungen am Arbeitsplatz zu vermeiden und Schutzmaßnahmen umzusetzen. Grundvoraussetzung für präventive Maßnahmen gegen Aggression und Gewalt am Arbeitsplatz ist eine betriebliche Kultur, die offen und systematisch mit diesem Thema umgeht, fasst es Jörg Schudmann zusammen. Der aktuelle Bericht zu Aggression und Gewalt steht hier zum Download bereit: