Einleitung
Seit Mitte 2015 ist eine Rekordzahl von Asylsuchenden nach Europa gekommen. Auch wenn nicht alle davon als Flüchtlinge anerkannt werden, müssen die Aufnahmeländer doch Wege finden, mehr Flüchtlinge als je zuvor in Gesellschaft und Arbeitsmarkt zu integrieren.
Der Arbeitsmarktzugang kann zwar durch Hindernisse administrativer (z.B. Schwierigkeiten bei der Erlangung von Arbeitsgenehmigungen) oder praktischer Art (z. B. mangelnde Sprachkenntnisse) beeinträchtigt sein, anerkannte Flüchtlinge haben jedoch in allen OECD-Ländern das Recht zu arbeiten. Welche Rechte und Pflichten für Asylsuchende gelten, unterscheidet sich stark von Land zu Land. Die meisten Länder gewähren einigen Gruppen von Asylsuchenden jedoch den Arbeitsmarktzugang unter bestimmten Bedingungen, darunter einer Wartezeit, die zwischen 2 Monaten (in Italien) und 12 Monaten (im Vereinigten Königreich) dauert. Ausnahmen sind Australien, Chile, Griechenland, Kanada, Mexiko, Norwegen und Schweden, wo bestimmte Gruppen von Asylsuchenden arbeiten dürfen, sobald sie ihren Asylantrag gestellt haben, aber vor anderen Hindernissen stehen können, z. B. Vorrangprüfungen.
Für andere Kategorien von Schutzberechtigten, vor allem solche, die temporären oder subsidiären Schutz genießen, können Beschränkungen beim Arbeitsmarktzugang gelten. Diese werden in der Europäischen Union allerdings durch die Qualifikationsrichtlinie begrenzt.
International Schutzberechtigte haben im Allgemeinen Zugang zum EU-Arbeitsmarkt, zumindest unter bestimmten Bedingungen. Evidenz aus einem Sondermodul der Europäischen Arbeitskräfteerhebung von 2014 sowie aus anderen Quellen lässt allerdings darauf schließen, dass es durchschnittlich 20 Jahre dauert, bis die Beschäftigungsquote von Flüchtlingen und international Schutzberechtigten der der im Inland Geborenen entspricht.
Bei der Arbeitsmarktintegration sind indessen erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern sowie je nach Zeitpunkt der Einreise festzustellen. Bei manchen humanitären Migranten dauert die Integration in den Arbeitsmarkt wesentlich länger, z. B. bei sehr gering Qualifizierten, älteren Flüchtlingen oder Kriegstraumatisierten. Evidenz aus Ländern mit langjähriger Erfahrung mit der Aufnahme von Flüchtlingen, z. B. Norwegen, zeigt aber zugleich, dass Flüchtlinge zumeist schneller eine Beschäftigung finden, wenn die Arbeitsmarktlage gut ist und starke Maßnahmen zur Förderung ihrer Arbeitsmarktintegration vorgesehen sind. Erwartungsgemäß ist dies auch in den OECD-Ländern der Fall, in denen die meisten Flüchtlinge über Resettlement-Programme eingereist sind (z. B. Australien, Kanada und Vereinigte Staaten).
Zu gewährleisten, dass Flüchtlinge und andere international Schutzbedürftige schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden und im Aufnahmeland für sich selbst sorgen können, gehört zu den zentralen Herausforderungen der OECD-Länder in der aktuellen Flüchtlingskrise. Daher ist es äußerst wichtig, zu untersuchen, welche Herausforderungen und Chancen für die Unternehmen bei der Beschäftigung von Flüchtlingen und Asylsuchenden bestehen und welche Formen der Unterstützung sie benötigen.
UNHCR und OECD haben zusammen eine Reihe von Dialogveranstaltungen mit den Arbeitgebern ins Leben gerufen. Die erste fand in Brüssel im Juni 2016 mit Unterstützung des Beratungsausschusses der Wirtschaft bei der OECD (BIAC) statt, die zweite im September 2016 in Kopenhagen in Zusammenarbeit mit Arbeitgeberverbänden aus Nordeuropa. Für die kommenden Monate sind weitere Treffen auf regionaler Ebene geplant.
Auf der Grundlage der dabei ausgetauschten Erfahrungen und Erkenntnisse soll hier kurz erläutert werden, welche Chancen und Herausforderungen für die Arbeitgeber bei der Einstellung von Flüchtlingen bestehen. Dabei werden auch mögliche Lösungen vorgeschlagen und Anregungen für auf nationaler und internationaler Ebene ausgearbeitete Strategien und Mechanismen gegeben, um die Unternehmen im OECD-Raum besser bei der Beschäftigung von Flüchtlingen zu unterstützen.
Beweggründe für die Einstellung
von Flüchtlingen
Unternehmen, die an der Einstellung von Flüchtlingen interessiert sind, nennen dafür eine Reihe von Gründen, die von der Corporate Social Responsibility (CSR) bis hin zu dem Wunsch reichen, das neue Angebot an Arbeitskräften zu nutzen. Doch obwohl viele Unternehmen Flüchtlinge einstellen möchten und die wirtschaftlichen Argumente sehen, die dafür sprechen, stehen dem häufig praktische Hindernisse entgegen, z. B. fehlende Sprachkenntnisse, kulturelle Unterschiede sowie aus der Fluchterfahrung resultierende Belastungen. Häufig empfinden die Unternehmen diese Hindernisse größer als die Vorteile, die sich aus dem gewachsenen Arbeitsangebot ergeben.
Für viele Großunternehmen ist die CSR einer der Hauptgründe ihres Engagements. Mehrere Unternehmen verwiesen darauf, wie wichtig es sei, die Anstrengungen von Staat und Kommunen bei der Aufnahme und Integration der großen Zahl von Flüchtlingen zu unter-stützen, die nach Europa strömen. Sie können dabei u. U. auf die Unterstützung ihrer Mitarbeiter zählen, die es motivierend finden, sich für Flüchtlinge einzusetzen, und die die Unternehmensleitung teilweise selbst dazu aufgefordert haben. Der Wunsch, gesellschaftliche Verantwortung zu tragen, wird sowohl in der Kommunikation der Unternehmen als auch in der Art ihres Engagements deutlich. So zielte die Einrichtung mehrerer Praktikums- und Mentoringprogramme darauf ab, die Beschäftigungsfähigkeit von Flüchtlingen zu erhöhen und die Integration neuer Gemeindemitglieder zu fördern, ohne dass dies mit einem unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil für die Unternehmen verbunden gewesen wäre.
Die für solche Initiativen sprechenden Argumente sind zwar zumeist einleuchtend, die angespannte politische Stimmung in Bezug auf Flüchtlinge und Migration in vielen Ländern erschwert die Projekte jedoch, weil sie zu einer Politisierung des Arbeitsumfelds führen können. Dies kann das Engagement vor allem kleinerer Unternehmen bremsen.
Wirtschaftliche Argumente für die Beschäftigung von Flüchtlingen, z. B. ein Bedarf an bestimmten Merkmalen und Kompetenzen (vor allem in Regionen mit Arbeitskräftemangel) oder das Bestreben, die Belegschaft zu diversifizieren, werden von den Unternehmen seltener angeführt. Um die wirtschaftlichen Argumente für die Einstellung von Flüchtlingen zu stärken, bedarf es u. U. maßgeschneiderter Anreizprogramme (z. B. direkter Beschäftigungsbeihilfen) und/oder gezielter Maßnahmen zur Förderung der Kompetenzentwicklung (z. B. Sprachunterricht und Schulungen).
Herausforderungen bei der Einstellung von Asylsuchenden und Flüchtlingen
Obwohl sich der Gesetzesrahmen in den einzelnen Ländern unterscheidet, wiesen die Unternehmen während der Gespräche doch immer wieder auf die gleichen Hindernisse hin: Unsicherheit über rechtliche Rahmenbedingungen und Aufenthaltsdauer, fehlende Informationen über die vorhandenen Kompetenzen, Ausbildungs- und Beschäftigungskosten und mangelnde wirtschaftliche Anreize sowie negative Einstellungen und falsche Erwartungen.
Unsicherheit in Bezug auf
rechtliche Rahmenbedingungen und
Aufenthaltsdauer
Selbst wenn das Recht auf Arbeitsmarktzugang gesichert ist, können der Beschäftigung von Flüchtlingen und Asylsuchenden eine Reihe von Hindernissen im Weg stehen.
Ein wichtiger Punkt, der alle Schutzbedürftigen betreffen kann, ist der Zugang zu Informationen über den Gesetzesrahmen und die Beschäftigungsvoraussetzungen. In einigen Ländern haben Arbeitgeberverbände und öffentliche Stellen zwar erhebliche Anstrengungen unternommen, um Orientierungshilfen für die Einstellung von Flüchtlingen und Asylsuchenden zu geben, in vielen anderen Ländern fehlt es den Arbeitgebern jedoch an Unterstützung, um sich im Dickicht der Regelungen und Vorschriften zurechtzufinden. Dies kann dazu führen, dass die Arbeitgeber den Umfang der geltenden Beschränkungen überschätzen und deshalb andere Kandidaten Flüchtlingen oder Asylsuchenden vorziehen. Besonders schwierig ist die Informationsbeschaffung für KMU, die nicht über große Personalabteilungen verfügen.
Auch Unsicherheit bezüglich der Aufenthaltsdauer begrenzt die Beschäftigungschancen von Flüchtlingen und Asylsuchenden und führt dazu, dass die Unternehmen zögern, sie einzustellen oder in ihre Ausbildung zu investieren. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn das Antragsverfahren der Bewerber noch läuft, wenn sie nur einen temporären Schutzstatus erhalten haben oder wenn sie die Absicht haben, in ihr Herkunftsland zurückzukehren. Diese Unsicherheit kann Flüchtlinge und Asylbewerber auch selbst davon abhalten, in ihre Kompetenzen zu investieren, insbesondere was ihre Sprachkenntnisse betrifft. Umfragen zeigen allerdings, dass Flüchtlinge – unabhängig von ihrem rechtlichen Status – im Allgemeinen bestrebt sind, sich möglichst rasch zu integrieren. Daher könnte dieser Faktor in Wirklichkeit ein geringeres Hindernis sein.
Besondere administrative Auflagen, z. B. das Erfordernis einer Arbeitserlaubnis, können zu einer Benachteiligung von Flüchtlingen und Asylsuchenden auf dem Arbeitsmarkt führen.
Für Asylsuchende stellen Regelungen, die ihre Beschäftigungsmöglichkeiten auf bestimmte Branchen begrenzen (z. B. in Österreich), oder Beschränkungen für die Beschäftigung als Leiharbeitnehmer (z. B. in Deutschland) immer noch ein großes Einstellungshindernis dar.
Einige Länder beschränken auch den Zugang von Asylsuchenden zu Praktika, Berufsausbildungen und sonstigen beruflichen Bildungsgängen. Wichtige Aufnahmeländer wie Österreich und Deutschland betrachten die frühzeitige Eingliederung von Schutzbedürftigen in berufsbildende Programme allerdings als entscheidend für deren Integrationserfolg. Konkrete Beobachtungen lassen darauf schließen, dass Asylsuchende, die an solchen Programmen teilnehmen, hochmotiviert und recht erfolgreich sind.
Im Fall von Asylsuchenden, die an Ausbildungsprogrammen teilnehmen, ist die Erteilung der Arbeitserlaubnis nach Ende der Ausbildung üblicherweise davon abhängig, dass ihrem Asylantrag stattgegeben wurde. Dies erhöht im Allgemeinen sowohl für das Unternehmen als auch für den Asylsuchenden selbst die Unsicherheit darüber, ob sich die Investition in die Ausbildung lohnt. In Deutschland können manche abgelehnte Asylbewerber, die Berufsausbildungen absolvieren, inzwischen jedoch unter bestimmten Bedingungen bleiben, um ihre Ausbildung abzuschließen. Teilweise können sie sogar nach Abschluss der Ausbildung bleiben, wenn der Arbeitgeber sie in dem Posten einstellen will, für den sie ausgebildet wurden.
Ungleichgewichte zwischen den
Kompetenzen und formalen
Qualifikationen der Flüchtlinge und den Arbeitsmarktanforderungen im Aufnahmeland
Flüchtlinge und Asylsuchende können über sehr unterschiedliche Kompetenzen verfügen. Vielen, die formale Bildungs- und Berufsabschlüsse besitzen, fehlen die Nachweise dafür, und es kann auch sein, dass ihre Diplome im Aufnahmeland nicht anerkannt werden.
Derzeit liegen wenige Informationen über die beruflichen Kompetenzen von Asylsuchenden und Flüchtlingen vor. Dies ist u. A. darauf zurückzuführen, dass in den meisten Ländern keine systematische und umfassende Kompetenzfeststellung für diese Gruppe durchgeführt wird. Die Arbeitgeber wiesen besonders darauf hin, dass sie transparentere und bessere Informationen darüber benötigen, über welche Kompetenzen die Flüchtlinge in Bezug auf Engpässe verfügen, die auf dem lokalen Arbeitsmarkt bestehen.
Geringe Sprachkenntnisse sind ein großes Beschäftigungshindernis, vor allem in qualifizierten Berufen. In vielen Ländern reicht das Angebot an Sprachkursen jedoch nicht aus, um die Nachfrage zu decken, und die Wartelisten sind lang. Die Arbeitgeber wiesen allerdings darauf hin, dass der Spracherwerb am Arbeitsplatz sehr gut funktioniere und dass anfangs geringe Sprachkenntnisse deshalb – bei Stellen, wo dies möglich sei – kein Grund sein sollten, Asylsuchende und Flüchtlinge nicht einzustellen.
Mit den üblichen Strategien der Unternehmen zur Gewinnung von Mitarbeitern, z. B. über Stellenanzeigen im Internet oder Netzwerke, werden Flüchtlinge und Asylsuchende im Allgemeinen nicht erreicht. Initiativen, die Unternehmen, örtliche Arbeitsvermittlungsdienste und Zivilgesellschaft in Fragen der Beschäftigung von Flüchtlingen zusammenbringen, verbuchen vor allem in Nordeuropa kleine, aber zunehmende Erfolge. Im Allgemeinen ist die Zusammenarbeit mit örtlichen Arbeitsvermittlungsdiensten, Nichtregierungsorganisationen und Aufnahmezentren begrenzt. Da die Chancen einer langfristig erfolgreichen Integration umso höher sind, je früher die Eingliederung in den Arbeitsmarkt erfolgen kann, drängen die Unternehmen auf eine Verstärkung dieser Zusammenarbeit. Derzeit werden die meisten Asylsuchenden und Flüchtlinge offenbar über persönliche Kontakte eingestellt. Asylbewerberinnen und weibliche Flüchtlinge sind häufig besonders schwer zu erreichen.
Durch die Einstellung von
Asylsuchenden und Flüchtlingen
entstehende Zusatzkosten
Die Arbeitsmarktintegration von Personen, die um internationalen Schutz ersuchen oder diesen erhalten haben, wird häufig durch deren Fluchterfahrung erschwert. Flüchtlinge und Asylsuchende haben u. U. Traumata erlitten, wobei erschwerend hinzu kommen kann, dass sie wenig Zeit hatten, ihre Abreise vorzubereiten. Unzureichende Sprachkenntnisse und fehlende Qualifikationsnachweise machen die Situation noch schwieriger. Es bedarf erheblicher frühzeitiger Investitionen, um Flüchtlingen die Möglichkeit zu geben, heimisch zu werden und ihre Kompetenzen auszubauen. Ein Teil dieser Investitionen muss von den Arbeitgebern kommen. Dafür müssen jedoch klarere wirtschaftliche Anreize für die Beschäftigung von Flüchtlingen gesetzt werden, da die Rendite solcher Investitionen oft nicht unmittelbar ersichtlich ist und möglicherweise erst nach vielen Jahren zum Tragen kommt.
Staatliche Förderung, vor allem in Bezug auf die Kompetenzentwicklung und die Kosten der betrieblichen Eingliederung, kann hier viel bewegen.
Negative Einstellungen in
Belegschaft und Öffentlichkeit
In der Haltung der Mitarbeiter gegenüber der Beschäftigung von Flüchtlingen spiegelt sich oft die öffentliche Meinung insgesamt wider, und so berichteten die Arbeitgeber von gemischten Reaktionen, die von Begeisterung bis hin zu offener Ablehnung reichten. Wenn Mitarbeiter Kollegen mit Flüchtlingshintergrund skeptisch gegenüberstehen, hängt dies häufig mit Ängsten um den Arbeitsplatz oder mit Neid wegen deren vermeintlicher „Sonderbehandlung“ zusammen. Manchmal können sich dahinter auch Misstrauen oder Vorurteile gegenüber Ausländern verbergen.
Auch bei den Flüchtlingen selbst können kulturell geprägte Einstellungen, Erwartungen und Erfahrungen ein Hindernis darstellen (z. B. wenn sie nie zuvor mit Frauen zusammengearbeitet haben). Obwohl die Unternehmen berichten, dass dies viel seltener der Fall ist, als gemeinhin angenommen wird, herrscht doch viel Unsicherheit über das Miteinander verschiedener Kulturen am Arbeitsplatz. Daher gilt es, durch interkulturelle Schulungen sowie Maßnahmen zur Diskriminierungsbekämpfung und Diversitätsförderung auf die Einstellungen und Erwartungen sowohl der Bestandsbelegschaft als auch der neuen Mitarbeiter einzuwirken.
Zudem müssen die Unternehmen möglicherweise Strategien für die Kommunikation mit den Kunden und Aktionären entwickeln, die vielleicht nicht alle die Vorteile der Beschäftigung international Schutzbedürftiger sehen.
Neue Erkenntnisse
Bei der ersten Konsultation von UNHCR und OECD mit Arbeitgebern und Arbeitgeberverbänden kristallisierten sich sechs Bereiche heraus, die wichtig sind, um die Unternehmen bei der Beschäftigung von Flüchtlingen und Asylsuchenden zu unterstützen.
Information
Viele Arbeitgeber beklagten einen Mangel an konkreten, einfach zugänglichen Informationen und Orientierungshilfen zu den wirtschaftlichen Argumenten für die Beschäftigung von Flüchtlingen und Asylsuchenden, zu den rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen ihrer Einstellung, zur Identifizierung von Kompetenzen und Profilen, mit denen bestehende Engpässe gedeckt werden können, sowie zu verschiedenen Initiativen zur Unterstützung der Arbeitgeber, u. a. in Bezug auf im Betrieb möglicherweise auftretende Herausforderungen und Methoden zu ihrer Bewältigung.
Ein Teil der Lösung besteht somit darin, dafür zu sorgen, dass alle betroffenen Akteure die richtigen Informationen im richtigen Format erhalten. Der Informationsbedarf der Arbeitgeber unterscheidet sich je nach Größe des Unternehmens, Branche und Ort. Übliche Informationsformate wie Websites und Broschüren können allgemeine Antworten liefern, ermöglichen es jedoch kaum, auf die häufig sehr individuellen und spezifischen rechtlichen und administrativen Fragen einzugehen, vor denen die Arbeitgeber stehen. Die Angebote müssen sich direkter an die Arbeitgeber wenden.
Zentrale Anlaufstellen oder Hotlines sind eine Option. Ein Beispiel hierfür ist die dänische Hotline, die Arbeitgebern dabei helfen soll, Flüchtlinge mit den richtigen Kompetenzen für ihren Betrieb zu finden. Solche Hotlines sind vor allem für kleinere Unternehmen von Vorteil, auf die im Allgemeinen der Großteil der Neueinstellungen entfällt, die aber wenig Erfahrung mit der Beschäftigung von Flüchtlingen haben. Innovative Partnerschaften zwischen staatlichen Organisationen, Unternehmen, auf Migrationsrecht spezialisierten Anwälten und Zivilgesellschaft können dabei helfen, den Informationsbedarf zu identifizieren und geeignete Instrumente zu entwickeln. Solche Instrumente sollten auch Informationen über mögliche rechtliche Hindernisse liefern, die dann vom Gesetzgeber ausgeräumt werden können.
Deutschland liefert hier ein interessantes Beispiel. Staatliche Stellen und Arbeitgeberverbände haben dort aktiv auf die Schließung der Informationslücke hingearbeitet (z. B. DIHK, 2015; Bundesagentur für Arbeit, 2016). Mit einem Treffen mit Unternehmensvertretern, zu dem Bundeskanzlerin Merkel am 14. September 2016 ins Bundeskanzleramt geladen hatte, wurde zudem ein Dialog auf oberster politischer Ebene über Herausforderungen und Risiken der Beschäftigung von Flüchtlingen eingeleitet.
Ein gutes Beispiel aus Dänemark ist die von Virksomhedsforum for Socialt Ansvar (VFSA), einem Zusammenschluss von Firmenchefs, herausgegebene Broschüre Virksomheder integrerer flygtninge („Unternehmen integrieren Flüchtlinge“). In dieser Broschüre werden die rechtlichen Rahmenbedingungen erläutert und konkrete Erfahrungen der teilnehmenden Unternehmen geschildert, um Unternehmen, die über die Einstellung von Flüchtlingen und Asylsuchenden nachdenken, Orientierungshilfen für die Praxis zu geben.
Die wirtschaftlichen Argumente
Die Arbeitgeber benötigen mehr Informationen über die Vorteile der Beschäftigung von Flüchtlingen, damit sie Unternehmensleitung, Aktionäre und Öffentlichkeit dafür gewinnen können. Dies beinhaltet Informationen darüber, wie die Beschäftigung von Flüchtlingen und Asylsuchenden die Rentabilität des Unternehmens erhöhen und sich positiv auf die gesamtwirtschaftliche Lage auswirken kann und wie hoch die tatsächlichen – im Gegensatz zu den unterstellten – Kosten im Verhältnis zu diesen Nutzeffekten sind.
Dazu gehören u. a. Untersuchungen der potenziellen und tatsächlichen im Zeitverlauf beobachteten Effekte von Mitarbeitern mit Flüchtlingshintergrund auf Unternehmen unterschiedlicher Größe in unterschiedlichen Branchen sowie auf deren Geschäftsumfeld. Dabei können auch potenzielle Zusammenhänge mit neuen Absatzmärkten sowie wirtschaftliche Chancen aufgezeigt werden, die sich aus einer ethnischen und kulturellen Diversifizierung der Belegschaft ergeben. Hilfreich wären zudem aktualisierte Prognosen des Arbeitsmarktbedarfs sowie quantitative und qualitative Analysen des Verbraucherpotenzials der Flüchtlings- und Asylbewerberpopulation. Ein weiterer – wenn auch weniger quantifizierbarer – Vorteil der Beschäftigung, Ausbildung und Begleitung von Flüchtlingen ist die Entstehung einer fremden Kulturen gegenüber aufgeschlosseneren Belegschaft, die mehr Kreativität ermöglicht und die u. U. die Innovationskapazität des Unternehmens steigern kann. Zugleich kann damit die interkulturelle Sensibilisierung der Flüchtlinge erhöht werden, was es ihnen leichter macht, sich in ihre neue Lebenswelt – auch als Verbraucher – zu integrieren, und generell ihre Beschäftigungsfähigkeit verbessert. Diese Nutzeffekte sollten eingehender untersucht werden.
Merkmale und Kompetenzen
Damit die Arbeitgeber Kontakt mit potenziellen Mitarbeitern aufnehmen können, sollten sie problemlos auf Informationen über das Profil und die Kompetenzen von Flüchtlingen und Asylsuchenden zugreifen können (unter Berücksichtigung des Datenschutzes). Um ihren Nutzen zu maximieren, müssen solche Informationen – vorzugsweise in Form einer Datenbank – auf lokaler Ebene verwaltet werden oder zumindest zugänglich sein. Ein solches Instrument könnte es Flüchtlingen und Asylsuchenden zudem gestatten, ihre Kompetenzen dem Bedarf der Arbeitgeber gegenüberzustellen, Qualifikationslücken zu identifizieren und auf Informationen über Hilfen zur Weiterqualifizierung zuzugreifen, um so ihren „Marktwert“ zu steigern.
Um diesem Bedarf gerecht zu werden, hat die Europäische Kommission vor kurzem die Entwicklung eines „Instruments zur Erstellung von Kompetenzprofilen für Drittstaatsangehörige“ angekündigt, das die frühzeitige Ermittlung und Erfassung von Kompetenzen und Qualifikationen von Asylsuchenden, Flüchtlingen und sonstigen Migranten fördern soll (http://europa.eu/rapid/press-release_IP-16–2039_en.htm).
In der Zwischenzeit haben einige Länder bereits Maßnahmen ergriffen, um die Kompetenzen von Flüchtlingen besser zu erfassen und sie Schulungs- sowie Stellenangeboten gegenüberzustellen. Norwegen hat beispielsweise ein Verfahren zur frühzeitigen Kompetenzfeststellung während des Asylverfahrens eingeführt. Auch in Finnland ist im Rahmen eines neuen Aktionsplans eine Kompetenzfeststellung in den Aufnahmezentren vorgesehen. Die Ergebnisse dieser Verfahren fließen anschließend in die Entscheidungen über den künftigen Niederlassungsort ein, um eine bessere Abstimmung auf den Arbeitsmarktbedarf zu gewährleisten.
Um die Anerkennung ausländischer Qualifikationen zu erleichtern, wurde in Deutschland von der Bundesregierung ein Online-Portal eingerichtet, das Migranten den Weg durch die entsprechenden Verfahren weisen soll. Dieses Portal existiert in neun Sprachen, u. a. Arabisch. Eine wachsende Zahl von Ländern, darunter Deutschland, die Niederlande, Norwegen und Schweden, haben auch spezielle Verfahren für Flüchtlinge eingerichtet, die nicht über die nötigen Unterlagen zum Nachweis ihrer Qualifikationen verfügen.
Damit gewährleistet ist, dass die Ergebnisse solcher Verfahren dem Bedarf der Arbeitgeber gerecht werden und von ihnen akzeptiert werden, müssen die Arbeitgeber in den Prozess eingebunden werden. Schwedens neue „Fast Track“-Initiative ist ein gutes Beispiel hierfür (OECD, 2016b). Im Rahmen dieser Initiative, die die Vermittlung qualifizierter Flüchtlinge in Mangelberufe fördern soll, werden die Kompetenzen von Personen, die die Anforderungen dieses Programm erfüllen, in deren Muttersprache erfasst, validiert und unterstützt. Während des gesamten Verfahrens wird Sprachförderung angeboten. Die Liste der Mangelberufe wird von Sozialpartnern und Regierung gemeinsam festgelegt.
Konkrete Orientierungshilfen zu
verschiedenen Initiativen
Zur Unterstützung der Gestaltung und Umsetzung neuer Initiativen sollte es möglich sein, auf konkrete Orientierungshilfen sowie gewonnene Erkenntnisse zu verschiedenen Formen des Arbeitgeberengagements zuzugreifen. Außerdem gilt es, das Arbeitsumfeld und die Mitarbeiter gut vorzubereiten. Die Unternehmensleitung muss alle Ebenen des Unternehmens systematisch und gezielt informieren. Für Unternehmen, die über die Beschäftigung von Flüchtlingen und Asylsuchenden nachdenken, können Informationen zum Umgang mit potenziell schwierigen Situationen aufgrund kultureller Unterschiede nützlich sein. Es liegen zwar noch keine Forschungsergebnisse zu den jüngsten Zuzügen vor, dafür gibt es aber reichlich Evidenz zum Diversitätsmanagement in unterschiedlichen Kontextsituationen, die genutzt werden kann.
Sprachförderung und
interkulturelle Sensibilisierung
Zu den großen Herausforderungen im Hinblick auf eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration gehört der Spracherwerb. Dabei geht es sowohl um die Landessprache als solche als auch um die Fachterminologie, die in der betreffenden Branche bzw. Stelle benötigt wird. Von entscheidender Bedeutung ist zudem die Kenntnis der kulturellen Normen, die es beim Einstellungsprozess (Bewerbungsschreiben, Einstellungsgespräche usw.) sowie in den Beziehungen mit den Kolleginnen und Kollegen zu beachten gilt. Daher bedarf es eines umfassenden Ansatzes, um zu gewährleisten, dass Sprachförderung und kulturelle Orientierungskurse von Anfang an angeboten werden. Integrationskurse müssen klarer darauf ausgerichtet werden, die Neuankömmlinge mit den in der Arbeitswelt geltenden Regeln und den ethischen Normen des Aufnahmelandes vertraut zu machen. Dies umfasst auch Genderfragen, wobei sichergestellt werden muss, dass die Normen des Aufnahmelandes nicht nur vollauf verstanden und eingehalten werden, sondern auch die Diversität am Arbeitsplatz respektiert wird.
An entsprechenden Schulungen können verschiedene Akteure mitwirken. Staatliche Initiativen können durch private Initiativen interessierter Akteure aus dem jeweiligen Tätigkeitsfeld, z. B. Fachkräfte im Ruhestand oder Lehramtsstudierende, sowie zivilgesellschaftlicher oder religiöser Gruppen usw. ergänzt werden. Auch die Unternehmen sowie die Flüchtlinge und Asylsuchenden selbst können sich in diesen Prozess einbringen, sei es mit finanzieller oder personeller Unterstützung für die Sprachförderung oder einfach, indem sie Zeit in den Spracherwerb investieren.
Öffentliche Meinung
Von ganz entscheidender Bedeutung ist ein ehrlicher Dialog über Fragen der Beschäftigung von Flüchtlingen und Asylsuchenden. Voraussetzung dafür sind zuerst einmal nuancierte Daten und Evidenz (wie bereits erwähnt) sowie eine in sich schlüssige Kommunikationsstrategie. Alle betroffenen gesellschaftlichen Akteure sollten Teil dieses Dialogs sein, wobei sowohl über den positiven Beitrag von Flüchtlingen und Asylsuchenden als auch über die Herausforderungen, vor denen beide Seite stehen, offen diskutiert werden sollte. Wichtig ist es dabei, fremdenfeindlichen Tendenzen entgegenzuwirken. Leitprinzip bei diesem Dialog sollte sein, dass Management und Politik gemeinsam die Werte einer offenen und vielfältigen Arbeitswelt herausstellen, die jedem Chancen eröffnet.
Zusammenarbeit
Die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Stellen und Sozialpartnern ist äußerst wichtig für eine dauerhafte Arbeitsmarktintegration. In den nordeuropäischen und deutschsprachigen Ländern hat diese Zusammenarbeit Tradition, so dass sie in diesem Bereich über lange Erfahrung verfügen. Die bereits erwähnte „Fast Track“-Initiative in Schweden ist ein gutes Beispiel für die Zusammenarbeit von Staat und Arbeitgebern bei der Integration von Flüchtlingen. In Dänemark wurde vor kurzem eine Vereinbarung zwischen Arbeitgebern, Gewerkschaften und staatlichen Stellen geschlossen, um die Arbeitsmarktintegration von Neuzuwanderern zu verbessern. In Schweden können die Sozialpartner Mittel für die Entwicklung interessanter Initiativen, z. B. für die Übersetzung von Validierungsformularen in andere Sprachen, beantragen. In Deutschland arbeiten Arbeitgeber und staatliche Stellen an einer Reihe gemeinsamer Programme. So haben z.B. der Zentralverband des deutschen Handwerks, das Bildungsministerium und die Bundesagentur für Arbeit eine gemeinsame Initiative für bis zu 10 000 junge Asylsuchende und Flüchtlinge gestartet. In enger Zusammenarbeit mit den Unternehmen vor Ort sollen diese jungen Menschen durch Beratung, Sprachförderung und Praktika für Berufsausbildungen im Handwerk vorbereitet werden.
Gesetzlicher und
administrativer Rahmen
Die Gesetzesrahmen und Verwaltungsstrukturen für die Umsetzung von Beschäftigungsinitiativen für Flüchtlinge und Asylsuchende sind häufig komplex, wobei auch Widersprüche und Inkonsistenzen auftreten können. Unternehmen und Flüchtlinge, die um eine frühzeitige Arbeitsmarktintegration bemüht sind, benötigen einfach zu nutzende Unterstützungsangebote, um sich mit den geltenden gesetzlichen Anforderungen zurechtzufinden. Die Unternehmen empfahlen daher, die Koordination zwischen den für Integration und Beschäftigung zuständigen Stellen zu verstärken, um solche effizienten, vereinfachten Unterstützungsangebote für Flüchtlinge und deren potenzielle Arbeitgeber möglich zu machen.
Manchmal muss der gesetzliche und administrative Rahmen u. U. angepasst werden. Hilfen für Flüchtlinge und Arbeitgeber sind z. B. entscheidend für eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration, können aber auch – wenn es Unterschiede beim Zugang zu diesen Hilfen gibt – zu Spannungen zwischen inländischen sozioökonomisch benachteiligten Gruppen einerseits und Flüchtlingen und Asylsuchenden andererseits führen. Zudem kann die Pflicht zur Teilnahme an Maßnahmen der Integrationsförderung ein konkretes Hindernis für die Beschäftigungsteilnahme sein. Solche faktischen Hindernisse müssen genauer untersucht werden. Sofern dies möglich ist, müssen u. U. Übergangslösungen und Ausnahmeregelungen gefunden werden, um die Anreize richtig zu setzen und dafür zu sorgen, dass sich bietende Chancen optimal genutzt werden können, was sowohl im Interesse der Arbeitgeber als auch der Flüchtlinge und Asylsuchenden ist. Entscheidend ist aber auch, dass Flüchtlinge die neuen Kompetenzen erwerben, die sie zur Sicherung ihrer langfristigen Beschäftigungsfähigkeit benötigen – selbst wenn dies auf Kosten einer frühzeitigen Beschäftigungsaufnahme geht.
Daher muss die Integrationsförderung auch nach der Vermittlung in eine erste Stelle weitergehen, vor allem wenn es sich bei dieser ersten Stelle um eine geringqualifizierte Beschäftigung handelt. Möglichkeiten, Bildung und Beschäftigung zu kombinieren, sowie verstärkte Fort- und Weiterbildung sind äußerst wichtig, um den Zugang zu qualifizierten Beschäftigungen zu erleichtern und zu vermeiden, dass Flüchtlinge nur im geringqualifizierten Bereich Arbeit finden. Dazu gehört es auch, geringqualifizierte Teilzeitbeschäftigungen durch Weiterbildungsmöglichkeiten attraktiver zu gestalten. Derzeit müssen Flüchtlinge, die staatliche Transferleistungen mit einer Teilzeitbeschäftigung kombinieren, häufig eine Leistungskürzung in Höhe des gesamten bezogenen Verdiensts in Kauf nehmen.