Psyche und Arbeit

Thesen zum Zusammenhang zwischen Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) und psychischen Belastungen

Foto: MEV, Augsburg

In zahlreichen Studien werden – wenn auch oft mäßige – korrelative Beziehungen zwischen Belastungsfaktoren und Rückenschmerzen berichtet. Einen sehr guten Überblick gibt die Übersichtsarbeit von Stadler & Spieß (2009). Als Faktoren, die mit Rückenschmerzen im Zusammenhang stehen, werden Arbeitsstress, Führung, Sozialklima, Gratifikationskrisen im Sinne von Siegrist, Arbeitszufriedenheit, emotionale Belastungen, monotone Arbeit oder auch Schichtarbeit genannt. Allerdings ist hier kritisch anzumerken, dass relevante kausale Zusammenhänge zwischen den „distalen“ Belastungsfaktoren des Arbeitsplatzes oder der Arbeitsumwelt und den „proximalen“ Faktoren des Rückens bei weitem nicht aufgeklärt sind. Einfache Korrelationen oder odds-ratios sagen noch nichts über kausale Zusammenhänge aus. Im Grunde kommen die Organisationspsychologen zu dem Schluss, dass viele Belastungsfaktoren „irgendwie“ mit Rückenschmerzen zusammenhängen. Die Forschung ist aufgefordert, diese „Blackbox“ der Psychologen zu erhellen und verstärkt die Wirkmechanismen aufzuklären.

Statistisch gesehen können linear-additive Verursachungsmodelle nicht beschreiben, wie, mit welchem Gewicht und was die notwendigen Bedingungen der Entwicklung von chronisch verlaufenden MSE sind. Es sind multivariate Modelle zu entwerfen, die auch Rückkoppelungsprozesse berücksichtigen.

Es wird oft ein unbestimmter Risikobegriff verwendet. Der Begriff „psychosoziale Risikofaktoren“ setzt aber voraus, dass es psychosoziale Faktoren gibt, die ein Risiko für arbeitsbedingte MSE kausal erhöhen. Die Frage nach dem funktionellen Status und der pathogenetischen Bedeutung der Faktoren ist weitgehend nicht geklärt.

Die Begriffe „Rückenschmerzen“ und „Rückenerkrankungen“ werden nosologisch nicht eindeutig verwendet. Die klinischen Endpunkte wie subjektiven Empfindungen, präklinische Schmerzzustände oder chronifizierte Krankheit, für die eine Risikoerhöhung angenommen wird, werden oft nicht benannt.

Die Psychologen/-innen sind aufgefordert, verstärkt interdisziplinär mit Klinischen Psychologen, Neurowissenschaftlern, Sportmedizinern, Orthopäden und Physiotherapeuten zusammenzuarbeiten. Nur so können Fragen der Schmerzchronifizierung, biomechanische und muskelphysiologische Störungsmodelle, Trainingskonzepte, psychobiologische Vermitttlungsprozesse, Anpassungsprozesse an chronische Schmerzen und die Plastizität und das Lernen im System der Schmerzverarbeitung bearbeitet werden. Das bedeutet aber auch, dass man verstärkt auch die Arbeitsmedizin mit einbinden muss.

Großepidemiologische Ansätze zur Aufklärung der Risiken von psychischen Belastungen für Rückenschmerzen sind alleine nicht geeignet, um daraus kausale Schlüsse zu ziehen. Vielmehr sind multivariate Risikomodelle mit definierten klinischen Endpunkten zu entwickeln. Dazu sind Längsschnittstudien durchzuführen.

Auf der Interventionsseite ist die Wirksamkeit von rational entwickelten Interventionsmaßnahmen zu prüfen. Grundsätzliche Voraussetzung dafür ist aber die Kenntnis der Wirkmechanismen.

Betriebliche Maßnahmen zur Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen & Psyche sind in ein systematisches Betriebliches Gesundheitsmanagement einzubetten. Die fachliche Kompetenz der betrieblichen Akteure und die Gesundheitskompetenz der Beschäftigten muss erhöht werden.

· Literatur:

BGN: Stress ist, was Stress macht. Stress wissenschaftlich gesehen. www.gastronomie-stress.de (Lesen und Hören, Fachartikel), Stadler P, Spieß E. Arbeit, Psyche, Rückenschmerzen. In: Arbeitsmed.Sozialmed.Umweltmed., 44, 2, 2009

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