Psyche und Arbeit

Untersuchung altersbedingter Veränderungen von Schlaf- und Lebensqualität, Chronotyp und Tagesbefindlichkeit berufstätiger Männer und Frauen jenseits des 50. Lebensjahres

Zusammenfassung Einführung Ergänzend zu üblichen subjektiven Verfahren zur Erfassung von Schlaf- und Lebensqualität sowie der subjektiven Wachheit sollte ein physiologisches Verfahren zur Messung der zentralnervösen Aktivierung bei älteren Beschäftigten im Verwaltungsbereich zur Anwendung kommen. Methoden Teilnehmen konnten gesunde Personen zwischen 50 und 65 Jahren, frei von sedierenden oder stimulierenden Medikamenten. Die Tageschläfrigkeit wurde mit dem Pupillographischen Schläfrigkeitstest (PST), einer Visuellen Analogskala (VAS) und der Karolinska Schläfrigkeitsskala (KSS) untersucht. Jede/r Teilnehmer/in wurde in den ersten beiden (V1) und den letzten beiden Stunden (V2) eines Arbeitstages gemessen. Schlaf-, Lebensqualität und Chronotyp wurde mit folgenden Fragebögen erfasst: Pittsburgh-Sleep-Quality (PSQI), Horne-Östberg (D-MEQ), Mezzich-Cohen (QOL). Geschlechtsspezifische Unterschiede wurden mit dem Wilcoxon-Test geprüft, Korrelationen des Alters mit den Variablen der Fragebögen wurden nach Spearman berechnet. Ergebnisse 90 Probanden (25 Frauen, 65 Männer, MW Alter 56 Jahre) nahmen teil. Der lnPUI (Pupillen-Unruhe-Index) zeigte keine Abhängigkeit vom Alter (Korrelation nach Spearman V1: r=0,02, p=0,845, V2: r=-0,03, p=0,712) und Geschlecht. Wir fanden keinen Ermüdungseffekt durch den Arbeitstag im Sinne eines signifikant höheren lnPUI bei der zweiten Messung (Median V1=1,58, Median V2=1,69, p=0,586). Subjektiv wurden nachmittags signifikant müdere Werte angegeben als morgens. In der Gesamtgruppe betrugen QOL-Score im Mittel 78,6, D-MEQ-Score 59,1 und PSQI 4,92. Der PSQI lag bei Frauen (Median 6) höher als bei den Männern (Median 4; p=0,013). Die Lebensqualität nach Mezzich und Cohen stuften Männer (Median 81) tendenziell höher ein als Frauen (Median 77; p=0,068). Beim Chronotyp anhand des D-MEQ zeigte sich kein Unterschied (Median Männer 62, Median Frauen 53,5; p=0,182). Diskussion und Schlussfolgerung Die fehlende Abhängigkeit der objektiven Messergebnisse (PST) von Alter und Geschlecht deckt sich mit den Resultaten einer früheren PST-Studie. Im Gegensatz zu einer Studie bei Bauarbeitern im Tunnelbau während der Tagschicht fand sich bei den hier Untersuchten im Verwaltungsbereich keine Zunahme der Schläfrigkeitswerte durch den Arbeitstag. Schlüsselwörter Alter – Schlafqualität – Lebensqualität – Tagesmüdigkeit – Pupillographischer Schläfrigkeitstest Investigation of age-related changes of sleep quality, quality of life and daytime sleepiness in working men and women older than 50 years Summary Introduction Together with common subjective methods for the assessment of sleep quality, quality of life and subjective alertness a physiological test for the assessment of central nervous activation level was applied in elderly administrators. Methods Healthy subjects between 50 and 65 years could participate in the trial if they did not take drugs with sedative or central stimulating effects. Daytime sleepiness was measured by the pupillographic sleepiness test (PST), a visual analogue scale (VAS) and the Karolinska Sleepiness Scale (KSS). Each participant was examined at the start (V1) and the end (V2) of one working day. Sleep quality, quality of life and chronotype were assessed by the following questionnaires: Pittsburgh-Sleep-Quality (PSQI), Horne-Östberg (D-MEQ), Mezzich-Cohen (QOL). Gender-related differences were tested by the Wilcoxon test, correlations of the questionnaire items with age were determined according to Spearman. Results 90 subjects (25 women, 65 men, mean age 56 years) participated. The lnPUI (Pupillen-Unruhe-Index) did not depend on age (Correlation at V1: r=0,02, p=0,845, V2: r=-0,03, p=0,712) or gender. We did not find an increase of sleepiness by the working day in the sense of a significantly higher lnPUI at V2 (median V1=1,58, median V2=1,69, p=0,586). At the same time subjective tiredness was significantly higher at the end of the working hours compared to V1. The mean QOL score was 78,6, D-MEQ-Score was 59,1 and the PSQI 4,92. PSQI score in women (median 6) was higher than in men (median 4; p=0,013). Men rated (median 81) their quality of life slightly higher than women (median 77; p=0,068). There was no gender difference in the D-MEQ score (median men 62, median women 53,5; p=0,182). Discussion and conclusion The lack of age or gender effects on the objective alertness measures is in line with a former study with the PST. In contradiction to studies in miners during day shift we did not find an increase of physiologically assessed sleepiness by the working day in administrators. Keywords age – sleep quality – quality of life – daytime sleepiness – Pupillographic Sleepiness Test

Schlaf und Lebensalter
Lange Zeit wurden in der Allgemeinmedizin wie in der Schlafmedizin eine Verschlechterung der Schlafquantität und Schlafqualität sowie Schlafstörungen mit zunehmendem Alter als eine gegebene Tatsache angesehen. Ob dies tatsächlich so ist, ob also Schlaf allein durch den Alterungsprozess Einbußen erfährt, wird in den letzten Jahren zunehmend in Frage gestellt1–6. Wie stark dieses Thema angesichts massiver Veränderungen der Alterspyramide in Deutschland von Interesse ist, mag man daran ablesen, dass die Jahrestagung der DGSM 2003 (Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin) dem Thema „Schlaf und Lebensalter“ gewidmet war. Wird der Nachtschlaf durch das Älterwerden per se schlechter? Sind Beschwerden durch Schlaflosigkeit eine selbstverständliche Alterserscheinung? Bei Untersuchungen einer Altersabhängigkeit von Schlafproblemen sind verschiedene Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

· Veränderungen der Schlafstruktur

· Relevanz solcher Veränderungen

· Änderungen der Schlaf-Wach-Gewohnheiten

· Änderungen im sozialen Leben und Gesundheitszustand

· Subjektive Wahrnehmung von Wachheit/Schläfrigkeit und psychischem Wohlbefinden (z.B. Lebensqualität)

· Leistungsfähigkeit bei Tage

· physiologisch gemessener Aktivierungsgrad bei Tage.

Im Mittelpunkt vorliegender Studien stehen die ersten sechs Punkte dieser Aufzählung. Im Folgenden sind die Ergebnisse der Literatur zu diesen Gesichtspunkten aufgeführt. Einschränkend muss erwähnt werden, dass die meisten der interessanten und umfangreichen Studien anhand subjektiver Schlafqualität bzw. Tagesbefindlichkeit durchgeführt wurden, die naturgemäß stets der Erwartungshaltung der Befragten unterliegen.

Veränderungen der Schlafstruktur
Die Schlafarchitektur und -struktur verändert sich eindeutig mit den Lebensjahren in Form einer Abnahme von Slow-Wave-Schlaf (SWS) und REM-Schlaf (rapid eye movements), vermehrten Aufwachereignissen, längerer Wachzeit und geringerer Schlafzeit während der Nacht4,5,7. Diese altersbedingten Veränderungen wurden sowohl in Vergleichen von jungen (meist 20–30 J.) und alten (jenseits des 65. Lebensjahres) Menschen als auch bei Betrachtung des kontinuierlichen Alterseffektes innerhalb homogener Populationen (z.B. 20 bis 95 J.; s.7) festgestellt. Für die meisten polysomnographischen (Schlaflabor-) Parameter finden sich dabei keine Geschlechtsunterschiede. Dabei gibt es einige Ausnahmen: Monk zeigte bei 80- bis 90-jährigen Männern einen deutlich geringeren SW-Schlaf verglichen mit Frauen sowie – bei Menschen in der dritten Lebensdekade – eine kürzere Schlaflatenz (Einschlafzeit) bei Frauen. In der europäischen SIESTA-Studie 7 wachten Männer (untersucht wurden Personen zwischen 20 und 95 Jahren) nachts öfter als Frauen auf und hatten geringere Tiefschlafanteile als diese. Über die Konsequenzen in Gestalt der Tagesbefindlichkeit und somit die Alltags-Relevanz solcher Änderungen in den Schlafaufzeichnungen ist wenig bekannt. Inwieweit sich subjektive Wahrnehmung von Schlaf und Wachheit mit dem Alter verändert, wird unten dargestellt.

Änderungen der Schlaf-Wach-Gewohnheiten
Mit zunehmenden Jahren ändert sich das Nacht-/Tag-Aktivitätsmuster und die Dauer des Nachtschlafs5. Alte Menschen schlafen z.B. auf 24 Stunden umgerechnet nicht kürzer oder länger als jüngere, aber die Verteilung ist eine andere (s. unten). Untersuchungen in zeitgeberfreien Laboren zeigen, dass die zirkadiane Phasenlänge mit dem Alter in der 7., 8. und 9. Lebensdekade abnimmt8. Monk fand bei Alten signifikant mehr Morgentypen als bei Jungen4. Darüber hinaus hatten alte Menschen stabilere Schlafgewohnheiten als junge und verbrachten nachts durchschnittlich eine Stunde weniger im Bett. Viele alte Menschen schlafen jedoch nicht ausschließlich nachts, sondern legen einen Teil der Schlafzeit auf den Nachmittag. In einer Befragung von 13.000 Menschen in drei europäischen Ländern2 stellte sich heraus, dass Tagschlafpausen mit dem Alter (beginnend ab dem 25.–34. Lebensjahr) kontinuierlich zunehmen. Dabei ist ein starker Anstieg ab dem 45. Lebensjahr zu verzeichnen.

Änderungen des sozialen Lebens und des Gesundheitszustands
Nach der Berufs- / Elternphase ändern sich die sozialen Gegebenheiten oft grundlegend und stellen Menschen vor neue Probleme und Aufgaben. In vielen Fällen verringern sich insbesondere soziale Kontakte drastisch. Ohayon1,2 stellte fest, dass das Älterwerden per se nicht zu Schlafstörungen führt. Vielmehr spielen soziale Inaktivität und Unzufriedenheit als Auslöser eine entscheidende Rolle, ebenso wie das Auftreten von Krankheiten. Ältere gesunde, zufriedene Menschen mit gut funktionierenden sozialen Kontakten leiden nicht häufiger an Schlaflosigkeit als gesunde Menschen in jüngeren Altersgruppen2,5. In allen Altersgruppen erweist sich soziale Zufriedenheit und Aktivität als protektiver Faktor gegen Schlaflosigkeit. Die nachteilige Verknüpfung von gesundheitlichen Problemen und Schlafstörungen konnte auch anhand von Schlaflaboruntersuchungen dargestellt werden4.

Änderungen der subjektiven Schlafqualität
Der Pittsburgh-Schlafqualitäts-Fragebogen (PSQI) wird eingesetzt, um subjektive Schlafqualität und Probleme mit Tagesschläfrigkeit zu erfassen. Nach Buysse5 nimmt die damit erfasste subjektive Schlafqualität mit dem Alter ab: gegenüber 97% „guten“ Schläfern bei Jungen fallen im Alter nur noch 68% unter diese Kategorie. Zu gegenteiligen Ergebnissen kamen die europäischen Studien von Ohayon mit Telefoninterviews mit großen Teilnehmerzahlen über das System SLEEPEVAL, bei denen sich kein Alterseffekt auf die Schlafqualität fand1,2. Frauen wiesen in diesen Studien anamnestisch deutlich mehr Merkmale von Schlaflosigkeit auf als Männer. Auch Buysse fand Geschlechtsdifferenzen für die subjektiv erlebte Schlafqualität (junge Frauen) sowie die Zeit bis zum Einschlafen (ältere Frauen) zu ungunsten von Frauen. Gleichzeitig aber zeigten sich die polysomnographischen Parameter nicht geschlechtsspezifisch verändert. Eine Korrelation der Schlaflabor-Parameter mit der subjektiven Wahrnehmung fehlte bei alten Menschen, bei den Jüngeren war sie lediglich für 4 Parameter identifizierbar. Insgesamt stellt Buysse fest, dass die deutlichen altersbedingten Veränderungen der Schlafarchitektur sich allenfalls andeutungsweise in subjektiv schlechterer Schlafqualität und Tagesmüdigkeit widerspiegeln5.

Änderungen der Leistungsfähigkeit
In der europäischen SIESTA-Studie7 prüfte man mit einem 60-minütigen Daueraufmerksamkeitstest nach Quatember Maly Fehlerraten und Reaktionszeiten in Abhängigkeit vom Alter. Beide Parameter nahmen mit zunehmendem Alter zu und es war eine deutliche Verschlechterung nach dem 80. Lebensjahr zu verzeichnen.

Physiologisch gemessener Aktivierungsgrad bei Tage
Die Auswirkung der oben angeführten Veränderungen der Schlafarchitektur auf physiologische Maße ist wenig untersucht. Carskadon9 fand mit dem Multiplen Schlaflatenztest (Paradigma: Schläfrigkeit führt zu rascherem Einschlafen) bei älteren Menschen tagsüber eine stärkere Einschlafneigung als bei jungen. Beim MSLT wird mehrmals am Tage unter EEG-Kontrolle die Zeit (Schlaflatenz) zwischen dem Löschen des Lichts und dem Auftreten von Schlafspindeln beim liegenden Probanden gemessen. Richardson8 zeigte mit der gleichen Methode aber, dass die Schlaflatenz sich zwischen alten (60–83 J.) und jungen (19–23 J.) Personen, die tagsüber und nachts alle zwei Stunden untersucht wurden, nicht unterschied. In der gleichen Studie hatten die Älteren während 24-stündiger Beobachtung eine signifikant niedrigere Körpertemperatur und geringere Amplituden der zirkadianen Schwankungen in der subjektiven Schläfrigkeit. Korrelationen der Schlaflatenz mit den polysomnographischen Daten oder der subjektiv erlebten Schläfrigkeit fanden sich nicht.

Pupillographischer Schläfrigkeitstest zur Messung der zentralnervösen Aktivierung
Der pupillographische Schläfrigkeitstest (PST) ist ein objektives Verfahren zur Messung von Tagesschläfrigkeit und auch direkt am Arbeitsplatz anwendbar. Die spontanen Pupillenoszillationen sind Ausdruck der zentralnervösen Aktivierung10,11. Hohes Aktivierungsniveau drückt sich in stabiler Pupillenweite aus. Bei Schläfrigkeit treten markante Schwankungen der Pupillenweite auf.

Der PST wurde von der Arbeitsgruppe Pupillenforschung an der Universitäts-Augenklinik Tübingen entwickelt und 1997 in die deutsche Schlafmedizin eingeführt12–15. Das Messverfahren wurde von der Universitätsklinik Tübingen patentiert (Deutsches Patentamt Nr. 19649542); das Messgerät wird seit 1997 von der Firma AMTech, Weinheim, hergestellt und vertrieben. Für den PST sind folgende testtheoretische Gütekriterien definiert: Validität, Normierung, Spezifität, Sensitivität, Objektivität, Reproduzierbarkeit11–13,15–20. Die neuroanatomischen und physiologischen Grundlagen des Verfahrens sind in 21 ausführlich beschrieben. Außer dem Zustand nachlassender zentralnervöser Aktivierung („Schläfrigkeit“) sind keinerlei neurologische, endokrine oder sonstige Erkrankungen bekannt, die per se – und nicht über eine Veränderung des Wachheitsgrades selbst – Schläfrigkeitswellen der Pupille verursachen oder verändern würden10. Dieses Merkmal unterscheidet spontane Pupillenoszillationen (welche unter Ausschluss des parasympathisch geregelten Lichtreflex-Regelkreises die zentrale Sympathikusaktivierung widerspiegeln) deutlich von z.B. den Parametern des Pupillenlichtreflexes10. In den letzten Jahren wächst das Interesse an der Anwendung des PST zur Untersuchungen verkehrs- und arbeitsmedizinischer Fragen. Hier geben PST-Studien Aufschluss über Einflüsse heller Beleuchtung am Arbeitsplatz ebenso wie über Effekte der Schichtdauer oder von nächtlichem Bereitschaftsdienst22,23.

In einer Normierungsstudie für den Pupillographischen Schläfrigkeitstest ergaben sich für den Altersbereich 20 bis 60 Jahre keine altersbedingten Effekte auf die Zielgröße PUI (Pupillen-Unruhe-Index) als physiologisches Maß für Schläfrigkeit. In dieser Studie nahm andererseits die subjektiv erlebte Schläfrigkeit mit zunehmendem Alter ab.

Ziele der vorliegenden Studie waren objektive Schläfrigkeitsmessungen im Arbeitsalltag, ergänzt um die subjektiven Angaben der Betroffenen, um eine Aussage über altersbedingte Veränderungen von Schlaf-Wach-Verhalten und physiologisch erfasster Tagesschläfrigkeit bei Beschäftigten im Verwaltungsbereich gewinnen. Dabei sollten gesunde männliche und weibliche Beschäftigte im Alter zwischen 50 und 65 Jahren unter möglichst homogenen Bedingungen untersucht werden.

Probanden
An der Studie nahmen Beschäftigte des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (StMUGV) teil. So konnte die Probandengruppe möglichst homogen bezüglich ihrer Arbeitszeit und Arbeitsbelastung gehalten werden.

Probandenrekrutierung
Einige Wochen vor Beginn der Studie wurden die Beschäftigten des Ministeriums durch die Informationsveranstaltung seitens des STZ und anschließend durch ein hausinternes Rundschreiben auf die Studie aufmerksam gemacht und über den Ablauf informiert. Interessenten wurden gebeten, sich in die Messpläne für ihre gewünschten Termine einzutragen. Das Ministerium wirkte bei der Terminkoordination und Rekrutierung mit. Die Teilnahme an der Studie war freiwillig, erfolgte während der Dienstzeit und wurde nicht honoriert.

Dem Studienprotokoll, der Probandeninformation sowie der Einverständniserklärung zum vorliegenden Vorhaben wurde von Seiten der Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen zugestimmt (Projekt 7/2004V).

Einschlusskriterien
· Männer und Frauen zwischen 50 und 65 Jahren

· Einwilligung der Probanden

Ausschlusskriterien
Hierbei maßgebend waren die Kriterien, die für die Normierungsstudien des PST-Testverfahrens definiert wurden19.

· Bekannte, polysomnographisch diagnostizierte Schlafstörung

· Vigilanz beeinflussende Medikation

· Augentropfen, welche die Pupillenweite beeinflussen

· Weniger als 3 Stunden Nachtschlaf in der Nacht vor PST-Messung

· Sekundär ausgeschlossen wurden Probanden im Falle erheblicher Messartefakte oder schlechter Kooperation bei der PST-Messung

Folgende Kriterien wurden anders als in der Normwertstudie festgelegt:

· Bezüglich Koffein und Nikotin werden die Probanden instruiert, ihren gewohnten Konsum auch am Messtag beizubehalten. Diese Begleitfaktoren wurden protokolliert. Grund für fehlende Einschränkungen von Genussmitteln war die praktische Zielsetzung der Studie und die angestrebte Robustheit der Studienresultate.

Ablauf einer Messung
Die Untersuchungen wurden jeweils zu Beginn und am Ende des Arbeitstages innerhalb der Arbeitszeit durchgeführt. So wurden alle Teilnehmer insgesamt zwei Mal – jeweils zwischen 8:00 Uhr und 10:00 Uhr und 7 Stunden später zwischen 15:00 Uhr und 17:00 Uhr – gemessen.

Der Zeitaufwand pro Teilnehmer und Messung betrug etwa 20 Minuten und gliederte sich wie folgt:

1. 10-minütige Ruhephase vor der PST- Messung in einem Wartebereich vor dem Messraum.

2. Anamneseerhebung

3. Basisuntersuchung der Pupille

4. Instruktion gemäß der Normwertstudie19

„Die Messung dauert 11 Minuten. Während der Messung wird es im Raum dunkel und ruhig sein. Wir werden erst nach Messende wieder mit Ihnen sprechen. Schauen Sie bitte in die Richtung des roten Lichts, Sie brauchen es aber nicht scharf zu sehen. Sie sollten nicht Kopfrechnen oder gedankliche Probleme lösen, sondern einfach entspannt nach vorne schauen. Wir stellen jetzt die Kamera ein und sagen Ihnen, wenn die Messung beginnt.“

1. Durchführung der PST-Messung

2. Selbsteinschätzung der Teilnehmer subjektiven Befinden anhand der Visuellen Analogskala (VAS) und der Karolinska-Schläfrigkeitsskala (KSS)

3. Ausgabe der Fragebögen PSQI, D-MEQ und QOL an die Probanden nach der ersten Messung mit der Bitte, sie bis zur Nachmittagsmessung zu bearbeiten.

Dabei stellen die Punkte 1–6 die standardisierten PST-Abläufe dar. Bei der Nachmittagsmessung wurden die Probanden lediglich zu ihrem Koffein- und Nikotinkonsum vor der Messung befragt und die Fragebögen eingesammelt. Im Anschluss an die zweite Messung wurde auf individuelle Ergebnisse eingegangen und wurden Fragen beantwortet. Bei auffälligen Befunden in mindestens einer Messung wurde ein mögliches weiteres Vorgehen besprochen (s. unten).

Probandenbefragung
Vor Beginn der Messung wurden die Probanden zu einigen, für die Beurteilung der Testergebnisse sowie für den allgemeinen Gesundheitszustand relevanten Punkten befragt:

· persönliches Schlafverhalten (üblicher Nachtschlaf, Nachtschlaf vor der Messung, Tagesschläfrigkeit)

· Vorliegen von Erkrankungen (Diabetes mellitus, Hypertonie, Schilddrüsenerkrankung und Cholesterin)

· Einnahme von Medikamenten mit möglichem Einfluss auf die Vigilanz (Antihypertensiva, Psychopharmaka, Hormonsubstitution)

· Pupillenwirksame Augentropfen (z.B. Pilocarpin, Clonidin).

· Konsum von stimulierenden Genussmitteln (Koffein und Nikotin)

· durchschnittliche Dauer und Art sportlicher Aktivitäten im Wochenverlauf

Basisuntersuchung der Pupille
Vor der Messung wurde bei allen Probanden im dunklen Raum die Pupillengröße und -beweglichkeit untersucht, sowie ein Pupillenwechselbelichtungstest zur Prüfung der afferenten Pupillenbahn durchgeführt. In erster Linie sollte hier die Beweglichkeit der Pupille festgestellt werden. Der Pupillenwechselbelichtungstest (Swinging-Flashlight-Test) diente nur zur Vervollständigung der Basisuntersuchung; ein pathologischer Befund hätte keine Auswirkung auf die Messergebnisse gehabt.

Messräume
Die Messungen erfolgten in 2 Räumen des StMUGV. Bei deren Auswahl wurde darauf geachtet, dass sie sich in wenig frequentierten Abschnitten des Gebäudes befanden. Um die für die Messungen erforderliche Dunkelheit zu gewährleisten, wurden alle Fensterflächen lichtdicht verklebt. Die Temperaturen in den Messräumen konnten durch das Öffnen der Fenster zwischen den Messungen in einem Bereich zwischen 20 und 25° Celsius gehalten werden. Durch Hinweis-Schilder im angrenzenden Korridor wurde für Ruhe während der Messungen gesorgt.

Mess-Situation
In beiden Messräumen wurde je ein PST-Messgerät aufgebaut. Die höhenverstellbare Messeinheit besteht aus einer Kinn- und Stirnstütze zur Positionierung des Probandenkopfes und einer infrarotempfindlichen Videokamera zur Erfassung der Pupille. Zur Beleuchtung der Pupille sowie als Fixationshilfe für den Probanden dient eine schwach sichtbare IR-LED (880 nm) in der Objektivachse. Die Analyse der Pupillenbewegung erfolgt über eine Bildwandlerkarte in Echtzeit mit einer Abtastrate von 25Hz.

Die Messung findet in einem abgedunkelten und ruhigen Raum statt. Die Testperson sitzt möglichst bequem am Messtisch und schaut in Richtung der schwach sichtbaren IR-LED, die nicht unbedingt scharf gesehen werden muss (Abbildung 1). Der Kopf ruht auf der höhenverstellbaren Kinnstütze, diese sowie die Kamera werden so justiert, dass die Pupille zentral im Videobild erscheint. Zur Abschirmung von Restlicht trägt der Proband eine gepolsterte, lichtdichte aber infrarotdurchlässige Brille. Die Messung wird monokular durchgeführt. Der Untersucher kann die Messung über den Computerbildschirm verfolgen und bei Bedarf (Bildunschärfe, unruhige Fixation, Einschlafen etc.) eingreifen 19.

Neben dem Kamerabild der Pupille ist das Messprotokoll dargestellt, das zusätzlich Informationen über den zeitlichen Verlauf von Pupillendurchmesser, Blickbewegung und PUI, die Häufigkeit und Dauer der Lidschläge und die Qualität der Messdaten gibt.

Auswerteparameter
Als Maß für die Schläfrigkeit während der Messung wird der PUI (Pupillen-Unruhe-Index, mm/min) herangezogen. Der PUI ist die Summe der absoluten Änderungen des Pupillendurchmessers während der Messung dividiert durch die Zeit. Er gibt die pupillomotorische Instabilität bzw. die Oszillationstendenz der Pupille wieder. Somit ist der PUI ein Maß für die Schwankungsbreite des Pupillendurchmessers über die Zeit. Je größer die Instabilität der Pupille ist, desto höher fällt der PUI aus. Ein hoher PUI ist charakteristischerweise ein Ausdruck von Schläfrigkeit. Die Werte nehmen mit zunehmender Schläfrigkeit zu. Für die statistischen Analysen wird üblicherweise der natürliche Logarithmus des PUI (lnPUI) herangezogen.

Vorgehen bei Einschlafen
Bei Einschlafen wurde nach kurzer Zeit zunächst mit einem Tonsignal versucht, die Messung fortzusetzen. Erst bei Nichtreagieren wurden weitere Maßnahmen, wie leises Ansprechen ergriffen. In der vorliegenden Studie musste in der Vormittagsmessung bei zwei und in der Nachmittagsmessung bei neun Personen wegen Einschlaf-Ereignissen eingegriffen werden (s. Ergebnisteil).

Vorgehen bei auffälligen PST-Befunden
Für den Fall von auffälligen Messbefunden (hohe PUI-Werte) erhielten die Probanden nach der zweiten Messung ein kurzes Informationsgespräch zu ihren Ergebnissen. Zudem gaben wir bei einer auffälligen Nachmittagsmessung ein Blatt zu Verhaltensmaßnahmen im Interesse der Verkehrssicherheit (zum Beispiel bezüglich der Heimfahrt nach dem Arbeitstag) aus. Eine Empfehlung zu einer schlafmedizinischen Abklärung wurde in den Fällen ausgehändigt, bei denen zu beiden Messzeiten erhöhte Schläfrigkeit feststellbar war. Bei Interesse hatten die Testpersonen die Möglichkeit im Anschluss an die Studie einen Beratungstermin bei der Studienleiterin zu vereinbaren.

Visuelle Analogskala (VAS) Schläfrigkeit
Die Visuelle Analogskala (VAS) dient der Erfassung der subjektiven empfundenen Schläfrigkeit während der Messung. Auf einer 10 cm langen waagrechten Linie mit den Endpunkten „hellwach“ auf der linken und „sehr müde“ auf der rechten Seite markiert der Proband im Anschluss an die Messung seine subjektive Schläfrigkeit mit einer senkrechten Linie. Die Messgröße ist die Länge der Strecke vom linken Ende der Linie bis zur Markierung. Demnach beschreibt eine kürzere Strecke ein höheres Wachheitsniveau. Diese Skala fand sowohl bei der Vormittags- als auch bei der Nachmittagsmessung jeweils nach dem PST Anwendung.

Karolinska Schläfrigkeitsskala (KSS)
Die Karolinska Schläfrigkeitsskala ist eine international gebräuchliche Skala zur subjektiven Einschätzung der Wachheit bzw. Schläfrigkeit. Unter 10 stichwortartig beschriebenen Stufen von 1. „äußerst wach“ bis 10. „äußerst schläfrig, kann nicht wach bleiben“ soll die Testperson nach beiden Messungen diejenige markieren, welche rückblickend am ehesten auf ihr subjektives Befinden während der 11-minütigen PST-Messung zutrifft. Die KSS wurde zusammen mit der VAS angewendet.

Pittsburgh-Sleep-Quality-Index (PSQI)
Der PSQI-Fragebogen5 stellt ein einfaches und effektives Verfahren zur Erfassung der subjektiven Schlafqualität dar. Retrospektiv wird über den Zeitraum der letzten vier Wochen die Häufigkeit schlafstörender Ereignisse, die Einschätzung der Schlafqualität, die gewöhnlichen Schlafzeiten, Einschlaflatenz und Schlafdauer, die Einnahme von Schlafmedikationen, sowie die Tagesmüdigkeit erfragt. Wir zogen 18 Fragen für die Auswertung heran. Diese wurden zu 7 Komponenten zusammengefasst:

Jede der 7 Komponenten kann eine Wertebereich von 0 bis 3 annehmen. Es ergibt sich ein Gesamtscore zwischen 0 und 21, wobei höhere Werte eine schlechtere Schlafqualität ausdrücken.

Horne-Östberg Fragebogen (D-MEQ)
Dieser Fragebogen erlaubt eine Beurteilung des Verlaufs der Tagesschläfrigkeit vor dem Hintergrund der individuell verschiedenen zirkadianen Phasenlage, diese muss dabei zum Zeitpunkt der Messung berücksichtigt werden4,24. Die Phasenlage (Chronotyp) ist ein normal verteiltes Merkmal, dessen extreme Ausprägung als Morgen- und Abendtyp besondere Beachtung findet. So zeigen Morgentypen im Gegensatz zu Abendtypen eine frühere Phasenlage und eine kürzere Periodik ihrer Spontanrhythmik. Morgentypen zeigen ein eher rigides Schlafverhalten und können spätes Zu-Bett-Gehen nicht wie Abendtypen durch längeres Schlafen ausgleichen.

Zur Identifizierung der subjektiven zirkadianen Phasenlage dienen 19 Fragen zum Schlafverhalten und zum Tagesverlauf der Leistungsfähigkeit. In die Auswertung gehen die den Antworten zugeordneten Zahlenwerte ein. Diese werden zu einer Gesamtpunktzahl zwischen 14 und 86 aufsummiert; bei niedrigen Werten liegt eher ein Abendtyp, bei höheren eher ein Morgentyp vor (siehe Tab 2).

Mezzich-Cohen Fragebogen (QOL)
Der Quality of Life Index (QOL) nach Mezzich und Cohen ist ein kurzer normierter Fragebogen zur Selbsteinschätzung des aktuellen Gesundheitszustandes und der Lebensqualität des Befragten. Der Bogen stellt 10 Fragen, die verschiedene Aspekte der Lebensqualität erfassen. Jede Frage wird mit 1 = sehr schlecht bis 10 = sehr gut beantwortet. Zur Auswertung werden die markierten Zahlen auf den 10 Beurteilungsskalen addiert, so dass das Ergebnis Werte zwischen 10 und 100 Punkten annehmen kann. Je höher die Punktzahl, desto höher schätzt die Testperson ihre Lebensqualität ein.

Definition der Zielkriterien und Analyseverfahren
Hauptkriterien der statistischen Auswertung waren die Veränderung des lnPUI mit dem Alter und die Abhängigkeit vom Geschlecht. Des Weiteren wurde der Ermüdungseffekt durch den Arbeitstag (Differenz von lnPUI abends – lnPUI morgens) untersucht. Die Ergebnisse der mit dem PSQI erfassten Schlafqualität wurden zwischen Männern und Frauen verglichen und ihr Zusammenhang mit dem Alter geprüft. Gleiches gilt für die Ergebnisse der VAS und KSS sowie des Horne-Östberg-Fragebogens.

Die begründete Fallzahlschätzung basierte auf einer Power von 80%, einer nachzuweisenden Steigung der Regressionsgeraden von 0,35, einer Standardabweichung von 0,48 lnPUI aus einer PST-Multizenterstudie25 und einem alpha von 0,05. Daraus ergab sich eine Anzahl von 81 zu messenden Probanden.

Für alle Parameter wurde zunächst mit dem Wilcoxon-Test die Werte von Männern und Frauen verglichen. Im Falle eines signifikanten Unterschieds sollten in weiteren Analyseschritten (Betrachtung der Differenzen Abendwert – Morgenwert, Korrelation mit dem Lebensalter, Korrelation der Parameter untereinander) Männer und Frauen getrennt behandelt werden. Beim Fehlen eines solchen Unterschieds sollten alle weiteren Auswerteschritte für die Gesamtgruppe von Männern und Frauen erfolgen.

Ergebnisse
Die Beschreibung der Gesamtgruppe ist Tabelle 1 zu entnehmen.

PST
Der mittlere PUI der Gesamtgruppe lag bei 5,67. Details zum Wertebereich s. Tabelle 2. Der natürliche Logarithmus des PUI lag im Mittel bei 1,60 (SD 0,53). Nahezu kein Unterschied zu Messung 1 war bei Messung 2 mit einem PUI von 5,66 und einem logarithmierte PUI von 1,62 (SD 0,48) zu erkennen.

Der mittlere Pupillendurchmesser lag bei der ersten Messung bei 6,18mm (SD 0,92mm). Bei der zweiten Messung lag er bei 6,03mm (SD 0,90mm).

Bei der ersten Messung schliefen 2 Probanden ein, bei der zweiten Messung waren es 9 Probanden. Es wurden 11 Probanden akute Verhaltensmaßregeln aufgrund von Schläfrigkeit mitgegeben, 8 Probanden wurde eine weitere Abklärung nahe gelegt.

Subjektive Schläfrigkeit nach der PST -Messung
Sowohl für die VAS als auch die KSS lagen die Werte bei der zweiten Messung (VAS: 48,1, KSS: 4,91) etwas höher als bei der ersten Messung (VAS: 36,0, KSS: 4,18; Tabelle 2)

Allgemeine subjektive Scores
Der QOL-Score betrug im Mittel 78,6, der D-MEQ-Score 59,1 und der PSQI 4,92; Tabelle 2).

lnPUI
Es konnte mittels Wilcoxon-Test weder bei der Messung 1 noch bei der Messung 2 ein Geschlechtsunterschied bezüglich des lnPUI nachgewiesen werden (Messung 1: p=0,58; Messung 2: p=0,19). Auch die gemittelten Werte aus Messung 1 und 2 ergaben keinen signifikanten Unterschied (p=0,30) (Tabelle 3).

PSQI
Der PSQI lag bei Frauen mit einem Median von 6 (Mittelwert 6,24) höher als bei den Männern mit einem Median von 4 (Mittelwert 4,42); (Abbildung 2). Dieser Unterschied war nach dem Wilcoxon-Test signifikant (p=0,013). Abbildung 5 macht deutlich, dass vor allem die Qualitätseinschätzung und die Schlaflatenz, also die Zeit bis zum Einschlafen bei Frauen schlechter bzw. länger waren als bei Männern (Tabelle 3).

QOL
Beim QOL lag der Median für die Männer bei 81, für die Frauen bei 77. Dieser Unterschied verfehlte das Signifikanzniveau knapp (p=0,068; Abbildung 2, Tabelle 3)

D-MEQ
Es konnte mittels Wilcoxon-Test kein Unterschied im D-MEQ nachgewiesen werden (p=0,182). Die Mediane lagen bei 62,0 für die Männer und 53,5 für die Frauen (Abbildung 2, Tabelle 3).

Altersabhängigkeiten
Es gibt keine signifikante Korrelation nach Spearman zwischen dem Alter und dem lnPUI – weder für die Messung 1 noch für die Messung 2 (Messung 1: r=0,02, p=0,845, Messung 2: r=-0,03, p=0,712). Auch die Differenz des lnPUI aus Messung 2 minus Messung 2 – das heißt der Ermüdungseffekt durch den Arbeitstag – zeigt keine Korrelation mit dem Alter (r=-0,03, p=0,719).

In Bezug auf den Pupillendurchmesser konnten keine Korrelation mit dem Alter nachgewiesen werden – weder für die erste noch die zweite Messung.

Die Steigung der berechneten Regressionsgeraden (Pupillendurchmesser gegen Alter) beträgt –0,036 mm/Jahr für Messung 1 und –0,016 mm/Jahr für Messung 2.

Ebenso konnten keine Korrelation des Alters mit den Variablen PSQI, QOL, D-MEQ und BMI nachgewiesen werden.

Zusammenhänge des lnPUI mit der subjektiven Schläfrigkeit
Zum Messzeitpunkt 1 konnte keine Korrelation zwischen dem lnPUI und der VAS nachgewiesen werden, ebenso nicht mit der KSS. Die beiden subjektiven Skalen VAS und KSS korrelierten signifikant (r=0,79, p<0,001; Tabelle 4).

Im Gegensatz zum Messzeitpunkt 1 konnten bei der Messung 2 schwache, aber signifikante Korrelationen sowohl mit der VAS (r=0,24, p=0,022) als auch mit der KSS (r=0,25, p=0,017) gezeigt werden. Wie zum Messzeitpunkt 1 korrelierte VAS und KSS sehr deutlich (r=0,89, p<0,001; Tabelle 4).

Vergleich zwischen Messung 1 und Messung 2
Für alle hier betrachteten Variablen gab es signifikante Korrelationen zwischen der Messung zum Zeitpunkt 1 und zum Zeitpunkt 2. Die weitaus stärkste Korrelation zwischen beiden Zeitpunkten zeigte der lnPUI (r=0,64, p<0,001). Die Korrelationen zwischen den Messzeitpunkten von VAS (r=0,32, p=0,002) und der KSS (r=0,34, p=0,001) waren schwächer.

Zu beiden Zeitpunkten erhobene Variablen wurden mit dem Wilcoxon-Test auf Unterschiede überprüft. Der lnPUI zeigte keinen Unterschied zwischen Messung 1 und Messung 2 (p=0,586). Median und der Mittelwert lagen bei der ersten Messung unwesentlich höher.

Die VAS zeigte einen deutlichen Unterschied – sie war für die 2. Messung gegenüber der 1. Messung um 14,5 (Median) erhöht (p=0,000). Auch die KSS zeigte bei der 2. Messung höhere Werte (Median 1, p=0,002; Tabelle 5).

Effekte von Nikotin und Koffein auf lnPUI
Es wurden die Auswirkungen von Nikotinkonsum innerhalb der letzten vier Stunden vor der Messung (ja/nein) und analog des Koffeinkonsum untersucht (Tabelle 6).

Für den lnPUI konnte weder für die 1. noch für die 2. Messung ein Unterschied zwischen den Gruppen mit und ohne Nikotinkonsum in den letzten vier Stunden vor der Messung gezeigt werden (Messung 1: p=0,849, Messung 2: p=0,569).

Bezüglich Koffein konnte für die 2. Messung ein Unterschied zwischen den Gruppen gezeigt werden (p=0,016). Der lnPUI der Probanden mit Kaffeekonsum in den letzten 4 Stunden vor der Messung lag höher. Bei der Messung 1 ließ sich kein Unterschied zeigen (p=0,312) – allerdings waren hier der Mittelwert und der Median für den lnPUI der Probanden mit Kaffeekonsum niedriger.

Vergleich lnPUI mit Referenzwerten früherer Studien
In zwei vorangegangenen Normierungsstudien wurden größere Gruppen von gesunden Normalpersonen zwischen 20 und 60J. jeweils in den Vormittagsstunden mit dem PST untersucht. Mit diesen Studien verglichen wir die Werte der Vormittagsmessung aus der vorliegenden Studie.

Bezüglich des lnPUI konnte zwischen der Normwertstudie (Min. 0,293, Max. 2,54, Median. 1,49) und der Messung 1 (Min. 0,223, Max. 2,65, Median. 1,58) kein Unterschied nachgewiesen werden (p=0,147). Bezüglich einer Multizenter-Studie mit dem PST25 (Min. 0,297, Max. 3,33, Median. 1,50) konnte kein signifikanter Unterschied nachgewiesen werden (Messung 1: p=0,366, Min. 0,223, Max. 2,65, Median. 1,58) Messung 2: p=0,0845, Min. 0,329, Max. 12,75, Median. 1,69). In dieser ging es um den Vergleich von Messwerten verschiedener Zentren (Abbildung 4).

Diskussion
Die objektiv gemessene Tageswachheit/-schläfrigkeit (PST) zeigte in der hier untersuchten Altersgruppe weder eine Altersabhängigkeit noch Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Ebenso wenig fand sich ein Unterschied zwischen den Messungen nach dem Arbeitstag im Vergleich zum Arbeitsbeginn. Teilweise divergieren subjektive Einschätzung und objektive Befunde. Innerhalb der subjektiven Schlaf- und Lebensqualität ergaben sich Geschlechtsunterschiede zu Ungunsten der untersuchten Frauen.

Versuchspersonen
Im gewünschten Altersbereich konnten 90 Personen mit Verwaltungstätigkeiten rekrutiert werden. Das Zahlenverhältnis im gesamten Ministerium zwischen Frauen und Männern beträgt 341 zu 446. In der rekrutierten Altersgruppe betrug dieses Verhältnis jedoch 25 zu 65. Die Ursachen für diese Ungleichverteilung ließen sich nicht klären. Zwar wäre ein besser ausgewogenes Geschlechterverhältnis wünschenswert gewesen, jedoch sind die Geschlechtsvergleiche auf der vorhandenen Zahlenbasis zulässig und aussagekräftig.

Objektive und subjektive Testmethodik
Mit dem PST-Verfahren konnten in vorangegangenen Studien des STZ deutliche Unterschiede durch Arbeitsabläufe unter bestimmten Schichtbedingungen gezeigt werden22,23. Dies galt sowohl für Ermüdungseffekte durch Nachtdienst bei ärztlichem Personal sowie durch körperlich anstrengende Arbeiten in verlängerter Schichtdauer im Tunnelbau. Vor dem Hintergrund derartiger Beobachtungen konnte deshalb erwartet werden, dass das PST-Verfahren auch zur Prüfung der vorliegenden Fragestellung ein praktikables und hinreichend empfindliches Messinstrument ist. Die in dieser Studie verwendeten Fragebögen und Skalen sind international gebräuchlich, so dass ihre Verlässlichkeit und die spätere Vergleichbarkeit von Ergebnissen mit der Literatur gewährleistet waren. Generell ist die Problematik bekannt, dass subjektive Skalen bei der Verwendung im Arbeitsbereich besonders stark durch die Erwartungshaltung der befragten Beschäftigten beeinflusst werden.

Rahmenbedingungen
Um zu robusten Ergebnissen zu kommen, wurden die Probanden aufgefordert, ihre Gewohnheiten bezüglich Koffein- bzw. Nikotingenuss beizubehalten. Lediglich Alkohol war untersagt. Während Nikotin in Übereinstimmung mit Vorstudien26 keinen Effekt auf die Messergebnisse zeigte, findet sich ein scheinbarer Widerspruch bezüglich Koffein, von dem bekannt ist, dass es PUI-Werte mehrere Stunden lang reduziert27. In der Nachmittagsmessung zeigten überraschend solche Versuchspersonen, die zuvor Kaffee getrunken hatten, höhere Schläfrigkeitswerte als die Vergleichsgruppe. Dies könnte man sich allenfalls so erklären, dass vor allem Personen mit Müdigkeitsproblemen in den Nachmittagsstunden Kaffee tranken und wachere Personen eher nicht. Bei der Vormittagsmessung lag hingegen der lnPUI erwartungskonform nach Koffeinkonsum niedriger als bei Personen, die keinen Kaffee getrunken hatten.

Alter und Geschlechts-Effekte auf objektive und subjektive Müdigkeit
Die fehlende Abhängigkeit des lnPUI von Alter und Geschlecht deckt sich mit den Resultaten einer früheren PST-Studie in der Altersspanne 20 bis 60 Jahre, bei der allerdings pro Lebensdekade weniger Probanden untersucht worden waren als in der vorliegenden Untersuchung19. Auch aus einer entwicklungsgeschichtlichen Perspektive scheint das Fehlen einer altersbedingten Zunahme von Tagesschläfrigkeit und Einschlafgefährdung sinnhaft. Rückschlüsse auf Gegebenheiten in höherem Alter jenseits des 65. Lebensjahres. und nach Eintritt in den Ruhestand sind aber aus den hier vorgestellten Daten keinesfalls möglich oder zulässig.

Eine relevante Abnahme der zentralnervösen Aktivierung von der Morgenmessung zur Abendmessung ließ sich nicht objektiv erfassen – allenfalls gaben diskrete Unterschiede der Pupillenweite einen Hinweis in dieser Richtung. Gleichzeitig schätzten sich die Beschäftigten aber nachmittags subjektiv deutlich müder ein als morgens. Möglicherweise liegt diese Diskrepanz in der Erwartungshaltung der Teilnehmer begründet. In der Schlafforschung wird zwischen Müdigkeit (Fatigue) und Schläfrigkeit unterschieden. Während letztere mit Tests zur Erfassung herabgesetzter zentralnervöser Aktivierung quantifiziert werden können, bildet sich erstere nur in subjektiven Skalen bzw. Fragebögen ab. Es wäre somit auch möglich, dass Müdigkeit durch den Arbeitstag zunahm, es aber nicht zu einer signifikanten Zunahme von Schläfrigkeit kam. Schläfrigkeitsskalen können durch subjektive Müdigkeit „verunreinigt“ werden. Es scheint ratsam, in zukünftigen ähnlichen Studien neben solchen Schläfrigkeitsskalen auch spezielle Fatigue-Skalen zu verwenden.

Korrelationen objektiver und subjektiver Messwerte
Aus Untersuchungen größerer Kollektive ist bekannt, dass die Pupillenweite im Altersbereich zwischen 20 bis 60 Jahren um knapp einen halben Millimeter pro Lebensdekade abnimmt10,19. Im Bereich des 60. Lebensjahres wird diese Abnahme allerdings geringer. Der schmale Altersbereich zwischen 50 und 65 Jahren erklärt deshalb die in der vorliegenden Studie gefundene geringe Abnahme der Pupillenweite mit dem Alter.

Verständlicherweise korrelieren die subjektiven Schläfrigkeitsskalen untereinander gut, da beide durch ähnliche Faktoren bestimmt sind. Inkonsistent zwischen Studien hingegen ist der Zusammenhang subjektiver und objektiver Wachheit10. Eine Trainingsphase für die angewandten Messverfahren bzw. Skalen war im Projekt nicht möglich. Deshalb ist es durchaus möglich, dass subjektive Einschätzung und objektive Messwerte beim morgendlichen Messzeitpunkt nicht korrelieren, währen sich nach der Nachmittagsmessung aufgrund von Lerneffekten bezüglich der Skalen ein signifikanter Zusammenhang zeigt. Die Korrelationskoeffizienten zwischen subjektiver und objektiver Tagesschläfrigkeit sind aber hier wie in anderen Studien niedrig10,11,19.

Geschlechtsunterschiede subjektiver Schlafqualität
Der Pittsburgh-Schlafqualitäts-Fragebogen (PSQI) wird eingesetzt, um subjektive Schlafqualität und Probleme mit Tagesschläfrigkeit zu erfassen. Vielfach wird ein Grenzwert von 5 verwendet, um zwischen guter und schlechter Schlafqualität zu trennen. Nach Buysse5 nimmt die damit erfasste subjektive Schlafqualität mit dem Alter ab: gegenüber 97% „guten“ Schläfern bei Jungen fallen im Alter nur noch 68% unter diese Kategorie. Wendet man einen Cut-off-Wert von PSQI 5 an, so fanden sich hingegen in unserer älteren Gesamtgruppe etwa gleich viele gute wie schlechte Schläfer (44/46). Insgesamt liegt der PSQI-Mittelwert mit 4,92 nur leicht über dem von Zeitlhofer28 für 1049 Österreicher im Altersbereich von 18 bis 68 Jahren ermittelten, was man ebenfalls als Hinweis auf eine altersbezogen relativ gute Schlafqualität interpretieren kann.

Ein völlig anderes Bild ergibt sich aber bei nach Geschlechtern getrennter Betrachtung. Während 57% (n=37) der Männer ihren Schlaf als gut erlebten und 43% als schlecht, gaben nur 28% (n=7) der Frauen eine gute Schlafqualität an und 72% (n=18) eine schlechte.

Die ausgeprägt schlechtere subjektive Schlafqualität von Frauen fällt auf und trägt wohl zu der tendenziell schlechter erlebten Lebensqualität bei. Die Ergebnisse schlechterer Schlafqualität von Frauen stimmen mit denen von Buysse und Ohayon überein1,2,5, insbesondere fanden wir wie Buysse eine im Vergleich zu Männern längere Einschlafzeit. Möglicherweise spiegeln die vorliegenden Ergebnisse besondere Belastungen von Frauen in der untersuchten Lebensphase wider. Auch hormonelle Faktoren (Menopause, Hormonsubstitution) könnten hier eine Rolle spielen. Die geringe Gruppengröße ließ aber eine vergleichende Analyse weiterer Untergruppen bei den Frauen nicht zu. Die deutlich schlechtere Schlafqualität der Frauen könnte Anlass für gezielten, gesundheitsbildenden Maßnahmen zum Thema Schlaf und Schlafhygiene für Frauen dieser Altersgruppe geben.

Lebensqualität von Männern und Frauen
Zeitlhofer fand in der genannten umfangreichen österreichischen Studie für Personen jenseits des 50. Lebensjahres einen mittleren Wert von 76,528. Die von uns untersuchte Gruppe zeigte insgesamt mit 78,6 im Vergleich eine leichtgradig bessere Lebensqualität. Aufgrund der Fallzahlen war es nicht möglich genauer zu prüfen, inwieweit sozial bzw. ökonomisch unterschiedliche Lebensbedingungen die festgestellten Trends zu unterschiedlicher Lebensqualität zwischen Männern und Frauen beeinflusst haben könnten.

Chronotypen
Von Griefahn24 wurde an größeren Stichproben von Männern und Frauen zwischen 18 und 68 Jahren (mit einem Schwerpunkt auf jüngeren Erwachsenen im Studentenalter) die deutsche Übersetzung des Morningness-Eveningness-Fragebogens von Horne und Östberg validiert. In dieser Untersuchung wurde für die Gesamtgruppe ein Mittelwert von 49,6 für Frauen und 46 für Männer ermittelt. Auch in unserer Studie ergaben sich für Männer etwas höhere Werte (MW 60) als für Frauen (MW 56,9), d.h. bei Männern der untersuchten Altersgruppe zeigte sich ein leichter Trend zum Morgentyp.

Schlussfolgerungen
Diese wissenschaftliche Untersuchung trägt objektive Wachheitsmesswerte zur Reflektion alters- und geschlechtsspezifischer Unterschiede des Schlaf-Wach-Verhaltens bei. Eine solche Ergänzung erscheint wichtig, zumal die Datenlage bisher von subjektiven Daten (z.B. aus Befragungsaktionen) oder polysomnographischen Ergebnissen dominiert ist. Die hier dargestellten Messwerte der untersuchten Altersgruppe sprechen im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt nicht für höhere Tagesschläfrigkeit älterer berufstätiger Menschen beiderlei Geschlechts, zeigen jedoch eine erheblich schlechtere subjektive Schlafqualität bei Frauen auf.

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