Recht

Extern erbrachte Speziallaborleistungen im Visier des Staatsanwalts

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Nachdem sich die Staatsanwaltschaft Augsburg im Zusammenhang mit dem „Schottdorf-Verfahren“ von Seiten der Politik zuletzt dem Vorwurf ausgesetzt sah, sie habe die Strafverfolgung von Laborärzten und Einsendern wegen angeblich unzulässiger Abrechnung von extern erbrachten Speziallaborleistungen „verjähren“ lassen, kommt diese Abrechungspraxis wieder gezielt auf den Prüftstand. Die Staatsanwaltschaft München I, welche mit Blick auf hunderte von eingeleiteten Ermittlungsverfahren sogar ein Schwerpunktreferat gebildet hat, nimmt dabei eine Vorreiterstellung ein. Es zeichnet sich ab, dass mittelfristig bundesweit Laborärzte und „Einsender“ ins Visier der Ermittlungsbehörden kommen.

Fest steht: Die Weiterberechnung von extern erbrachten Speziallaborleistungen gegenüber Patienten stellt nicht nur einen Verstoß gegen die Vorschriften der GOÄ dar, sondern kann nach einem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25.01.2012 auch den Tatbestand des Betrugs erfüllen.

Fall
Im Zentrum des dortigen Verfahrens stand die Abrechnungspraxis eines Allgemeinarztes, der von einem Labor Leistungen der Klassen M III und M IV bezog und dafür an das Labor nach GOÄ auf der Grundlage eines 0,32– oder 1,0-fachen Steigerungssatzes bezahlte. Gegenüber seinen Patienten ließ er über eine Abrechungsfirma die Analytik mit dem 1,15-fachen Satz abrechnen, ohne offen zu legen, dass jene Leistungen ein Laborarzt erbracht hatte.

Der BGH sah hierin den Tatbestand des gewerbsmäßigen Betruges zulasten der Patienten verwirklicht. Er bestätigte die vom Landgericht München – auch wegen anderer Abrechungsverstöße – ausgesprochene Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten.

Problem
Nach § 4 Abs. 2 GOÄ darf ein Arzt nur „eigene Leistungen“ abrechnen, also Leistungen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden. Für Untersuchungsleistungen des Laborarztes steht dem einsendenden Arzt kein eigener Honoraranspruch zu. Durch eine entsprechende Rechnungsstellung gegenüber dem Patienten wird nach Auffassung des BGH aber genau dies wahrheitswidrig behauptet. Das Argument des betroffenen Arztes, nur die an ihn abgetretene Fremdforderung des Labors eingezogen zu haben, ist für den BGH lediglich eine Schutzbehauptung, um eine in Wahrheit gewollte umsatzabhängige Zuwendung („kick back“) zu verdecken. Der Vermögensschaden des Patienten soll darin bestehen, dass er auf eine tatsächlich nicht bestehende Forderung des Arztes bezahlt. Nach den Feststellungen des Gerichts war dem Allgemeinarzt auch bewusst, dass er sich durch Vortäuschen eines tatsächlich nicht bestehenden Zahlungsanspruchs zu Unrecht bereicherte. Er handelte dennoch (weil er nach eigenen Angaben „das Geld brauchte“) und damit mit Betrugsvorsatz.

Fazit
Mit der Entscheidung des BGH ist eine umstrittene Frage des privatärztlichen Gebührenrechts geklärt. Dies erklärt auch, weshalb gegen zahlreiche Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. Ausgang finden die Ermittlungen dabei meist in der Beschlagnahme von (Sammel-)Rechnungen der Labore gegenüber den Einsendern. „Spiegelbildlich“ werden auch die beteiligten Laborärzte wegen des Verdachts der Beihilfe bzw. Anstiftung zum Betrug von den Staatsanwälten ins Visier genommen.

Bei Abrechnungen, welche zeitlich vor dem Beschluss des BGH vom 25.01.2012 liegen, wird der beschuldigte Arzt noch einwenden können, er habe sich (aufgrund der „unklaren Rechtslage“) in einem sog. Verbotsirrtum befunden. Bei Abrechnungen, welche zeitlich nach dem BGH-Beschluss liegen, bleibt ihm dieser Einwand allerdings regelmäßig versagt (selbst wenn es tatsächlich vom Zufall abhängen wird, ob er vom Beschluss des BGH – z. B. durch entsprechende Berichte in medizinischen Fachzeitschriften – Kenntnis erlangt hat und hierauf durch Umstellen seiner Abrechungspraxis sofort reagieren konnte). Die Erfahrung zeigt außerdem, dass die Staatsanwaltschaft den Privatabrechnungen IgeL-Abrechungen gleichstellt.

Strafrechtlich höchst riskant sind Konstruktionen, bei denen der einsendende Arzt mit der Abrechnung der nicht selbst erbrachten Speziallaborleistungen finanzielle Vorteile erlangt. Aber auch der Arzt, der seinen Patienten aus „Service“ lediglich zusätzliche Korrespondenz mit dem beauftragten Labor ersparen will und deshalb ohne eigenen finanziellen Vorteil die Laborleistungen zusammen („huckepack“) mit den eigenen Leistungen liquidiert, verstößt gegen die Vorschriften der GOÄ – und setzt sich damit Strafbarkeitsrisiken aus. Die fremde Laborleistung wird im Übrigen auch nicht dadurch zur eigenen, dass der Briefkopf des Fremdlabors auf den Befundberichten einfach weggeknickt“ und statt dessen der Briefkopf der eigenen Praxis hineinkopiert“ wird, um damit den Eindruck zu erwecken, man habe die Laboruntersuchung persönlich durchgeführt (vgl. BGH, Beschluss vom 26.02.2003, Az. 2 StT 411/02).

Für den Fall, dass eine Abrechnung der Speziallaborleistungen gegenüber dem Patienten organisatorisch unumgänglich ist (z. B. im Falle der Behandlung von ausländischen Patienten aus dem arabischen Raum, welche nach der Behandlung wieder abreisen und deshalb die Arztrechnung unmittelbar nach der ärztlichen Konsultation zu bezahlen haben), empfiehlt sich folgendes Vorgehen: Der Patient wird vor Bezahlung darüber aufgeklärt, dass die vom ärztlichen Honorar mitumfassten Speziallaborleistungen von extern erbracht worden sind (womit § 4, Abs. 5 GOÄ Rechnung getragen wird). Diesen Hinweis sollte man zu Beweiszwecken auch dokumentieren bzw. sich per Unterschrift der Patienten bestätigen lassen.

Ein weiterer Aspekt, der im aktuellen BGH-Beschluss nur am Rande Erwähnung findet, ist bei der Zusammenarbeit mit Laborärzten grundsätzlich zu beachten: Erhält der Arzt vom Laborarzt für Einsendungen Prämienzahlungen oder andere Zuwendungen (z. B. „versteckt“ in einer Vergütung für angeblich erbrachte Beratungs- oder Konsiliarleistungen oder tatsächlich nicht angefallene Sach- und Unkostenpauschalen), stellt dies einen Verstoß gegen § 31 der Berufsordnung dar. Danach ist es Ärzten nicht gestattet ist, sich für die Zuweisung von Untersuchungsmaterial Entgelt oder andere Vorteile versprechen oder gewähren zu lassen. Wird der Verstoß aufgedeckt, drohen empfindliche berufsrechtliche Sanktionen (z. B. Geldbuße bis zu 50.000 EUR). Um Missverständnissen vorzubeugen, muss andererseits darauf hingewiesen werden, dass Leistungen der Klasse M II (Basislabor) weiterhin „laborgemeinschaftsfähig“ sind, also vom abrechnenden Arzt nicht persönlich erbracht werden müssen (vgl. § 4 Abs. 2, S. 1 GOÄ).

Ausblick
Es zeichnet sich eine neue „Welle“ von Ermittlungsverfahren gegen Laborärzte und einsendende Ärzte ab. Die aktuelle Entwicklung ist bedrohlich. Denn im Falle einer Verurteilung wegen Abrechungsbetrugs droht dem Arzt nicht nur eine Geld- oder Freiheitsstrafe, sondern auch der Entzug der Kassenzulassung und Approbation – und damit das berufliche „Aus“.

Insgesamt ist der Arzt also gut beraten, sich bei der Einsendung von Untersuchungsmaterial an ein Labor nur von der medizinischen Indikation und nicht von „sachfremden Erwägungen“ leiten zu lassen. Fremdlaborleistungen dürfen gegenüber Patienten keinesfalls als eigene Leistung abgerechnet werden. Umgekehrt müssen auch Laborärzte ihre Zusammenarbeit mit Ärzten überprüfen, um sich nicht dem Vorwurf der Beihilfe bzw. Anstiftung zum Betrug auszusetzen. Einsender und Laborärzte sitzen also strafrechtlich „in einem Boot“.

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