Die Novelle der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) von Oktober 2013 ist in vielen betriebsärztlichen Praxen und in vielen Unternehmen innerhalb eines Jahres in den erforderlichen Punkten umgesetzt worden. Das zeigt eine Befragung von fast 800 Arbeitsmedizinerinnen und -medizinern durch die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW). Die darüber hinausgehenden erhofften Veränderungen wie etwa eine Stärkung der Wunschvorsorge scheinen aber bislang noch kaum eingetreten zu sein.
Was sich ändern sollte
Die Überarbeitung der ArbMedVV zielte unter anderem darauf, das Recht auf Selbstbestimmung und den Datenschutz zu stärken. Ferner wurde klargestellt, dass die arbeitsmedizinische Vorsorge nicht mit dem Nachweis der Eignung beruflicher Anforderungen verbunden ist und dass es keinen Untersuchungszwang gibt. In den Vordergrund rückten die individuelle Aufklärung und Beratung.
Umsetzung läuft
Ein Jahr nach Inkrafttreten der Novelle hat die BGW per Fragebogen bei Betriebsärzten und Betriebsärztinnen nach den Folgen geforscht. Fast 800 Personen berichteten dort anhand des jeweils wichtigsten betreuten Betriebs über den Stand der Dinge. Eine große Mehrheit der Befragten hatte trotz teils kontroverser Diskussionen im Vorfeld bereits wesentliche Neuerungen umgesetzt: 88 Prozent der Befragten hatten die Praxisorganisation der Novelle angepasst, 85 Prozent die Vorsorgebescheinigungen entsprechend umgestaltet.
Auch bei der nun explizit geforderten Trennung der Vorsorge von den Eignungsuntersuchungen waren Veränderungen festzustellen: Sie wurde nach Auskunft der Befragten in 58 Prozent der berücksichtigten Betriebe stärker beachtet. Ebenso viele Unternehmen nannten dem Betriebsarzt oder der Betriebsärztin im Untersuchungsauftrag die jeweilige gesetzliche Grundlage. In elf Prozent der Betriebe gab es seit Einführung der Novelle mehr Eignungsuntersuchungen als zuvor.
Beratung weiter gefragt
Ferner sprechen die Befragungsergebnisse dafür, dass die Akzeptanz der betriebsärztlichen Beratungskompetenz weiterhin hoch ist. Nur in zehn Prozent der in der Umfrage berücksichtigten Betriebe lehnten Beschäftigte nun Untersuchungen ab. Gleichzeitig wünschten in neun Prozent der Betriebe die Beschäftigten ausdrücklich zusätzliche Impfungen, Blutabnahmen oder andere medizintechnische Untersuchungen. Allerdings berichteten die Befragten nur aus vier Prozent der betrachteten Betriebe eine stärkere Inanspruchnahme der Wunschvorsorge. Häufiger um Rat gebeten wurden die arbeitsmedizinischen Fachleute beim betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM): Hier konstatierten insgesamt 31 Prozent der Befragten eine Zunahme. Dabei fiel die Nachfrage bei den überbetrieblichen arbeitsmedizinischen Diensten deutlich niedriger aus als bei den innerbetrieblich oder selbstständig tätigen Betriebsärztinnen und -ärzten.
Gesamteinschätzung neutral
Aus Sicht eines Großteils der Befragten hat sich weder die Situation der Betriebsärztinnen und Betriebsärzte noch der betriebliche Gesundheitsschutz durch die Novelle der ArbMedVV verändert. 76 Prozent schätzten die eigene Positionierung im Betrieb als unverändert ein. Weiter erklärten 75 Prozent, die Vorsorge fördere den betrieblichen Gesundheitsschutz wie bisher. 16 Prozent sahen sogar eine Stärkung der Vorsorge. Nur jeweils zwei Prozent sahen einen Anstieg der Eigen- und der Fremdgefährdung.
Fazit und Ausblick
Wir hoffen, dass die Ergebnisse unserer Befragung zu einer Versachlichung der Diskussion bei der weiteren Entwicklung von betriebsärztlichen Tätigkeiten und Rollenbildern beitragen, erklärt Dr. Johanna Stranzinger, Arbeitsmedizinerin in der Forschungsabteilung der BGW. Auch wenn wir für die abgeschlossene Befragung keine Repräsentativität der Stichprobe garantieren können, deuten die Daten klar darauf hin, dass die Umsetzung der Neuerungen im Wesentlichen läuft. Wie sich die Umsetzung weiter entwickelt, soll in einer weiteren Evaluation im Herbst 2015 geklärt werden.