Die Verbreitung von Cybermobbing an Schulen ist bislang eher unterschätzt worden, wie die Daten einer groß angelegten Befragungsstudie der Universitäten Münster und Hohenheim an 33 Schulen im süddeutschen Raum nahelegen.
Ein Drittel der 5656 befragten Schüler ist von Cybermobbing betroffen. Das Spektrum reicht von beleidigenden Mails über das Hochladen von peinlichen Videos auf YouTube bis hin zum Online-Pranger über Facebook. Die Studie zeigt aber auch: Besonders verletzende Formen des Cybermobbing sind vergleichsweise selten. Die Befragung ist Teil des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts Cybermobbing an Schulen. Am weitesten verbreitet sind beleidigende Nachrichten (14,5 Prozent der Befragten gaben an, beleidigende Nachrichten zu schreiben) sowie das Weiterleiten vertraulicher Informationen an Dritte (7,9 Prozent). Für die breite Öffentlichkeit zugängliche Formen von Cybermobbing wie das Hochladen peinlicher Bilder und Videos bei YouTube kommen dagegen eher selten vor (1,9 Prozent). Bei den Opfern von Cybermobbing zeigt sich ein ähnliches Bild: Beleidigungen, das Weiterleiten vertraulicher Informationen und das Verbreiten von Gerüchten sind die am häufigsten berichteten Erfahrungen.
Cybermobbing-Täter können auch Opfer sein
Die Studie zeigt, dass eine klare Unterscheidung zwischen Tätern und Opfern nicht immer möglich ist. Viele Jugendliche berichten, dass sie selbst Opfer wurden, gleichzeitig aber auch andere über das Internet gemobbt haben. Etwa ein Drittel der Betroffenen gehört zu dieser Täter/Opfer-Kategorie, während sich der Rest der Betroffenen jeweils zur Hälfte auf die Täter- und die Opfer-Kategorie verteilt. Mit Blick auf die Schulformen ist die Mischgruppe dieser aggressiven Opfer besonders auffällig: Mit 19,8 Prozent ist an den Hauptschulen der Anteil der Täter/Opfer deutlich größer als an den Realschulen (11,3 Prozent) und Gymnasien (8,4 Prozent). Bei den Tätern (ohne eigene Opfererfahrungen) sind die Werte zwischen den Schulformen dagegen vergleichbar und liegen zwischen elf und zwölf Prozent.
Cybermobbing wird für Racheaktionen eingesetzt
In der Studie wurde das Cybermobbing auch mit traditionellem Schulmobbing verglichen. Dabei zeigt sich, dass das Verhältnis zwischen Tätern und der Täter/Opfer-Gruppe beim traditionellen Mobbing ein anderes ist als beim Cybermobbing. Projektleiter Prof. Dr. Thorsten Quandt vom Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster sagt zu diesem Ergebnis: Das Verhältnis ist beim Cybermobbing deutlich zur Mischkategorie hin verschoben. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass sich das Internet besonders gut für Racheaktionen eignet, wenn man selbst Opfer wurde. An den untersuchten Hauptschulen war dieses Muster besonders auffällig: Die Hauptschüler nutzen das Netz häufiger als Plattform, um sich zu rächen und nach einer erlittenen Mobbing-Attacke virtuell zurückzuschlagen.
Cybermobbing nimmt mit der Klassenstufe zu
Cybermobbing ist zwar bereits bei jüngeren Schülern ein bekanntes Phänomen, doch es nimmt mit den Klassenstufen deutlich zu: Während in der siebten Klassenstufe rund acht Prozent der Schüler als Cybermobbing-Täter gelten können, steigt der Anteil danach deutlich an und liegt in der zehnten Jahrgangsstufe bei über 14 Prozent. Eine ähnliche Entwicklung konnte auch für die Gruppen der Täter/Opfer sowie der reinen Opfer festgestellt werden die Zahlen nehmen mit den Klassenstufen zu.
Studienleiterin Ruth Festl, die die Befragung vom Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Hohenheim aus durchgeführt hat, vermutet einen medienbedingten Effekt: Generell zeigen unsere Ergebnisse, dass Cybermobbing eher zwischen älteren Schülern stattfindet. Beim traditionellen Mobbing ist das nicht der Fall. Eine Erklärung liegt möglicherweise in der höheren Medienkompetenz älterer Jugendlicher. Außerdem nutzen die Älteren das Internet vermehrt ohne elterliche Kontrolle. Das bedeutet: Ältere Jugendliche wissen, wie man das Internet für Attacken nutzen kann, und die Eltern haben gleichzeitig keinen Einblick mehr, was die Jugendlichen im Netz tun.
Langfristig angelegtes Forschungsprojekt
Das Projekt Cybermobbing an Schulen widmet sich langfristig der Erforschung von Mobbing-Phänomenen über das Internet. Als universitäre Grundlagenforschung sollen unabhängig von Interessen Dritter zentrale Fragen zum Cybermobbing beantwortet werden: Welche Mechanismen und Motive stecken hinter Cybermobbing? Welche Rollen spielen die Mediennutzung der Schüler und ihr soziales Umfeld? Dazu werden im Rahmen einer so genannten Panelstudie bis 2015 rund 6000 Schüler insgesamt drei mal differenziert zu ihrem Online-Verhalten und ihren Erfahrungen befragt. So sollen nicht nur kurzfristige Effekte von Cybermobbing identifiziert, sondern auch dahinter liegende Dynamiken und Muster erforscht werden. Auf der so abgesicherten Grundlage können dann sinnvolle und passgenaue Präventionsmaßnamen entwickelt werden.
Mediendienst der Universität Münster