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Kommunale Prävention des Alkoholmissbrauchs

Alkohol ist das am weitesten verbreitete Genussmittel. Allerdings ist der Übergang vom Genuss- zum Suchtmittel fließend. Und als Suchtmittel steht der Alkohol schon an dritter Stelle. Ich nenne Ihnen einige Zahlen aus dem Sucht- und Drogenbericht 2012 für die Bundesrepublik. Wir haben:

· 16 Millionen Raucher und Raucherinnen,

· 1,4 Millionen Abhängige von Medikamenten,

· 1,3 Millionen Abhängige von Alkohol,

· rund 560.000 Menschen sind vom Internet abhängig,

· 540.000 Menschen sind abhängig vom Glücksspiel,

· 220.000 Abhängige von Cannabis,

· 200.000 Konsumenten anderer illegaler Drogen.

Die negativen Folgen belasten nicht nur den Einzelnen, den Konsumenten selber, sie wirken sich auf die gesamte Gesellschaft aus. Hinzu kommen erhebliche volkswirtschaftliche Folgekosten von geschätzt rund 26,7 Mrd. Euro.1

Wie stellt sich nun angesichts dieser Zahlen das Problem vor Ort in den Kommunen dar? Auch hier gilt zunächst wieder: Jenseits der individuellen Betroffenheit einer jeden einzelnen Bürgerin, eines jeden Bürgers selber sind wir als communis – als Gemeinschaft betroffen. Die Folgen von Alkohol-Abhängigkeit sind für eine Kommune spürbar. Denn häufige Begleiterscheinungen sind z.B. Diebstähle, Schlägereien und generelle Enthemmung. Konsumenten geraten dadurch viel eher mit dem Gesetz in Konflikt wie das Beispiel Straßenverkehr belegt. Kommunen sind also sowohl im sozialen, im gesundheitsbezogenen, aber auch im ordnungs- oder strafrechtlichen Bereich gefordert. Und auch das ist die schlichte Wahrheit: Kommunen müssen zur Attraktivitätssteigerung aktiver werden. Ich nenne nur einige Beispiele:

· Der Verlust von Arbeit führt zu Abhängigkeit von Sozialleistungen (z. B. Sozialhilfe).

· Familiäre Problemlagen, psychische Probleme oder auch Gewalt führen zur Beanspruchung örtlicher Hilfssysteme wie Beratungsstellen, Frauenhäusern oder Jugendhilfeeinrichtungen.

· Die Zahl der Krankenhauseinweisungen von Minderjährigen und Erwachsenen steigt („Komasaufen“)

· Sachbeschädigungen oder Verkehrsunfälle zwingen die Kommunen zum Intervenieren und Reparieren.

Es gibt also für Kommunen Anlässe genug, in „kollektive Prävention“ zu investieren. Aber gilt das auch für die individuelle Gesundheit? Nein, Kommunen sind natürlich grundsätzlich nicht für die individuelle Gesundheit ihrer Einwohnerinnen und Einwohner zuständig – dann wären sie Krankenhäuser oder Arztpraxen. Alkoholprobleme sind zunächst ein individuelles Problem: Sie belasten die Einzelnen und zu allererst ihre Familie und hier besonders die Kinder, die zudem ein schlechtes Vorbild erleben. Aber auch Freundschaften, die Nachbarschaft, Arbeitskolleginnen und -kollegen und das gesamte soziale Umfeld. Diese sind auch die ersten, die – ausgehend vom betroffenen Menschen – sich deren Alkoholproblem stellen müssen.

Und natürlich muss sich der Einzelne – hoffentlich unterstützt von seinem sozialen Umfeld – dann an verschiedenen Stellen, beim Hausarzt, Psychologen, Selbsthilfegruppen usw. Hilfe suchen.

Das gilt natürlich nicht für die Menschen, denen all die genannten „Institutionen“ nicht helfen können, z. B. weil sie nicht vorhanden sind; dann – aber auch nur dann – ist die Kommune auch bei individuellen Gesundheitsproblemen unmittelbar gefragt. Aber auch dann muss sie keine neuen Strukturen schaffen, sie muss vielmehr organisieren und managen. Und natürlich gilt auch: Sucht ist eine Krankheit, und für deren Bekämpfung (von der Prävention bis zur Therapie) sind die Krankenkassen da.

Soweit ist die Kommune also grundsätzlich nicht unmittelbar individualmedizinisch gefordert. Heißt das jetzt, Kommunen haben grundsätzlich nichts mit der Prävention von Alkoholabhängigkeit zu tun?

Nein. Es gibt viele Bereiche, in denen Kommunen gefordert sind, wie zum Beispiel durch Kontrollen der Vorschriften des Jugendschutzgesetzes. In Düsseldorf hat das Ordnungsamt z. B. eigens das Düsseldorfer Jugendschutzteam (DJ-Team) gegründet. Gemeinsam mit rund 150 Außendienstkräften des Ordnungs- und Servicedienstes (OSD) überwacht das siebenköpfige DJ-Team die Vorschriften des gewerblichen Jugendschutzes an 365 Tagen im Jahr. Allein diese Zahlen machen übrigens deutlich, welchen Wert es für die Bürgerinnen und Bürger einer Gemeinde hat, wenn sie schuldenfrei ist.

Neben den präventiven Maßnahmen kontrollieren die DJ’s zu unterschiedlichen Zeiten nicht nur die Gastronomiebetriebe und andere Verkaufsstellen, sie sind auch präsent an für die Jugendlichen attraktiven Orten (z. B. in der Altstadt oder den Rheinwiesen). Bei Verstößen gegen die Jugendschutzbestimmungen werden die Eltern angeschrieben und bekommen einen Flyer des Gesundheitsamtes mit Informationen auch zum Suchthilfesystem. Bei schwerwiegenden Vergehen wird das Jugendamt über die Verstöße informiert.

Die Kommunen haben also tatsächlich eine zentrale Bedeutung.

Sie sind zur Steuerung der kommunalen Suchthilfe verpflichtet. Sie kooperieren dabei mit allen Akteuren des Suchthilfesystems – z. B. den Verbänden der Suchtkrankenhilfe mit ihren Suchtpräventions- und therapeutischen Angeboten, der Suchtselbsthilfe, den Vertretern der Wohlfahrtsverbände, der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Vereinigung, der Ärztekammer, mit Reha-Trägern usw.

Ein gesamtstädtisches Steuerungs- und Planungsinstrument kann dabei die Gesundheitskonferenz sein. Hier in Düsseldorf hat sie dazu die „Planungsgruppe Suchtprävention“ eingerichtet. In ihr sind neben den Obengenannten auch die verschiedenen städtischen Ämter eingebunden, die zum Teil wiederum eigenständige Programme aufgelegt haben. Also:

Als Kommune müssen wir Prävention betreiben, indem wir:

· die nötigen Strukturen (weiter)entwickeln und managen,

· Inhalte abstimmen und

· die erforderlichen finanziellen Mittel einsetzen und verteilen: Das gilt für den innerstädtischen Haushalt genauso wie für eine ausreichende Gemeindefinanzierung, Bundesmittel oder finanzielle EU-Projekte.

Wir müssen für die Problematik sensibilisieren, also Gesundheitsförderung betreiben, indem wir Öffentlichkeitsarbeit machen und aufklären. Hier kommen bereits massenmediale Aktionen und Maßnahmen ins Spiel.

Dafür brauchen die Kommunen wichtige Partner wie bspw. die BzgA oder auch die Krankenkassen. Im Rahmen der Planung aller dieser Aktivitäten ist es wichtig, auf nachhaltige und in der Wirksamkeit nachgewiesene Konzepte zu setzen. Nicht zuletzt deshalb, weil die Mittel, die hierfür eingesetzt werden können, begrenzt sind (ob nun im x-ten Anlauf ein Präventionsgesetz zustande kommt, das die vielen guten Ansätze u. a. zur Finanzierung von Gesundheitsförderung und Prävention realisiert, bleibt abzuwarten).

Zurück zur Nachhaltigkeit: Es macht keinen Sinn, dass laut DIMDI-Bericht bundesweit 208 (!) verschiedene Alkoholpräventionsprojekte existieren2, aber gleichzeitig kaum mehr als eine Handvoll dieser Konzepte wirksam evaluiert ist. Es reichen sicher wenige – aber eben gezielte und wirksame Konzepte. Wenn die kommunale Gesundheitsberichterstattung so gut aufgestellt ist, dass es gelingt, Risikogruppen zu identifizieren, dann können die passenden Maßnahmen eingesetzt werden. Hieraus ergibt sich dreifacher Handlungsbedarf:

1. Es ist richtig, die Kommunen zu unterstützen, ihre speziellen Handlungsfelder und -bedarfe zu identifizieren

2. Es ist wichtig, die Wirksamkeit verhaltenspräventiver Maßnahmen zentral nachzuweisen und zu dokumentieren

3. Es ist sinnvoll, die Kommunen bei der Wahl ihrer konkreten Lösungsstrategie zu unterstützen

Denn eine Kommune allein kann die Herausforderungen bei der Prävention der Risiken und Belastungen des Alkoholkonsums sowie bei deren Reduktion und Beseitigung nicht stemmen. Und so heterogen wie die kommunale Familie sind auch die unterschiedlichen Lösungsstrategien in den Kommunen. Aber die Kooperationsfähigkeit der unterschiedlichen Akteure ist bei allen Kommunen vorhanden. Insofern ist der Austausch auf Veranstaltungen wie dieser ein wichtiger Schritt zu noch mehr Vernetzung und Weiterentwicklung im Sinne einer wirksamen kommunalen Alkoholprävention.

Es bleibt die Frage: Wer macht das dann? BZgA und ginko sind gut und sinnvoll! Vor allem als zentrale Stelle zur Evaluation und für den Transfer von best-practice-Lösungen. Besser wäre es allerdings, die Unterstützung von Bund und Ländern bestünde darin, die kommunale Familie mit mehr Mitteln auszustatten. Insofern eine Vision: Werden Sie Töchter der KGSt!

Wir sind alle gefordert, uns dieser für die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger wichtigen Aufgabe gemeinsam zu stellen.

Andreas Meyer-Falcke

Literatur

1. Jahrbuch Sucht 2012 der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS).

2. Schriftenreihe Health Technology Assessment (HTA) in der Bundesrepublik Deutschland, Förderale Strukturen der Prävention von Alkoholmissbrauch, Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), Köln, Institut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), 2012.

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