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Multitasking in realitätsnahen Situationen: Wirkungen auf Leistung, subjektives Empfinden und physiologische Parameter

Zusammenfassung Eine Reihe von Studien zeigt, dass sich die Leistung verschlechtert, wenn Personen „Multitasking“ betreiben, d.h. zwei oder mehr Aufgaben gleichzeitig bearbeiten. Häufig werden in entsprechenden Untersuchungen realitätsferne Reaktionszeitaufgaben eingesetzt. In der vorliegenden Studie wurden mit Hilfe zwei realitätsnaher Szenarios die Effekte von Multitasking untersucht. Veränderungen auf drei Ebenen wurden überprüft: Leistungswerte, subjektives Erleben und physiologische Parameter. Die Daten wurden auch hinsichtlich möglicher Geschlechts- und Altersunterschiede analysiert. Da mögliche Veränderungen im Arbeitsalter im Vordergrund standen, wurden Versuchspersonen zwischen 21 und 60 Jahren untersucht. Es zeigte sich, dass Doppelaufgaben zu Leistungseinbußen und erhöhter subjektiver Anspannung führen. Veränderungen der physiologischen Parameter scheinen von der Art der Aufgabe abzuhängen. Es zeigten sich weder Geschlechtsunterschiede noch zunehmende Verschlechterungen mit dem Alter. Insgesamt legen die Daten nahe, dass Multitasking bei Arbeitstätigkeiten zumindest bei bestimmten Aufgaben reduziert werden sollte, um so Fehler und mögliche Unfälle zu vermeiden. Längerfristige Auswirkungen von Multitasking auf die Leistungsfähigkeit und Gesundheit sollten Gegenstand weiterer Forschungsaktivitäten sein. Schlüsselwörter

· Multitasking

· realitätsnahe Situationen

· Geschlechtsunterschiede

· Altersunterschiede

· multi-tasking

· real-world scenarios

· gender differences

· age differences

Einleitung
Der Begriff „Multitasking“ wird derzeit in vielen Medien diskutiert. Er gilt als wesentliches Merkmal der modernen Arbeitswelt1. Doch ist Multitasking, d.h. die gleichzeitige Bearbeitung von zwei oder mehr Aufgaben überhaupt möglich? Zu welchen Leistungseinbußen und psychischen Fehlbeanspruchungen kann es hierbei kommen? Können Frauen besser „multitasken“ als Männer? Nimmt die Fähigkeit zum Multitasking mit dem Alter ab? All dies sind Fragen, die für den Arbeitsschutz relevant sind.

Die gleichzeitige Ausführung von zwei Aufgaben wurde bereits häufig in der psychologischen Grundlagenforschung mit Hilfe von Reaktionszeitaufgaben untersucht. Hier hat sich gezeigt, dass sich die Leistung in der Regel verschlechtert, wenn man zwei Aufgaben gleichzeitig bearbeitet: Die Reaktionszeit auf einen zweiten Reiz wird wesentlich länger wenn er (sehr) schnell nach dem ersten Reiz dargeboten wird2. Tritt eine solche Störung auf spricht man von „Doppelaufgaben-Interferenz“. Die Erforschung der Ursachen dieser Interferenz ist ein wichtiges Thema in der Grundlagenforschung. Es wird angenommen, dass es einen Engpass zwischen den perzeptuellen und motorischen Verarbeitungsstufen gibt. Wo genau dieser Engpass zu lokalisieren ist, ist bisher nicht abschließend geklärt.

Multitasking in der Arbeitswelt kann zu Fehlern, zum Übersehen wichtiger Informationen sowie zu psychischer Fehlbeanspruchung führen.

Vermutlich sind sowohl Inputprozesse (perzeptuelle Enkodierung) als auch outputbezogene Prozesse (Reaktionsauswahl und -initiierung) betroffen2. Unabhängig davon, an welcher Stelle im Verarbeitungsprozess ein Engpass vorliegt, bleibt festzuhalten, dass sich die Leistung bei Doppelaufgaben üblicherweise verschlechtert. Allerdings lässt sich die Verzögerung, die bei gleichzeitiger Aufgabenbearbeitung entsteht, durch Übung verringern3, 4. In der Regel bleibt jedoch auch nach intensiver Übung noch ein Verzögerungseffekt bestehen. Die Stärke eines Übungseffekts hängt von der Art der Aufgaben und von der Versuchsperson selbst ab.

Außerhalb der Grundlagenforschung, die sich mit den Ursachen der Doppelaufgaben-Interferenz beschäftigt, gibt es immer noch wenige systematische Untersuchungen zu realitätsnahen Multitaskingsituationen5. Eine der wenigen alltäglichen Situationen, die zwischenzeitlich häufiger untersucht worden ist, stellt das Autofahren bei gleichzeitigem Telefonieren dar (vgl. 6). Insgesamt zeigen auch diese Untersuchungen, dass es zu einer Verschlechterung der Fahrleistung kommt. Ophir et al.7 haben „mediale Multitasker“ untersucht, d.h. Personen die mehr als ein Medium gleichzeitig nutzen. Für die Untersuchung mussten zunächst solche Personen identifiziert werden, die sehr starke mediale Multitasker sind und solche, die es nur in geringem Ausmaß sind. Hierzu wurden Personen zunächst befragt, wie viele Medien sie durchschnittlich gleichzeitig konsumieren, sie also beispielsweise gleichzeitig Videos ansehen, Grafiken anklicken, Texte anschauen usw.. Dann wurden die Personen ausgewählt, die sehr viele Medien gleichzeitig nutzen und diejenigen, die unterdurchschnittlich wenig Medien gleichzeitig nutzen. Bei den Personen wurde überprüft, wie gut bei ihnen die „kognitive Kontrolle“ ist, d. h. wie gut sie absichtlich bestimmten Elementen Aufmerksamkeit zuwenden können während sie andere unwichtige Elemente ausblenden. Es zeigte sich, dass die starken „Multitasker“ (sog. Heavy-Media-Multitaskers, HMM) schlechter irrelevante Reize ausblenden können als die unterdurchschnittlichen „Multitasker“ (Light-Media-Multitaskers, LMM). In einem weiteren Experiment zeigte sich, dass die HMM schlechter zwischen Aufgaben hin und her wechseln können als die LMM. Diejenigen, die seltener mediales Multitasking betreiben, können also besser ihre Aufmerksamkeit willentlich auf bestimmte Aspekte richten auch wenn sie durch Distraktoren abgelenkt werden. Ob die schlechtere Leistung der HMM eine Folge des Multitaskings ist oder ob Menschen, die sich generell schlecht auf eine Sache konzentrieren können, zu medialem Multitasking neigen, ist bisher nicht geklärt. Sollte sich zeigen, dass die schlechtere Leistung eine Folge des Multitaskings ist, bedeutet dies für die Zukunft, dass Personen sich immer schlechter auf wichtige Elemente konzentrieren können.

Für Geschlechtsunterschiede beim Multitasking gibt es bisher keine eindeutigen Belege. Lange Zeit wurde der Frage nach Geschlechtsunterschieden bei gleichzeitiger Aufgabenbearbeitung nicht untersucht, so dass bisher keine zuverlässigen Aussagen zu dieser Frage möglich sind. Erste Untersuchungen weisen aber daraufhin, dass es keine Geschlechtsunterschiede gibt (z.B. 8).

Untersuchungen zu Altersunterschieden zeigen in der Regel, dass die Leistungen beim Multitasking mit dem Alter schlechter werden. Das Ausmaß der Verschlechterung hängt aber von der Art der Aufgaben ab. So ist beispielsweise die Verschlechterung bei automatischen Prozessen geringer als z.B. bei schwierigen motorischen Aufgabenkomponenten9. Allerdings vergleichen viele Untersuchungen, die sich mit Alterseffekten beschäftigen lediglich zwei Gruppen miteinander, wobei die eine Gruppe vor allem 20- bis 30-jährige umfasst und die andere Gruppe vor allem über 70-jährige (z.B.10, 11). Es gibt aber auch Studien, die mehrere Altersgruppen miteinander vergleichen. Crook et al.12 kommen zu dem Schluss, dass es pro Dekade eine Leistungsverschlechterung von 5–12% bei gleichzeitiger Aufgabenausführung gibt. Allerdings ist diese Verschlechterung im mittleren Altersbereich, d.h. zwischen 40 und 60 Jahren nicht immer vorhanden, sondern scheint von der Art der Leistung abzuhängen.

Eine Unterscheidung, die selten getroffen wird, aber von hoher Relevanz beim Thema Multitasking ist, ist diejenige nach Aufgaben, die bewusste Aufmerksamkeit erfordern und Aufgaben, die automatisiert ablaufen. Automatisierte, d.h. gelernte und dann sehr häufig ausgeführte Tätigkeiten, wie z.B. das Gehen, benötigen nur wenig Aufmerksamkeit bzw. eine geringe Zuwendung kognitiver Ressourcen13. Bei dieser Art von Aufgabe können gleichzeitig andere Tätigkeiten ausgeführt werden, wie z.B. Sprechen, da hierfür kognitive Ressourcen zur Verfügung stehen. Je weniger jedoch Tätigkeiten automatisiert sind und je mehr bewusste Aufmerksamkeit sie erfordern, umso weniger ist eine gleichzeitige Ausführung möglich. Dies gilt besonders bei fehlerkritischen Tätigkeiten oder bei Tätigkeiten, bei denen die Konsequenzen möglicher Fehler besonders negativ sind.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die gleichzeitige Bearbeitung von zwei oder mehr Aufgaben in der Regel zu einer Leistungsverringerung bzw. Erhöhung der Fehleranzahl führt, die sich auch nur bedingt durch Übung ausgleichen lässt. Das Ausmaß der Verschlechterung ist jedoch von der Art der Aufgaben abhängig und wird vom Alter und möglicherweise vom Geschlecht beeinflusst. Allerdings scheinen sich deutliche Alterseffekte erst ab einem höheren Alter von ungefähr 70 Jahren zu zeigen.

Es sollte eine Unternehmenskultur gefördert werden, die permanentes Multitasking nicht als besondere Leistung anerkennt.

Die Effekte von Multitasking in Bezug auf den Gesundheitsschutz sind bis vor Kurzem nicht betrachtet worden. Aus diesem Grund wurden in der vorliegenden Studie zwei realitätsnahe Szenarien verwendet, bei denen Leistungsdaten, die subjektive Anspannung sowie die Herzrate erhoben wurden. Darüber hinaus wurden mögliche Geschlechts- und Altersunterschiede überprüft. Hierbei interessierte der Altersbereich, in dem Menschen i.d.R. berufstätig sind, d.h. 20- bis 60-jährige Personen.

Methode
Um die Effekte von Multitasking zu untersuchen, wurden zwei Aufgaben verwendet. Hierbei handelte es sich zum einen um eine Fahrsimulation und zum anderen um eine Bürotätigkeit.

Als Fahraufgabe wurde eine sogenannte „Spurwechselaufgabe“ verwendet (Lane-Change-Task14). Hierbei handelt es sich um eine Fahrsimulation, die am PC dargeboten wird und bei der auf einer dreispurigen Straße nach entsprechenden Hinweisreizen jeweils die Spur gewechselt werden muss (Abbildung 1). Vor Beginn der eigentlichen Aufgabe konnten die Versuchspersonen die Aufgabe jeweils so lange üben, bis sie die Bedienung beherrschten. Danach musste die Person einmal 3 Minuten ohne weitere Aufgabe fahren und einmal drei Minuten mit Zusatzaufgaben. Die Person musste gleichzeitig mit der Fahraufgabe nacheinander eine Telefonnummer in ein Handy eingeben, ein Papiertaschentuch aus der Packung holen, abgezähltes Geld aus einem Portmonee nehmen und eine Wegbeschreibung vorlesen.

Bei der „Bürotätigkeit“ wurde der Versuchsperson jeweils ein Wort auf einem Bildschirm dargeboten und sie musste per Knopfdruck entscheiden, ob das Wort keinen, einen oder zwei Rechtschreibfehler enthielt (Abbildung 2). Die Versuchsperson konnte die Aufgabe zunächst anhand von 10 Beispielen üben. Dann musste sie in zwei Blöcken nacheinander jeweils 70 Wörter bearbeiten. In einem der Blöcke musste die Person gleichzeitig eine Zweitaufgabe ausführen. Ihr wurde über Kopfhörer ein gesprochener Text vorgespielt. Sie wurde instruiert, auf diesen Text zu achten, da ihr im Anschluss an den Block hierzu Fragen gestellt wurden. Es handelte sich um einen Text zu einer Einkaufssituation der 70 Sekunden dauerte. Zu diesem Text wurden neun Fragen gestellt. In einer Voruntersuchung hatte sich gezeigt, dass durchschnittlich 7 Fragen richtig beantwortet werden konnten, wenn einem nur der Text vorgespielt wurde.

Während der Aufgabenbearbeitung wurde die Herzrate aufgezeichnet. Das subjektive Empfinden wurde mit Hilfe einer Skala von „entspannt“ bis „angespannt“ jeweils nach den einzelnen Aufgabenblöcken erfasst. Die Abfolge der Aufgaben sowie die Bedingungen innerhalb einer Aufgabe wurden über die Versuchspersonen hinweg ausbalanciert.

Ergebnisse
32 weibliche und 32 männliche Personen zwischen 21 und 60 Jahren nahmen an der Untersuchung teil. Das mittlere Alter betrug 39,8 Jahre. Es gab vier Altersgruppen (21–30 Jahre, 31–40 Jahre, 41–50 Jahre und 51–60 Jahre) die jeweils aus acht Versuchspersonen, d.h. vier Frauen und vier Männer, bestanden.

Spurwechselaufgabe
Die Spurabweichung stieg signifikant von 0,76 Meter ohne Zusatzaufgabe auf 1,2 Meter mit Zusatzaufgabe (t(63) = –7,4, p<.001). Auch die subjektive Anspannung stieg auf einer 10-stufigen Skala signifikant von 2,9 auf 4,8 (t(63) =-8,8 p<.001). Abbildung 3 zeigt die Mittelwerte für die zwei Bedingungen. Auch die Herzrate unterschied sich signifikant zwischen den beiden Bedingungen. Sie stieg von 80,5 Schlägen pro Minute ohne Zweitaufgabe auf 86,1 Schläge pro Minute mit Zweitaufgaben, (t(51) = –3,9, p<.001). Varianzanalysen zeigten, dass es weder Unterschiede zwischen den Geschlechtern noch zwischen den Altersgruppen gab. Büroaufgabe
Die Anzahl richtiger, falscher sowie ausgelassener Reaktionen änderte sich zwischen den beiden Bedingungen bei der Rechtschreibaufgabe nicht. Ohne bzw. mit Zusatzaufgabe gab es durchschnittlich 55,5 gegenüber 55,3 richtige Reaktionen, 12,2 gegenüber 12,3 falsche Reaktionen und 2,4 gegenüber 2,3 ausgelassene Reaktionen. Die Reaktionszeit veränderte sich ebenfalls nicht zwischen den beiden Bedingungen. Sie lag bei der Einzelbedingung bei 2.645 ms und mit Zusatzaufgabe bei 2.666 ms. Hinsichtlich der Zusatzaufgabe gab es jedoch einen deutlichen Unterschied. Von den 9 Fragen, die sich auf den gehörten Text bezogen, konnten durchschnittlich nur 2,27 richtig beantwortet werden. In einer Voruntersuchung, bei der nur der Text dargeboten wurde, lag die Anzahl richtiger Antworten bei 6,98 (n = 40). Der Unterschied ist signifikant (t(102) = 13,55, p<.001, Abbildung 4). Die subjektive Anspannung stieg auf der 10-stufigen Skala signifikant von 3,4 ohne Zusatzaufgabe auf 4,3 mit Zusatzaufgabe (t(63) =-5,6 p<.001. Abbildung 4 zeigt die Mittelwerte für die zwei Bedingungen. Die Herzrate unterschied sich nicht zwischen den beiden Bedingungen (82,5 Schläge pro Minute ohne Zusatzaufgabe vs. 82,2 Schläge pro Minute mit Zusatzaufgabe). Varianzanalysen zeigten keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern und lediglich einen signifikanten Leistungsunterschied bei der Anzahl richtiger Reaktionen abhängig vom Alter. Post hoc Tests zeigten, dass sich die 41- bis 50-jährigen signifikant von den 31- bis 40-jährigen und den 51- bis 60-jährigen unterschieden. Es handelte sich also nicht um eine stetige Veränderung mit zunehmendem Alter. Diskussion
Mit der vorliegenden Studie sollte untersucht werden, inwiefern das Thema „Multitasking“ auch für den Arbeitsschutz relevant ist. Hierzu wurden zwei realitätsnahe Szenarien eingesetzt, bei denen die Leistung, das subjektive Empfinden und die Herzrate einmal ohne und einmal mit Zweitaufgaben gemessen wurden. Die Daten wurden auf Alters- und Geschlechtsunterschiede geprüft. Es zeigte sich, dass Multitasking bei der Fahraufgabe zu signifikant schlechterer Leistung, höherer subjektiver Anspannung sowie einer höheren Herzrate führte. Es gab weder Alters- noch Geschlechtsunterschiede zwischen den Bedingungen. Bei der Büroaufgabe gab es bei der Zusatzaufgabe eine signifikante Leistungsverschlechterung sowie einen Anstieg in der subjektiven Anspannung. Die Herzrate veränderte sich nicht. Bei dieser Aufgabe gab es ebenfalls keine Geschlechts- und so gut wie keine Altersunterschiede.

Hinsichtlich möglicher Geschlechtsunterschiede zeigen die Daten, dass man nicht grundsätzlich davon ausgehen kann, dass sich Männer und Frauen in ihrer Fähigkeit zum Multitasking unterscheiden. Dies kann natürlich auch abhängig von der Art der Aufgabe sein und sollte in weiteren Forschungsarbeiten geprüft werden. Die Studie zeigt auch keine Altersunterschiede für die 20- bis 60-jährigen. Eine zunehmende Leistungsverschlechterung scheint erst ab ca. 70 Jahren einzusetzen. Für das Alter, in dem Personen normalerweise berufstätig sind, scheint es also keine Unterschiede zu geben.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass Multitasking in realitätsnahen Situationen und somit vermutlich auch in der realen Arbeitswelt zu Fehlern und psychischer Beanspruchung führen kann. Dies zieht nicht nur betriebswirtschaftlichen Schaden nach sich, sondern hat auch Implikationen für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten.

Dass Arbeitssituationen jedoch differenziert zu betrachten sind, zeigen die vorliegenden Daten. So blieb die Herzrate bei der Büroaufgabe konstant unter den unterschiedlichen Bedingungen. Es ist zu vermuten, dass die Probanden trotz anderslautender Instruktion die Zweitaufgabe ignorierten, d.h. den gesprochenen Text nicht beachteten. Die Probanden erlebten die Multitasking-Situation also nicht als solche und somit kam es auch nicht zu stärkerer psychophysiologischer Beanspruchung, die während der gesamten Aufgabenbearbeitung gemessen wurde. In dem Moment jedoch, als die Personen merkten, dass sie die Fragen zum Text nicht beantworten konnten, stieg die subjektive Anspannung, die erst am Ende der Aufgabe gemessen wurde.

Fehler, die durch Multitasking entstehen, können in der realen Arbeitswelt auch zu Unfällen und entsprechenden Konsequenzen für die Gesundheit führen. Psychische Fehlbeanspruchung, die durch Multitasking entstehen kann, kann sich ebenfalls negativ auf die Gesundheit auswirken. Multitasking kann auch Langzeiteffekte haben, wie die Untersuchung von Ophir et al.7 nahelegt: Wenn die Fähigkeit sich zu konzentrieren mit vermehrten medialen Multitasking abnimmt, führt dies generell zu einer schlechteren Konzentrationsleistung und entsprechend zu mehr Fehlern. Andererseits gibt es auch Untersuchungen die zeigen, dass sich die Leistung beim Multitasking mit Übung verbessert.

Wenn man sich mit der Frage beschäftigt, wie man mit Multitasking umgehen soll, so sind zwei Punkte zu beachten:

1. automatisierte vs. nicht-automatisierte, d.h. kontrollierte Tätigkeiten

2. mögliche Konsequenzen von Fehlern

Da automatisch ablaufende Prozesse, wie z.B. das Gehen keine bis wenig Aufmerksamkeit beanspruchen, stehen während dessen kognitive Ressourcen für andere Tätigkeiten, wie z.B. Sprechen zur Verfügung. Dies trifft jedoch nur solange zu, wie es sich um eine ebene, gut einsehbare Strecke handelt. In dem Moment, in dem der Weg durch unwegsames Gelände führt, benötigt das Gehen mehr Aufmerksamkeit und es steht weniger für andere Tätigkeiten zur Verfügung. Auch Autofahren ist bis zu einem gewissen Grad automatisiert. Es ließe sich also argumentieren, dass beim Autofahren kognitive Ressourcen für andere Tätigkeiten, wie z.B. Telefonieren zur Verfügung stehen. Dies trifft bis zu einem gewissen Grad zu, aber auch nur solange, bis eine Situation eintritt, bei der mehr Aufmerksamkeit benötigt wird. Bei einem Gespräch mit einem Beifahrer verstummt der Fahrer in einer solchen Situation, um seine gesamte Aufmerksamkeit auf den Verkehr zu lenken. Der Gesprächspartner am Telefon kann die Situation jedoch nicht mit beobachten und versucht das Gespräch weiterzuführen. Solche Situationen sind im Straßenverkehr nicht vorhersehbar und können fatale Konsequenzen nach sich ziehen. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zur Situation des Gehens. Auch hier kann ein Unfall passieren; man kann jedoch davon ausgehen, dass mögliche Unfallfolgen nicht tödlich sind.

Unter welchen Bedingungen Multitasking zulässig ist und unter welchen Bedingungen es auf jeden Fall vermieden werden sollte, ist also abhängig von den Aufgaben und den möglichen Konsequenzen. Je kognitiv beanspruchender Aufgaben sind, umso weniger können sie gleichzeitig ausgeführt werden. Es gibt bereits erste Ansätzen, bei denen versucht wird, das Ausmaß kognitiver Beanspruchung für bestimmte Aufgabentypen zu bestimmen15. Hier wäre weitere Forschungsarbeit wünschenswert.

Unternehmen sollten festlegen, bei welchen Tätigkeiten Multitasking auf jeden Fall zu unterlassen ist. Einfache Appelle an die Beschäftigten reichen jedoch vermutlich nicht aus. So zeigten Lehle et al.16 in einer Untersuchung, dass Personen eine geringere subjektive Anstrengung bei einer parallelen Aufgabenbearbeitung als bei einer seriellen Bearbeitung erlebten. Die Leistungsdaten zeigten jedoch eindeutig eine schlechtere Leistung bei der parallelen Bearbeitung. Möglicherweise unterlagen die Probanden der Illusion, bei der parallelen Bearbeitung besser zu sein. Multitasking sollte bei kritischen Tätigkeiten also möglichst durch eine entsprechenden Arbeitsorganisation erschwert werden. Ist dies nicht möglich, müssen mit den Beschäftigten Maßnahmen vereinbart werden. Gerade das „mediale Multitasking“, d.h. gleichzeitig E-Mails lesen, telefonieren und einer Präsentation folgen, ist nicht immer tatsächlich notwendig. Es kann dem Einzelnen jedoch das Gefühl der höheren Bedeutsamkeit vermitteln. Auch sollte eine Unternehmenskultur gefördert werden, die permanentes Multitasking nicht als besondere Leistung anerkennt.

Insgesamt zeigt sich, dass Multitasking in der Arbeitswelt zu schlechterer Leistung und psychischer Fehlbeanspruchung führen kann. Aus diesem Grund sollte es im Arbeitsschutz beachtet werden. Vor allem bei den Tätigkeiten, bei denen sich Multitasking negativ auf die Leistungsfähigkeit und die Gesundheit auswirken kann, sollte es unbedingt unterbunden werden.

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