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Überlegungen zur Verbesserung der Kooperation zwischen Arbeitspsychologen und Arbeitsmedizinern

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Sowohl die Arbeitsmedizin als auch die Arbeits-, Betriebs-, und Organisationspsychologie blicken jeweils auf eine langjährige Tradition beruflicher Tätigkeiten und einen reichhaltigen Fundus an gesicherten Wissensbeständen zurück. In ihrem jeweiligen Fokus auf den Gegenstand Mensch im Kontext von Umwelteinflüssen, der gewachsenen wissenschaftlichen fundierten disziplinären Herangehensweise, den angewendeten Methoden und Wissensbeständen unterscheiden und ergänzen sie sich zugleich. In fachlicher Hinsicht bilden Arbeitsmedizin einerseits und Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie andererseits zwei sich notwendig ergänzende Teile einer umfassenden Perspektive auf die Risiken in der Arbeitswelt. Insbesondere der tief greifende Wandel, der sich unter anderem in gestiegenen Anteilen an Dienstleistungstätigkeiten und an Produktionsarbeit mit emotional und kognitiv mittelgradig oder hoch beanspruchenden Tätigkeiten ausdrückt, fordert beide Disziplinen in deutlich höherem Maße als bisher heraus, schädigende Wirkungen auf Körper und/oder Psyche zu erkennen und abzuwenden. Die flächendeckende Umsetzung des sich weiter entwickelnden Arbeitsschutzes stellt fachlich und hinsichtlich der personellen Ressourcen eine große Herausforderung dar, die eine Bündelung aller Kräfte im interdisziplinären Zusammenwirken erforderlich macht. Anschließend an eine einführende fachpolitische Einordnung werden in diesem Artikel Schnittstellen der Kooperation im Arbeitsschutz im Hinblick auf die besonderen Kompetenzen von Psychologen für spezifische Aufgabenstellungen dargestellt.

Versorgungspolitische Bestandsaufnahme und laufende politische Diskurse
Viele Bestandsaufnahmen und Forschungsarbeiten legen uns nahe, dass sich die meisten Sozial- und Arbeitsstrukturen wesentlich verändert haben, häufig nicht zum Vorteil des Menschen. Vieles ist mit erhöhter psychischer Belastung und Beanspruchung verbunden, ist schnelllebiger, komplexer, flexibler, intensiver und technischer geworden. Viele Betroffene können damit nicht mehr Schritt halten, ihre Leistungsfähigkeit sinkt oder sie werden krank.

Es würde diesen Beitrag übersteigen, zu diskutieren, in welchem Ausmaß das einer absoluten oder relativen Zunahme, einem Medienhype, einer Enttabuisierung des Krankheitsbegriffes oder besserer struktureller oder professionellerer Gesundheitsversorgung zuzuschreiben ist, auch wenn das sehr interessante Diskussionen zeitigen könnte. Aber selbst bei größtmöglicher Relativierung bleibt dennoch eine signifikante Erhöhung der Nachfrage an die Dienstleistungsangebote der in diesem Beitrag angesprochenen Professionen der Arbeitsmediziner und Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologen festzustellen. Gestiegene Vorgaben im gesetzlichen und untergesetzlichen Bereich erhöhen die fachlichen Anforderungen und die Nachfrage weiter.

Auf der einschlägigen Anbieterseite sind die Ressourcen knapp. Die Arbeitsmedizin leidet unter einem enormen demografischen Problem. Gut die Hälfte der bei der Ärztekammer eingeschriebenen Arbeitsmediziner ist älter als 60 Jahre. Arbeitsmedizinische Lehrstühle werden geschlossen, was insbesondere im Bereich arbeitspsychologischer Inhalte die curriculare Anpassung der künftigen Ausbildungsprogramme an die neuen Anforderungen zudem erschweren. Auch einschlägige arbeitspsychologische Studiengänge und die geringe Nachfrage seitens der Studieninteressenten können die entstehenden Bedarfe nicht ausreichend abdecken. Wenn aber die Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes – diese richten sich bisher explizit an die Profession der Arbeitsmediziner und Sicherheitsfachkräfte – nicht erfüllt werden können, und die aktuellen Ergebnisse des BAuA- Forschungsprojektes F2326 „Darstellung des gegenwärtigen arbeitsmedizinischen Betreuungsbedarfs in Deutschland sowie Abgabe einer Prognose zur Entwicklung des zukünftigen Bedarfs an Ärztinnen und Ärzten mit arbeitsmedizinischer Fachkunde“ zeigen, dass diese Vorgaben bereits heute nicht erfüllt werden können, ruft das die Politik und die Tarifpartner auf den Plan. Beide befürchten, dass dadurch das Gesetz an sich gefährdet ist. Sofern noch mehr Ausnahmegenehmigungen bezüglich der Regelbetreuung erteilt werden müssten, könnte es im schlimmen Fall zu einer Aussetzung der gesetzlichen Vorgaben kommen. Für die Politik wären das angesichts des artikulierten Leidensdruckes der arbeitenden Bevölkerung nicht hinnehmbare Entwicklungen.

Leider gibt es auch durch eine kürzlich vorgelegte Validierungs- und Vertiefungsstudie zur viel diskutierten SIFA-Langzeitstudie keine Entwarnung, was die dortigen Ergebnisse zur niedrigen von Arbeitsmedizinern vorgetragenen Selbstwirksamkeit gegenüber Anforderungen zu den gesetzlich vorgegebenen arbeitsmedizinischen Aufgaben in den Feldern der Sicherheits- und Gesundheitspsychologie betrifft.

Diese Situation hat dazu geführt, dass das BMAS, die Arbeitsschutzbehörden und die Unfallversicherungsträger die öffentliche Diskussion zu Anforderungsprofilen, Kompetenzen und Kernkompetenzen der verschiedenen Professionen, insbesondere der Arbeitsmediziner und einschlägigen Fachpsychologen nachdrücklich verstärkt hat. Das Fazit zur Lage fällt bei den öffentlichen Statements bei der Mehrheit eindeutig aus: „Es ist von einem aus vielfältigen Quellen gespeisten Betreuungsdefizit auf dem Gebiet der psychischen Faktoren auszugehen.“ (siehe auch Werner Hamacher, 2014, „Zeitgemäße betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung – Ressourcen, Tätigkeiten Wirksamkeiten“) Nach einem orientierenden Vorlauf im politischen Prozess kristallisieren sich jetzt Eckpunkte der Vorgaben für die künftige arbeitsmedizinische und arbeitspsychologische betriebliche Betreuung heraus:

· Eine Substituierung arbeitsmedizinischer Kernleistungen steht nicht zur Diskussion.

· Es gibt sowohl unter den Fachpsychologen, als auch in der Mehrheit der politischen Entscheidungsträger keinen Konsens für die Etablierung eines inhaltlich engen und weitreichenden Delegationsprinzips, wie es zum Beispiel in dem Artikel von Falko Kirsch in ErgoMed 2/2014 (38) 16–19 vorgeschlagen wird.

· Es soll auf kooperative, komplementäre Betreuungsansätze „auf Augenhöhe“ hingewirkt werden. Es wird von gleichrangiger Zusammenarbeit im Sinne heterarchischer Vernetzung der Kernkompetenzen ausgegangen.

Das erfordert die Zusammenführung der partnerschaftlichen Leistungen zu einem Leistungspaket bei bestehender Teilautonomie der jeweiligen Kernkompetenzen.

Auch bei der Verpflichtung zum Geheimnisschutz („Schweigepflicht“) gibt es zwischen Ärzten und Psychologen kaum einen Unterschied. Beide unterliegen der Strafandrohung des § 203 StGB. Wenn also Ärzte und Psychologen – mit (mindestens konkludenter) Einwilligung des Betroffenen in die Kommunikation untereinander – kooperieren, unterliegen beide gegenüber Dritten dem gleichen hohen Anspruch an Vertraulichkeit. Lediglich im Strafgerichtsprozess haben Ärzte ein weitergehendes Aussageverweigerungsrecht, sie könnten nicht wie Psychologen im theoretischen Fall bei Aussageverweigerung in Beugehaft genommen werden. Im arbeitsbezogenen Zusammenhang unterliegen beide als Berufsgeheimnisträger den gleichen strengen Pflichten zum Schutz persönlicher Geheimnisse der Beschäftigten. Eher wäre in Bezug auf psychologische individuumsbezogene Erkenntnisse und deren strafbewehrten Schutz die Kooperation mit Sicherheitsfachkräften technischer Qualifikation und anderen Berufe ohne gesetzliche Verpflichtung zum Schutz persönlicher Geheimnisse zu betrachten.

Ganz explizit in Bezug auf die psychische Gefährdungsbeurteilung ist der verhältnispräventive Ansatz vorgegeben. Es geht also im Kernaufgabenbereich nicht um Einzelbefindlichkeiten und rein personenbezogene Ressourcen, sondern um systemische Erkenntnisse zu Arbeitssystemen und zur Arbeitsorganisation, die aufgrund ihres Abstraktionsgrades keiner personenbezogenen Schweigepflicht unterliegen.

Wenn dabei agierenden Psychologen persönliche Probleme einzelner Beschäftigter zur Kenntnis kommen, die zum Beispiel auf eine sich entwickelnde massive psychische Störung hinweisen, besteht hier auch für Psychologen selbstverständlich die Schweigepflicht. Wie im Falle der Einwilligung des Betroffenen zur Teamleistung von Ärzten, besteht auch bei der Bewilligung zur Kooperation von Psychologen und Betriebsarzt die Möglichkeit, diese Informationenan den Betriebsarzt weiterzugeben, der dann im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben handeln kann, was im Idealfall zu einer erfolgreichen Therapie führt.

· Es besteht in der Fachdiskussion zunehmend Konsens darüber, dass das ASiG als auch die DGUV Vorschrift 2 sowohl eine solche multidisziplinäre bedarfs- und qualitätsorientierte Verschränkung fordern als auch ermöglichen. Sie müssten für eine gute Kooperation höchstens leicht, eher redaktionell angepasst werden.

Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen begrüßt diese Entwicklung und möchte mit allen Kräften die beschriebenen multidisziplinären Kooperationsformen etablieren und mit Leben füllen. Der Beitrag stellt neben der situationskritischen Beschreibung zugleich ein Angebot dar, gemeinsam einen fairen Diskussions- und Entscheidungsweg zu beschreiten, der berufsständische Interessen zwar nicht gänzlich negiert, diese aber nicht vorrangig diskutiert. Die Qualität der Angebote soll im Vordergrund stehen.

Eine solche Diskussion könnte beispielsweise im Rahmen des nächsten Kongresses der Sektion Wirtschaftspsychologie des BDP vom 15.-16. Mai 2015 in Form von Beiträgen und einer Podiumsdiskussion sein. Dort soll auf der Basis von Fallstudien gute Praxis multidisziplinärer Zusammenarbeit in konstruktiv-kritischer Weise gemeinsam diskutiert werden, dort allerdings auch unter Einbezug der eher technisch qualifizierten Profession der Sicherheitsfachkräfte und anderer Professionen.

Als inhaltliche Grundlage soll die folgende Beschreibung der Kernkompetenzen dienen, die einschlägige Fachpsychologen in die beschriebene Kooperationsform einbringen können. Die im folgenden Abschnitt genannten Kernkompetenzen stellen die Grundlagenfächer im Studium der Psychologie mit jeweils umfangreichem Lehrplan und entsprechenden Prüfungsleistungen dar.

Gefährdungsbeurteilung, Maßnahmenplanung und Wirkungskontrolle
Eine gute Diagnose ist die Voraussetzung für eine gute Therapie, fehlerhafte Diagnostik führt zum Ergreifen ungeeigneter oder gar schädlicher Maßnahmen und damit verbunden zu negativen gesundheitlichen, sozialen und ökonomischen Folgen. Vor dem Hintergrund der Komplexität der Faktoren bei der Entwicklung von Erkrankungen gilt die Sorgfalt für den Bereich der Diagnostik, also des Feststellens der einflussreichen Belastungsfaktoren und der die Bewältigungsfähigkeit und Widerstandskraft erhaltenden Ressourcen, in besonderem Maß für die Prävention. Ein hoher Grad an Objektivität der Ergebnisse in der Erfassung und Bewertung der Gefährdungen ist die wesentliche Voraussetzung für einen effektiven Arbeitsschutz. Psychologen sind mit ihrer fundierten Ausbildung in Methoden und Statistik, Diagnostik, Wahrnehmung, Erleben und Verhalten von Menschen kompetent in der Erfassung psychischer Belastungen. Sie sind fachlich versiert, die Qualität von Instrumenten und die Verlässlichkeit und Reichweite der damit erzielten Ergebnisse einzuordnen, verschiedene Vorgehensweisen und Instrumente (Interviews, Gruppendiskussionen, Arbeitsproben, Tests und Fragebögen) auszuwählen, anzuwenden und deren Ergebnisse integrativ zu interpretieren. Psychologen können auf der Basis ihrer Methodenkompetenz die Ergebnisqualität der Diagnostik und einer gegebenenfalls durchgeführten Intervention auch evaluieren oder die zu erwartende Effektivität eines Bündels von Maßnahmen einschätzen.

In ihrer Berufspraxis sind angestellte Psychologen und die in der Regel langjährig selbstständig tätigen Wirtschaftspsychologen (neuerer Begriff für Arbeits-, Betriebs-, und Organisationspsychologen) es gewohnt, mit sehr unterschiedlichen Klienten und Klientenkonstellationen zu arbeiten. Ihre Kompetenzen in Sozialpsychologie und Persönlichkeitspsychologie ermöglichen es ihnen, in der Moderation von Gruppenprozessen Dynamiken aufzufangen und Interessenkonflikte zwischen den beteiligten Akteuren und Organisationseinheiten zu berücksichtigen. Die Wahrnehmung ihrer Berufsrolle gestalten sie entsprechend des Charakters der Klientenkonstellation und Aufgabenstellung und unterscheiden daher zwischen diagnostischen Aufgaben, Moderation und Mediation, Beratung von Einzelnen, Gruppen oder Organisationen und Interventionsmaßnahmen bei diesen.

Anforderungen, Kompetenzen und Potenziale
Neben den Kernkompetenzen in den genannten Bereichen verfügen Psychologen über vertiefte wirtschaftspsychologische Anwendungskompetenzen in der Team- und Organisationsdiagnostik und im Besonderen in der Personalauswahl und Personalentwicklung. Sie sind Experten in der Erstellung und im Abgleich von Anforderungsprofilen mit Fähigkeiten und Potenzialen von Bewerbern und Beschäftigten, einschließlich der Planung von Maßnahmen zu Erschließung von Potenzialen und damit der Vermeidung von Überforderung. Die sich wandelnde Arbeitswelt und die demografische Entwicklung machen den Abgleich zwischen einem möglichst aktualisierten und zukunftsgerichteten Anforderungsprofil und den Kompetenzen der Beschäftigten zu einer zunehmend anspruchsvolleren Aufgabe. Die Aufgaben der Personalauswahl, Personalentwicklung und Arbeitsschutz greifen zunehmend Hand in Hand.

Ihre Kompetenzen in Entwicklungspsychologie, in Biologischer Psychologie und Neuropsychologie, in der Gesundheitspsychologie und Klinischer Psychologie ermöglichen es Psychologen, Besonderheiten bei spezifischen Gruppen, wie beispielsweise älteren Arbeitnehmern, Menschen mit Einschränkungen oder Behinderungen, Schwangeren und Jugendlichen, Zeitarbeiter in der Diagnostik fair zu berücksichtigen. Eine kultursensible und diskriminierungsfreie Diagnostik geht über die Auswahl von fairen Verfahren weit hinaus und erfordert besonderes Wissen in der Durchführung und Interpretation der Ergebnisse. Auch bei der Auswahl von Unterstützungsmaßnahmen haben Psychologen das fachliche Wissen, auf Besonderheiten wie spezifische Belastungen, Einschränkungen und deren Kompensation einzugehen.

Diagnostik in und von Systemen
Wesentlich bei der Beurteilung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz ist die überindividuelle Systemperspektive. Anforderungen aus den Arbeitsabläufen, der Arbeitsorganisation und Arbeitsumgebung einschließlich betrieblicher Unterstützungsmaßnahmen müssen ebenso berücksichtigt werden wie Organisations- und Teamklima und Mitwirkungsmöglichkeiten. Die Kompetenzen und praktischen Erfahrungen von Wirtschaftspsychologen in der Organisationsberatung und -entwicklung, in der Entwicklung von Leitbildern, Teamstrukturen und Teamklima sowie des Führungsstils, ermöglichen Psychologen sowohl die individuelle als auch die Organisationsperspektive auf hohem fachlichem Niveau integrativ zu berücksichtigen.

Die Synthese der Einflussfaktoren und Festlegung von Grenzen psychischer Belastung auf der Seite der Arbeitsanforderungen sowie der Erschließung von Ressourcen und Widerstandskräften und die Stärkung der individuellen Gesundheitskompetenz sind hoch anspruchsvolle Aufgaben, die eine vertiefte psychologische Kompetenz erfordern. Eine häufige neue bzw. Reorganisation von Arbeitsabläufen und Arbeitsaufgaben, der Fachkräftemangel und die demographische Entwicklung treten als erschwerende Faktoren hinzu.

Extremereignisse und Arbeitsunfälle müssen medizinisch und psychisch kooperativ versorgt bzw. in ihren Folgen gemindert werden. Im Hinblick auf die psychische erste Hilfe ist eine Verzahnung von medizinischer und psychosozialer Notfallversorgung im Rahmen eines betrieblichen Notfallmanagements erforderlich. Notfallpsychologische Nachsorgemaßnahmen und bei persistierenden psychischen Symptomen die traumatherapeutische Versorgung sind ebenfalls relevante Aufgaben im Gesundheitsschutz, zu denen zertifizierte Notfallpsychologen einen wertvollen Beitrag leisten.

Nicht zuletzt sei erwähnt, dass der Königsweg der Entwicklung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements im Sinne eines nachhaltigen Regelkreises der Ermittlung von Belastungen und Gefährdungen sowie von Ansatzpunkten zu deren Reduktion bzw. Optimierung und zur Stärkung von Ressourcen, der Implementierung und Evaluation von Maßnahmen nicht nur besondere psychologische Kompetenzen, sondern auch das Engagement und die Kooperation vieler Beteiligter erfordert. Auch die Psychologie sieht sich vor Herausforderungen in der Integration arbeitspsychologischer und gesundheitspsychologischer Wissensbestände und deren Weiterentwicklung einschließlich des Tranfers neuer Erkenntnisse und Mittel in die Praxis.

Wenn es um die Stärkung der individuellen Gesundheitskompetenz geht, beispielsweise im Kontext von Stressbewältigungsstrategien, können Psychologen Gruppentrainings mit hoher Durchführungsqualität erbringen. Insbesondere im Coaching von Mitarbeitern zur Verbesserung ihrer Bewältigungsstrategien und von Führungskräften zur Optimierung des Führungsstils und damit des Team- und Organisationsklimas, sind Psychologen die Fachkräfte der ersten Wahl. Besondere Kompetenzen erfordert das berufliche Wiedereingliederungsmanagement (BEM), bei dem ein unterstützender zwischenmenschlicher und kollegialer Umgang mit dem an den Arbeitsplatz zurückkehrenden Mitarbeiters und eine vorübergehende Anpassung der Anforderungen an die unter Umständen noch geminderten Kompetenzen angestrebt wird. Nachwirkungen der psychischen Erkrankung auf die Selbstwirksamkeitserwartung des betroffenen Mitarbeiters müssen dabei ebenso bedacht werden wie die Einstellungen und Haltungen der Kollegen.

Der Berufsverband unterstützt die Entwicklungen im Arbeitsschutz und die Aufgabenwahrnehmung von Psychologen in diesem Bereich durch geeignete Maßnahmen. In diesem Zusammenhang erstellte der BDP einen Bericht zur Thematik, veranstaltete einen Kongress und Pressekonferenzen und etablierte spezifische Fortbildungen für den Nachwuchs. Innerhalb des BDP widmet sich eine kontinuierliche Arbeitsgruppe „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ der weiteren Bearbeitung des Themas. Die Reihe von Informationsmaterialien zu den verschiedensten Themenbereichen im betrieblichen Gesundheitsmanagement steht zur allgemeinen Nutzung öffentlich auf der Homepage des BDP zum Download bereit (https://www.bdp-verband.de/bdp/archiv/ gesunde-arbeit/index. html). Zehn thematische Flyer wurden bislang produziert, weitere sind in Vorbereitung.

Fazit
Arbeitsmediziner und Psychologen sind jeweils im Bereich der körperlichen Gesundheit und der psychischen Gesundheit die benötigten Fachkräfte für die komplexen Aufgaben im Arbeitsschutz. Im Hinblick auf ihr Grundlagen- und Überblickswissen zusammen mit sehr hohen spezifischen Kompetenzen, sind sie unter der fachlichen Perspektive ideale Partner, die sich in ihrem Wissen komplementär ergänzen. Entsprechend der Aufgabe der Entwicklung einer persönlichkeitsfördernden und gesundheitsförderlichen Organisationskultur, bedarf es ebenfalls der Entwicklung einer kooperativen Kultur der verschiedenen Berufsgruppen, die mit ihren Kernkompetenzen zur Bewältigung der Aufgaben im Arbeitsschutz dringend benötigt werden. Nur so können die neuen und wachsenden Herausforderungen im Arbeitsschutz im Volumen und vor allem in ihrer Komplexität geleistet werden. In vielen anderen Bereichen der Versorgung, insbesondere im stationären Sektor und in der Rehabilitation besteht vor Ort bereits eine gute Kooperation zwischen Ärzteschaft und Psychologen. Ansatzpunkte der Entwicklung einer gemeinsamen kooperativen Kultur zwischen Psychologen und Arbeitsmedizinern sind in hohem Maße vorhanden und können effektiv weiterentwickelt werden. Zum Wohl der Mitarbeiter und der Betriebe ist eine enge Kooperation aller Berufsgruppen erforderlich, insbesondere aber zwischen Medizinern und Psychologen.

Fredi Lang,

Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDPP)

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