Rubriken

Zusammenhänge zwischen systolischem Blutdruck und gesundheitspsychologisch relevanten Variablen bei Lehrern

Zusammenfassung Zusammenhänge zwischen psychischen Merkmalen und psychophysiologischen Parametern, wie dem Blutdruck, sind im Kontext der Belastungsbewältigungsforschung hoch relevant. Die hier untersuchte Stichprobe umfasste 79 Lehrer aus Gymnasien und Mittelschulen in und um Leipzig, welche anhand ihrer Entspannungsverläufe in Hypo-, Nomo- und Hypertoniker eingeteilt wurden. Dazu wurden bei diesen Personen verschiedene gesundheitspsychologische Variablen mittels Fragebogen erfasst. Es konnten einige relevante Zusammenhänge zwischen der Gruppenzugehörigkeit und den psychologischen Variablen aufgezeigt werden. Hypotoniker weisen u.a. eine geringere Verausgabungsbereitschaft, sowie ein geringeres Perfektionsstreben im Beruf auf. Sie zeigen ein weniger ausgeprägtes Planungs- und Zielsetzungsverhalten. Zudem geben sie ein geringeres allgemeines Wohlbefinden an. Hypertoniker weisen z.B. ein stärkeres allgemeines Stressempfinden und Bedrohungserleben auf und fühlen sich durch die Angst vor Kontrollverlust innerlich angetrieben. Schlüsselbegriffe

· Blutdruck

· Lehrer

· Stress

· gesundheitspsychologische Merkmale

· blood pressure

· teacher

· distress

· health-related psychological variables

1 Einleitung
Die Berufsgruppe der Pädagogen ist in den letzten Jahrzehnten aufgrund ihrer vielfachen Beanspruchung und der daraus resultierenden, negativen Gesundheitsfolgen (Gamsjäger & Sauer, 1995) deutlich in den Blickwinkel der Forschung gerückt. Dies ist aus der Perspektive neuerer stresstheoretischer Auffassungen, die ein ganzheitliches, psychophysiologisch-soziales Gesundheitskonzept vertreten, zu begrüßen. Die ausgesprochene präventive Orientierung der Modelle vereint sich konzeptionell mit einer multidimensionalen Betrachtungsweise (vgl. Schröder, Reschke, 19922; Schröder, 20023) innerhalb derer die Zusammenhänge zwischen psychologischen, biologischen und nicht zuletzt sozialen Anteilen des Belastungsgeschehens Berücksichtigung erfahren. In diesem Sinne versteht sich die vorliegende Untersuchung als ein Beitrag zu einer multifaktoriellen Betrachtung von Beanspruchung und ihrer Bewältigung, v.a. in der wechselseitigen Dynamik psychischer und somatischer Prozesse. Im Rahmen dieser Studie wurden Zusammenhänge zwischen dem Blutdruck und zahlreichen psychischen Merkmalen bei Lehrern ermittelt, welche die enge Vermaschung psychischer Belastungsverarbeitung mit basalen psychophysiologischen Regulationsprozessen aufzeigen.

Der Blutdruck gilt als ein wichtiges physiologisches Merkmal, das in Zusammenhang mit der Stressverarbeitung steht. Er hängt mit Merkmalen des Erlebens und Verhaltens, insbesondere mit stressassozierten psychischen Merkmalen zusammen. Das wesentliche Ziel der vorliegenden Studie war es, einige dieser Merkmale nachzuweisen, die bei Personen mit hohem, niedrigem oder normalem Blutdruck verstärkt vorliegen. Der Untersuchung liegt dabei die Hypothese zugrunde, dass der zu einem Zeitpunkt bestehende Blutdruck das Ergebnis komplexer nervaler und hormonaler Beeinflussungen sowie homöostatischer Wechselwirkungen ist. Die rhythmische Tätigkeit des Herzens besteht in der Kontraktion (Systole) und der Erschlaffung (Diastole) des Herzmuskels. Mit jedem Herzschlag wird der arterielle Blutdruck auf seinen systolischen Wert getrieben und sinkt zwischen den Herzschlägen auf den diastolischen Wert ab. Der Blutdruck wird in konventionellen medizinisch orientierten Stressmodellen seit langem als bedeutsamer Parameter des Belastungsgeschehens verstanden. Die komplexe Steuerung des Blutdrucks hat in dem im Zwischenhirn liegenden Hypothalamus eine zentrale Steuerungseinheit, die wiederum Impulse von der Hirnrinde und vom limbischen System erhält. Das limbische System steht im Zusammenhang mit der Entstehung von Emotionen und erklärt die Wirkung psychisch-emotionaler Einflüsse auf das Herz-Kreislauf-Geschehen. Der Blutdruck korreliert mit verschiedenen emotionellen Erregungszuständen sowie mit verschiedenen personenbezogenen Besonderheiten der Belastungsverarbeitung auf folgenden Ebenen (Hecht, Andler, Breinl, Lander & Stueck; 2001)4

· emotional (z.B. Ärgerausdrucksstile, Angst, Depressivität),

· kognitiv (u.a. irrationalen Überzeugungen),

· verhaltensmäßig (z.B. Coping-Stile, Gesundheitsverhalten),

· Persönlichkeit (u.a. Seelische Gesundheit, „Sense of Coherence“).

Es liegt somit nahe, im Sinne der oben angesprochenen, multidimensionalen Betrachtungsweise nach einer Verbindung von Blutdruck mit gesundheitspsychologisch relevanten psychologischen Variablen zu suchen. In der Literatur existieren gleichwohl zum Blutdruck als physiologischem Indikator in seinem Zusammenhang mit Belastungen im Lehrerberuf kaum Studien. Die überschaubare Anzahl von Forschungen zu diesem Thema förderte jedoch Interessantes zutage: So konnten etwa Schalling & Svensson (1984)5 einen signifikanten Zusammenhang zwischen niedrigem Blutdruck (Hypotonie) und erhöhten Skalenwerten für Aggression und Feindseligkeit an einer Normalpopulation nachweisen. Wittmann (1989)6 stellt darüber hinaus eine hohe negative Korrelation (r = -0.66) zwischen Blutdruck und Depressionswerten fest, d.h. einen Zusammenhang zwischen niedrigem Blutdruck und depressiven Verstimmungen. Auch Oberleiter (1986)7 wies eine Verbindung von niedrigem Blutdruck mit depressiver Grundstimmung sowie mit Neigung zu Rückzugs- und Vermeidungsverhalten in Belastungssituationen und psychovegetativen Beschwerden seit dem Grundschulalter, nach. Scheuch et al. (1982)8 wies im Verlauf eines Schuljahres an 98 klinisch gesunden Lehrern (September–Juli) vermehrte Schlafstörungen (49%), eine Verminderung der Herzfrequenz, einen Anstieg des systolischen Blutdrucks und des Pulsdrucks nach. Als Kontrollgruppe dienten ihm wissenschaftliche Mitarbeiter. Außerdem fand er Korrelationen zwischen Schlafstörungen und diastolischem Blutdruck (r = 0.30), zwischen Schlafstörungen und peripherem Gefäßwiderstand (r = 0.50), Schlafstörungen und Blutvolumen und Tonus der Hirngefäße beider Hemisphären (r = 0.18).

Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung sollte die Fragestellung beantwortet werden, welche psychischen Merkmale Versuchspersonen (Vpn) mit niedrigem Blutdruck (Hypotoniker) oder hohem Blutdruck (Hypertonikern) aufweisen, im Vergleich zu Vpn mit normalem Blutdruck (Normotoniker). Es wurden dafür Merkmale des Stresserlebens sowie der Stressbewältigung, arbeitsrelevante Erlebens- und Verhaltensmerkmale, Merkmale seelischer Gesundheit und des allgemeinen Befindens, Merkmale der Emotionsregulation sowie persönliche Kompetenz -und Kontrollüberzeugungen erfasst. Dabei wurde im Vorfeld davon ausgegangen, dass Lehrer mit hohem Blutdruck insbesondere ein höheres Stresserleben berichten, stärker auf Leistung und Verausgabung orientierte Erlebens- und Verhaltensmuster aufweisen, sowie allgemein mehr Beschwerden angeben als Lehrer mit normalen bzw. niedrigen Blutdruckwerten. Gemäß den berichteten Studienergebnissen und eigenen Überlegungen gingen wir des Weiteren davon aus, dass Lehrer mit einem niedrigen Blutdruck ein geringeres Stresserleben berichten und sich tendenziell weniger im Arbeitsleben verausgaben, aber auch eine erhöhte depressive Grundstimmung aufweisen.

2 Methode
Insgesamt wurden 79 Lehrer aus Leipziger Schulen untersucht. Die Probanden wurden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Der größere Teil der Stichprobe (58,4%) unterrichtete an Gymnasien, etwa ein Drittel (36,4%) an Mittelschulen und ein kleiner Teil (5,2%) an Grundschulen. Das Durchschnittsalter aller Probanden lag bei 43 Jahren. Lehrerinnen stellten 80% der Stichprobe. Das Durchschnittsalter des weiblichen Teils der Stichprobe lag bei 41,8 Jahren, wogegen die männlichen Probanden ein durchschnittliches Alter von 46,5 Jahren aufwiesen. Ein Großteil (84%) der Probanden unterrichteten zwei oder drei Fächer. Die Studie wurde als 3 x 1-Versuchsplan konzipiert, in dem 3 Versuchsgruppen (Hypotoniker, Normotoniker, Hypertoniker) zu je einem Messzeitpunkt systematisch variiert wurden.

Zur Konstanthaltung des Versuchsleiter-Effektes wurden die Untersuchungen mit einem Versuchsleiter durchgeführt. Die Durchführung der psychophysiologischen Untersuchungen erfolgte stets am Vormittag. Es wurde ein umfangreicher Pool stressrelevanter Variablen erhoben, bei denen ein hypothethischer Zusammenhang zum systolischen Blutdruck angenommen wurde. Zum Zweck der Erhebung der psychischen Variablen wurde eine Fragebogenbatterie mit hauptsächlich standardisierten Fragebögen aus den Bereichen der Klinischen Psychologie, der Persönlichkeitspsychologie und der Arbeits- und Organisationspsychologie eingesetzt (Sonntag, 2001; siehe Tabelle 1)9. Die Verfahren ermitteln verschiedene stress- und gesundheitsrelevante Merkmale von Personen. Zur Messung des Blutdrucks wurde ein handelsübliches Messgerät verwendet.

Zur Analyse der psychischen Variablen kamen zum Großteil testspezifische Auswertungs-Schablonen zur Anwendung. Im Fall des Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM) wurde eine spezifische Auswertungssoftware genutzt. Im Rahmen der Analyse der psychophysiologischen Daten wurden die Personen anhand der erzielten Messwerte in drei Blutdruckgruppen (Hypo-, Normo- und Hypertoniker) unterteilt. Entscheidend für die Diagnosestellung war der systolische Blutdruckwert. Die von uns vorgenommene Unterteilung kann aus Tabelle 2 entnommen werden. Die Versuchspersonen dieser drei Gruppen erwiesen sich hinsichtlich des Alters als homogen. Die Diagnose der Hypertonie richtet sich nach den Kriterien der World Health Organisation (WHO; 1999)10. Kriterien für die Diagnose einer Hypotonie wurden von der WHO nicht definiert. Bezüglich der Hypotonie folgen wir deshalb einer Einteilung nach Huep (1973)11. Personen, die weder die Kriterien für erhöhten noch für erniedrigten Blutdruck aufwiesen, wurden von uns als Normotoniker erfasst.

Zum Nachweis von Unterschieden zwischen Hypo-, Normo- bzw. Hypertonikern bezogen auf die intervallskalierten Werte aus den Fragebögen, wurden nichtparametrische Testverfahren (u-Test) eingesetzt. Um die Analyse nominalskalierter Daten (bei den Variablen „Stresskognitionen“ und „Beschwerden“) durchzuführen, wurden Verteilungsunterschiede mit Hilfe des Chi-Quadrat-Tests ermittelt. Im Ergebnisteil werden aus Platzgründen nur die Ergebnisse angegeben, die signifikant sind (p # 5%) oder einen signifikanten Trend aufweisen (p # 10%).

3.1 Psychologische Besonderheiten von Hypotonikern im Vergleich zu Normotonikern (ordinalskaliertes Datenniveau)
In Tabelle 3 folgen Ergebnisse zu Mittelwertunterschieden zwischen den Hypo- und Normotonikern in den verschiedenen psychologischen Parametern.

Hypotoniker zeichnen sich im Vergleich zu Normotonikern durch folgende signifikante Unterschiede aus:

1. Sie zeigen ein weniger ausgeprägtes exzessives Planungs- und Zielsetzungsverhalten, verbunden mit einem geringeren Bedürfnis nach Kontrolle (p=.034).

2. Sie können ihren Ärger weniger gut kontrollieren (p=.040).

3. Sie geben häufiger an, die gesundheitsförderlichen Einflüsse von Bewegung zu kennen (p=.015).

4. Sie nutzen körperliche Aktivitäten häufiger in sozialen Situationen zur Steigerung des sozialen Wohlbefindens (p=.046).

5. Mit dem Ausmaß ihrer Bewegung (p=.016) und mit ihrem momentanen Wohlbefinden (p=.035) sind Hypotoniker weniger zufrieden.

Hypotoniker zeichnen sich im Vergleich zu Normotonikern durch folgende Unterschiede aus, die als signifikanter Trend interpretiert werden können:

1. Sie glauben weniger daran, von äußeren Bedingungen bzw. Personen abhängig zu sein (Externalität / p=.092; Soziale Externalität / p=.091).

2. Sie zeigen ein geringeres Arbeitsengagement (p=.083) und geringeres Perfektionsstreben (p=.082).

3. Sie schlafen weniger regelmäßig (p=.082).

(ordinalskaliertes Datenniveau)
In Tabelle 4 sind die Ergebnisse zu Mittelwertunterschieden zwischen den Hyper- und Normotonikern in den verschiedenen psychologischen Parametern zusammen gefasst. Es sind nur diejenigen Ergebnisse dargestellt, die auf dem 5%-Signifikanz-Niveau signifikant oder auf dem 10%-Niveau als signifikanter Trend interpretiert wurden.

Hypertoniker zeichnen sich im Vergleich zu Normotonikern durch folgende signifikante Unterschiede aus:

1. Sie fühlten zum Untersuchungszeitpunkt stärkere Verlassenheitsgefühle (p=.007) und wiesen ein gehemmteres Befinden auf (p=.004).

2. Hypertoniker zeigen stärkeres Bedrohungserleben als Normotoniker (p=.047).

Hypertoniker zeichnen sich im Vergleich zu Normotonikern durch folgende Unterschiede aus, die als signifikanter Trend interpretiert werden können:

1. Hypertoniker weisen eine größere Erholungsunfähigkeit auf (p=.056).

2. Sie nutzen körperliche Aktivitäten häufiger in sozialen Situationen zur Steigerung des sozialen Wohlbefindens (p=.083).

3. Hypertoniker zeigen ein gestörteres Allgemeinbefinden p=.053 sowie eine größere Ängstlichkeit p=.098.

4. Hypertoniker geben ein stärkeres allgemeines Stressempfinden an (p=.081) und berichten von vermehrt körperlichen Symptomen bei Stress p = .091.

3.3 Unterschiede zwischen den drei Blutdruckgruppen in ausgewählten Bereichen des Erlebens und Verhaltens (Nominalskaliertes Datenniveau)
Bei den vorangegangenen Analysen wurde mit ordinalskalierten Daten gerechnet. Bei den Variablen „Stresskognitionen“ und „Beschwerden“ handelt es sich um nominalskalierte Daten, die mit Hilfe des Chi-Quadrat-Tests ausgewertet wurde.

3.3.1 Blutdruck und Stresskognitionen
Mit Hilfe des Chi-Quadrat-Tests wurden Unterschiede in den Verteilungen der beobachteten und erwarteten Häufigkeiten zwischen den drei Blutdruckgruppen bezogen auf die erfragten Stresskognitionen abgeschätzt. Bezogen auf die Stresskognitionen („Inneren Antreiber“) geben Hypertoniker von allen Blutdruckgruppen signifikant die häufigsten „Ja-Antworten“ in den Items: „Ich kann mich auf die anderen nicht verlassen“ (38,1%, p = .004), „Ich darf die Kontrolle nicht verlieren“ (66,7%, p = .020) und „Ich habe nicht gelernt, auf die Warnsignale meines Körpers zu hören“ (47,6%, p = .032) (siehe Abbildung 1).

3.3.2 Blutdruck und Beschwerden
Bezüglich des Blutdrucks und der von den Vpn geschilderten Beschwerden (BFB, Höck, K. & Hess, H., 1981)12 ließen sich die folgenden Zusammenhänge abbilden (siehe Abbildung 2):

1. Hypotoniker leiden im Vergleich zu Normotonikern und Hypertonikern stärker an Verstopfung als Zeichen von parasympathischer Überaktivierung (43,8%, p=.050).

2. Hypotoniker erleben weniger häufig das Einschlafen von Körperteilen (12,5%, p=.029).

3. Geruchsempfindlichkeit wird auffallend wenig, nämlich nur von 4,8% (p=.023) der Hypotoniker angegeben.

4. Diskussion
In der vorliegenden Untersuchung ließen sich sowohl tendenzielle als auch sehr deutliche Zusammenhänge zwischen Blutdruck und psychischen Merkmalen feststellen, was ein weiteres Mal auf die enge Verbindung psychischer Merkmale mit physiologischen Regulationsmechanismen hinweist. Die Unterschiede in den Gruppen lassen sich als Folge wechselseitiger Bedingtheit von Blutdruck und psychischen Merkmalen verstehen. Hypertoniker zeigen ein stärkeres Bedrohungserleben als Hypotoniker und beschreiben im Vergleich zu den anderen Blutdruckgruppen erwartungskonform am häufigsten Stresskognitionen sowie ein allgemein höheres Stresserleben. Unter Stress weisen sie im Vergleich häufiger körperliche Symptome auf. Sie sind tendenziell gehemmter in ihrem Verhalten, haben ein höheres Verlassenheitsgefühl und fühlen sich häufiger bedroht. Hoher Blutdruck als ein physiologisches Stresskorrelat kann somit auch in der Lehrerstichprobe durch subjektives Empfinden bestätigt werden. Auf der anderen Seite zeigen in dieser Studie hypotone Lehrer in ihrem Arbeitsverhalten u.a. ein reduziertes Engagement sowie geringeres Planungsverhalten. Auch dieses Ergebnis stützt im Wesentlichen die Vorüberlegungen, nach denen Hypotoniker tendenziell eher auf Schonung im Arbeitskontext orientiert sind. Hypotone Lehrer sind mit ihrem aktuellen Wohlbefinden weniger zufrieden, allerdings konnte, anders als in der Literatur angegeben (Oberleiter, 19867; Wittmann, 19896), ein Zusammenhang zwischen niedrigem Blutdruck und direkt erhöhter Depressivität nicht nachgewiesen werden. Unklar bleibt weiterhin die genaue Richtung des Zusammenhangs zwischen psychischen Variablen und dem Blutdruck als physiologischer Variable. Am sinnvollsten erscheint es, von einer wechselseitigen Beeinflussung beider Komponenten auszugehen, die sich im akuten oder chronischen Stresszustand gegenseitig aufschaukeln können. Längsschnittstudien zu diesem Thema, auch unter besonderer Berücksichtigung der Berufsgruppe der Lehrer, könnten hier mehr Klarheit bringen.

Kritisch muss zudem bemerkt werden, dass die gefundenen Ergebnisse zwar größtenteils erwartungskonform, aber im Vorfeld noch deutlicher erwartet worden sind. So waren einige Ergebnisse nur tendenziell signifikant und bei einer Vielzahl der untersuchten psychischen Variablen konnte überhaupt kein Zusammenhang zum Blutdruck bei den Lehrern festgestellt werden. In der vorliegenden Studie handelt es sich um eine erste explorative Pilot-Studie, deshalb auch die große Anzahl an psychologischen Variablen. In einer weiterführenden Untersuchung mit einer größeren Stichprobe sollten die Unterschiede zwischen den Blutdruckgruppen mittels Varianzanalyse und entsprechenden post-hoc Tests ermittelt werden. Auch sollte sich auf einzelne interessante Konstrukte konzentriert werden (u.a. Stressregulation, Ernährung, Kontrollüberzeugungen, Lebensstile und stressinduzierte Einstellungen). Troz dieser kritischen Einschätzung der Befunde lassen sich einige Praktische Implikationen aus der vorliegenden Studie ableiten.

Praktische Implikationen:

Unter dem Aspekt der Stressprävention/-intervention geht es den vorliegenden Ergebnissen zufolge bei den hypertonen Lehrern v.a. darum, einerseits stressbezogene Kognitionen (z.B. überhöhte Ansprüche an sich und die Umwelt) abzubauen und andererseits geeignete Entspannungsverfahren zu erlernen, um sich bei auftretenden Belastungen physiologisch besser regulieren zu können. Bei den hypertonen Lehrern geht es zusammenfassend um das Thema Emotionsregulation bzw. reflexive Übungen und Psychoedukation zum Zwecke der Änderung ihres Lebensstils. Hierzu ist ein spezielles Stressreduktionstraining mit Yogaelementen für Pädagogen (STRAIMY®) an der Universität Leipzig entwickelt und evaluiert worden (Stueck, M., 2007)24. Mittlerweile arbeiten etwa 100 ausgebildete Kursleiter mit STRAIMY® in Schulen und Kindertagesstätten bzw. Kliniken*. Bei hypotonen Lehrern geht es weniger um emotionsregulierende Methoden, sondern vielmehr um Blutdruck stabilisierende und -erhöhende Maßnahmen, wie z.B. die Einnahme von sympaticotonen Nahrungsmitteln (Kaffee, Schwarzer Tee, Guarana) und Vitalisierungsübungen (tonussteigernde Yoga-Übungen, Sport etc.). Eine Intervention bei hypotonen Lehrern müsste auch unter motivationspsychologischer Sicht ins Auge gefasst werden. Der Reflexion sowie Realisierung persönlicher Lebensziele im Schulkontext könnte dabei eine entscheidende Rolle zukommen und zu einem stärkeren Engagement auf Seiten der Lehrkraft führen. Dies sollte einerseits eine positive Wirkung auf das individuelle Wohlbefinden als auch andererseits auf die Unterrichtsqualität haben.

5 Literatur

1. Gamsjäger E, Sauer J (1995). Burnout bei Lehrern: Eine empirische Untersuchung bei Hauptschullehrern in Österreich. Psychologie in Erziehung und Unterricht (43), 40–56

2. Schröder H, Reschke K (1992). Psychosoziale Prävention und Gesundheitsförderung. Regensburg: S. Roderer-Verlag

3. Schröder H (2002). Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung. In Brähler E & StraußB (Hrsg.), Handlungsfelder in der Psychosozialen Medizin (S. 359–376). Göttingen: Hogrefe

4. Hecht K, Andler S, Breinl S, Lander HJ, Stueck M (2001). In Hecht K, Scherf HP & KönigO (Hrsg.), Emotioneller Stress durch Überforderung und Unterforderung (S. 421–442). Berlin, Milow, Strasburg: Schibri-Verlag

5. Schalling D, Svensson J (1984). Blood pressure and personality. Personality and Individual Differences, 5/1, 41–51

6. Wittmann F (1989). Psychische und körperliche Beschwerden im Vergleich zwischen Hypotonikern und Normotonikern. Dissertation an der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster

7. Oberleiter F (1986). Biografisch-psychologische Hintergründe der essentiellen Hypotonie. Studien zu einem anthropologisch-ganzheitlichen Menschen- und Krankheitsverständnis. Dissertation an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg

8. Scheuch K, Navakatikjan AO; Tomaschevskaja LI; Karpenko AV; Michael K, Rudow B, Schreinicke G & Hüber B (1982). Neurotische Tendenzen und während eines Schuljahres auftretenden Herz-Kreislauf-Veränderungen bei Lehrern. Zeitschrift für ärztliche Fortbildung, 76, 610–615

9. Sonntag A (2001). Psychologische und physiologische Untersuchungen zu Belastungsreaktionen bei Lehrern. Universität Leipzig: Unveröffentlichte Diplomarbeit

10. WHO-ISH: World Health Organization – International Society of Hypertension: Guidelines for the management of hypertension (1999). Journal of hypertension, 17, 151–183

11. Huep WW (1973). Klinik der Hypotonie, In DGross (Hrsg.), Hypo- und Hypertonie (S.132–144). Stuttgart: Hippokrates Verlag

12. Höck K & Hess H (1981). Beschwerdenfragebogen (BFB). Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften

13. Becker P (1989). Der Trierer Persönlichkeitsfragebogen (TPF). Göttingen: Hogrefe

14. Schaarschmidt U & Fischer A (1996). Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster – incl. Auswertungssoftware. Frankfurt/Main: Swets Test Services

15. Richter P, Rudolf M & Schmidt CF (1996). Fragebogen zur Analyse belastungsrelevanter Anforderungsbewältigung (FABA). Frankfurt/Main: Swets Test Service

16. Schröder H & Reschke K (1996). Optimistisch den Stress meistern. Ergebnisse der Evaluation eines neuen Stressbewältigungsprogramms. Universität Leipzig: Institut für Angewandte Psychologie.

17. Hecht K, Balzer HU (1996). Klassifizierung des psychophysiologischen Regulationsverhaltens. Unveröffentlichtes Nutzerhandbuch zum Messgerät des Instituts für Stressforschung Berlin: Berlin

18. Laux L, Glanzmann P, Schaffner P & Spielberger CD (1981). State-Trait-Angst Inventar (STAI). Weinheim: Beltz Test Gesellschaft

19. Schwenkmezger P, Hodapp V & Spielberger CD (1992). State-Trait-Ärgerausdrucks-Inventar (STAXI). Bern, Göttingen, Toronto: Huber Verlag

20. Ullrich de Muynck R & Ullrich R (1977). Das Emotionalitätsinventar als Befindlichkeitsmaß. München: Pfeiffer

21. Krampen G (1991). Fragebogen zu Kontroll- und Kompetenzerwartungen. Göttingen: Hogrefe

22. Jerusalem M & Schwarzer R (1986). Selbstwirksamkeit. In Schwarzer R (Hrsg.), Skalen zur Befindlichkeit und Persönlichkeit (Forschungsbericht 5, Institut für Psychologie, Pädagogische Psychologie, freie Universität Berlin) (S. 15–28). Berlin: Zentrale Universitäts-Druckerei

23. Schuhmacher J, Wilz G, Gunzelmann T & Brähler E (2000). Die Sense of Coherence Scale von Antonovsky – Teststatistische Überprüfung in einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe und Konstruktion einer Kurzskala. Diagnostica, 46 (4), 208–213

24. Stueck M (2007). Neue Wege: Yoga und Biodanza in der Stressreduktion für Lehrer. Strasburg: Schibri

* Informationen zu STRAIMY® und zu Kursleiter-Ausbildungen: www.bildungsgesundheit.de, Übungen zur Regulierung des Blutdrucks, s. Handbuch zum Stressreduktionstraining mit Yogaelementen für Lehrer (Stueck, 2009, Schibri-Verlag)

Aktuelle Ausgabe

Partnermagazine

Akademie

Partner